Kapitel 10
Adam ist mehr als nur außer sich. Nicht nur dass er dazu verdonnert wird, Nachhilfeunterricht zu nehmen, sondern jetzt muss er auch ausgerechnet diese Person aushalten, die ihn unterrichten muss. Was fällt diese Person nur ein, dann aufzutauchen, wenn er in Schwierigkeiten steckt und ihm gedroht wird, ihn seinen Collegeabschluss zu verweigern. Das ist nicht richtig, gar nicht richtig.
Er und Susan verlassen den Hörsaal, die junge Frau scheint wie geistig erschöpft, mit den Nerven am Ende, während er noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen hat.
Die Tür wird nicht gerade leise zugeschlossen, was für Susan ein Schreck ist und diese sich zu ihm umdreht, dessen Blick eine an sie gerichtete Warnung ist.
»Das ist alles deine Schuld!«, macht er sie an.
Susan reagiert mit einem fassungslosen: »Meine Schuld?«
»Wessen Schuld soll es denn sonst sein? Wärst du nicht gekommen, hätte alles noch gut ausgehen können!«
»Wenn du nicht die ganze Zeit über mit rumpimpern und flirten beschäftigt wärst und wenigstens ein bisschen gelernt hättest, dann wär das Ganze bei dir nicht so schlimm ausgegangen.«
Mit dem Teil hat sie leider, muss er sich selbst eingestehen, was er aber auf keinen Fall laut ausspricht. Er hat sich nicht genügend angestrengt, sonst hätte er diesen Test bestanden und müsste jetzt nicht mit der Befürchtung leben, seinen Abschluss hier auf der Woodborn University zu vergessen.
Er fährt sich mit der Hand durch die braune Mähne, wandert knurrend die Stelle unter sich auf und ab und versucht zu kontern, doch er weiß nicht, was er ihr sagen soll und es bringen würde es eh nicht, da sie ja zu schlau ist und sie einen weiteren Grund finden konnte, um ihn niederzumachen.
Bis er sich dann endlich beruhigt hat, steht Susan immer noch da und beobachtet ihn, die Hände auf ihre Hüften stämmend. Ihre grünen Augen starren ihn an, warten ungeduldig auf seine Reaktion, hoffen darauf, dass er wirklich relaxed wieder. Und das ist Adam nur halbwegs, weil er noch weiter überlegt, was er tun soll, denn ihm fällt rein gar nichts ein.
Adam muss die ganze Zeit über ihr in die Augen schauen, da das Grün so faszinierend und erfrischend ist, anders als das stumpfe blau von Natalia, die immer überschminkt und unnatürlich sind und total lieblos aussehen, wenn man sie nur sieht. Und warum denkt Adam denn sowas? Überrascht über seine Gedanken und sein Eingeständnis, dass Susan's Augen schöner sind als die von Natalia, blinzelt er zuckend und bricht den langen Augenkontakt ab. Kommt zurück in die Gegenwart, versucht ruhig zu atmen, da er eben mitbekommt, dass sein Atem schnell geht.
Schnell, wegen die Vorstellung, wie dieses grün ihn ansehen würden, wenn Sie direkt unter ihm lege und er direkt auf ihr. Das Funkeln ihres glasigen Blickes, die wie Smaragde gleichen, wenn er es ihr gut besorgen würde.
Jetzt wandern seine Augen zu ihren Mund runter, die voll, rosa und ungeschminkt aussehen und die andere Fantasien bei ihm hervorbringen. Wie diese ihn über seine starke Brust fahren, dann hinab zu seinen Bauch wandern und dann noch ein Stück tiefer. Tiefer. Oh ja, da sollen sie sein.
Oh nein, was denkt er sich da schon wieder aus? Er soll sich besser unter Kontrolle haben!
Er muss das Thema wechseln, sofort, bevor hier noch was eskalieren oder schlimmer noch, was geschehen tut, was er wahrscheinlich bereuen würde.
Susan hat die Blicke gesehen, die er trug und ihr unbeabsichtigt offen dargestellt hat. Es war das dunkle Begehren in seinen blauen Augen gekommen und haben ihr unvorbereitet unzüchtige Geheimnisse und Dinge offenbart, die sie lieber nicht wissen wollte. Und dennoch lassen sie ihre Fantasien selbst nicht los. Sie stellte sich ebenso solche Dinge vor. Er über ihr in einen Bett und sich über ihr bewegend und genüsslich seufzend.
Und Susan muss die ganze Zeit über auf seinen Mund starren, die voll und leicht rosa sind, und eine Frau dazu auffordern, diese zu küssen, nur um zu erfahren, ob sie so gut schmecken und ob sie wirklich einen Kuss herbeizaubern können, die kein weibliches Geschlecht widerstehen könne.
Oh nein, was schwört sie da nur für Fantasien herbei?
So ist Su doch sonst nie, schon lange nicht mehr. Nicht mehr, seid sie beinahe mit jemand zusammen gekommen war, der es nicht ernst mit ihr meinte. Diese Kenntnis tut immer noch weh, wenn sie nur an ihn dachte und darauf hofft, er würde es doch ernst mit ihr meinen. Aber nein, er ist mit diese Billigkeit zusammengekommen und kramt bestimmt weiter mit ihr rum, ohne Schuldgefühle dabei zu empfinden.
»Alles okay?«, wird sie aus ihre Kummerphase gerissen und schaut blinzelnd auf, hoch in Adams Richtung. Er sieht sie fragend an, doch darin steckt auch leichte Sorge um sie drin, was er dann wieder versucht zu verstecken. So als hätte er es eben nie gezeigt, es ihr nie offenbart.
»Ja«, log sie und redet weiter. »Mir geht's gut. Wir sollten aber lieber zum alten Thema zurück kommen.«
»Ja, stimmt«, stimmt er Susan zu. »Die Nachhilfe.«
»Ja. Was sollen wir tun?«
»Da hast du Recht«, stimmt er seine Gegenüberstehende zu.
»Wir müssen das echt irgendwie hinkriegen, dass ich eine gute Note beim Halbjahrestest mache und du nicht automatisch eine schlechte Note bekommst, nur weil du es nicht geschafft hast, mir zu helfen.«
Da stimme ich dir zu, nur wie soll ich das mit dir hinkriegen, wenn du nicht lernwillig bist?«, fragt sie, doch die Frage war mehr an sich selbst gerichtet, obwohl das ganze sogar Adam betrifft.
»Ich bin lernwillig, nur ich weiß nicht, wie ich das am besten hinkriege!«
Sie versteht und hebt ihre Arme, damit er ja Ruhe bewahren kann und nicht ein weiteres Mal ausflippt. »Okay, okay, wir können das so machen. Adam, in jeder Freistunde, den wir gemeinsam haben, lernen wir zusammen, Samstags werden wir auch um die zwei Stunden lang büffeln und die anderen paar Tage, wo ich keine Zeit habe, lernst du selber. Alles klar?«, macht sie ihn das Angebot und starrt ihn nieder.
Samstags lernen. Was genau meint sie damit, möchte Adam gerne wissen. Redet sie davon, dass sie sich treffen? Wenn ja, wo? Bei ihr? Oder bei ihn? Oder werden sie irgendwo ein Ausflug machen, damit sie ohne Störung lernen können? So viele Fragen und null Antwort. Aber die Vorstellung mit ihr alleine zu sein gefällt ihn gut, zu gut um genau zu sein.
Doch in dieser Richtung dürfen seine Gedanken nicht gehen. Er muss sich jetzt ernsthaft konzentrieren.
»Geht klar.«
»Gut«, ist Susan zufrieden, nimmt ihr Buch und umschlingt es mit ihren Armen. »Na, dann müssen wir uns überlegen, wie wir weiter kommen, wenn die erste Nachhilfe beginnt. Was hast du sonst noch für Fächern, wo du teilnimmst?«
Adam erwähnt jedes einzelne Fach, wo sie noch ist, Su hört gut zu und rechnet durch. Sie verkündet ihr Ergebnis.
»Nach meiner Berechnung haben wir insgesamt drei Freistunden zusammen, wo wir gemeinsam Französisch lernen können«, sagt sie ihm und fügt noch hinzu: »Und da ich nun dein Stundenplan kenne, kann ich dir somit mitteilen, dass die erste Nachhilfestunde übermorgen stattfindet. Solange musst du selbst lernen. OK?«
Widerwillig, aber verstehend nickt er und möchte sich abwenden, doch er wird von ihr aufgehalten.
»Adam, warte noch«, ruft sie und hält ihn ein Blatt Papier hin, was er gezwungen annimmt, ohne sie eine Blickes zu würdigen. Aber ein »Danke« bringt er trotzdem raus, bevor er wirklich dann geht und sie alleine lässt.
Direkt, nachdem die letzte Stunde vorbei war und sie sich schnell und kurz von Lilly verabschiedet hat, ist sie nach Hause gefahren, wo in der Küche ihr Vater Nudeln kocht für das Abendessen, was schon in wenigen Minuten sein soll. Susan hat das Zeitgefühl verloren, als sie und Adam sich mehr oder weniger verabschiedet haben und sie zu Literaturkurs ging, um dort wieder auf ein ihr bekanntes Gesicht zu stoßen. Nur das diese nicht dort lernte, sondern da jemand besuchte, der scheinbar noch großes Interesse an ihr zeigte. Tobi ist im selben Kurs wie Su und er schlabberte mit diese Natalia rum, als wären sie beide allein in einem Zimmer. Als die dunkelhaarige den Hörsaal betreten und sie miteinander beschäftigt entdeckt hat, verzog sie nur angewidert das Gesicht. Und als wäre das nicht schon genug, die Schlampe bemerkte sie - kaum dass Susan den Raum betretet und sie anstarrt -, löste sich von ihn und meinte nur zu ihr »neidisch?« und knutschte mit Tobi weiter als wäre nichts bei. Wie sie diese Frau verabscheute und noch mehr Ekel empfand sie in diesen Moment für Tobi, der angeblich bereute, seine Lilly betrogen zuhaben. Ja klar, bereuen. Von wegen.
Die junge Frau stellt ihre Tasche ab, geht in die Küche um ihren Vater beim Kochen zu beobachten, der sie bemerkt hatte, nachdem er das Öffnen und Schließen der Wohnungstür zuvor hörte.
»Hallo, Susan«, begrüßt er sie, späht kurz zu ihr rüber und lächelt warm, bevor er sich wieder um die Spaghettis kümmert. »Und, wie lief dein Tag heute?«
»Hätte besser sein können«, antwortet sie ihn desinteressiert und ehrlich, klingt dabei sehr depri. »Ich wurde dazu verdonnert, jemand Nachhilfe in Französisch zugeben. Jemand, der mehr als nur schlecht in diesen Fach ist und wenn ich es bis vor die Weihnachts-Ferien nicht schaffe, dass er eine gute Note kriegt, wird nicht nur er ohne Abschluss vom College entlassen, sondern ich werde selbst eine Vier automatisch kriegen.«
Ihr Vater starrt sie entgeistert an, rührt nicht mehr. »Was?«, will er ungläubig wissen und lässt den Kochlöffel los. »Du musst ihn erfolgreich zu einer gute Note verhelfen, sonst bekommst du selbst eine schlechte, nur weil du versagt hast?«
Seine Tochter antwortet nicht, nickt nur und holt sich einen kleinen Löffel aus der Schublade, um die fertiges Bolognese zu probieren, die noch heiß gehalten wird. Anerkennend sagt sie ihm: »Die ist gut.« Geschmeichelt dankt er ihr und kümmert sich wieder um die Spaghettis, ehe er wieder zum eigentlichen Thema zurückkommt und von alles erfahren will.
»Und dieser Adam ist wirklich so ein Flegel wie du sagst?«, stellt er zum x-ten mal dieselbe Frage.
»Ja«, bestätigt sie und steckte sich eine Gabel voll vom Abendessen in den Mund, kaut gründlich und schluckt, ehe Susan weitererzählt. »Und er hat es noch nicht mal abgestritten, Lilly sowieso nicht, als sie es mir erzählte. Du weißt schon, an meinen ersten College-Tag.«
»Stimmt, ich erinnere mich«, weiß er noch und stellt, nachdem er seine Portion aufgegessen hat, seinen Teller in die Spülmaschine, Susan macht es ihn gleich und hilft ihn bei die anderen Sachen. Kaum fertig, verkündet sie ihren Vater, dass sie noch lernen und die Hausaufgaben machen will, bevor sie zu Bett gehen wird. »Okay, mach nur. Wenn du was brauchst, sag einfach bescheid!«
»Klar«, gibt sie ihn zu verstehen, obwohl sie sich eh nicht dran halten wird, geschweige denn mit ihn noch den Rest des Tages reden.
Sam wusste, bevor sie geantwortet hat, dass sie in Frieden gelassen werden will und diesen Wunsch erfüllt er ihr gerne, auch wenn es etwas weh tut, wie sie mit ihn umgeht. Er gibt sich weiß Gott die beste Mühe, um mit ihr warm zu werden, doch wie soll es gehen, wenn sie nur strengste Abneigung ihn gegenüber empfindet. Schwer atmet er auf und sieht raus aus dem Fenster und betrachtet die Sterne, die heute Nacht strahlen. Lange sieht er hoch, sucht nach dem Schütze und findet ihn auch schon nach einigen Minuten. Der Schütze war Megan's Sternzeichen gewesen, als sie noch lebte. Megan. Wieder zieht sich sein Herz zusammen, als er an die Frau denken muss, die er in Stich gelassen hat, als sie unerwartet schwanger von ihm wurde. Sam hätte bei ihr bleiben sollen, das weiß er, doch er kann das geschehene nicht mehr rückgängig machen, so sehr er es sich auch wünscht.
Bevor er ihr hätte um Vergebung bitten können, starb sie ausgerechnet an Krebs und hinterließ ihn eine Tochter, die er hatte nie aufwachsen sehen können. Jetzt wohnt sie seit ein Jahr bei ihn und viel ist nicht passiert, ihr Verhältnis zueinander ist weiterhin kühl geblieben und sie möchte sich ihn weiterhin nicht öffnen, während er sein bestes gibt, um mit ihr auszukommen. Ja, sie reden miteinander, streiten sich nicht, nur eine innige Vater-Tochter-Beziehung führen sich trauriger weise nicht. Sam möchte nur gut mit Susan auskommen, mehr nicht, wenigstens das hat er sich geschworen nach dem Tod von Megan.
Lange sitzt er noch am Fenster, betrachtet die Sterne, ehe er dann aufsteht und den Weg zu Susan's Zimmer einschlägt. Vor der Zimmertür bleibt er stehen, überlegt, ob er wirklich stören soll, vielleicht ist sie noch wach und lernt. Denn das Licht im Zimmer ist noch an, aber er hört Susan nicht. Sacht klopft er an der Tür, doch niemand reagiert. »Susan«, ruft er leise, aber keine Reaktion von seiner Tochter, was ihn schwere Sorge bereitet, sein Herz fast auf Stillstand bringt und er einfach reingeht; leise.
Als er nach ihr sucht, entdeckte er sie auf ihren Bett, mit ihr Geschichtsbuch auf ihrer Brust und schlafend. Sie muss wohl während des Lernens eingeschlafen sein vor Müdigkeit, vermutet er und schüttelt belustigt den Kopf, bevor er zu ihr rüber geht. Sam betrachtet das Gesicht seiner kleinen - erwachsenen - Tochter, sieht die liebliche Unschuld, die sie ausstrahlt und wird wieder in die Vergangenheit zurück versetzt als er noch jung war, als er glücklich war und voller Lebensfreude. Und wo er noch Megan hatte.
Sam weiß noch ganz genau, wie sie ausgesehen hat in ihrer Jugend. Sie war wunderschön, süß und rein und all das hatte sie an ihrer gemeinsamen Tochter weitergegeben. Ein seichtes Lächeln tretet auf seine Züge und er wirkt wieder jünger, sowie früher, und nimmt Susan das Buch aus der Hand, schlägt es zu und legt es auf dem Tisch. Nachdem das erledigt wurde, legt er seine Tochter vernünftig ins Bett, zieht ihr die Hausschuhe aus und deckt sie mit der Decke zu. Susan schläft friedlich wie ein Engel und bemerkt ihn nicht mal, nicht mal dann, als er sie behutsam ins Bett hingelegt und zugedeckt hat.
Schnell greift sie im Schlaf nach ihrem Bär, den sie von ihrer Mutter bekommen hat in das Jahr vor ihren Tod. Es war das letzte Geburtstagsgeschenk gewesen, was Susan von ihr bekam. Seine kleine Tochter sieht so unschuldig aus, als wär sie noch ein Kind, nicht schon erwachsen. Sie hat schon zu viel durchgemacht und jetzt muss sie ihn aushalten. Den Mann, der sich nicht um sie gekümmert hat, als sie einen Vater brauchte.
»Es tut mir so unendlich leid, dass ich nicht für euch da war, als ihr mich gebraucht habt«, entschuldigt er sich leise bei ihr, Kummer belegt seine Stimme und krampfhaft versucht er seine Tränen zu unterdrücken, die ihm hochkommen. Seine Augen brennen, Sam versucht angestrengt sie aufzuhalten, was nur mühselig klappt.
»Doch ich gebe mir wirklich die größte Mühe, meine Fehlern wieder gut zumachen. Denn ich möchte von ganzen Herzen, dass du in mir einen Vater siehst, der ich für dich sein will. Ich hoffe, du vergibst mir eines Tages und wirst mit mir besser klar kommen, auch wenn es lange dauern wird.«
Sam hebt seine eine Hand und streicht ihr übers lockige Haar, das wie Seide durch seine Fingern gleitet. Solches Haar besaß einst sogar Megan, als sie beide noch zusammen waren; bevor die Chemo ihr das weg nahm. Auch wenn er sie nicht gesehen hat, so war es das, was er glaubte, nachdem er von ihren Tod erfahren hat und es ihn das Herz brach.
»Ich wünsche mir, du würdest dich mit mir versöhnen. Eines Tages«, hofft er und beugte sich zu ihr runter, um ihr dann auf die Locken zu küssen. Danach streicht er ein letztes Mal darüber, steht auf, verlässt das Bett und das Zimmer, um sich dann selbst bettfertig zumachen.
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