Dienerin des Bösen

Nachdem Kim und Aori wieder durch das Portal nach Death City zurückgereist waren, wobei sich Aori dieses Mal nur aus Höflichkeit beim Öffnen des selbigen umgedreht hatte, war das erste, was sie machten, Shinigami-sama Bericht zu erstatten. Natürlich konnten sie ihm nicht alles im Detail erzählen und auch auf die Frage, wie sie das alles heraus gefunden hatten, antworteten sie nur mit: „Die plaudern halt gerne mit ihres Gleichen." Aber das genügte dem Schulleiter auch schon als Antwort und er lobte sie erst noch mindestens 8 mal, bevor er sie gehen ließ.

Kim hatte Aori bereits versprochen, niemandem etwas zu sagen, wobei Aori meinte, sie könnte es ruhig Jackie erzählen, wenn sie wollte.

Als nächstes gingen sie also schnurstracks zurück ins Wohnheim, um sich von dieser anstrengenden Mission zu erholen. Aori wurde von ihren drei Mitbewohnerinnen fast überrannt, als sie ihr Zimmer betrat und danach mit Fragen gelöchert, allerdings war sie so fertig, dass sie sich einfach nur ins Bett legte und sofort einschlief. Kim ging es ähnlich, deshalb mussten alle noch bis zum nächsten Morgen warten, wenn auch sie wissen wollten, was alles passiert war.

Und am nächsten Morgen bekamen sie das auch alles gleich mal erzählt. Jackie, Minai, Fia und Hanako die „echte" Version und alle anderen die nicht ganz korrekte, die auch Shinigami zu hören bekommen hatte. Alle waren total aufgeregt und waren sehr an Aoris und Kims Erzählungen interessiert. Zu Aoris Überraschung tat Jackie so, als wäre das mit ihr, also die Hexensache, das normalste von der Welt und hatte noch nicht mal wirklich viele Fragen. Naja, wenn man länger die Partnerin von Kim ist und in ihr Geheimnis eingeweiht, wird man wohl gegen so was abgehärtet.

Jedenfalls taten sich die beiden „Hexenzimmer" des Wohnheims, also das Chaos-Zimmer und das Zimmer, in dem nur Kim und Jackie wohnten, zusammen und „offenbarten" sich den anderen, was diese ganzen Geheimnisse anging.

Nach ein paar Tagen kam dann eine freudige Nachricht von Shinigami-sama: „Mithilfe der Informationen, die uns die beiden EAT-Schülerinnen Kim Diehl und Aori Kobayashi durch ihre Spitzelmission haben zukommen lassen, wurde der geplante Aufstand der Hexen erfolgreich im Keim erstickt und somit verhindert! Vielen Dank euch beiden!"

Aori und Kim waren mehr als zufrieden. Sie bekamen massenhaft Lob von den Lehrern und anderen Schülern, wobei Aori das ja schon gewöhnt war, und diese Mission hatte die beiden außerdem näher zusammengeschweißt. Die beiden Hexen mussten schließlich zusammenhalten!

Dieser Frieden hielt allerdings noch nicht mal 5 Tage.

Es war Vormittag und gerade Mittagspause an der Shibusen, wegen des schönen Wetters waren die meisten Schüler, und auch ein paar Lehrer, draußen und redeten, aßen, oder trainierten sogar noch vereinzelt. Alles schien perfekt, doch dann sprang Professor Stein gerade zu von einer Bank auf und rief mit schockiertem Blick: „Eine Hexe!"

Es wurde schlagartig still und sämtliche Anwesenden schauten zu Stein.

Maka kam zu ihm gerannt und fragte verwirrt: „Wie bitte?!"

„Ja, spürst du das nicht?"

Sie konzentrierte sich stark und zuckte dann plötzlich zusammen. „Sie haben Recht! Da kommt eine relativ starke Hexenseele auf uns zu! Aber warum..."

„Ich weiß es auch nicht, aber vielleicht hat das etwas mit dem niedergeschlagenen Aufstand zu tun... Alle in Alarmbereitschaft!"

Die gesamten Schüler und Lehrer der DWMA versammelten sich vor der Schule und warteten geduldig auf die gerade heranfliegende Hexe. Erst als sie ihnen schon sehr nah war, konnte man sie richtig erkennen. Eine ziemlich zierliche Hexe, von einem großen, roten Umhang mit Kapuze bedeckt. Das Gesicht konnten sie dank der riesigen Kapuze nicht erkennen, aber ein paar dunkelgraue Haarsträhnen ragten darunter hervor. Sie schien einen riesigen Buckel unter dem Umhang zu haben und sie flog und saß auf... einer Eisscholle!

Shinigami-sama war mittlerweile ebenfalls anwesend - natürlich nur durch seinen großen Spiegel. Gelassen fragte er: „Nanu? Was beschert uns deinen Besuch? Mit einer Hexe hatte ich um diese Tageszeit nun wirklich nicht gerechnet."

Die Hexe antwortete sofort mit einer sich ziemlich „normalen" und jugendlich anhörenden Stimme: „Guten Tag, Shinigami. Keine Sorge, ich bleibe nicht lange." Sie richtete kurz den Blick nach unten und musterte die Schüler, dann wandte sie sich wieder dem Shinigami zu: „Vor nicht mal einer Woche habt Ihr zwei Eurer Schülerinnen zu uns in die Hexenstadt geschickt. Aber keine Sorge, ich habe Euch keines Falls verraten. Im Gegenteil, es wäre selbst für mich eher unvorteilhaft, wenn die anderen Hexen davon erfahren würden. Jedenfalls war ich über den Besuch der beiden äußerst erfreut und das bringt uns auch schon direkt zu meinem Anliegen. Ich bin hier, um die junge Lady Aori mitzunehmen."

Ein Murmeln ging unter den Schülern um, während die Lehrer immer noch auf höchster Alarmbereitschaft waren, allerdings musterten sie jetzt auch verstärkt Aori, welche erst erschrak, dann mit einer bedrohlichen Stimme rief: „Und wer bist du?!"

Die Hexe kicherte und sagte dann: „Ich bin genau wie du!"

Aori schaute sie verunsichert an und wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, also schrie sie einfach: „Was soll das heißen?! Ich hab nach deinem Namen gefragt!" Sie knirschte mit den Zähnen und wartete ungeduldig auf eine Antwort.

Diese lautete: „Oh, wie unhöflich von mir! Nur zu schade, dass du dich nicht mehr an mich erinnerst... Mein Name ist Kasai Junko... Nein, das stimmt nicht ganz. Eigentlich heiße ich Koorimizu Ryo. Klingelt da was?"

Aori drehte sich von ihr weg und dachte nach. Dann fiel ihr etwas ein: Sie kannte diesen Namen! In dem Moment, in dem ihr auch bewusst wurde, woher sie ihn kannte, fingen ihre Hände an zu zittern. Sie drehte sich langsam wieder zu Ryo und schaute sie ungläubig an.

„Jaja, ganz Recht. Ich habe deiner Mutter lange Zeit gedient! Allerdings wurde sie ja tragischer Weise hingerichtet, als du noch sehr klein warst..." Sie schien sich ein paar Tränen zurückhalten zu müssen. „Ich hatte keine andere Wahl, als meinen Namen zu ändern und unterzutauchen. Glaub mir, ich wollte dich wirklich mit mir nehmen, aber dazu bekam ich einfach keine Gelegenheit! Ich bin ja so froh, dass du noch lebst!"

Alle sahen Aori verwirrt an und sie selbst konnte auch gar nicht fassen, was da gerade geschah. Doch sie schaffte es irgendwie, noch mal all ihren Mut zusammenzunehmen und lachte Ryo ins Gesicht, als wäre nichts gewesen. Man könnte es Verzweiflung nennen, vielleicht wollte sie auch einfach nur die Stimmung auflockern. Jedenfalls spottete sie: „Ha! Du musstest deinen Namen ändern und hast natürlich das unkreativste genommen, dass dir eingefallen ist! „Ryo" könnte man mit „erfrischend" übersetzen und „Koorimizu" bedeutet „Eiswasser". Dagegen bedeutet dein Deckname „Junko" „rein" oder „unschuldig", sehr unauffällig, und „Kasai" „Feuer". Oh, und noch was: Mir fällt gerade auf, du hattest ja noch einen guten Grund, deinen Namen zu ändern, oder?"

Sie hielt sich eine Hand vor den Mund und kicherte herabwürdigend.

„Ryo ist doch ein Jungenname! Zumindest habe ich noch von einer Frau gehört, die Ryo heißt."

Sie brach in ein leises Gelächter aus, was Ryo allerdings unbeeindruckt ließ.

„Also, was ist nun? Lass uns gehen."

Aori verstummte ruckartig wieder und schaute Ryo unamüsiert an. „Wieso sollte ich?!"

„Wieso nicht? Schließlich sind wir ja sozusagen Familie."

Die anderen Schüler waren nun endgültig verdächtigend gegenüber Aori geworden und manche Lehrer sahen nicht nur Ryo finster an, sondern auch Aori.

Die ungebetene Hexe bemerkte das natürlich sofort und wandte ein weiteres Argument ein: „Was hält dich schon hier, an dieser Schule? Du hast hier keine Zukunft. Und Freunde bald ganz bestimmt auch nicht mehr. Sieh es ein, mit meinem Besuch sind dir keine Chancen auf ein normales Leben als Schülerin dieser Schule mehr offen. Ich wette, über die Hälfte der hier Anwesenden wissen es nicht. Sie würden dich so oder so irgendwann verstoßen. Schließlich bist du..."

„Eine Hexe!" schrie Aori ihr ins Wort.

Ryo sah sie erstaunt, aber auch irgendwie zufrieden, an.

Ein extrem lautes Getuschel ging um und Aori wurde von unzähligen schockierten und ungläubigen Blicken getroffen. „Ich...bin eine Hexe." Ihre Worte wurden zum Ende hin immer leiser.

„Ganz recht, und zwar eine mit gigantischem Potenzial. Worauf wartest du? Jetzt, da es ohnehin draußen ist, kannst du doch sicher mit mir kommen, oder?"

„Du...! Wie kannst du es wagen?! Genau wie ich?! Von wegen, wir haben nichts gemeinsam!"

Minai und die anderen waren sich einig: So wütend hatten sie Aori noch nie gesehen.

Seelenruhig sagte Ryo: „Das heißt, du willst nicht mitkommen?"

Die anderen konnten nicht ausmachen, ob sie Aori einfach nur provozieren wollte, oder ob das einfach ihre Art war, aber sie wirkte sich auf jeden Fall nicht allzu positiv auf Aori aus.

„Verpiss dich endlich!!! Ich komme auf keinen Fall mit dir!!" Aoris Gesichtszüge hatten sich komplett verformt, sie sah extrem furchteinflößend aus und schien sich auf nichts anderes mehr außer Ryo zu fixieren.

Doch auch jetzt blieb diese noch seelenruhig und sagte leicht lächelnd: „Genau so temperamentvoll wie deine Mutter. Das stellt uns allerdings nun vor ein Problem. Ich bin nicht hier, um irgendjemandem etwas zu tun, alles was ich will,
ist mir etwas zurückzuholen, dass von vorneherein mir gehört. Ich bin vielleicht nur eine simple Dienerin, trotzdem gehören wir zusammen, Aori! Ich fürchte, ich werde zu anderen Mitteln greifen müssen."

Mit einer weiten Handbewegung streifte sie sich den roten Mantel ab und ließ ihn langsam auf den Boden gleiten.

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