Atmender Stein / Krone Gondors
Die weiße Stadt atmete.
Sie atmete, ruhig und regelmäßig, als habe sie nie etwas anderes getan.
Der Stein, der sonst so leblos und kühl gewirkt hatte, schien mit einem Mal hell und lebendig, ein Zeichen der Zukunft, auf die sie nun mit ausladenden Schritten zu eilten.
Es war, als sei Saurons endgültiger Fall der Befreiungsschlag gewesen, auf den sie alle gewartet hatten - als könnten nun, da seine mächtige Präsenz fort war, die Samen, die schon seit langem in der Erde gelegen hatten, endlich beginnen, zu keimen.
Die weiße Stadt atmete.
Es war so lange her, dass sie zuletzt die Chance dazu bekommen hatte.
Aragorn und Legolas waren allein.
Ein paar Lanzen hingen sorgfältig aufgereiht an den Wänden, in einem Schrank lagen gefaltete Umhänge mit dem Emblem Gondors, dem weißen Baum. Normalerweise war dies die Kammer, in der sich die Wächter der Veste vor dem Schichtwechsel trafen und einkleideten.
Aragorn musste allerdings nicht mehr eingekleidet werden. Er trug einen glänzenden Harnisch, Andúril ruhte an seiner Seite und auf seiner Brust leuchtete ein großer grüner Edelstein.
"Bist du aufgeregt?", fragte Legolas und legte ihm seinen Umhang um.
Aragorn lächelte. "Natürlich. Es wird viel Verantwortung sein, ein so großes Königreich zu regieren"
"Du schaffst das", sagte Legolas.
Aragorn schüttelte den Kopf. "Ich bin kein Herrscher, Legolas"
In seiner großen Rüstung sah er mit einem Mal wieder aus wie Streicher, der Waldläufer, der das Exil gewählt hatte.
Legolas seufzte, griff nach seiner Hand. "Ich bin der Sohn eines Königs, und ich bin in meinem Leben vielen Königen begegnet. Von all jenen scheinst du mir der geeignetste, um auf einem Thron zu sitzen"
"Warum?"
"Weil du es nicht möchtest"
Sie schwiegen, lauschten dem Gemurnel vor der Tür.
Schließlich sagte Aragorn: "Es kommt mir falsch vor, so zu tun, als wäre es nur der Verdienst eines Erben Isildurs, dass Gondor diesen Tag erleben darf"
Legolas nickte. "Es haben viele ihren Beitrag geleistet. Bauern, Soldatinnen, Heiler. Ohne sie wäre Sauron nicht besiegt worden, aber ohne dich hätten wir Sauron nie besiegen können"
"Es ist mein Erbe, dass er gefürchtet hat, nicht mich", sagte Aragorn.
Jemand klopfte.
"Es ist Zeit", sagte Bergil.
Legolas drückte ein letztes Mal seine Hand, dann trat Aragorn aus der Tür.
Draußen war es noch voller, als er es sich ausgemalt hatte. Die Menschenmenge füllte den Platz, ein riesiges Meer von Bürgern, die darauf warteten, ihren König zu krönen. Aber nicht nur die Bürger von Minas Tirith waren zugegen: aus Dol Amroth waren Hafner gekommen, und Sänger aus den Tälern des Lebennin, deren Stimmen so klar waren wie der Wind vom Meer.
Aber als Aragorn hervortrat, verstummten die Instrumente, und eine erwartungsvolle Stille senkte sich über die Stadt.
Schmale Banner, auf denen silbern der Baum Gondors glitzerte, flatterten in der gleichmäßigen Brise, die vom Meer her heraufzog.
Von Süden her brach die Sonne durch die Wolken und ihre Strahlen waren wie lange Finger, die sanft über den weißen Stein der Stadt strichen.
Zögerlich machte Aragorn einen Schritt auf die erste Stufe, dann ging er die Treppe hinauf, wo Gandalf vor der großen Flügeltür des Thronsaals wartete.
Der Rahmen der Tür war mit weiß blühenden Kränzen geschmückt.
Gimli, der an der Seite stand, lächelte ihm aufmunternd zu.
Als Aragorn beinahe oben angekommen war, reichte der Zwerg die Krone Gondors an Gandalf, der sie hoch in die Luft hob.
Sie war altertümlich, hoch wie die Helme der Palastwache, und geziert mit den Flügeln eines Seevogels, die aus Perlen und Wahrsilber gefertigt waren. Sieben adamantene Steine waren in den Stirnreif gefasst, und an der Spitze saß ein einziger Edelstein, der wie eine Flamme loderte.
Langsam senkte er die Krone auf Aragorns Haupt. Er brauchte einen Moment, um sich an das Gewicht zu gewöhnen.
"Nun kommen die Tage des Königs! Mögen sie glückselig sein", sagte Gandalf und trat zurück, um Aragorn Platz auf der oberen Stufe zu machen.
Aragorn atmete.
Er schöpfte die Kraft, die er brauchte, um zu tragen, was er nun tragen musste.
Dann wandte er sich der Menge zu, die nun seine Untertanen waren. Ihm wurde ganz unwohl bei dem Gedanken.
Applaus brandete auf, und als er den Blick hob, sah er, dass der Himmel über Mordor klar war.
Er wusste, dass nun sein Krönungsschwur folgen musste, aber es fühlte sich falsch an. Er beschloss, vorher etwas zu sagen.
Es wurde still.
"Dieser Tag gehört nicht einem einzigen Manne, sondern uns allen. Lasst uns zusammen diese Welt wieder aufbauen, damit wir sie uns teilen können in Zeiten des Friedens"
Er wartete, bis der Applaus verstummte.
Dann hob er die Stimme, und begann zu singen. Es war leise, doch aus irgendeinem Grund schienen die Worte über den ganzen Platz zu tragen.
Et Eärello
Endorenna utúlien.
Simone maruvan
ar Hildinyar
tenn' Ambar-metta.
Es waren die Worte, die Elendil gesprochen hatte, als er auf den Flügeln des Windes aus dem Meer heraufkam: "Aus dem Großen Meer bin ich nach Mittelerde gekommen. An diesem Ort will ich bleiben und meine Erben bis zum Ende der Welt."
Er schritt die Stufen hinunter, und zwischen den Wächtern der Veste traten nun einige hervor, die ihm etwas bedeuteten.
Éowyn und Faramir, die Seite an Seite standen, verneigten sich, als er an ihnen vorüberging. Ihnen folgte Éomer, der ihm im Kampf zum Bruder geworden war, und auch er verneigte sich, was Aragorn erwiderte.
Schließlich war auch Éomer nun König, und Könige zollten sich gegenseitig Respekt.
In sanftes Silber gekleidet trat ihm nun Legolas entgegen.
"Ich habe es geschafft", wollte Aragorn sagen und seinem Geliebten in die Arme fallen, aber noch war die Zeremonie nicht vorbei.
So legte er ihm die Hand auf die Schulter, und in seinen Blick all die Dankbarkeit und Liebe, die er für Legolas empfand.
"Hannon le", sagte er. Für alles.
Legolas lächelte, und es war ein verschmitztes, wissendes Lächeln.
Aragorn folgte seinem Blick, und hinter Legolas standen weitere Elben, eine ganze Delegation, die das weiße Banner Gondors mit dem silbernen Emblem des Baumes trug.
Zwei Elben traten zur Seite, und hinter dem Banner kam Arwen zum Vorschein, deren Schönheit der des Abendsterns glich, sodass sie nach ihm Undómiel genannt wurde, Tochter der Abenddämmerung.
Aragorn aber hatte einen anderen Namen für sie.
Meleth nîn.
Er hatte geglaubt, er würde sie nie wieder sehen.
Aber sie war nicht auf einem Schiff, nicht bei den Grauen Anfurten oder in Valinor.
Sie war hier.
Er vergaß das Zeremoniell, ging auf sie zu.
Arwen senkte den Kopf, aber er legte seine Hand unter ihr Kinn und hob es an.
Sie würde Königin sein. Sie musste sich nicht verneigen.
"Chen thelin melo", sagte sie leise.
Die Zeremonie war egal.
Er küsste sie.
Ein paar Menschen klatschten, aber er nahm es kaum wahr.
Arwen küsste ihn, und erst jetzt verstand er, dass sie wirklich da war.
Es war kein Traum.
Er hatte sie so vermisst.
Gemeinsam folgten sie dem Weg, der sich zwischen den Menschen auftat.
Da standen die Hobbits.
Frodo, Sam, Merry und Pippin, in edle Westen gekleidet, aber immer noch barfuß.
Sie verbeugten sich, eine tiefe Verbeugung, wie sie im Auenland üblich war, aber unsicher, als fühlten sie sich fehl am Platz.
"Meine Freunde", sagte Aragorn, "Ihr verneigt euch vor niemandem."
Und einer plötzlichen Eingebung folgend, sank Aragorn vor ihnen auf die Knie.
Arwen tat es ihm gleich, und dann folgten die Menschen von Gondor und Rohan, die Elben aus Bruchtal, Legolas, Gimli und Gandalf.
Der ganze Platz verbeugte sich vor denen, denen sie ihr Leben und ihre Freiheit zu verdanken hatten.
Frodo, Sam, Merry und Pippin aus dem Auenland.
Dieser Tag gehörte nicht einem einzigen Mann, nicht dem Erben Isildurs, sondern ihnen.
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Mae Govannen und so weiter,
Nach langer Zeit kommt jetzt auch mal wieder was von mir. Mein Leben war die letzten Wochen ziemlich stressig und ich bin sehr wenig zum Schreiben gekommen (was natürlich alles noch stressiger gemacht habt, weil Schreiben mich irgendwie immer sehr entspannt).
Ich hoffe trotzdem, dass es euch gefällt (und bin wie immer auch offen für Kritik).
Wenn ihr Wünsche für bestimmte Oneshots habt, immer her damit. Ich schreibe erfahrungsgemäß schneller, wenn es darum geht, die Wünsche anderer Leute zu erfüllen.
Ansonsten gibt es hier noch einmal die Übersetzung der elbischen Sätze (in diesem Oneshot alles Sindarin):
Hannon le - danke dir
meleth nîn - meine Liebe
Chen thelin melo - wörtliche Übersetzung ist "ich will dich lieben"; eigentlich wollte ich "ich möchte dich küssen" oder "darf ich dich küssen" schreiben, aber da Tolkien apparently nie auf die Idee gekommen ist, die Worte für küssen oder dürfen zu erfinden, wurde das jetzt so umschrieben (I'm sry, besser hab ichs halt nicht hingekriegt)
Ich wünsche euch allen schöne Ferien (falls ihr Ferien habt, ich hab keine) und hoffe, dass ihr eine schöne Zeit habt :)
Euer
Teddy
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