29. Einen Schritt zu weit

Magnus und Izzy fuhren auf den Parkplatz der Schule und wie immer öffnete Magnus ihr galant die Beifahrertür, um sie aussteigen zu lassen. Izzy hatte den Rock ihrer Schuluniform offenbar noch kürzer genäht. Übertrieben reichte sie ihm ihre Hand, die er bei seiner Verbeugung sanft küsste.
Simon lehnte an der Mauer des Schulgebäudes und beobachtete beide mit finsterem Blick. Jeden Morgen sah er sich dieses Spektakel an, er wusste nicht, warum er sich das selbst antat. Ihm war bewusst, dass er nicht in der selben Liga spielte, aber dennoch konnte er es nicht ertragen, wie Magnus, dieser selbstgefällige, arrogante Mistkerl, sich dermaßen bei ihr einschleimte. Sie verdiente wirklich etwas besseres.

„Morgen," sagte Alec plötzlich neben ihm und lehnte sich ebenfalls an die Mauer. Simon schreckte kurz zusammen, aber als er sah, dass es nur Alec war, entspannte er sich wieder. „Morgen," murmelte er zurück. Alecs Blick folgte Simons. „Dir ist klar, dass sie dich nicht wahrnimmt, wenn du nur aus der Ferne schmachtest?" fragte er vorsichtig.
Simon seufzte. „Dir ist klar, dass sie gar nichts wahrnimmt, solange ER sie so in Beschlag nimmt?"
Alec schaute zu Magnus, der sich nun elegant bei Izzy einhakte. Sein Hemd hing leicht aus der Hose und die Krawatte war wie immer absichtlich schief gebunden. Alec musste sich ein Seufzen verkneifen. Er hatte den entspannten Abend gestern sehr genossen. Zur Abwechslung tat es richtig gut, einfach nur normal mit Magnus zu reden. Hätte ihm jemand vor zwei Wochen gesagt, dass das möglich wäre, hätte Alec ihn für verrückt erklärt.
„Da läuft nichts, Simon," versicherte er seinem Freund. Dieser schnaubte nur abfällig.
Genau in diesem Moment musste Izzy irgendetwas Freches zu Magnus gesagt haben, denn er starrte sie mit gespieltem Entsetzen an. Bevor sie jedoch flüchten konnte, hatte er sie schon gepackt und über seine Schulter geworfen. Sie protestierte laut kreischend und kichernd, doch er klopfte ihr nur auf den Hintern und verschwand lachend mit ihr im Schulgebäude.
Alec meinte, ein Knurren neben sich zu hören. Er drehte sich um, doch Simon war bereits verschwunden.

Im Unterricht hatte Alec wieder Mühe, die Augen aufzuhalten. Er hatte schon zwei Liter Cola getrunken und die wollten nun raus. Er entschuldigte sich und ging zur Toilette. Als er sich die Hände waschen wollte, wunderte er sich. Alle Seifenspender waren leer. Super! Auf dem Weg zurück in seinen Klassenraum sah er Simon am Ende des Korridors. „Hey Simon," rief er. Wieder zuckte Simon zusammen. „Hey," erwiderte er kurz angebunden.
„Was machst du hier?" fragte Alec neugierig.
„Ich.. äh.. musste zur Toilette," stammelte Simon.
„Okay, aber pass' auf. Die Seife ist komplett alle." warnte ihn Alec bevor er zurück in seine Klasse ging.

In der Mittagspause saß Alec allein mit Jace am Tisch. „Wo ist Simon?" fragte er.
Jace kaute noch, ließ sich dadurch aber nicht vom Antworten abbringen. „Ddd gggs nü so ggt." nuschelte er.
„Steck' doch noch mehr in deinen Mund, damit ich dich noch besser verstehe," sagte Alec.
Fragend blickte Jace ihn an, nahm dann jedoch sein Sandwich und biss herzhaft hinein. „Mmmmfpppfpfff." sagte er nun und Krümel flogen in alle Richtungen.
Alec schüttelte den Kopf. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass Jace keine Ironie verstand. „Iss' auf, dann sprechen." wies er ihn an.
„Dem ging's nicht so gut," erklärte Jace, nachdem er runtergeschluckt hatte. „Ist in Kunst nach Hause gegangen."

Nach der Schule brach Alec auf, um wie jeden Tag zu Fuß nach Hause zu gehen. Auf dem Parkplatz war ein ungewöhnliches Getümmel zu sehen. Neugierig blieb er stehen und betrachtete das Treiben aus der Ferne. Eine Gruppe Schüler stand um Magnus' Auto herum, der sichtlich aufgebracht war. Er gestikulierte wild und manche Schüler kamen mit Klopapierrollen und Papierhandtüchern herbeigerannt. Plötzlich fiel Magnus' Blick auf Alec und seine Augen verengten sich. Mit langen Schritten lief er über den Parkplatz auf Alec zu.
„Was ist los, Magnus?" fragte Alec.
„Das weißt du ganz genau, Lightwood." zischte Magnus.
Alec schaute ihn fragend an. Er konnte sich nicht erinnern, wann Magnus ihn das letzte Mal mit seinem Nachnamen angesprochen hatte.
„Magnus? Alles okay?"
„Tu' doch nicht so!" schrie Magnus nun und schubste ihn an der Schulter.
„Hey! Was soll das denn? Spinnst du?"
„Der ganze andere Scheiß war ja noch lustig, aber Seife auf meine Sitze kippen? Hast du sie noch alle?"
„Wovon redest du?"
„Ach, hör doch auf, Alexander. Die ganzen kleinen Streiche, die du weiter gespielt hast.. aber das ist selbst für dich zu mies!"
„Ich war das nicht, Magnus!"
Magnus schnaubte abfällig. „Genau! Das würde ich an deiner Stelle auch sagen. Ich wäre ganz vorsichtig an deiner Stelle, Alexander!" drohte Magnus nun leise. Dann drehte er sich um und eilte zurück zu seinem Auto.
Verdutzt und vollkommen ahnungslos, was hier gerade passiert war, stand Alec wie angewurzelt da und sah ihm nach.

Zu Hause auf dem Sofa konnte er natürlich nicht schlafen. Unentwegt dachte er an Magnus und das, was auf dem Parkplatz vorgefallen war. Was hatte er mit den Streichen gemeint? Alec hatte Magnus seit dem Aufsatz keinen Streich mehr gespielt. Warum glaubte er ihm nicht? Andererseits wäre er umgekehrt wohl genauso misstrauisch.
Beim Abendessen vermied Magnus Blickkontakt und sprach nur mit Izzy, generell war er so ruhig, dass es sogar Maryse auffiel.
„Magnus, ist bei dir alles okay?" fragte sie ihn besorgt.
Er blickte sie nur an und erwiderte: „Geht so, Maryse. Ein bisschen Stress in der Schule."
„Hast du Ärger mit jemandem?" mischte sich nun auch Adam ein.
„Naja.. nicht alle Menschen sind immer ehrlich. Und das musste ich heute wohl lernen." Damit blickte er kurz zu Alec und dann wieder schnell auf seinen Teller.
Alec kochte innerlich. War das sein Ernst? Er hatte nichts damit zu tun gehabt!

Nach dem Essen schlugen Maryse und Adam vor, noch gemeinsam einen Film zu sehen, doch Magnus gab vor, müde zu sein und verzog sich auf sein Zimmer. Alec fühlte sich verpflichtet und setzte sich neben Izzy. Er nahm sein Handy und schrieb ihr, obwohl sie neben ihm saß.

Was ist los mit ihm?

Alec, dieses Mal bist
du echt zu weit
gegangen. Du weißt,
wie sehr er sein Auto liebt.
Ich dachte, ihr kommt jetzt
miteinander aus?

Das dachte ich auch..
Iz, ich war das das nicht!

Ach, komm schon, Alec.
Und die Pornohefte? Die
geänderte Spindkombination?

Wovon zum Teufel redest du?
Der letzte Streich, der von mir
war, war der Aufsatz. Das war
vor Wochen!

Aber wer sollte es dann
gewesen sein?

Ich hab keine Ahnung!

Doch plötzlich kam Alec ein Einfall, dass er doch eine Ahnung haben könnte. Schnell schrieb er Izzy eine weitere Nachricht.

Kannst du Magnus bitte
sagen, dass ich nichts
damit zu tun hatte?

Wieso ich?

Mit mir redet er doch nicht.
Du wolltest doch, dass wir
uns besser verstehen!
Also hilf mir jetzt!

Na gut. Ich rede mit ihm.
Aber erst morgen. Vorhin
wollte er selbst mit mir nicht
richtig reden. Ihn scheint das
echt fertig zu machen.

Alec öffnete einen weiteren Chat.

Weißt du, wer etwas mit
der Seifenaktion zu tun
hatte?

...

Simon?!

Vielleicht..

Alter!

Mann, Alec. Du hast
das doch heute früh
selbst gesehen. Ich
hab einfach rot
gesehen!

Simon! Was soll der Scheiß?
Was hast du noch alles
gemacht?

Du hast doch damit
angefangen!

Ich habe mich nur gewehrt!
Er hat mir auch ständig
Streiche gespielt. Außerdem
haben Magnus und
ich auch wieder aufgehört.

Aber du hasst ihn doch
genauso wie ich. Wieso
bist du jetzt sauer auf
mich?

Weil er denkt, dass ich
es war!

Dann lässt er dich
wenigstens in Ruhe!

Darum geht es nicht,
Simon! Du klärst das!

Was soll das jetzt
heißen?

Dass du dich entschuldigst!
Ich nehme das nicht auf
meine Kappe!

Ich kann das nicht, Alec.
Izzy redet nie wieder
mit mir.

Du sprichst sie doch auch
nicht an. Also macht das
in meinen Augen keinen
Unterschied.

Wütend warf Alec das Telefon neben sich.
„Alles okay?" fragte Izzy.
Alec schnaubte nur. „Ich geh' mal ins Bett."

Oben zog er sich aus uns ging ins Bad. Die Tür zu Magnus' Zimmer war geschlossen. Nachdem Alec sich die Zähne geputzt hatte, stand er zögerlich davor. Die letzten Nächte war die Tür immer angelehnt gewesen. Er holte tief Luft und klopfte dann leise.
Keine Reaktion.
Er klopfte jetzt etwas lauter.
Noch immer nichts.
Vorsichtig, versuchte er, die Tür zu öffnen. Sie war verschlossen.
Dumpf hörte er von innen nur: „Verpiss' dich, Lightwood!"
Tränen der Wut schossen Alec in die Augen. Er ging in sein Zimmer und knallte seine Badezimmertür laut zu.
Er ließ sich auf's Bett fallen und ergriff erneut sein Smartphone.

Hey! Sorry, dass ich mich jetzt
erst melde. Wollen wir die Tage
vielleicht einen Kaffee trinken
gehen?

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