Der Abschiedsbrief

--Death City--

Nachdem Aori wieder in Death City war, ging sie schnurstracks zum Klassenzimmer der EAT, da gerade noch Unterricht sein musste. Yumiko beobachtete das Ganze durch eine Kristallkugel. „Ganz schön altmodisch, aber zweckmäßig." 

Ohne lange zu überlegen, riss Aori die Tür der Klasse auf und wurde sofort von über 20 neugierigen Augen angestarrt. Allerdings hatte sie den Unterricht nicht wirklich gestört, denn ein paar Augenblicke zuvor hatten Maka und Crona wieder in ihre eigenen Körper getauscht. Die beiden strahlten Aori überglücklich an, doch Aori hatte dafür jetzt keine Zeit. 

Wutentbrannt rief sie: „Minai! Komm sofort mit!" Sie kochte förmlich, das war ziemlich offensichtlich. 

Jetzt traf es Minai wie einen Blitz. Sie wusste, was nun kommen würde. Nur sehr, sehr langsam stand sie auf, ihre Hände zitterten. Aori wartete ungeduldig in der Tür bis Minai bei ihr angekommen war. Sie sah Aori schuldbewusst und ängstlich an. Eine Entschuldigung bekam sie allerdings nicht mehr heraus, denn schon hatte sie Aori am Arm gepackt und raus geschliffen, die Tür knallte sie laut hinter sich zu. 

Alle noch in der Klasse verbliebenen sahen verwirrt zur Tür und Stein ging ihnen langsam nach. „Ihr bleibt hier und beschäftigt euch still." 

Aori hatte Minai mittlerweile auf den Platz vor der Shibusen gezerrt und sah ihr nun ins Gesicht. Minai wich ihrem Blick erst aus, dann meinte sie aber: „D-du... E-es tut mir..." 

Mehr bekam sie nicht heraus, denn Aori schrie sie an: „Was fällt dir eigentlich ein?! Du benimmst dich schon die ganze Zeit wie das Allerletzte, nur wegen einem beschissenen Traum! Du gehst mir die ganze Zeit aus dem Weg und dann wunderst du dich, wenn ich mit jemand anderem Zeit verbringe?! Bist du jetzt eigentlich total behindert?!Wir sind grad wirklich nicht in der Situation, uns um solche hässlichen Kleinigkeiten zu kümmern! Du bist wirklich das Allerletzte!" 

Stein beobachtete das Schauspiel von weiter weg, er wollte nicht zwischen eine wütende Aori gehen. 

Minai versuchte sich, so gut es ging, zu verteidigen und schrie ebenfalls zurück: „Es ist doch nicht meine Schuld, dass ich diese Träume hatte! Ich hab doch wirklich versucht, wieder mit dir zu reden, aber es ging nicht! Es ist einfach nur unfair von dir, mich dann einfach so aufzugeben und stattdessen lieber Zeit mit Crona zu verbringen! Es heißt immer nur „Crona, Crona, Crona!". Was ist denn bitte so toll an ihm?! Wieso ist er soviel besser als ich?! Was hab ich dir denn bitte geta..." 

Es klatschte hart in Minais Gesicht. Sie schwankte durch Aoris Schlag einen Schritt zur Seite. Geschockt und wie gelähmt vor Schmerz verweilte sie in dieser Position. Mit einer zittrigen Handgriff sie sich an die Backe, die nun feuerrot leuchtete. Ein paar Tränen liefen ihr Gesicht herunter, doch sie wagte es nicht, Aori wieder anzusehen. 

„Du bist für mich gestorben." meinte Aori ruhig, drehte sich um und ging die lange Treppe zur Stadt hinunter. 

Minai blieb noch lange so da stehen, bis Stein endlich zu ihr kam und sie in den Arm nahm.

--Hexenwelt--

„Hahaha, das war klasse! Zum Glück hab ich sie gehen lassen!" Yumiko jubelte und lachte laut, als Ryo völlig aufgebracht zu ihr kam. 

„Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du sie herbringst?! Warum um alles in der Welt hast du sie einfach gehen lassen?!" 

Yumiko rollte die Augen. „Ich bitte dich, das wird schon. Jetzt hasst sie ihre beste Freundin doch sowieso, sie wird schon kommen. Außerdem war das wohl das lustigste, was ich seit Jahren gesehn hab!" Wieder fing sie an zu lachen und Ryo sah sie streng an. 

„Na, hoffen wirs mal..."

--Death City--

Die Stimmung im Wohnheim war komplett gebrochen. Aori schlief diese Nacht im Zimmer von Kim und Jackie und ignorierte Minai komplett. Das gesamte Wochenende tat sie so, als würde Minai überhaupt nicht existieren. Allerdings verbrachte sie sehr viel Zeit mit Hanako und Fia und auch mit allen anderen ihrer Mitschüler. 

Erst am Montagmorgen schenkte sie Minai wieder einen neutralen Blick. Sie hatte sich im Unterricht weit weg von Minai gesetzt, allerdings war sie nun so ziemlich im Mittelpunkt der Klasse, nicht mehr wie sonst in der letzten Reihe. Den gesamten Unterricht passte sie nicht wirklich auf. Zuerst redete sie nur mit den anderen, dann nahm sie sich ein Blatt und einen Stift und begann, irgendwas zu schreiben. 

Stein bemerkte das gegen Ende der letzten Stunde und meinte genervt: „Da ich annehme, dass das keine Notizen zu meinem Unterricht sind, muss ich dich bitten, sie wegzutun und aufzupassen." Er kam näher um das Blatt zu begutachten. „Schön, dass du deine privaten Zettelchen in Hexenschrift verschlüsselst, aber mach das bitte in deiner Freizeit." 

Dann ging er wieder und Aori legte den Zettel in ein Fach unter ihre Bank. Als die Stunde um war stand sie auf und verließ schnellen Schrittes als erste den Raum. Dabei warf sie Minai noch einmal einen vielsagenden Blick zu. Er war nicht hasserfüllt, aber auch nicht emotionslos. Sie lächelte nicht, trotzdem wirkte der Blick freundlich. 

Langsam leerte sich der Raum, bis nur noch Kim und Jackie da waren. Kim hatte ihre Partnerin aufgehalten und ging nun interessiert zu Aoris Platz. 

„Kim, willst du das wirklich tun? Das ist bestimmt privat!" 

Ohne zu überlegen nahm Kim den Zettel unter Aoris Bank hervor und meinte: „Ich weiß, aber Stein hat gesagt, es wäre in Hexenschrift. Ich muss wissen, was da steht." 

Jackie kam langsam zu ihr hoch, während Kim bereits las. Die Waffe konnte absolut nichts außer ein paar verschnörkelten Zeichen erkennen, also sah sie gespannt Kim an. Diese war komplett in den Zettel vertieft, als ihr Blick plötzlich immer leerer wurde. Besorgt sah Jackie sie an, als Kim den Zettel los lies und ihn langsam auf den Boden gleiten ließ. Entgeistert starrte sie ins Nichts, dann tippte Jackie sie an der Schulter an, um sie wieder aus ihren Gedanken zu holen. 

„Was ist denn? Was steht da?" wollte sie aufgeregt wissen, aber Kim antwortete nicht. 

Sie hob schnell den Zettel auf und packte Jackies Arm. Im Laufen sagte sie: „Wir müssen sofort ins Wohnheim! Flieg mich hin!" 

Als die beiden draußen waren, verwandelte sich Jackie in ihre Waffenform und Kim flog auf ihr über die Stadt. Im Wohnheim angekommen zog Kim ihre Partnerin wortlos zum Zimmer Nummer 8 und riss ohne zu klopfen die Tür auf. „Wo ist Aori?!" 

Erstaunt sahen sie Minai, Fia und Hanako an. Dann meinte Fia: „Keine Ahnung, wir haben sie nach dem Unterricht nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich wollte sie einfach etwas Zeit für sich." 

Kim hielt sich eine Hand an die Stirn. „Das ist gar nicht gut!" Die vier anderen sahen sie besorgt an. „Wir müssen sofort zu Stein... Nein, am besten gleich zu Shinigami-sama!" 

Die anderen verstanden nicht ganz, aber Kim beantwortete keine Fragen und so folgten sie ihr einfach. Wieder in der Schule angekommen schnappte sich Kim dann auch noch die gerade zur Verfügung stehenden Lehrer Stein, Sid, Nygus, Marie und Spirit und ging dann mit allen in den Death Room zum Shinigami. Alle warteten gespannt auf eine Erklärung Kims. 

Diese hielt den von Aori geschriebenen Zettel hoch und meinte dann: „Ich befürchte, Aori ist gerade in der Hexenwelt." Die anderen sahen sie geschockt an. Sie erläuterte weiter: „Das... Das ist ein Abschiedsbrief. Ich glaube, Aori hat ihn absichtlich auffällig geschrieben und wollte, dass ich ihn lese. Wenn ihr wollt, kann ich ihn für euch übersetzen. Hat jemand einen Stift und ein Blatt?" 

Relativ abwesend reichte ihr Marie beides. Dann legte Kim den Brief vor sich und schrieb. Als sie fertig war, legte sie die Übersetzung so hin, dass alle rein sehen konnten. Es war tatsächlich ein Abschiedsbrief.

Dieser Text geht an jeden, der in irgendeiner Weise etwas mit der Shibusen zu tun hat oder es einmal hatte. Dies hier sollen meine letzten Worte an all jene sein. Warum letzte Worte? Weil ich mir fast vollständig sicher bin, nie mehr zurückzukommen.
Es tut mir wirklich unendlich leid, es euch so mitzuteilen. Ich konnte einfach nicht den Mut aufbringen, es euch persönlich zu sagen. Außerdem wollte ich von niemandem aufgehalten werden.
Ich werde in die Hexenwelt gehen, um die Dinge ein für alle Mal mit Ryo und Yumiko zu regeln. Darüber hinaus will ich absolut nicht mehr dafür verantwortlich sein, wenn jemandem von euch etwas schlimmes passiert. Es war die ganze Zeit meine Schuld und das kann so nicht weiter gehen.
Bitte versucht nicht, mich zurückzuholen. Ich muss das alleine schaffen.
An jeden von euch: Bleibt einfach so, wie ihr seid. Ich werde euch ganz sicher niemals vergessen. Ich hatte unglaublich viel Spaß mit euch.
Tut mir leid, wenn sich das hier komisch anhört. Es ist ziemlich schwierig, in Professor Steins Unterricht sowas zu schreiben.
Bevor ichs vergesse: Minai, es tut mir unendlich leid, dass ich dich geschlagen habe. Pass gut auf die anderen auf.
Aori Kurayami

Minai konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Als sie das letzte Mal Kontakt zu Aori hatte, hatte sie sie angeschrien. Trotzdem war die letzte Zeile in ihrem Abschiedsbrief an sie gerichtet.

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