Gezeichnet

Es war eine laue Sommernacht. Glühwürmchen schwirrten umher, das Feuer knisterte leise und Legolas betrachtete Aragorn über die Flammen hinweg. 

Der Waldläufer war wunderschön, mit seinen dichten dunklen Locken, dem von Wetter zerfurchten Gesicht. Manchmal, wenn er Legolas ansah, spürte der Elb, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, und sich ein warmes Gefühl in ihm ausbreitete. 

Er liebte es, Zeit mit ihm zu verbringen. Er liebte es, wenn sie gemeinsam wanderten, ihre Abenteuer miteinander teilten. 

Er liebte den Klang, wenn Aragorn ihm mit gesenkter Stimme etwas zuraunte, das niemand sonst hören konnte. 

Legolas liebte ihn. 

Und er liebte, dass er ihn liebte. 

Es war, als hätte er noch nie etwas Schöneres gefühlt. 

"Was denkst du?", fragte Aragorn. Er hatte ein Knie aufgestellt, und sein Arm lag lässig darauf. 

Legolas lächelte. "Ich denke darüber nach, wie schön du bist"

Aragorn errötete. Für einen Menschen wäre es im Dunkeln kaum zu erkennen gewesen, aber Legolas sah es.  "Ich sehe aus wie ein Vagabund, dem man lieber aus dem Weg geht, wenn man Ärger vermeiden möchte", sagte er. 

"Dabei hast du noch nicht einmal so viele Narben, die von Ärger zeugen würden", sagte Legolas. 

Der Waldläufer lachte. "Doch. Die sind nur nicht in meinem Gesicht, deshalb fallen sie nicht so sehr auf"

"Wo sind sie dann?", fragte Legolas. 

Aragorn stand auf, setzte sich neben ihn. "Hier" Er zog seinen Ärmel hoch, und entblößte eine schmale weiße Linie, die sich der Länge nach über seine Speiche zog. 

"Das sieht übel aus. Was ist passiert?", fragte Legolas. 

"Ein Ork" Er verzog das Gesicht. "Es ist aber gut verheilt"

Dem Waldelben wurde klar, dass er wenig Ahnung davon hatte, wie oft sich Menschen verletzten. Oder hinterließen ihre Wunden nur öfter Narben? "Hast du noch mehr?", fragte er, konnte die Neugier in seiner Stimme nur mit Mühe verbergen.

Aragorn nickte, und knöpfte sein Hemd auf. Quer über seine Brust zogen sich drei parallele Striche, wie Krallenspuren. Anders als die feine weiße Linie waren sie nicht gut verheilt, stellenweise wulstig und rosa. 

"Oh", sagte Legolas. 

"Das ist nicht, was ich dir zeigen wollte" Er grinste und wandte ihm den Rücken zu, der gesprenkelt war mit vielen merkwürdigen Spuren, die Legolas nicht richtig einordnen konnte. 

"Aragorn, das ist schrecklich", sagte er. "Wie kommt es, dass du dich so oft verletzt?"

Der Waldläufer sah ihn irritiert an. "Das sind Spuren eines langen Lebens, nichts weiter. Wenn ich Narben vermeiden wollen würde, müsste ich mich auf ewig in Bruchtal verstecken. Die auf dem Rücken habe ich bekommen, als ich in Harad in Schwierigkeiten und dann ins Gefängnis geraten bin. Aber es war ja trotzdem gut, dass ich nach Harald gegangen bin."

"Ich habe länger gelebt als du, und ich habe nur eine einzige Narbe", sagte Legolas. "Das sind doch nicht einfach Spuren eines langen Lebens!"

"Du vergisst, dass Menschen etwas langsamer und weniger widerstandsfähig sind als Elben" Der Waldläufer grinste wieder. Legolas verstand nicht, wie er das lustig finden konnte. Er musste Schmerzen gehabt haben, viele Schmerzen. "Was ist das eigentlich für eine einzige Narbe, die du hast, Legolas?"

Die Narbe, von der er sprach, befand sich auf Legolas' linkem Oberschenkel. "Eine alte Pfeilwunde", sagte er. "Ich hatte Glück, dass Heiler in der Nähe waren"

"Darf ich sie sehen?" 

"Sie...ähm...ich müsste meine Hose ausziehen, sie ist auf meinem Bein"

Aragorn zuckte die Schultern. "Dann eben nicht. Aber sag, wieso bist du so verstört?"

Legolas biss sich auf die Lippe. "Du hättest so oft schon sterben können. Das macht mir Angst"

Aragorn zuckte die Schultern. "In vielen Ländern der Menschen ist man stolz auf seine Narben, weil sie zeigen, was man durchgemacht und überlebt hat. Ein vernarbter Krieger ist vielleicht einer, der oft verletzt wurde, aber auch einer, der oft überlebt hat. Wir tragen sie mit Stolz, als Andenken an die Tage, an denen wir hätten sterben können, und an die Heiler, denen wir unser Leben verdanken"

Legolas nickte langsam. "Das klingt einleuchtend. Aber trotzdem...der Gedanke an den Tod ist so beängstigend"

"Sagt einer, der unsterblich ist" Aragorn lachte. 

"Ich bin unsterblich, ja. Aber du nicht. Und ich fürchte um dich"

"Das ist nett von dir"

"Ich meine es ernst, Aragorn. Ich liebe dich, und ich fürchte, dass du vor der Zeit von mir gehen musst" Legolas klang verzweifelt, aber Aragorn griff nach seiner Hand und sah ihm in die Augen. 

"Ich verspreche dir, dass ich nicht im Kampf sterben werde"

Legolas nickte. "Wehe, du brichst dieses Versprechen", sagte er leise. 

"Ich werde es nicht brechen", sagte Aragorn. 

"Ich werde trotzdem nicht aufhören, mir Sorgen zu machen"

Sie schwiegen eine Weile. Es war dieses Schweigen, in dem die Gedanken Zeit hatten, überallhin zu wandern, nur damit man sich später kaum daran erinnern konnte, worüber man nachgedacht hatte. 

Legolas lehnte seinen Kopf an Aragorns Schulter. 

"Ich habe dich in mein Herz geschlossen, Legolas Grünblatt", sagte Aragorn. "Ich möchte nicht, dass du meinetwegen trauern musst"

Niemand sprach es aus. 

Aber sie beide wussten, dass selbst dann, wenn Aragorn nicht im Kampf sterben würde, trotzdem ein Tag kommen würde, an dem Legolas um seinen Geliebten trauerte. 


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