Einatmen
- El Unlawful -
Als ich zwölf war, hatte meine Schule eine Regelung: Egal wie das Wetter auch ist, Wandertage finden trotzdem statt. So kam es, dass an einem grauenhaften Novembertag sich meine ganze klasse von vierundzwanzig Schülern in die U-Bahn quetschte und hoffte, dass das Wetter ausserhalb der Stadt besser wäre. Doch auch bei der Haltestelle draussen im Vorort wurden wir von genau so harschem Regen begrüsst. Natürlich liess unsere Lehrerin uns danach nicht nach hause gehen, sondern zerrte uns in den nahe gelegenen Wald. Wir wanderten für drei Stunden einen Hügel hinauf, nur um dann fest zu stellen, dass wir weder vor, noch zurück konnten. Hinter uns waren bäume umgestürzt, da sich der Regen immer mehr in einen ausgewachsenen Sturm verwandelte. Der Weg, den wir eigentlich hatten gehen wollen, war überflutet. Keine Chance. Die einzige Möglichkeit, die uns bleib, war ein Umweg, welcher von unserem Standpunkt aus sechs Stunden dauerte und direkt in ein Dorf führte, von welchem aus weder Züge, noch Busse fuhren. Während wir liefen und versuchen, irgendwie dieses Dorf zu erreichen, brach eine meiner Klassenkameradinnen zusammen. Erschöpfung, Unterkühlung und Angst waren ihr zu kopf gestiegen und unsere Lehrerin musste sie tragen. Meine Eltern sagten damals, als sie mich mit dem Auto aus dem Dorf abholten (wie es die meisten Eltern taten), dass sie mich nie wieder mit auf einen Wandertag lassen würden. Und so erschöpft wie ich damals war, hatte ich dem natürlich nur zustimmen können. "Und wenn in dieser Schule je wieder jemand zusammenbricht, dann verklagen wir sie,", hatte meine Mutter Gesagt, "Das ist doch keine Pädagogik."
Ich lehnte an der Seite von Harrys Bett, noch immer ungläubig, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, ihn unbemerkt wieder hier hin zurück zu bringen. Ich dachte an damals, und irgendwie empfand ich es als ironisch, dass Harry gegenüber von der Schule zusammengebrochen war. Zum verklagen wäre es jetzt wohl zu spät. Ausserdem, wenn jemand verklagt wird, dann ich. Ein krampfen in meiner Magengegend erinnerte mich an die Leere daran und ich versuchte mich daran zu erinnern, wann ich wohl zu letzt was gegessen hatte. Harry's hand zuckte in meiner und ich drehte mich um. Im schlaf verzog er das Gesicht, vermutlich träumte er. Ich drehte mich wieder von ihm weg und betrachtete den Raum. Ich hatte erwartet, dass jemand so reich und so berühmt wie er, vermutlich extrem ästhetisch und luxuriös lebte. stattdessen war alles ziemlich simpel und praktisch. Und unaufgeräumt. Überall lagen Sachen herum, stapelten sich und verdeckten nahezu alle Ablageflächen. Ich versuchte gerade, von meiner position aus den Titel eines Buches zu entziffern, welches halb an die wand gelehnt dastand, als Harry plötzlich aufschreckte.
Sein Haar klebte an seiner Stirn, dem Beispiel seines T-shirts folgend. Seine Brust hob und senkte sich rapide. "Morgen Harry." Machte ich auf mich aufmerksam. Er schreckte zurück. "Morgen... " antwortete er, nach Atem ringend. Ich rappelte mich auf. "Da du jetzt wach bist, kannst du ja auch wieder auf dich selbst aufpassen. Ich geh dann mal..." oh Gott war die situation Peinlich. Ich wendete mich in Richtung Tür, nur um von harry aufgehalten zu werden. "Warte. Hast du was vor?" seine Frage kam unerwartet, seinem Gesicht nach zu urteilen auch für ihn selbst. "Ja. Ich muss das mit Jackson klären und es gibt noch einiges zu planen bevor... naja, du weisst schon." Bevor wir in ein paar Stunden dich bestehlen und unsere Erpressungsaktion beendet ist, während wir noch immer tausende von Leuten mit dem leben bevor. Er stand auf, schwankte, griff nach meinem Arm führ Stabilität, entschied sich danach jedoch wieder dafür, sich zu setzten. "Wie späht ist es? Wie lange ist es noch bis zum Konzert?" er erbleichte mit jedem Wort nur noch mehr. "Ungefähr fünf Stunden. Ich sollte wirklich gehen." ich hatte nicht beabsichtigt dass meine Stimme so schwach wurde, aber auf einmal fühlte ich alles in mir ermüden. Damit auch mein Gemüt.
"Naja, Verbrechen oder nicht, vielleicht solltest du vorher was essen. Und ich brauche Hilfe beim gehen, zumindest bis zum Soundcheck, zu dem ich eigentlich schon vor.." Er griff nach einem Wecker am Boden, und betrachtete ihn kurz, "Zehn Minuten hätte erscheinen sollen. Win-win?" er sah zu mir auf. Schlagartig machte sich mein Magen wieder bemerkbar und gab ein knurrendes Geräusch von sich. "Ich nehm das als ein ja. Ich muss mich aber noch kurz umziehen." sagte er, bevor er seine hand ausstreckte. Ich ergriff sie und zog ihn auf die Beine.
Seine Hände griffen meine Schultern für Stabilität und auf einmal war er ganz nah. Es war nur ein ganz kurzer moment, ein paar Sekunden bevor er sich gegen eine Wand stützte und sich an der Wand entlang in Richtung Badezimmer angelte und dabei ein paar Kleidungsstücke aufgriff. Kurz darauf war er im Badezimmer verschwunden. Ein Tiefer Atemzug. Was war dass denn? Noch ein Atemzug. Okay. Okay, okay, okay. Alles war okay. Ich würde kurz Harry zum soundcheck helfen, etwas essen, zurück nach Hause gehen, die Graffitghosts treffen, die allerletzten Vorbereitungen beenden, mit Jackson reden, die Aktion durchziehen, alles würde glatt gehen, Harry würde aus der Stadt verschwinden und alles ginge wieder seinen gewöhnlichen gang. Ausser dass die Gang mehr Geld hätte. Daher würden wir besser leben. Und wir könnten grössere Sachen machen. Und Ich würde bei allen mitmachen, natürlich. Vermutlich würde das ganze mich in der Rangfolge aufsteigen lassen. Dann würde ich auch grössere Rollen spielen...
Blut. Wie bei einem Glitch war in meinem Kopf alles voller Blut. Die Bilder von Harrys Schnittwunde am Hals tat zurück in Kopf. Wenn ich grössere Rollen in Aktionen spielen würde, dann würde das die Regel werden. Verletzungen ganz normal. Mord, ein Kollateralschaden. Einatmen. Was würden meine Eltern nur denken wenn sie wüssten worauf ich zusteuere... Nein, ich kann nicht an sie denken, aber ich kann auch nicht an die Zukunft denken, denn in der Zukunft liegt Mord und Tod, aber in der Vergangenheit ist auch Tod und überall ist Blut und auf einmal beruhigte mich das einatmen nicht mehr. Meine, ich atmete noch mehr ein, und mehr, meine Kontrolle verschwand nach und nach. Ich versuchte mich in meinem T-shirt zu verkrallen, doch meine Hände zitterten zu sehr um mich auf diese Bewegung zu konzentrieren.
"Hey. Alles okay. Sieh mich an."
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