Kapitel 16 - Misstrauen
Marc stand auf und kam einen Schritt auf uns zu. ,,Warum bist du dann bitteschön so scharf darauf, bei uns zu sein?"
Jaxon lachte kurz. ,,Glaub' mir. Das bin ich nicht. Allerdings bin ich noch weniger scharf-", er betonte das Wort seltsam, wärend er mit seinen Fingern Anführungszeichen in die Luft malte, ,,- darauf, bei meinem Vater zu bleiben."
Marc und auch Dan sahen ihn misstrauisch an. ,,Woher wissen wir, dass das alles hier kein Hinterhalt ist?"
,,Ihr müsst es mir eben glauben.", war die schlichte Antwort des Mannes neben mir.
,,Aha.", sagte Marc daraufhin unbeeindruckt. Ich fragte mich, warum er seinen Mund immer so weit aufriss. Jaxon hatte eine Waffe. Warum kapierte er das nicht?
,,Und wie schon einmal gesagt: ihr habt keine andere sinnvolle Möglichkeit. Ich meine... wenn ihr umbedingt sterben wollt, tut euch keinen Zwang an.", Jaxon lächelte falsch.
,,Du... du könntest uns überhaupt nicht alleine dort hinbringen.", Marc zeigte auf einen unbestimmten Ort an der Wand, von dem ich mir ziemlich sicher war, dass er nicht in die Richtung der Lagerhalle zeigte, ,,Wir sind zu fünft. Du bist alleine."
Jaxon lächelte ihn erneut falsch an. ,,Naja. Ich habe die Waffe." Ich verdrehte die Augen. Jaxon sollte endlich damit aufhören immer die Ich-habe-eine-Pistole-und-du-nicht-Karte auszuspielen.
Marc's Ader auf der Stirn pulsierte. Die beiden hassten sich sofort. Mir war klar, dass wir Jaxon dringend loswerden mussten.
,,Vielleicht ist er verkabelt, oder so.", wandte Holly von der anderen Seite des Zimmers leise ein.
Jaxon stöhnte neben mir genervt auf. Er trat einen Schritte nach vorne und breitete die Arme aus. ,,Kontroliert mich.", forderte er uns auf.
Ich sah Marc's auffordernden Blick, da ich ihm am nächsten stand. Und obwohl mich, alleine die Geste davon überzeugt hatte, dass er nicht verkabelt war, trat ich zu ihm.
Ich schluckte, als ich zögernd beide Hände nahm und an seine Taille legte. Ich atmete ein Stück schneller und auch mein Herz wurde für einen kurzen Moment unregelmäßiger. Das war definitiv unangenehm.
Mit einem leichten Klopfen führte ich meine Hände den Bauch entlang bis kurz vor seine Brust, nahm den selben Weg wieder nach unten, bis an seinen Hosentaschen ankam.
Nichts.
Erleichtert nahm ich meine Hände zurück und schüttelte meinen Kopf in Marc's Richtung.
Doch bevor ich mich von ihm entfernte, nahm ich all meinen Mut zusammen und zog die Pistole aus seinem Hosenbund. Er drehte sich um und sah mich überrascht an. Ich wich schnell ein Stück zurück, wärend die Waffe fester in meiner Hand lag, als alles andere, was ich in meinem Leben berührt hatte. Ich hielt eine Waffe, verdammt.
Ich konnte sie nicht mehr halten, da die Angst zu groß war. Wovor ich Angst hatte, wusste ich nicht. Die Pistole war schließlich gesichert und ich hatte zum Glück keinen blassen Schimmer, wie ich dies ändern sollte und doch schien mir die Verantwortung zu groß. Ich legte sie behutsam auf den Boden und trat vor sie.
,,Wir behalten dich im Auge. Niemand lässt ihn irgendwo alleine hingehen. Ich vertraue dir nicht.", drohte Marc ihm noch einmal, ehe er mich stolz ansah.
Jaxon jedoch, setzte sich unbeirrt auf den Boden, Dan und ich taten es ihm nach kurzem Zögern nach. Wir saßen mit einigem Sicherheitsabstand zu ihm. Die Waffe lag hinter mir und niemand wagte es, sie auch nur anzusehen.
,,Sie hätte sowieso nicht geschossen.", murmelte Jaxon noch hinterher und sah mich mit seinen grünen Augen genau an.
Stimmt, dachte ich. Doch sofern ich die Waffe hatte, war es auch ihm nicht möglich zu schießen. So würden wir alle erstmal auf eine bestimmte Zeit am Leben bleiben. Auch, wenn ich nicht glaubte, dass er geschossen hätte. Als er gesagt hatte, dass er es nunmal nicht will, klang es erlich.
Und in irgendeiner seltsamen Weise vertraute ich ihm.
,,Wie heißt ihr vier eigentlich? Ich hab' das gar nicht mitbekommen.", Jaxon sah meine Freunde an.
Sie blickten ihn missbilligend zurück und ignorierten ihn schließlich. Ich schmunzelte.
,,Ach kommt schon. Was soll ich denn mit euren Namen anstellen? Emilia's weiß ich doch auch."
Gott, war das ungewohnt die ganze Zeit Emilia genannt zu werden. ,,Okay... ich fange an. Ich bin Jaxon Havering, falls ihr das noch nicht wusstet. Du warst doch Jenna oder so...?"
Jemma seufzte. ,,Jemma.", sagte die trocken. Jaxon nickte zufrieden und sah weiter in die Runde.
,,Daniel.", sagte Dan schroff.
,,Marcus."
Lustig, wie sie alle ihre vollen -verhassten- Vornamen nannten.
,,Und ich bin Holly.", murmelte die Rotraarige abschließend.
***
Die Nacht war bedrückend. Ich konnte kein Auge zumachen. Jaxon schlief tief und fest. Oder nicht? Vielleicht wartete er, bis wir alle schliefen und erschoss uns dann gnadenlos. Leise richtete ich mich auf und Griff in meine Jackentasche. Das Papier war noch da. Kurz schlich sich ein Lächeln auf meine Züge.
Ich sah zum Fenster. Der Mond schien hell und ich hatte genug Licht um zu schreiben. Ich setzte den Stift an.
,,Lockbucheintrag, 13.05.2051, New York.
Zahl der Infizierten: mindestens 10.000, wenn nicht mehr
Es waren so viele. Der Anblick war schrecklich. Ich weiß nicht, was wir noch tun können. Ich bin ratlos. Wie wird es weitergehen? Wie schnell wird das Virus sich verbreiten?
Tausende Fragen in meinem Kopf.
Nun haben wir ein weiteres Problem. Jaxon Havering. Wir haben keine Ahnung, ob er uns verraten will, oder ob er tatsächlich zu uns will. Wenn ja, müsste er uns gesucht haben, ich denke weniger, dass es eine spontane Entscheidung war.
Wir lange haben wir noch? Wie können wir es stoppen? Ich hoffe bald kommt Hilfe.
Ich bin Emilia Dawn und ich hoffe, dass es jemanden gibt, der das ließt."
,,Was machst du da?", hörte ich eine verschlafene Stimme hinter mir. Ich drehte mich zu Jaxon, der sich umständlich aufraffte. ,,Geht dich nichts an. Ist nichts Wichtiges."
Er verdrehte genervt die Augen. ,,Was denkst du? Dass wir dich sofort als guten Freund aufnehmen?", lachte ich stumpf. Jaxon dachte kurz nach und nickte dann einsichtig.
Er stand auf und kam zu mir herüber. Ich schob die Pistole nur zur Sicherheit noch weiter hinter mich.
Er strich sich durch seine verstrubbelten, hellbraunen Haare und ließ sich neben mich fallen.
,,Dann lasst mich euer Freund werden.", sagte er leise, aber entschlossen.
,,Wie stellst du dir das vor?"
,,Vertraut mit mehr. Ich kann euch nichts tun. Ich werde euch nicht verraten. Versprochen. Mein Vater will gar nichts mehr von euch. Jetzt müsst ihr sowieso nichts mehr geheimhalten."
Ich ließ seine Worte kurz auf mich wirken. Theoretisch hatte er Recht. Aber was wäre, wenn mehr dahinter stecken würde?
,,Hast du uns gesucht?", fragte ich, obwohl es nichts mit dem Thema zutun hatte, doch irgendwie ging mir nichts anderes durch den Kopf.
,,Nein.", antwortete er schlicht.
Verwirrt sah ich ihn an.
,,Warum wolltest du dann zu uns?"
,,Naja. Ich habe dieses Mädchen gesucht. Als ich dich gesehen habe, wollte ich plötzlich nichts sehnlicher, als sicher sein. Keine Ahnung, dass war so eine Impulsentscheidung.", murmelte er.
,,Bist du bei deiner Familie nicht sicher?", spielte ich vorsichtig auf seinen Vater an. Er lachte trocken. ,,Du hast ihn doch gesehen. Ich wollte das nicht mehr unterstützen. Was er tut, ist...", er brach ab und kratzte sich am Hinterkopf. ,,Warum fragst du mich das?"
,,Nur, wenn ich dich kennenlerne, kann ich dir vielleicht irgendwann vertrauen.", flüsterte ich.
Jaxon sah sich in der Gegend um und sein Blick blieb auf dem Mond haften. Sein Gesicht wurde erhellt und Schatten warfen sich unter seinen glänzenden Augen.
,,Warum macht dein Vater das alles?", fragte ich weiter, als er nicht darauf einging.
Seine Miene versteinerte sich plötzlich. Er sah mich nicht an. ,,Schlaf jetzt, Emilia. Du musst ausgeruht sein.", murmelte er emotionslos.
,,Aber-" ,,Gute Nacht."
Jaxon stand ohne weiteres zu sagen auf und legte sich an den Platz auf dem er einige Minuten zuvor noch gelegen hatte. Auch ich versuchte meinen Körper zu entspannen. Doch schlafen konnte ich nicht. Ich musterte Jaxon noch eine ganze Weile und mir schien dieser eine Gedanke an seines Vater nicht aus dem Kopf zu gehen.
Was war es? Was brachte einen Mann dazu, so etwas schreckliches zu tun? Und was hatte Jaxon damit zu tun?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top