55. Grenzen Teil 1
Zum wiederholten Male sah Magnus auf sein Smartphone. 5:56 Uhr. Draußen begann es schon zu dämmern. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Seufzend drehte er sich um und sah Alec an, der neben ihm auf dem Bauch lag und friedlich schlief.
Liebevoll strich Magnus ihm durch seine flauschigen Haare. Alec lächelte leicht im Schlaf und Magnus spürte zum wiederholten Male einen Stich in seiner Brust.
Er hatte Alexander gesagt, dass sie kämpfen würden. Für sich, für ihre Beziehung. Doch als sein Vater ihn bat, sein Trauzeuge zu sein, wurde Magnus urplötzlich von der bitteren Realität eingeholt.
Wie sollte das alles funktionieren? Selbst, wenn sein Vater und Maryse ihre Beziehung akzeptieren würden, was würde aus dem Ruf seines Vaters werden? Die wenigsten Menschen könnten solch eine Familiensituation richtig deuten. Und Alec hatte sich noch nicht mal vor seiner Familie geoutet.
Magnus' Gedanken spielten verrückt. Er brauchte Ablenkung. Leise stand er auf, um duschen zu gehen und ging dann in die Küche, um einige Vorbereitungen zu treffen.
„Was ist denn hier los?" fragte Izzy verwirrt, als sie ein paar Stunden später in die Küche kam.
„Guten Morgen, liebste Bald-Stiefschwester," begrüßte Magnus sie mit einem Kuss auf die Wange. „Du kannst gleich wieder umdrehen und deinen Bikini und ein paar andere Sachen einpacken."
„Was? Wieso?"
„Ich habe beschlossen, dass es mal wieder Zeit für eine ordentliche Party ist. Da wir das Haus aber nicht für uns haben, wird die Location kurzerhand woanders hin verlegt." erklärte Magnus und schloss gerade die Kühlbox, die bis zum Rand mit ungesundem Essen gefüllt zu sein schien.
„Eine Party?" Izzy begann zu lächeln.
„Ja, und keine Sorge, meine Hübsche. Deinen Freund habe ich natürlich auch eingeladen." grinste Magnus und schleppte die Kühlbox nach vorn in den Flur.
Izzy klatschte begeistert in die Hände und quiekte aufgeregt: „Ich muss Clary anrufen!"
„Ist schon unterwegs. Wir treffen uns alle dort." sagte Magnus geistesabwesend, während er sich umsah, was er noch packen müsste.
Überglücklich fiel Izzy ihm um den Hals. „Du bist der beste Stiefbruder der Welt, Magnus."
Magnus lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Husch, husch!" scheuchte er Izzy die Treppe hoch. „Ich möchte gern noch vor dem Abendessen betrunken sein."
Verwirrt blieb Izzy stehen. „Fahren wir nicht da hin, wo wir sonst immer waren?"
Magnus schüttelte den Kopf. „Nö, das wäre doch langweilig. Ich kenne noch einen anderen See, der noch viel cooler ist."
Er konnte schlecht sagen, dass der See, an dem sie zuletzt ihr Familienwochenende verbracht hatten, seinen Plan, auf andere Gedanken zu kommen, durchkreuzen würde.
„Guten Morgen," riss ihn Alecs noch mit Schlaf belegte Stimme aus seinen Gedanken. „Fährst du weg?"
Magnus setzte sein Lächeln wieder auf und drehte sich schwungvoll um. „Nicht nur ich, Alexander. Wir alle. Es wird mal wieder Zeit für eine Party."
Alec fuhr sich noch müde durch seine Haare. „Party?" murmelte er.
„Ja, ich habe schon alles organisiert. Du musst nur noch Badesachen einpacken und.."
„Und?" Alec hatte fast geahnt, dass es einen Haken gab.
„Wir brauchen dein Auto." gab Magnus zu.
„Mein Auto? Wieso?"
„Naja.." Magnus zeigte auf die Kühlbox und allerlei Campingausrüstung. „In meinem wird dafür wohl nicht genügend Platz sein."
Alec seufzte. „Okay, gib mir zehn Minuten."
„Ich gebe dir sogar zwanzig, denn Isabelle muss auch noch packen."
Alec, der bereits die Treppe hochging, grinste zu Magnus herunter und sagte: „Dann kann ich mich ja nochmal hinlegen."
"Das ist ja voll nah dran," freute sich Izzy, als sie vierzig Minuten später aus dem Auto stiegen. "Ja," sagte Clary und nahm ihre Tasche gleich mit. "Ich weiß gar nicht, warum wir letztes Mal nicht gleich hierher gefahren sind. Ich war mit meinen Eltern früher richtig oft hier."
Magnus öffnete den Kofferraum und begann sofort, das Gepäck heraus zu holen. "Los, Leute. Je schneller wir aufgebaut haben, desto eher kann die Party losgehen."
Alec nahm ihm das Zelt ab und schaute ihn zweifelnd an. "Du kannst es ja kaum erwarten." merkte er an.
Magnus zuckte mit den Schultern. "Ich bin halt einfach in Feierlaune."
Verwundert zog Alec die Augenbrauen zusammen, er selbst war nach den letzten beiden Tagen alles andere als in Feierlaune, aber vielleicht hatte Magnus recht und eine Party würde sie auf andere Gedanken bringen.
"Wie geil ist das denn?!" schrie Jace plötzlich und rannte los. Clary begann zu kichern und alle blickten Jace verblüfft nach, der sich im Rennen bereits sein T-Shirts vom Körper riss und auf einen riesigen Sprungturm aus Holz am Ufer des Sees zusteuerte. In Windeseile hatte er die beiden Etagen erklommen und sprang mit einem waghalsigen Salto in den See.
Clary klatschte und kreischte aufgeregt, Izzy applaudierte ebenfalls und auch Simon und Magnus grölten lauthals. Alec schüttelte entsetzt den Kopf. Bevor er etwas sagen konnte, hatte Magnus die Tasche, die er gerade in der Hand hielt, fallen gelassen und folgte Jace laut lachend.
Nachdem Jace und Magnus tropfnass und lachend zurückkamen, schlug Simon vor, dass sie zunächst ihr Lager aufschlugen, bevor sie erneut im See baden gingen. Alec war froh, dass dieses Mal nicht er den Erwachsenen spielen musste und mit vereinten Kräften bauten sie schnurstracks ihre Zelte auf. Jace hatte seins heute auch nicht vergessen und Magnus hatte bei seiner Party-Einladung Simon bereits vorgeschlagen, dass dieser statt seinem Minizelt auch das von Magnus' benutzen dürfte. Wenn er kein Problem damit hätte, es sich mit Izzy zu teilen. Simon hatte natürlich kein Problem damit und bedankte sich überschwänglich bei Magnus. Netterweise hatte der angeboten, den Pärchen den Vortritt zu lassen und sich ein Zelt mit Alec zu teilen.
"Ich kann nie wieder was essen," stöhnte Simon und ließ sich neben Izzy auf die Decke am Lagerfeuer fallen.
Izzy lachte und strich ihm über die Schulter. "Wie kann man auch fünf Steaks essen, Simon?"
"Das weiß ich nicht mehr. Warum hast du mich nicht aufgehalten?"
"Simon muss doch bei Kräften bleiben," lachte Magnus, trank den letzten Schluck aus seiner Flasche und schaute dann verwirrt in diese hinein.
"Hast du die alleine gekillt?" fragte Jace beeindruckt und zeigte auf die Bacardiflasche. "Krass!"
Magnus zuckte mit den Schultern und erwiderte gleichgültig: "Wir brauchen doch eine zum Flaschendrehen." Damit grinste er schief in Alecs Richtung, der ihn bereits seit geraumer Zeit still beobachtete.
"Hör' auf damit, Magnus. Wir spielen bestimmt kein Flaschendrehen." ermahnte Izzy ihn von der anderen Seite des Lagerfeuers.
Magnus hob beschwichtigend die Hände. "Okay, okay. Was dann? Mir ist langweilig."
Clary stand auf und zog ihr Sommerkleid aus, unter dem sie ihren Bikini trug. Jace' Kiefer klappte herunter. Frech grinste sie ihn an. "Wer zuletzt auf dem Turm ist, muss morgen für alle das Frühstück machen." Sobald sie ihren Satz beendet hatte, rannte sie auch schon Richtung Ufer. Jace starrte ihr noch immer nach, die Information war noch nicht zu seinem Hirn durchgedrungen. Erst als Clary aus seinem Sichtfeld verschwunden war, schüttelte er benommen den Kopf und setzte sich in Bewegung. Simon jammerte, stand aber mit Izzys Hilfe schwerfällig auf und beide trabten Clary hinterher.
Magnus stand schwankend auf und stützte sich leicht an Alecs Schulter ab. Alec hielt seine Hand fest und sah zu ihm auf. "Sicher, dass das eine gute Idee ist?" murmelte er.
"Na klar, ich hab' doch keinen Bock, Frühstück zu machen," lallte Magnus.
"Magnus, du bist betrunken." sagte Alec besorgt.
"Ach, doch nicht von so einem bisschen." kicherte Magnus und zog sein T-Shirt über seinen Kopf. Er nahm Alecs Blick wahr und zwinkerte ihm zu. Alec schüttelte den Kopf. Magnus begann, seine Hose auszuziehen und fiel dabei fast um, wenn Alec ihn nicht gestützt hätte. "Huch!" machte Magnus und lachte.
"Ich denke nicht, dass du da hochgehen solltest."
"Ich denke nicht, dass du das zu bestimmen hast, Alec." Magnus drehte sich von ihm weg und lief zum Turm. "Wartet, ihr Loser!" rief er den anderen zu.
Alec blickte ihm verwirrt nach. Hin und her gerissen blieb er allein am Lagerfeuer zurück.
"Hör' auf, Magnus! Ich springe nicht als Erste!" hörte Alec plötzlich Izzy schreien. Besorgt lief auch er nun zum Turm und sah von unten zu den anderen hoch.
"Jetzt stell' dich nicht so an, Isabelle!" kicherte Magnus laut und versuchte, Izzy an den Rand der Plattform zu drängen. Clary, Jace und Simon feuerten sie mit lauten "Izzy, Izzy" Rufen an.
Alec rannte atemlos die Treppen nach oben und rief dann: "Lass' sie los, Magnus!" Mit aufgerissenen Augen blickte er nach unten und versuchte, sein Schwindelgefühl zu ignorieren. Angestrengt bemühte er sich, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
Alle erstarrten und blickten ihn überrascht an. Izzy selbst lachte ebenfalls und sagte: "Ist doch nur Spaß, Alec."
Magnus ließ sie los und grinste Alec herausfordernd an. "Genau, Alexander. Ist doch nur Spaß. Ich wäre ja dafür, dass derjenige, der als Letztes nach oben kam, auch als Erster springt."
"Alec! Alec!" feuerte Jace ihn nun klatschend an. Ein böser Blick von Alec ließ ihn langsam leiser werden und schließlich verstummen.
Alec stockte und erwiderte dann trocken: "Ich muss hier niemandem was beweisen."
"Was ist, Lightwood?" fragte Magnus nun, seine Augen blitzten. "Traust du dich nicht?"
"Und du musst genau so wenig was beweisen, Magnus."
"Ich habe kein Problem damit zu springen," sagte Magnus und trat einen Schritt zurück und stand nun mit dem Rücken direkt am Rand der Plattform. "Ich bin ja kein Feigling."
Alec blickte ihn eindringlich an und schüttelte den Kopf, als wollte er ihm sagen, dass er damit aufhören solle. Magnus grinste breit und deutete mit seinem Mund das Wort 'Feigling' an. Dann ließ er sich einfach nach hinten fallen.
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