Kapitel 6 - die Erste

Er holte eine Spritze aus seiner Tasche und stoch sie erstaunlich behutsam in ihre Halsschlagader. Ich schluckte. Das Mädchen began plötzlich zu zittern und sank schließlich leblos zu Boden. Ich erstarrte.

Totenstille.

,,Viel Spaß beim Sterben.", murmelte der junge Mann noch, bevor er den Raum verließ. Sein letzter Blick galt mir. Wie in Zeitlupe kam mir dieser Moment vor. Bis ich das Geräusch des Schlüssels, der sich im Schlüsselloch drehte, vernahm.

Mit geweiteten Augen starrte ich das Mädchen an. Sie blieb bewusstlos.
,,Scheiße!", murmelte ich und raufte mir die Haare. ,,Was passiert wenn sie aufwacht?", fragte Holly mit zitternder Stimme. ,,Okay.", ich atmete tief ein und aus und versuchte ruhig zu bleiben, ,,Ich gehe mal stark davon aus, dass ihr das Partum-Virus gespritzt wurde. Warscheinlich verteilt es sich über ihr Blut, deswegen hat er es auch direkt in ihre Halsschlagader gegeben. Soweit ich das verstanden haben, greift das Serum die Gehirnzellen und das Rückenmark an. Ich glaube da war noch irgendwas mit der Hautstruktur. Wenn sie aufwacht wird sie denke ich mal aggressiv sein. Alles in ihrem Körper wird auf den Hunger auf Menschenfleisch gerichtet sein. Wir müssen hier rauskommen, sonst sind wir tot."
,,Ja, und wie?", rief Dan panisch. ,,Ich...", Tränen bildeten sich in meinen Augen, ,,Ich weiß nicht mehr wei-" ,,Haarspangen!", fiel mir Jemma ins Wort. Ich riss die Augen auf. Die Anderen schienen ebenso einleuchtend. ,,Haarspangen!", wiederholte ich. ,,Hat jemand welche?", fragte Marc uns Mädchen. Ich schüttelte den Kopf wärend Holly dagegen begeistert nickte und sich kurz darauf zwei einfache Spangen aus den Haaren zog.
,,Wer kann das am schnellsten? Sie ist eine tickende Zeitbombe.", Dan zeigte auf das Mädchen. Jemma bewegte sich als Erste. Sie nahm selbstsicher die Spangen aus Holly's Hand und ging mit schnellem Schritt zur Tür. Sie kniete sich hin und blickte kurz in das Schlüsselloch. Auf einmal fing sie an zu lächeln. ,,Das ist ein altes Schloss!", sagte sie begeistert und fing an die Spange in das Schloss zu stecken und immer wieder etwas daran zu verbiegen. ,,Ähm... jey?", machte Marc verunsichert. Jemma grinste. ,,Diese alten Schlösser sind viel leichter zu knacken."
,,Wo hast du das gelernt?", sprach ich, verwundert über ihren Hochmut. ,,Keine Ahnung. Filme, Bücher-", plötzlich hörte man ein Geräusch. Es klang, als wäre etwas abgebrochen. Mit großen, geschockten Augen zog Jemma das dünne Stück Metall aus dem Schlüsselloch. Es war etwa in der Hälfte durchgebrochen und eine Seite hing schlapp herunter. ,,Tut mit so leid!", flüsterte sie enttäuscht. Ich nahm Holly die andere Haarspangen aus der Hand und ging auf Jemma zu. ,,Du schaffst das!", murmelte ich. Sie nickte und machte sich erneut ans Werk. Nur dieses Mal vorsichtiger.
,,Leute.", raunte Dan plötzlich. Wir hatten gespannt die Tür angestarrt. ,,Was ist?", murmelte Marc geistesabwesend. ,,Sie... sie wacht auf."

,,Was?!", ich drehte mich um. Das Mädchen hatte angefangen zu atmen. Es klang, als wäre ihre Luftröhre aus Scheifpapier. Wir hatten sie einige Minuten lang nicht beobachtet, aber tatsächlich hatte das Serum Wirkung auf ihre Hautstruktur. Kleine Risse, aus denen vereinzelt Blut trat, hatten sich auf ihrem Gesicht und sonstigen Körperstellen verteilt. Sie sah schrecklich aus. Langsam öffnete das Mädchen ihre Augen. Die Iris und die Pupille kamen viel milchiger rüber und die Lippen waren ein blasser Strick geworden. ,,Jemma beeil dich!", wimmerte Holly neben mir. ,,Ich bin fast fertig.", sprach die Angesprochene, die nun viel hektischer klang.

Das Mädchen fing wieder an zu zittern, wie sie es kurz nach dem Hinzufügen des Serums tat. Einzelne Körperteile bewegten sich und ein paar Knochen knackten.
Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper und sie richtete sich auf. Ich wich sofort zurück. Das Mädchen starrte die Wand an. Dann drehte sie sich langsam um. Sie humpelte etwas. Und ihr linker Arm hing hinunter. Das Serum war also bereits in ihr Rückenmark vorgedrungen. ,,Jemma.", flüsterte Dan. ,,Ich hab's gleich!", war die Antwort.

Ich achtete auf jede Bewegung von ihr. Sie fing an Schritte zu machen. Noch war sie etwa fünf Meter von uns entfernt, doch mit jedem Schritt änderte sich dies. Ihre milchigen Augen starrten wirr in der Gegend herum, bis sie plötzlich genau in meine Augen sah. Kurz hielt sie inne. Kurz. Ihr Blick war fremd. Nie hatte mich jemand so angeschaut, wie sie. Auch ihr Gehirn war von dem Serum besetzt und wurde von ihm gesteuert, also hatte sie eigentlich keinerlei Emotionen oder Gedanken, und doch kam ihr Blick mir in dem Moment hilfesuchend vor. Als würde sie in meinen Augen Hoffnung sehen.

Ihr Blick wandte sich wieder von mir ab und sofort fing sie an, wieder auf uns zu zulaufen. Plötzlich stolperte sie noch ein wenig schneller als vorher in unsere Richtung. ,,Jemma!", kreischte Holly panisch. ,,Zwei Sekunden!", rief Jemma. Ihre Stimme war tränenerstickt.
,,Liz, was ist wenn sie uns beißt?", flüsterte Marc neben mir.
Ich dachte kurz nach, auch wenn es nichts nachzudenken gab.
,,Das wäre unser Ende."

Das Mädchen kam immer näher. Es kam mir vor wie ein Traum. Ein leider viel zu realer Traum. Aus dem ich mir allerdings wünschte schleunigst aufzuwachen. Weiter rückten wir zurück. Ich spürte die Wand hinter mir. Ich presste mich so stark ich konnte dagegen, in der Hoffnung, sie würde endlich nachgeben.
,,Komm schon.", hörte ich Jemma zu sich selbst flüstern.

Ich wusste, wenn ich nichts unternahm, würde das Mädchen uns angreifen, also tat ich etwas sehr dummes, um meine Freunde aus der Situation zu retten, in die ich sie gebracht hatte. Jedenfalls würde es ihnen Zeit verschaffen.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und drückte mich von der Wand weg. Gerade ihr entgegen. Mein Herz schlug mir bis zu Hals.
,,Oh Gott, Lia! Was soll das?", rief Marc. Ich sagte nichts und lief zu dem Geschöpf. Sah ihr tief ihn die Augen, damit sie sich allein auf mich konzentrierte. Dann, kurz bevor sie auf mich losgehen konnte, wich ich aus und rannte an ihr vorbei, an die mir gegenüberliegende Wand. Das Mädchen drehte sich langsam wieder um und lief schleppend auf mich zu. ,,Wie läuft's Jemma?", fragte ich das blonde Mädchen hektisch. ,,Moment, gib mir noch eine halbe Minute."
Der ,Zombie' war nun fast bei mir und ich wiederholte die Prozedur. Das Blöde war nur, dass sie nun wieder auf meine Freunde zu lief. Sie war nun schon so nah, das ich es nicht nochmal tun konnte.
Immer näher und meine Angst stieg. Immer näher. Holly zitterte. Ich nahm ihre Hand.

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