1. In der Welt der Fantasie
Por NightLady7
„Höre immer auf dein Herz, denn obwohl es auf deiner linken Seite ist, hat es immer Recht." (Nicholas Sparks)
Er betrat die Lichtung mit leisen Schritten, die kaum ein Geräusch auf dem Waldboden hinterließen, der mit Laub vom letzten Herbst bedeckt war. Es könnte genauso gut der Wind sein, der in den Blättern rauschte, doch ich wusste es besser. Er war mir so vertraut wie niemand sonst, daher hatte ich ihn bereits gespürt. Für einen Moment verharrte ich zwischen den Bäumen, beobachtete ungestört seine aufrechte Gestalt in der silbergrauen Uniform und dem roten Mantel. Das weiße Haar bewegte sich sanft in der seichten Brise, seine helle Haut ließ ihn mehr denn je wie einen Geist, einen Traum erscheinen. Seine hellen blauen Augen schauten sich suchend um, musterten die Schatten, in denen ich mich verbarg. Sein Blick brachte mein Herz zum Rasen. Nur er hatte so eine Wirkung auf mich. „Célya", seufzte er mit seiner melodischen Stimme, die mich von Anfang an in den Bann gezogen hatte. Mein Name klang nirgendwo schöner als aus seinem Mund, wenn er ihn liebevoll betonte und sein Blick mir seine unsterbliche Liebe verriet.
Ich trat aus dem Schatten hervor. „Tarron. Ich fürchtete schon, du kommst nicht mehr." Ich wollte die Distanz zwischen uns überbrücken, die letzten Schritte überwinden, doch der Ausdruck in seinen Augen hielt mich davon ab. Schmerz lag in seinen Augen, Sehnsucht – und Abschied. Ich erstarrte und mein Herz klopfte aus Furcht schneller. „Du hattest nicht vor zu kommen", erkannte ich. Meine Stimme klang schwach, so schwach wie ich mich fühlte. Auf einmal erschienen mir die wenige Schritte zwischen uns größer als eine Meile, als würde uns eine riesige Schlucht trennen und er war dabei, die letzte Brücke zu zerstören.
Er schüttelte den Kopf. „Das wollte ich zunächst tatsächlich nicht. Doch ich hielt es für besser, wenn wir über uns sprechen. Célya, so kann es mit uns nicht weiter gehen und das weißt du!" Ich schüttelte ungläubig den Kopf, wollte nicht wahrhaben, was er mir sagen wollte. Unerbittlich fuhr er fort: „Diese heimlichen Treffen, dieses ganze Versteckspiel... Ich kann und will das nicht mehr!"
„Du willst uns also einfach aufgeben?"
Er zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm gleichgültig, aber wir beide wussten, dass es nicht stimmte. „Es ist das Beste so. Unsere Liebe darf nicht sein."
„Wieso sagst du so etwas? Wie kann unsere Liebe falsch sein? Ja, wir führen ein Leben im Verborgenen, aber nur weil es Gesetze gibt, die unser Volk gemacht hat. Das ist kein Gottesgesetz! Die Götter würden unsere Liebe niemals verurteilen, da bin ich mir sicher! Und letztlich müssen wir uns nur vor ihnen rechtfertigen – vor ihnen und vor unserem Herzen."
Tarron schüttelte den Kopf, als wollte er die Gedanken, die ihn quälten, aus seinem Kopf vertreiben, doch ich konnte ihm ansehen, dass es nicht funktionierte. Er versuchte seine Gefühle vor mir zu verstecken, doch sein Gesicht verriet ihn. Er konnte sich nicht vor mir verstecken, manchmal glaubte ich, ihn besser zu kennen, als er sich selbst. Er sprach: „Die Götter werden erst über uns richten, wenn wir sterben! Aber der Tod ist noch in weiter Ferne, hier geht es um unser Leben, unsere Zukunft. Kannst du so leben, Célya? Wir müssen uns immer verstecken, dürfen uns niemals offen zeigen, unsere Liebe kann nur im Schatten existieren! Ich bin dieses Leben leid und keiner von uns beiden wird die Wächter je verlassen. Es ist meine Berufung und ich weiß, dass es dir genauso geht. Ich kann einfach so nicht weiter machen! Kannst du es?"
„Wenn der Preis dafür, mit dir zusammen zu sein, ist, für immer im Schatten zu leben, bin ich gewillt, diesen Preis zu zahlen!" Ich wollte nicht einfach so aufgeben, ich wollte ihn und uns nicht so einfach gehen lassen.
„Es ist verboten. Und es gibt einen guten Grund dafür. Eine solche Ablenkung kann im Ernstfall tödlich enden." Er wandte sich zum Gehen.
Unwillkürlich machte ich einen Schritt auf ihn zu und erhob die Stimme, damit er nicht ging. Wie konnte er alles einfach so enden lassen, wie konnte er so leicht aufgeben? „Glaubst du denn, es ändert etwas, wenn wir nicht mehr zusammen sind? Meine Gefühle werden sich nicht ändern, ich werde dich immer lieben und ich weiß, dass es dir genauso geht. Ich weiß, du hast Angst, mich zu verlieren. Du hast Angst zu versagen. Als Hauptmann trägst du die Verantwortung für viele von uns und du hast Angst, dass deine Liebe zu mir dich zu Handlungen verleitet, die sich nicht rational erklären lassen. Aber glaubst du wirklich, das ändert sich, wenn wir uns nicht mehr treffen? Was ändert sich denn, wenn wir nicht mehr die Nähe des anderen suchen, wenn wir Trost brauchen? Wir werden beide einsam sein, uns nicht mehr beistehen, wenn wir einander brauchen, und trotzdem wirst du immer einen Blick auf mich haben, genauso wie ich auf dich. Oder ist das nicht die Wahrheit? Glaubst du, du kannst mich einfach loslassen und unsere Liebe vergessen?"
„Ich weiß es nicht", gab er zu, „Aber ich hoffe es." Und damit ging er, verließ mich, ohne einen Blick zurück. Er hatte seine Entscheidung getroffen und uns beiden das Herz gebrochen.
Ich verfluchte ihn, während mir die Tränen in die Augen stiegen. Der Schmerz in meiner Brust machte mir das Atmen schwer. Oh, wie ich in diesem Moment wünschte, ihn zu hassen! Doch ich liebte ihn und Liebe verging nicht so schnell. Und unsere Liebe war für die Ewigkeit bestimmt, die mir auf einmal unerträglich erschien.
Es waren einfach zu viele gewesen. Zu viele feindliche Kämpfer, als dass wir sie hätten aufhalten können. Sie waren wie eine dunkle Flut über uns hinweg gerollt und hatten an diesem Tag unzählige Leben ausgelöscht.
Es regnete. Der Himmel weinte um die Toten.
Mühsam schleppte ich mich über das Schlachtfeld. So viele bekannte Gesichter im Schlamm, so viele kalte, tote Augen, in denen nie wieder ein Lachen leuchten würde. Und wofür? Für einen Krieg, der die ganze Welt zu zerstören drohte? Heute hatte ich das Ende der Welt gesehen und bald würde nur noch Dunkelheit bleiben.
Der Pfeilschaft, der in meinem Bauch steckte, war abgebrochen, als ich mich schwerfällig auf die Beine gehievt hatte, doch die Spitze steckte noch immer in mir. Blut sickerte langsam aber stetig aus der Wunde und mit jedem Tropfen rann mir mein Leben mehr durch die Finger. Es mischte sich mit dem Blut aus den zahlreichen anderen Wunden, die ich erlitten hatte. Der Schmerz war mittlerweile einem dumpfen, tauben Gefühl gewichen. Ich wusste, ich würde heute sterben. Aber ich wollte nicht gehen, bevor ich ihn nicht noch ein letztes Mal gesehen hatte. Also suchte ich weiter. Jeder Schritt war ein Kampf, jeder Schritt brachte neue tote Freunde mit sich. Eine Träne lief mir über die Wange und vermischte sich mit dem Regen. So viele verschwendete Leben.
Es war der rote Mantel des Hauptmanns, an dem ich ihn erkannte. Das Rot war beinahe vollständig von Schlamm und dem dunklen Blut unserer Feinde bedeckt, dennoch stach es mir sofort in die Augen. Ich überbrückte die wenigen Schritte, die uns noch trennten, hastig, bevor ich auf die Knie fiel, sobald ich ihn erreicht hatte, als mich meine letzten Kräfte verließen. Seine ohnehin blasse Haut schien unnatürlich weiß, sein weißes Haar dagegen war voller Schmutz. Ich strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, seine Haut fühlte sich kalt an. Mein Blick glitt über seinen Körper, auch er hatte unzählige Wunden davongetragen. Auch für ihn gab es keine Hoffnung auf den nächsten Morgen.
Als meine klammen Finger über seine Wangen strichen, zitterten seine Augenlider und kurz darauf öffnete er schwach die Augen. Ich atmete erleichtert ein. Er war noch am Leben! Auch wenn es für uns beide keine Zukunft mehr gab, weder alleine noch zusammen, war ich glücklich über die Gelegenheit, ihm ein letztes Mal sagen zu können, dass ich ihn liebte. Ich hatte ihn immer geliebt und würde ihn auch über den Tod hinaus immer lieben. Bis in alle Ewigkeit.
„Célya", murmelte er und der Klang seiner Stimme und der liebevolle Ton, mit dem er meinen Namen aussprach, ließ mein Herz für einen Moment aussetzen.
„Tarron", flüsterte ich zurück. Es gab keine Worte, um auszudrücken, was ich fühlte, und dennoch lag eine ganze Welt in diesem kleinen Wort.
„Wir haben verloren." Seine Stimme war kaum zu vernehmen, sie ging beinahe im Rauschen des Regens unter.
„Wir haben getan, was wir konnten. Gekämpft bis zum letzten Mann."
„Ich habe dich aufgegeben", sprach er und ich begriff, was er meinte. Wir hatten den Krieg gegen unsere Feinde verloren, aber vor allem hatten wir uns verloren. Gemeinsame Zeit, die wir hätten nutzen können.
„Es ist in Ordnung", versicherte ich ihm und streichelte mit meiner Hand über sein Gesicht. In meinen letzten Momenten wollte ich ihn spüren, wollte ihn nicht mehr loslassen. „Wir hatten die Zeit, die wir hatten."
„Nein, es ist nicht in Ordnung!" Er fing meine Hand ein, hielt sie fest in seiner und verschränkte unsere Finger miteinander. Es fühlte sich richtig an, als wäre die Welt für einen Moment wieder perfekt, auch wenn wir beide wussten, dass sie es nicht war und dass uns die Zeit davonlief. All diese Gedanken verschwanden, als wir uns tief in die Augen schauten. Versunken ineinander, versunken in unsere Liebe. In diesem letzten Moment. Er holte tief Luft und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Als er zu sprechen begann, schweifte sein Blick in die Ferne, seine Gedanken fort in ferne Erinnerungen. „Als ich klein war, gab mir meine Großmutter einmal den Rat, dass ich immer auf mein Herz hören sollte, denn es würde mir bei wichtigen Entscheidungen den richtigen Weg weisen. Mein Herz würde mich auf den richtigen Pfad führen, meinem Leben einen Sinn geben. Es hat mich zu den Wächtern geführt und die Aufgabe, unser Volk zu beschützen, hat mich erfüllt. Die Aufgabe hat meinem Leben einen Sinn gegeben. Doch dann hat mich mein Herz zu dir geführt und ich war zu blind, um zu erkennen, was es bedeutete. Ich war zu blind, um zu erkennen, dass nur du mich vollkommen glücklich machst. Mein Herz hat es gleich erkannt, es hat mich zu dir geschickt und ich habe vorgezogen, es zu ignorieren. Wir hätten mehr Zeit haben können, wenn ich nicht entschieden hätte, dass wir uns trennen. Für die unsinnige Hoffnung, ich könnte vergessen, was wir hatten. In der unsinnigen Hoffnung, ich könnte dich vergessen. Aber das ist unmöglich. Ich liebe dich, Célya, bis ans Ende allen Seins."
„Ich liebe dich, Tarron", erwiderte ich, bevor ich mich in seine Arme kuschelte. Ein letztes Mal umfing er mich in einer warmen Umarmung, eine Umarmung, die ewig währen würde. Es gab keinen besseren Ort, den ich mir für meinen letzten Moment gewählt hätte, als in seinen Armen.
Unser Blut vermischt sich. Wir sind Gefährten. Wir haben Seite an Seite gekämpft, gelebt und geliebt. Und nun sterben wir auch zusammen. Gemeinsam erfolgt unser letzter Atemzug.
Der Regen fällt in unzähligen Tropfen zur Erde. Der Himmel weint um die Leben und die Lieben, deren Zukunft am heutigen Tag gestorben war.
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