Sofort weiteten sich Fias Augen. „Heißt das dann...?"

„Es ist wahrscheinlich, dass sie für deine Träume verantwortlich ist." ergänzte Stein sie ruhig.

„Aber... warum?! Nur wegen Aori? Was hab ich denn damit zu tun?!" Fia war einfach nur verwirrt und aufgewühlt, der Schlafmangel kam auch noch dazu.

„Wir können jetzt noch nicht sagen, ob es wirklich Ryos Werk ist, aber es ist anzunehmen. Wir müssen morgen unbedingt mit Aori sprechen. Und mit Minai und Hanako am besten auch - sie haben nichts von Alpträumen oder etwas in der Art gesagt?"

Fia schüttelte den Kopf.

„Na gut..." begann Stein und sah flüchtig auf die nächst gelegene Uhr.„Schon fast 5 Uhr... Da du ja sowieso nicht mehr schlafen wirst, gehst du am besten zum Mädchenwohnheim zurück und machst dich fertig. Dann kannst du wieder her kommen."

Fia tat das, oder besser gesagt wollte das tun, da wegen der Ausgangssperre während der Nachtruhe die Vordertür abgeschlossen war. Sie kletterte also an ein paar Ranken, die an der Hauswand wuchsen, zum nächst besten Fenster hoch und ging dann leise in ihr Zimmer. Sie schnappte sich vorsichtig ihre Klamotten, ging ins Bad und ging als sie fertig war wieder. Diesmal war die Vordertür offen.

„Noch nicht mal das Wohnheim dieser Schule ist normal... Als hätte ich momentan nicht andere Probleme!"

Als sie wieder bei Stein ankam hatte dieser sich auch schon richtig angezogen und trank gerade mit der blonden Frau eine Tasse Kaffee - nein, keine Tasse; aus einem Becherglas, das man normalerweise im Chemieunterricht benutzte.

„Ok?!"

Die Frau stellte den „Behälter" ab und streckte Fia mit einem freundlichen Grinsen die Hand hin. „Tut mir leid, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Marie Mjölnir und ich bin eine von Shinigami-samas Death Scythes. Eigentlich sollte ich auch Lehrerin werden aber nachdem mit dem Kishin alles geklärt war, war das nicht mehr nötig. Oh und außerdem bin ich Steins Partnerin."

Fia schüttelte freundlich ihre Hand und meinte dann erstaunt: „Professor Stein hat auch zwei verschiedene Waffen als Partner? Wow! Wohnen sie deshalb hier?"

Stein ignorierte diese Frage, während Marie knallrot anlief und hektisch antwortete: „Ja, genau, deshalb...!" Dann trank sie schnell ihren Kaffee weiter.

„Da läuft doch was zwischen denen..."

Fia wurde noch ein Stück Brot angeboten, dass sie auch dankbar aß, da sie ja noch nichts gegessen hatte, danach gingen die drei gemeinsam zur Shibusen.

Im Wohnheim herrschte währenddessen große Verwirrung, da Fia, logischerweise, nirgendwo aufzufinden war. Hanako war in ihrem morgendlichen Zustand komplett verpeilt, Aori runzelte die ganze Zeit die Stirn und Minai lief wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das gesamte Heim und suchte nach Fia. Da sie sie aber nicht finden konnte, einigten sich die drei einfach darauf, zur Schule zugehen. Auch wenn sie sich Sorgen machten, vertrauten sie darauf, dass es Fia schon gut ging. Als sie dann an ihrem Zielort ankamen, waren sie mehr als überrascht, Fia mit Stein bereits dort wartend anzutreffen. Stein stellte die vier vom Unterricht frei und Spirit vertritt ihn als Lehrer.

Nachdem Stein Aori, Minai und Hanako von seiner Theorie erzählt hatte, fragte er Aori: „Hältst du das für möglich?"

Sie dachte kurz nach und antwortete dann: „Ja. Ich denke, wenn es wirklich Ryo war, dann wollte sie, dass wir das rauskriegen. Sie will mich sicher erpressen, damit ich zu ihr komme. Wenn ich ein schlechtes Gewissen hätte, dass ich für so etwas verantwortlich bin, wäre das doch wahrscheinlich, oder?"

„Na gut, also nehmen wir dann mal an, es war Ryo." begann Stein. „Wie hat sie das geschafft? Soweit ich weiß, besitzt sie Eismagie. Das beinhaltet wohl keinen Zauber, mit dem man Träume von anderen kontrollieren kann."

„Das würde ich nicht sagen." unterbrach ihn Aori. „Sie ist auf Eismagie spezialisiert, das stimmt, aber mit viel Übung könnte sie sich auch anderer Zauber bemächtigen. Sie hat immerhin bei meiner Mutter gelernt, da ist alles möglich..."

„Denkst du? Dann müsste sie Fia mit einer Art Zauber belegt haben. Marie, kannst du dir das mal ansehen?"

„Natürlich." Marie stellte sich vor Fia und nahm ihre Augenklappe ab. Sofort strahlte ein sehr helles, warmes Licht aus ihrem Auge, in das sie komplett getunkt wurde. „Heilende Wellenlänge"

„Maries Wellenlängen haben eine unglaublich stark beruhigende Wirkung. Sie dürfte in der Lage sein, einen Fremdkörper in Fia zusehen." erklärte Stein den vier Mädchen.

Kurze Zeit später setzte Marie ihre Augenklappe wieder auf und schüttelte ein wenig enttäuscht den Kopf. „Ich kann absolut nichts erkennen, da ist nichts in Fia-chan."

Stein kratzte sich am Kopf und wollte gerade eine neue Theorie aufstellen, doch Aori unterbrach ihn sofort. Sie hörte sich nun vollkommen entschlossen an. „Nein, es ist Ryo. Jetzt glaube ich das noch mehr. Ich bin mir sicher, dass sie sich einen Kontrollzauber angeeignet hat. Und da sie mit einer Schattenhexe geübt hat... Ihr erinnert euch doch noch daran, als ich sagte, meine Schatten haben ein Eigenleben? Sie hat ihren Zauber sicher darauf angepasst. Er kann sich frei bewegen und dringt sofort in Fias Verstand ein, sobald sie einschläft."

Fasziniert musterte Stein die fest entschlossene Aori. Er schien ihr unbedingt glauben zu wollen, hatte aber noch einige Zweifel. Alle Anwesenden schauten zuerst Aori, dann Stein lange an. Er schwieg und drehte ein paar Mal an seiner Schraube. „Ist so etwas überhaupt möglich? Ich habe zwar noch nie von etwas ähnlichem gehört aber..."

Marie riss ihn schließlich aus seinen Gedanken, indem sie sagte: „Was gibt es denn da noch zu überlegen? Ich glaube dir voll und ganz, Aori-chan. Nicht alles steht in Lehrbüchern, Stein, gerade bei Hexen ist alles möglich, das solltest du mittlerweile wissen!"

Er sah sie erstaunt an und sie lächelte selbstbewusst. „Na gut, du hast ja wieder mal recht. Dann müssen wir uns aber trotzdem noch überlegen, was wir dagegen machen."

„Lassen sie es mich doch noch einmal versuchen!" bat Fia ernst. Die anderen sahen sie ungläubig an.

„Ich dachte, du hättest Angst?" fragte Stein besorgt.

Ein wenig unentschlossen sah Fia unter sich. „Ich will es trotzdem noch einmal versuchen. Ich will wissen, was passiert, wenn ich diese Stimmen damit konfrontiere, dass ich über den Zauber Bescheid weiß. Sie haben zwar gesagt, es gäbe kein anderes Ende, aber einen Versuch ist es doch wert, oder? Es ist ja nur eine Nacht, das schaffe ich schon!"

Nachdem sie sich mit den beiden Lehrern und ihren Freundinnen noch ein bisschen über ihr Vorhaben gestritten hatte und sie versucht hatten, es ihr auszureden, stimmten sie schließlich zögerlich ein, da Fia es unbedingt versuchen wollte. Laut Aori war es sehr unwahrscheinlich, dass ihr etwas passieren würde, da die Träume ja bis jetzt immer so gut wie gleich abgelaufen waren und es höchstens besser werden könnte.

Also erschienen die vier Mädchen dann zur 4. Stunde mit Stein zusammen wieder im Unterricht, Spirit wurde abgelöst und konnte gehen. Stein machte ganz normal mit dem Unterricht weiter und keiner der fünf erzählte irgendjemandem von den Träumen und allem, was damit etwas zu tun hatte. Aori trainierte an diesem Nachmittag außerdem noch mit Crona und Minai, Fia und Hanako gingen in der Stadt einem Kellnerjob nach, um die durch Aori zerstörte Wand zu bezahlen. Als es dann Abend wurde, trafen sich die vier wieder auf ihrem Zimmer und redeten noch ein bisschen über die Ereignisse des Tages. Dann gingen sie alle ins Bett und Aori, Minai und Hanako wünschten Fia viel Glück für ihren Traum. Da diese in der vergangenen Nacht fast nicht geschlafen hatte, schlief sie nun fast sofort, nachdem sie sich hingelegt hatte, ein.