Kapitel 10 - neue Pläne

,,Es fängt doch erst so um drei an, oder?", fragte Marc.
,,Ja.", antworte Holly darauf.
,,Ich würde trotzdem schon hingehen. Erstens sollten wir vielleicht mal etwas essen und zweitens müssen wir uns nach ein paar Verstecken, Fluchtwege und so weiter, umschauen."

Marc stöhnte genervt auf.
Ich drehte mich zu ihm. ,,Was ist dein Problem?", fragte ich pampig.
,,Wir machen wieder mal das was Lia will. Oh, Überraschung!", sagte dieser wütend.
,,Hallo?! Das war doch Holly's Idee!", protestierte ich.
Ich wollte nicht mit ihm streiten. Es tat mir wirklich weh, so mit ihm umzugehen. Genauso tat es mir weh, wie er mir mir umging.
,,Ja, eben! Holly hatte die Idee, also sollte Holly auch entscheiden, was wir machen!", stellte Marc klar.
,,Das macht gar keinen Sinn! Wir sind sich eine Gruppe, da sollte jeder entscheiden!"
Marc lachte. ,,Das grade du das sagst! Du bist doch die Einzelgängerin hier!"
Unverständlich sah ich ihn an.
,,Einzelgänge-" ,,Leute?!", rief Jemma laut, damit sie die Aufmerksamkeit hatte. ,,Seid ihr eigentlich total bescheuert? Ihr habt auch nur den kleinsten Nerv, euch in dieser Situation zu streiten?"
Marc und ich sahen uns an, dann drehten wir uns fast syncron wieder zu Jemma.
,,Ja!", sagten wir gleichzeitig.

Jemma sah uns verstört an.
,,Okay... ich und Dan gehören zur Gruppe und wir sind Lia's Meinung!", behauptete sie. Dan sah verwirrt aus.
,,Ach echt? Sind wir das-" ,,Wie ich schon sagte: Wir sind beide Lia's Meinung. Und damit wir nicht noch mehr Zeit verlieren, gehen wir jetzt los. Selbst, wenn Holly nicht unserer Meinung ist, seid ihr überstimmt. Da hast du deine Demokratie, Marc. Also, los geht's."

Perplex starrte ich Jemma an. So kannte ich sie definitiv nicht.
Ohne Marc noch einmal anzusehen, folgte ich Jemma, die bereits durch die Tür maschiert war.
Ich holte sie ein. ,,Danke.", murmelte ich. ,,Wofür?", fragte sie kalt, ,,Ich war nur deiner Meinung und nicht auf deiner Seite.", sie ging zügig weiter die Treppe des Gebäudes herunter.
Plötzlich fühlte ich mich tatsächlich alleine. Wie eine Einzelgängerin. Ich hatte gedacht, Jemma und Dan würden hinter mir stehen.

Das Gebäude war relativ versteckt hinter einigen anderen Bürogebäuden. Wir schauten uns kurz um. Niemand.
Also setzten wir unseren Weg fort. Jemma und Dan bildeten die Spitze. Dahinter, mit einigem Abstand, waren Holly und Marc, die sich flüsternd unterhielten.
Und dann, noch viel weiter hinten und komplett allein, war ich.

So langsam wurde mir schmerzlich bewusst, dass unsere Gruppe zerbrach.

***

Nach einer halben Stunde erreichten wir die nächstgelegene U-Bahn Station.
Es tat wirklich gut wieder unter Menschen zu sein.
Wir entschieden uns dagegen Tickets zu kaufen, da wir wirklich nurnoch wenig Geld hatten und dieses vielleicht grade noch für ein bisschen Essen reichen würde.

Die Station war relativ leer. Es war schließlich elf Uhr an einem Werktag. Viele Menschen waren bereits seit Stunden auf der Arbeit.
Nach ein paar Minuten schweigenden Wartens kam die Bahn und wir stiegen ein.

Genau in dem Abteil, indem wir eingestiegen waren, waren noch vier Sitzplätze frei.
Ich schluckte als ich sah, wie sich Jemma, Dan, Holly und Marc sofort hinsetzten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Tief atmete ich ein und aus. Ich konnte es mir wirklich nicht leisten, wegen jeder Kleinigkeit emotional zu werden.

Ich lehnte mich an eine Stange, die eigentlich zum Festhalten gedacht war und hörte kurz den Gesprächen der Vier zu. Um wichtige Dinge ging es nicht.
Dan erzählte stolz, dass er noch 10$ dabeihatte, die ihm nicht abgenommen wurden. Holly unterhielt sich angeregt mit Marc. Sie flüsterte schon fast. Über was es war wusste ich nicht, ich schnappte nur ein paar unbedeutende Wortfetzen auf.
Schließlich widmete ich mich der Anzeigetafel, auf der sich ein kleiner, leuchtender Punkt von Station zu Station bewegte.

Als ich sah, dass wir an unserer Station angekommen waren, senkte ich meinen Kopf, der angestrengt einige Minuten lang über die Anderen gerichtet war. Ich klatschte kurz in die Hände, baute allerdings zu niemandem Augenkontakt auf. Es war mir einfach zu unangenehm.
Ich ging in Richtung der Tür. Anscheinend hatten die Vier verstanden, da sie mir ohne ein Wort zu sagen folgten.

Auf dem Weg in die Innenstadt kamen wir an einem alten Münztelefon vorbei. Ich stoppte. Eine Idee durchschoss mich.
,,Ähm... Dan?", murmelte ich. Der Angesprochene drehte sich um und sah mir direkt in die Augen.
,,Kann ich vielleicht ein bisschen Geld haben?", in dem Moment, als ich sie ausgesprochen hatte, wurde mir bewusst, wie dämlich die Frage klang.
,,Wieso?", fragte er. Ich vernahm Misstrauen aus seiner Stimme.
,,Ich... ich würde gerne kurz telefonieren.", meinte ich uns zeigte auf die Telefonzelle.

Dan drehte sich kurz zu Jemma. Diese zuckte mit den Schultern. Ich starrte kurz in den Himmel um mich abzulenken, damit mir nicht die Tränen kamen.
Nun mussten sie sich also schon beraten, um mir etwas zu gewären.

Dan kam auf mich zu und drückte mir den Geldschein in die Hand. ,,Kurz. Wir wollen von dem Geld auch noch essen kaufen.", sagte er kalt. Ich musterte ihn noch einige Sekunden, dann drehte ich mich wortlos um.

In der Telefonzelle wählte ich eine, mir allzu bekannte Nummer.
,,Bitte geht nicht ran. Bitte geht nicht ran.", flüsterte ich zu mir selbst in Stille.
Anrufbeantworter. Erleichtert atmete ich auf.
Nach dem Signalton fing ich schließlich zaghaft an zu sprechen.
,,Hey Mom, hey Dad... hier ist- hier ist Lia, ähm- ihr fragt euch sicherlich, wo ich die letzten Tage war. Also ich... hier passieren grade seltsame Dinge. Aber ich kann euch versichern, dass es mir gutgeht und... und wir sehen uns bald wieder! Ich versprech's!", meine Stimme fing an vor Tränen zu versagen, ,,Achja! Könntet ihr Holly's Mom anrufen und ihr versichern, dass sie bald wieder zuhause ist? Das wäre toll!
Ich.. ich hab euch lieb.
Wir sehen uns bald.", ich legte schnell auf, bevor ich laut schluchzten musste.

Ich wischte meine Tränen weg und sah auf den kleinen Bildschirm, der das verbrauchte Geld anzeigte. $1.34 waren es. Ich entnahm das Rückgeld und verließ so schnell ich konnte die Telefonzelle.

Bevor Dan irgendetwas wegen meinen verqwollenen Augen sagen konnte, drückte ich ihm das Geld in die Hand und drehte mich um.
Wir waren noch nicht bei dem großen Platz angekommen, auf dem das Treffen stattfand, trotzdem war es schon sehr laut. Wir waren noch ein paar Blocks entfernt. Ich vermutete es waren Aufbauarbeiten.

Das nächste was wir taten war essen. An einem kleinen Imbisswagen kauften wir uns so viele Sandwiches, wie das Geld reichte. Naja, bei den New Yorker Preisen waren es nicht ganz so viele, dennoch wurden wir satt. Es tat so warnsinnig gut wieder zu essen. Irgendwie hatte ich bei der Aufregung der vorherigen Tage das Hungergefühl vergessen. Wir ließen uns Zeit, da wir diese wirklich genug hatten.

Um etwa 13 Uhr gingen wir langsam zu dem Platz.
Er war wirklich riesig. Zehntausend Menschen würden mit Sicherheit Platz finden.
Auch wenn das Treffen erst gegen drei beginnen sollte, waren schon zahlreiche Leute eingetroffen.
,,Okay Leute.", rief ich die Anderen - ein wenig kleinlaut - zusammen. Ich hatte immernoch Angst, es würde erneut Streit geben, würde ich erneut den Führerpart übernehmen. ,,Seht euch um. Wenn ihr etwas findet, wo man sich hier in der Nähe gut verstecken kann oder was eine Fluchtmöglichkeit darstellt, besprechen wir es zusammen und sehen es uns gemeinsam an. Ich würde sagen, wir treffen uns genau hier wieder. Jemand was dagegen?", ich schaute in die Runde. Marc schüttelte mürrisch den Kopf. Holly tat nichts. Sie sah mich nur emotionslos an. Jemma schüttelte ebenfalls den Kopf, wärend Dan der einzige war, der ein leises ,,Nein, bis gleich." von sich gab, bevor wir uns alle aufteilten.

Ich ging ein paar Schritte und sah mich um. Vor mir lag ein eher unscheinbares kleines Gemüsegeschäft. Ich dachte kurz nach und betrat es schließlich zögerlich. Es stellte sich schnell als ungeeignet heraus. Die Regale waren niedrig und durch die Fenster konnte man ohne Probleme hindurch sehen. Beim Verlassen des Ladens rief mir die ältere Verkäuferin noch eine kurze Verabschiedung hinterher. Perplex drehte ich mich um. Ich zwang mich zu einem kurzen Lächeln und war auch schon verschwunden.

Im nächsten Laden hatte ich mehr Glück. Eine Buchhandlung. Hohe Schränke mit unzähligen Büchern und ein volles Schaufenster machte den Überblick über den ganzen Laden beinahe unmöglich. Er bietete das perfekte Versteck.

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