Geburtstag
Hallo Ihr Lieben!
Schön das ihr das Buch angeklickt habt. Zeit des Meeres ist der zweite Band meiner AQUA-Buchreihe. Deshalb sollte man, des Verständnisses halber, den ersten Teil Stimmen des Meeres, den ihr in meinem Profil unter Werke findet, zuerst lesen.
Das erste Kapitel kommt jetzt pünktlich zum Schulanfang (zumindest in meinem Bundesland) raus.
Ich wünsche Euch allen viel Spaß beim lesen, votet und und kommentiert bitte. Ich freue mcih immer darüber und beantworte auch gerne alle Fragen zum Buch, wenn Ihr welche habt.
Eure Anni
Kapitel 1
Langsam krochen die Sonnenstrahlen über den flauschigen Teppich in meinem Zimmer. Warm und hell verhießen sie schon jetzt einen wunderschönen Sommertag. Die roten Leuchtziffern an meinem Wecker verrieten mir, dass ich eigentlich noch sieben Minuten schlafen könnte. An so ziemlich jedem anderen Tag kämpfte ich verbissen mit der Snooze-Taste um jede weitere Minute im Bett. Heute war das anders. Heute war ein ganz besonderer Tag: Der elfte Geburtstag meiner kleinen Schwester Geena.
Wahrscheinlich gab es nicht besonders viele sechszehnjährige Mädchen, die sich über den Geburtstag ihrer kleinen Schwester dermaßen freuten. Man musste ein Geschenk aussuchen, früh aufstehen, um zuzusehen, wie sie Geschenke auspackte und selbst logischerweise leer ausging. Dabei musste man auch noch so zu tun, als freute man sich über die Piraten- oder Prinzessinnenparty des kleinen Geschwisterchens. Nein, die allermeisten Jugendlichen in meinem Alter hätten die Geburtstage ihrer kleinen Geschwister vermutlich am liebsten aus dem Kalender gestrichen. Allerdings hatten diese Teenager auch nicht bis vor drei Monaten in dem Glauben gelebt Einzelkind zu sein. Mir waren die schlaflosen Nächte wegen eines brüllenden Säuglings erspart geblieben, weil ich Geena jahrelang nicht einmal gekannt hatte. Sie war zusammen mit meiner Mutter von einer Gruppe Wissenschaftler gefangen gehalten worden, die sie erforschen wollten. Sie waren in einem riesigen U-Boot gewesen, dass die „Insel" genannt wurde. Es war mir schließlich gelungen sie und alle anderen Gefangenen zu befreien. Das klingt wie in einem B-Movie? Absolut, aber ohne Werbepause.
Dazu musste man auch noch sagen, dass meine Mutter eine Meerjungfrau war und meine Schwester und ich Halbmeerjungfrauen, weil unser Vater ein Mensch war. Ja, schräge Familienbeziehungen hatten wir auf jeden Fall. Bis vor ein paar Monaten hatte ich noch nichts von meiner Schwester oder der ganzen Meerjungfrauenwelt geahnt. Ich hatte sogar geglaubt meine Mutter sei tot, was sie glücklicherweise nicht war. Um es genau zu sehen hatte mein Leben in der letzten vier Monaten die extremste Kehrtwendung gemacht, die ein Leben überhaupt machen konnte. Eigentlich könnte ich bald meine Memoiren herausgeben, weil ich schon so viele verrückte und aufregende Dinge erlebt hatte, über die viele Menschen ihr ganzes Leben lang nicht einmal nachdachten. Aber genau das war ja der Punkt: Ich war kein Mensch.
Aus diesem Grund brauchte ich auch mal wieder eine Ewigkeit im Bad. Niemand machte sich eine Vorstellung davon, wie kompliziert es war mit einem langen, hellblauen, schuppigen Fischschwanz zu baden. Duschen kam ja schlechte in Frage, wenn man sich immer in einen halben Fisch verwandelte, wenn man mit ein bisschen mehr Wasser in Berührung kam. Es brauchte nämlich mehr, als nur einen Tropfen, auch wenn TV-Serien einem ganz anderes weiszumachen versuchten.
So war ich gezwungen jedes Mal das halbe Bad unter Wasser zu setzten, wenn ich mir die Haare waschen wollte, weil unsere Badewanne nicht gerade Meerjungfrauengröße hatte. So hing die Spitze meines Fischschwanzes immer ein ganzes Stück über den Beckenrand hinaus und tropfte fleißig den Badezimmerfußboden voll.
Abgesehen von dem kleinen Badeproblem verlief mein Leben an Land aber ganz normal. Niemand, außer meiner besten Freundin Scarlett und meiner Familie, wusste, dass ich eigentlich eine Meerjungfrau war. Zumindest niemand, der an Land lebte. Jedes Wochenende verbrachte ich in Antigua, der Stadt der Meermenschen, mit meinem wunderbaren Freund Aiden. Ich fand es mittlerweile einfach nur noch wunderbar eine Meerjungfrau zu sein und konnte es mir kaum noch anders vorstellen. Am Anfang hatte ich ziemliche Probleme damit gehabt plötzlich ein seltsamer Fisch-Freak zu sein, aber jetzt fühlte es sich so an, als wäre ich schon mein ganzes Leben lang so gewesen.
„Louisa, beeil dich ein bisschen im Bad", rief meine Mutter und klopfte gegen die Tür, „du weißt doch, dass deine Schwester Geburtstag hat. Sie wartet schon ganz ungeduldig in ihrem Zimmer und will endlich Geschenke auspacken."
Ich musste lachen, als ich mir vorstellte, wie Geena in ihrem Zimmer herumtigerte und wartete endlich ihre Geschenke zu bekommen. Es war schließlich ihr erster richtiger Geburtstag, weil sie vorher fast ihr ganzes Leben auf der Insel verbracht hatte.
„Ich bin fast fertig", rief ich und band mir schnell die langen dunkelroten Haare hoch. Sie waren noch ein bisschen nass, aber wenn ich jetzt noch föhnen würde, würde Geena vermutlich total ausflippen.
Fünf Minuten später war ich frisch angezogen und legte mein Geschenk zu denen von meinen Eltern auf den Tisch im Wohnzimmer.
Jemand, vermutlich meine Mutter, hatte alles mit Luftschlangen und Ballons dekoriert. Unter der Zimmerdecke hing eine große Girlande mit bunten Fischen drauf. „Happy Birthday Geena!", stand da in großen Ballonbuchstaben.
Einen Moment später hörte ich meine Schwester die Treppe runterpoltern. Sie kam in das Wohnzimmer gestürzt und erstarrte ehrfürchtig, als sie den Berg an Geschenken auf dem Tisch liegen sah. Wir hatten sie sogar übereinander stapeln müssen. Offensichtlich versuchten meine Eltern über zehn schwierige Jahre mit einem Geburtstag wettzumachen.
Geena trug ein dunkelblaues Prinzessinnenkleid, das ich mit ihr zusammen vor einer Woche in der Stadt gekauft hatte. Wir war ein riesen Fan von Cinderella, Schneewittchen und Co. Bisher hatte sie in ihrer Kindheit auch noch nicht so viel Raum für Märchenbücher und Prinzessinnen gehabt. Deshalb nahm es ihr auch niemand übel, dass diese Phase bei ihr etwas spät kam und wir machten alle brav mit, als sie bestimmte von jetzt an Prinzessin Geena genannt zu werden.
Wir stimmten ein lautes und ein bisschen schiefes „Happy Birthday" an, als meine Mutter hinter Geena ins Zimmer kam.
Danach umarmten wir sie alle, wobei sie auf und ab sprang wie ein Gummiball, weil sie endlich sehen wollte, was sie bekommen hatte.
Ich muss ja sagen: Ich liebe Emotionen. Geena zu sehen, wie sie eine bunte Verpackung nach der anderen Aufriss und dann losjubelte, war einfach wunderbar. Sie bekam ein Prinzessinnenkrönchen, das sie sofort aufsetzte, einen ganzen Stapel Bücher, Spiele, Plüschtiere und Meermenschenkleidung. Meermenschen trugen Oberteile aus einem ganz speziellen leichten und dünnen Stoff, der sich unter Wasser nicht vollsog und trotzdem noch richtig gut wärmte. Meine Mutter hatte Geena zwei schöne lange Shirts geschenkt. Der Saum war mit kleinen Muscheln bestickt und sie schillerten je nach Lichteinfall entweder grün oder rosa.
„So eins will ich auch mal haben", sagte ich grinsend, als Geena sich das eine Oberteil sofort über das Kleid zog.
„Das ist meins", sagte sie stolz und sah sich zufrieden in der reflektierenden Glasscheibe des Wohnzimmerschranks an.
„Du hast Louisas Geschenk noch gar nicht ausgepackt", sagte mein Vater und deutete auf das große Paket, dass noch auf dem Tisch lag. Ich hatte es in cremefarbenen Papier eingepackt und mit einer überdimensionalen pinkfarbenen Schleife verziert.
Geena öffnete vorsichtig das Geschenk ohne die große Schleife dabei zu zerstören. Als das ganze Papier weg war staunte sie und sah dann ungläubig zu mir hin.
„Das hast du selbst gemacht?", fragte sie.
„Ja"
Es war ein Bild von Geena und mir im Wasser. Wir hatten natürlich unsere Fischschwänze und überall um uns herum schillerten Fische in allen Regenbogenfarben. Unter uns sah man ein großes Korallenriff. Ich hatte mich bei dem Ort an dem Platz orientiert wo Aiden mich einmal hingebracht hatte. Auf der Leinwand sah es beinah so schön aus, wie in echt. Besonders das Spiel von Licht und Schatten auf dem Meeresgrund war schwierig gewesen. Ich hatte vorher viel Zeit im Meer verbracht und hatte beobachtet, wie die Sonne auf dem feinen Sand aussah.
„Es ist wunderschön", hauchte Geena und umarmte mich fest.
„Wie schön, dass du es magst."
„Ich muss es unbedingt in meinem Zimmer an die Wand hängen. Meine Freundinnen werden staunen, wenn sie heute Nachmittag kommen."
Geena ging erst seit knapp drei Monaten auf die Grundschule in unserer Stadt. Trotzdem war sie schon total etabliert und hatte einen Haufen Mädchen mit denen sie sich fast jeden Tag traf. Ich freute mich wirklich, dass sie mit ihrer offenen und lustigen Art sofort Anschluss gefunden hatte.
„Ihr müsst jetzt beide wirklich los, wenn ihr nicht zu spät kommen wollt", meinte meine Mutter. Sie trug schon ihre Schuhe und hatte die Autoschlüssel in der Hand.
„Ich fahre euch. Wenn ihr jetzt den Bus nehmt kommt ich höchstens noch pünktlich zur zweiten Stunde."
„Juchu, nicht Bus fahren", jubelte Geena und rannte zur Tür. Ich verstand nicht genau wieso sie Busse nicht leiden konnte, aber über ein Mama-Taxi würde ich mich definitiv auch nicht beschweren.
„Ich treffe mich heute Nachmittag mit Aiden", sagte ich, als meine Mutter in die kleine Straße abbog, die zu Geenas Schule führte. Ihre Grundschule lag genau auf dem Weg zur Sea-Port-High-School. Wir reihten uns in eine lange Schlange von Autos ein, die langsam auf das rote Gebäude zu krebsten um dort kurz anzuhalten, jemanden rauszulassen und dann genauso langsam zurück zu schleichen.
„Aber ich habe doch Prinzessinnenparty", empörte sich Geena.
Ja, genau, deshalb habe ich ja ein Date, dachte ich.
Das hätte ich ihr allerdings niemals gesagt. Ich liebte meine Schwester über alles, aber fünf Stunden mit zehn kleinen Prinzessinnen, die rumhopsten und von mir bespaßt werden wollten, war nicht gerade weit oben auf meiner Hit-List.
„Ich will euch doch nur nicht stören", versuchte ich es diplomatisch und ohne Wutanfälle seitens Geena zu lösen, „Du hast mich doch jeden Tag. Du solltest froh sein, dass du deine Party nur mit deinen Prinzessinnenfreundinnen feiern kannst. Mich hast du doch schon morgen und übermorgen wieder. Dann können wir ja auch noch spielen. Dann hast du quasi zwei Partys."
Meine Mom lächelte mich an. Sie wusste genau, dass ich kein Kinderpartyfan war. Sie dafür umso mehr. Schon seit drei Wochen plante sie Drachen- und Burgfräuleinspiele. Es war wirklich schön zu sehen, wie sie sich da reinsteigerte. Schließlich hatte sie nie so eine Party für mich machen können. Mit elf hätte ich mich wahrscheinlich auch riesig darüber gefreut.
„Okay, wir feiern dann morgen nochmal Prinzessinnenparty", kündigte Geena an und sprang mit ihrem pinken Rucksack im Gepäck aus dem Wagen.
„Ich wünsche dir auch einen schönen Tag", rief ich scherzhaft durch das geöffnete Fenster, als sie einfach die Autotür zuknallte und zu ihren Freundinnen rannte ohne sich nochmal umzudrehen.
„Tschüss, Geena", rief auch meine Mutter noch, aber meine Schwester hatte es garantiert nicht mehr gehört.
„Wir kommen überhaupt nicht voran", meckerte ich zehn Minuten zum fünften Mal. Wir krochen im Schneckentempo den Weg zurück zur Hauptstraße. Vor uns stand eine nicht enden wollende Autokolonne und sie schien sich auch keinen Meter weiter bewegen zu wollen.
„Ich bin schon viel zu spät", schimpfte ich und sah sehnsüchtig einer Frau nach, die mit dem Fahrrad an uns vorbei radelte.
„Dann steige doch aus und lauf", schlug meine Mutter vor, „Das ist doch nicht mehr weit und hier geht das so schnell sicher nicht weiter."
Ich überlegte einen Moment. Moms „nicht mehr weit" waren locker noch zwei Kilometer, selbst wenn ich die Abkürzung am Meer lang nahm. Sie sah alles einfach immer aus Meermenschenperspektive. Im Wasser und mit einem kräftigen Fischschwanz waren zwei Kilometer tatsächlich ein Klacks. Mit zwei kurzen Beinen, Keilsandalen und einer schweren Tasche sah das leider völlig anders aus.
„Gut, ich laufe. Sonst reißt mein Mathelehrer mir den Kopf ab. Es ist die letzte Stunde vor den Ferien und er fängt wahrscheinlich noch schnell ein neues Thema an, dass wir dann über die Sommerferien üben sollen. Das traue ich ihm doch glatt zu."
„Dann solltest du dich beeilen", sagte meine Mutter mit einem Blick auf das Armaturenbrett, „es ist schon viertel nach acht."
„Oh, Mist", fluchte ich, schnappte mir meine Schulsachen und riss die Fahrertür auf. Gerade in dem Moment bewegte sich die Autoschlage vor mit zweieinhalb Meter weit, bevor sie wieder zum Stillstand kam. Eine Sekunde später begann der Mann in dem blauen Kombi hinter uns wie wild zu Hupen.
„Leute gibt's", meinte meine Mutter, „im Wasser wäre das nicht passiert. Die Straßen sich hier einfach viel zu schmal. In Antigua gibt es nie Staus."
Die Im-Wasser-ist-es-besser-Rede kannte ich schon auswendig, deshalb stieg ich schnell aus, rief ein „Tschüss" über die Schulter und machte mich davon.
Generell teilte ich sogar oft die Ansicht meiner Mutter. Im Wasser war es tatsächlich viel einfacher, aber ich lebte hier und könnte mir auch nicht vorstellen all das hinter mir zu lassen, um nach Antigua zu ziehen. Natürlich könnte ich dann Aiden viel öfter sehen und wäre immer von meinem geliebten Meer umgeben, aber es gab nun mal auch an Land Dinge und Menschen, die mir sehr wichtig waren. Mein Vater zum Beispiel oder meine beste Freundin Scarlett.
Ich stakste mit meinen Sandalen durch den Sand. Es war eine Abkürzung, wenn man nicht die Straße nahm, sondern am Strand lang lief. Der Weg war auch wunderschön, aber diese Schuhe brachten mich noch um. Kurzerhand blieb ich stehen, bückte mich und löste vorsichtig die Riemchen um meine Knöchel.
Als ich einen Moment später mit der Tasche in der rechten und den Schuhen in der linken Hand am Meer entlang ging fühlte ich mich gleich viel besser. Wenn ich hier war, den Sand unter den nackten Füßen spürte, der Wind durch meine langen Haare sauste und ich den intensiven Salzgeruch in der Nase hatte, fühlte ich mich beinah so frei, wie wenn ich als Meerjungfrau durch den Ozean schwamm.
Das hier war der schönste Ort, an den man als Mensch gehen konnte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich immer langsamer geworden war und versonnen aufs Meer hinaus starrte. Irgendwo dort draußen lag Antigua. Dort war Aiden.
„Louisa, bist du nicht ein bisschen spät dran?", fragte plötzlich eine Mädchenstimme hinter mir und ich wirbelte herum.
So, das war jetzt schon mal das erste Kapitel. Bitte schreibt mir wie es euch gefallen hat.
LG Anni
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