Kapitel 4 - ausgegraben
,,Rein da!", sagte mein Entführer schroff und stieß mich in einen Raum, der direkt neben dem lag, in dem ich aufwachte. Ich blickte in die Gesichter von Jemma, Marc, Holly und Dan. Erst blickten sie mich etwas erschrocken an, doch dann schlich sich ein erleichtertes Lächeln auf ihre Züge. ,,Geht's euch gut?", fragte ich und wollte auf sie zulaufen, doch der Mann hinter mir hielt mich immernoch fest. ,,Lass mich los!", protestierte ich und versuchte meine Hände zu entfesseln. Er schloss die Zelle ab und führte mich zu einem Stuhl, auf den er mich drückte. Meine Hände entband er, nur um sie am Stuhl wieder festzubinden.
Ich beobachtete stumm das Vorgehen. Ich fragte mich, wie das alles bloß möglich sein konnte. Ein paar Stunden zuvor saßen wir noch im Unterricht und nun waren wir alle in einen Raum gesperrt, krampfhaft versuchend, nichts zu verraten.
Der Mann zog wieder seine Waffe und hielt sie in Richtung meiner Freunde.
,,Nein!", rief ich. Es kam einfach aus mir heraus. Ich konnte es nicht steuern. Er drehte sich mit vielsagendem Blick um. ,,Na? Verrätst du es mir?", grinste er. Ich hielt die Luft an. ,,Tu's nicht!", flüsterte Jemma kaum hörbar, doch ich nahm es wahr. Der junge, mir immernoch unbekannte Mann, ging auf Jemma zu und zog sie in die Mitte des Raumes. Sie zog erschrocken die Luft ein. Mit leeren Augen blickte sie mich an. Dies ließ mich fast dahin schmelzen. Er hielt seine Pistole an Jemma's Stirn. ,,Jetzt hast du die Wahl. Entweder du erzählst mir, wo ihr dieses verdammte Serum versteckt habt, oder deine kleine Freundin stirbt. Und glaub mir, nicht nur sie wird dann sterben."
Ich sah, wie Jemma's Auge eine Träne verließ. Auch ich war dem Weinen nah. Wieso tat er mir das an? Wieso tat er uns das an? ,,Zehn.", ich riss die Augen auf, als der Mann ungedultig zu zählen begann. ,,Neun." Tränen flossen über meine Wangen und ich spürte den Ernst der Lage. ,,Acht."
,,Stop!", rief ich ihm dazwischen. ,,Stop.", schluchzte ich noch einmal, nur viel leiser.
,,Na geht doch.", lächelte er falsch und ließ sogleich Jemma los, welche aufgelöst zu den Anderen lief und in Holly's Arme fiel.
Der Mann kam wieder auf mich zu und band meine Arme los. Dann packte er mich, wie ich es schon zweimal erleben durfte. Ich warf einen letzten Blick nach hinten und sah in Jemma's dankbares Gesicht, in Holly's geschocktes Gesicht, in Dan's entschuldigendes Gesicht und in Marc's versteinertes Gesicht.
Ich formte mit meinen Lippen ein 'Bis bald', auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass sie es nicht mehr sahen. Dann hatte der Mann die Tür auch schon abgeschlossen und damit meine Hoffnung, dass ich sie jemals wieder zu Gesicht bekommen würde, begraben.
Der Mann führte mich zu dem Wagen, mit dem wir auch vorher transportiert wurden. Ich ließ es müde auf mich ergehen. Er setzte mich auf die Beifahrerseite und schnallte mich an, was mir extrem unangenehm war, aber ich war schließlich gefesselt.
Nachdem er saß fuhren wir los. ,,Lasst ihr uns gehen, wenn ich euch gezeigt habe, wo das Serum ist?", murmelte ich und starrte auf Straße. ,,Das sehen wir dann.", sagte er monoton, woraufhin ich seufzte. ,,Aber ihr habt doch dann alles was ihr wollt.", stellte ich fest. Er nickte. ,,Ich weiß trotzdem nicht, ob er danach noch etwas mit euch vorhat." Ich blickte ihn verwirrt an. ,,Wer ist er?" Sein Mundwinkel zuckte leicht. ,,Das geht dich zwar überhaupt nichts an, Emilia. Aber ich wüsste nicht, inwiefern dir diese Information weiterhelfen würde, also: Mein Vater." Er hatte recht. Mir brachte diese Info rein garnichts. Er schielte kurz auf eine Stelle oberhalb der Frontscheibe. Als ich seinem Blick folgte entdeckte ich ein Loch, ein, zu meiner Verwunderung, rot blinkendes Loch. ,,So.", lenkte er vom Thema ab, ,,Jetzt kannst du mir schön sagen, wo ich hinfahren soll."
Wieder seufzte ich und schwieg danach einige Sekunden. Der Mann verlangsamte sein Tempo und blickte mir eindringlich in die Augen. ,,Wenn du umbedingt willst, fahren wir zurück und machen das gleiche wie eben nochmal. Und diesmal schieße ich, glaub mir.", zischte er mit gedämpfter Stimme. ,,Nein.", in meinen Augen sammelten sich Tränen, als ich die Erkenntnis hatte, das alles in meiner Hand lag. ,,Fahr zum Spring Park. Der liegt in der Nähe von-" ,,Ich weiß, wo der Spring Park ist.", unterbrach er mich genervt.
Die Stille hatte sich um das Auto gelegt. Etwa 10 Minuten waren vergangen. Plötzlich klingelte ein Handy. Ich zuckte zusammen. Der Mann kramte in seiner Jackentasche und zog ein Telefon hervor. Bevor ich irgendetwas - einen Namen, eine Nummer oder sonst was - erkennen konnte, hatte er es sich bereits an sein Ohr gepresst. ,,Jaxon.", meldete er sich leise und gab mir somit eine weitere Information preis, die mir allerdings schon wieder nichts brachte. Ich lauschte dem Gespräch. ,,Mhm."- ,,Ja, ich verrate ihr schon nichts"- ,,Ja, wir sehen uns gleich." - ,,Tschau" Während des Telefonats hatte er verdächtig oft in dieses Loch über der Frontscheibe geschaut.
Der Wagen hielt. Jaxon stieg aus dem Auto und lief um es herum, um die Beifahrertür zu öffnen. Schließlich schnallte er mich ab und... naja zerrte mich aus dem Wagen. Bevor wir den Park betraten hielt er nochmal inne und beugte mich zu mir herunter.
,,Du machst jetzt keinen Mucks und erregst kein Aufsehen. Führ mich unauffällig zu dem Ort, an dem ihr es versteckt habt. Du weißt, was passiert, wenn du dich nicht daran hälst.", zischte er in mein Ohr. Ich nickte nur. Er nahm mir die Fesseln von den Händen und steckte sie ein. Schließlich nahm er meine linke Hand, sodass wir wie ein gewöhnliches händchenhaltendes Pärchen aussahen. Jaxon drückte meine Hand allerdings so fest, dass ich nicht wegrennen konnte. Allerdings hätte ich das sowieso nicht getan, ich wollte schließlich nicht, dass er meine Freunde umbringt. Mit zusammengebissenen Zähnen machte ich den ersten Schritt in den Park hinein. ,,Einfach weitergehen.", murmelte er und ich tat es. Langsam und unauffällig für die vielen Parkbesucher lief ich auf die Stelle zu, unter dessen Erde das Serum begraben lag. Ich erkannte sie sofort, das noch ein kleiner Erdhügel neben dem Gras zu sehen war. ,,Tu so, als wäre dir etwas runtergefallen und grab das Serum aus.", befahl er weiter. Ich kniete mich auf den Boden und fing mit den Händen an zu graben. Wir hatten ganze Arbeit geleistet, da es relativ lange dauerte bis plötzlich etwas grünes, leuchtendes zwischen dem dunklen Braun der Erde hervorlugte. Ich griff zu und betrachte voller Abschaum das Serum. Ich stand auf.
Jaxon hielt mir seine flache Hand entgegen. Ich zögerte, woraufhin er mich mahnend ansah. Schließlich legte ich die Phiole behutsam in seine Hand. Er nickte zufrieden und drehte sich energisch in Richtung Ausgang. Sofort zog er mich hinter sich her, bis wir vor dem Auto standen.
***
,,Ich komme schon mit! Du musst mich nicht so rumschupsen.", schnauzte ich Jaxon an.
Der Typ hatte eine Waffe... was bitteschön ritt mich, so unhöflich zu sein?
Wir hatten wieder das Gebäude erreicht. Es war eine große, verlassene Lagerhalle. Die Gänge, durch die wir liefen, waren verdreckt und dunkel. Er stockte vor einer Tür, die zu einem alten Büro gehörte. Jaxon öffnete sie und stieß mich hinein. Ich sah mich staunend um. Auf einem Schreibtisch, in der Mitte des Raumes, standen viele Reagenzgläser, Kolben und andere Gefäße, in denen verschieden farbige Flüssigkeiten enthalten waren. Auch dieses Zimmer war sehr dunkel und wurde nur von einer einzigen, flackernden Neonröhre erhellt. An den Wänden standen weiße Schränke, einige von ihnen waren halb geöffnet. Plötzlich wurde die Tür hinter uns aufgerissen.
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