Das Auto war kaum zu hören während es fuhr. Nun ja eigentlich schon doch ich bemerkte es nur nebelhaft da ich mich nicht darauf konzentrierte. Wir fuhren schon seit etwa 10 Minuten. Ich konnte nicht sagen ob es sich bereits länger oder kürzer anfühlte als diese Zeitspanne... Mein Kopf war nach wie vor zugleich komplett voller Chaos und entsetzlich leer. Darum bekam ich auch nicht wirklich das Gespräch mit, welches die Anwesenden führten.
Laut Sawazaki waren die vier Leute mit denen ich im Auto fuhr die Einheit F. Das wären einmal Sawazaki selbst, Anzai, Juliana Lloyd und ein weiterer Mann dessen Namen Sawazaki schon am Anfang unseres ersten Gesprächs erwähnt hatte. Ryusei Yanagi, ein Mann mit kurzen Stoppel-Haaren und einer Brille. Er machte auf mich einen recht belesenen Eindruck doch das konnte ich bisher nicht in einem Gespräch überprüfen. Vermutlich habe ich diesen Eindruck aber hauptsächlich wegen dem weißen Kittel und der Brille.
Eben dieser Mann berichtete gerade etwas doch ich verstand eigentlich nichts. Abgesehen davon, dass es um Professor Wataru ging. Lediglich manche Sätze schnappte ich auf.
„...Zustand befindet er...?" „...noch immer... leichten Blutwahn..." „...das dann nicht gefähr...?" „...Fixiert und ruhig ge..." „...Dass das eine gute...?" „...noch weitere Information über...?" „...keine weiteren Fälle bekann..." „...laufen Ermittlungen...?" „...Vorerst abgeboch..."
Es war eine Berührung die mich auch meinem Tranceartigen Zustand hochfahren ließ. Eine Hand hatte sich auf meine Schulter gelegt, so leicht dass sie mich kaum berührte. Dennoch schreckte ich auf und zuckte dabei heftig zusammen. Ich fuhr herum, mein Blick, der eben noch aus dem Fenster gerichtet war, richtete sich schlagartig auf die Person, die mich an der Schulter berührte. An eben der Schulter an welcher mich auch die Krallen der aller ersten Bestie berührt hatten. Damals, als ich unbeschwert nach Hause gelaufen war...
In meinem Inneren braute sich eine Panik zusammen während ich unentwegt an die Nägel der Klauen dachte, unter welchen geronnenes Blut geklebt hatte. Ich drehte den Kopf in Windeseile und begegnete plötzlich Anzais Blick. Seine Blaugrauen Augen hatten mich fixiert und taten es weiterhin während er deine Hand behutsam wieder zurück zog, angesichts meiner offensichtlich panischen Reaktion.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken..." begann er und ich blinzelte leicht. Für einen Moment erfasste ich erstmal die Situation. Anzai saß neben mir, in der Mitte des Rücksitzes, eingequetscht zwischen mir und Juliana Lloyd. Miss Lloyd, ihrerseits telefonierte mit gedämpfter Stimme und hatte den Kopf in Richtung Fenster gerichtet. Sawazaki und Herr Yanagi unterhielten sich, starrten dabei aber beide auf die Straße vor sich. Bei Sawazaki der Fuhr, machte das ganze auch Sinn doch Yanagi, der auf dem Beifahrersitz saß wirkte irgendwie so konzentriert auf die Straße, als würde er selbst fahren.
Mein Blick fiel wieder auf Anzai der mich weiterhin beobachtete. Ich blinzelte erneut verwirrt und sah mich nochmal im Auto um ehe ich ein zugegeben sehr verwirrtes „W-Was?" von mir gab. Ich hatte bereits wieder vergessen was Anzai eben gesagt hatte und blickte ihn deshalb sehr überfordert an, was ihm offensichtlich nicht entgangen war.
„Du ähm... wirktest bis eben so in Gedanken versunken dass ich mir etwas sorgen gemacht habe. Ist denn alles gut (y/n)?" Die Art wie er meinen Namen sagte, hatte etwas beruhigendes an sich. Irgendwie brachte es mich auf den Boden der Tatsachen und Gänzlich in meine derzeitige Situation zurück. „Ich... weiß nicht so recht..." gab ich zu und senkte den Blick leicht sodass ich seinen Pulli-Kragen fixierte.
Der Pullover war ein wenig ausgefranst aber sah recht kuschelig aus, im Gegensatz zu den meisten Kratzigen Pullis die einen Kragen hatte. Unmittelbar oberhalb des Pullis nahm ich im Augenwinkel seinen Mund wahr, mit den im Licht schimmernden Lippen. Einen Moment verlor ich mich in diesem Augenblick ehe Anzai vorsichtig weiterredete.
„Du musst Wataru nicht treffen wenn es dich zu sehr belastet. Keiner hier zwingt dich zu irgendwas" versuchte er mir klar zu machen. Es wirkte fast so, als hätte er erfasst was mich im Inneren so aufwühlte doch andererseits war das in dieser Situation vermutlich nicht allzu schwer zu erraten gewesen. Dennoch war ich gerade irgendwie fasziniert von der Leichtigkeit, mit welcher Anzai meine Gedanken durchleuchtet und verstanden hatte.
„N-Nein das geht schon, mir geht es gut. Aber danke dass du dir Sorgen machst" vielleicht war es der Stress doch ich fühlte mich geschmeichelt bei dem Gedanken dass er sich so um meinen Zustand sorgte. Doch irgendwie war das auch logisch, schließlich hing der Erfolg dieses Aufeinander Treffens mit Professor Wataru von meinem Zustand ab.
Wenn ich so darüber nachdachte, war mein Zustand eigentlich alles andere als gut! Eher das komplette Gegenteil mit ein paar Extras! Man hatte mir soeben eröffnet dass sich unter der Menschheit, ebenso wie scheinbar auch in meinem näheren Bekannten und Freundeskreis Wesen befanden, sie wie Monster aussahen und sich wie wildgewordene Bestien verhielten. Man hatte mir gesagt dass mein komplettes Weltbild auf diesen Aspekt bezogen falsch war. Ich hatte mit angesehen wie eine Mitstudentin zerfleischt wurde und dann auch noch Bilder von der Leiche gesehen und ich wurde von zwei solcher Bestien Gejagt beziehungsweise angegriffen!
'Gut'?! Ernsthaft jetzt?! Was redete ich denn da? Mir ging es nicht gut! Ich fühlte mich Krank! Mir drehte sich immer wieder der Magen um - Inzwischen musste er sich wohl schon zur Schleife gebunden haben! Mir war kotzübel und schwindelig. Ich stand nach wie vor unter Schock von den Enthüllungen über die Dämonen und den Mordfall in den ich involviert war. Und ich fühlte die Panik in jeder Zelle meines Körpers aufgrund des Zusammentreffens mit Professor Wata... Diesem Monstrum das ich einst für einen gutmütigen Mann und belesenen Professor... Nein... das ich für einen Menschen gehalten hatte.
In meinem inneren ging vieles Vor doch nichts davon war auch nur im entferntesten 'Gut'.
Doch das sagte ich nicht. Das dachte ich auch nicht. All diese erschütternden Empfindungen, die ich seit den vergangenen 7 Tagen empfand, hatte ich aus Selbstschutz verdrängt und tief in mir vergraben. All diese Dinge die mich, sobald ich sie nicht mehr verdränge und stattdessen daran denken würde, fertigmachen würden, brachte ich gegenüber Anzai nicht zur Sprache. Ich quittierte sie mit einem 'Gut'. Einem 'Es geht mir gut'. Was für eine Ironie..
„In Ordnung. Gib bitte einem von uns sofort Bescheid wenn sich das ändern sollte" Anzais Stimme holte mich aufs Neue in die Realität zurück und ich sah ihm direkt in die Augen. Diese blaugrauen, klaren Augen mit den Tiefen Ringen darunter. Diese Augenringe die so viel Gefahr ankündigten und doch so harmlos erschienen... Wieder eine geradezu schmerzhafte Ironie...
„Ja, mach ich" ich quälte mich zu einem aufgesetzten, leichten Lächeln das ihn beruhigen sollte. Doch es hatte den Gegenteiligen Effekt und Anzais Blick wurde minimal besorgt. Er wusste dass ich log. Und er wusste, dass es mir nicht gut ging. Doch vor allem wusste er, dass ich wusste, dass er es wusste...
Für einen Moment hatten wir einen Wortlosen Austausch der Mehr sagte als alle gewechselten Worte zuvor. Für einen Moment hatte ich die Einbildung, er wollte mir sagen, dass ich es nicht auszusprechen brauchte damit er es wusste. Als wollte er mir sagen, dass er darauf eingehen würde, auch ohne dass ich es ihm explizit sagte.
Doch letzten Endes war es vermutlich doch nur eine Einbildung.
Ein Ruck ging durch das Auto und unterbrach den Blickkontakt und das eingebildete Gespräch verstummte augenblicklich. Ich sah mich um, der Automotor, den ich zum ersten mal tatsächlich wahrnahm und hörte verebbte. Das Auto stand. Wir waren da.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top