zweite Chance

Luisa's Sicht:

Highlights der letzten Woche? Ich habe meine beste Freundin weggeschickt. Alex hat mit mir Schluss gemacht. Mein verstorbener Bruder hat einen Sohn, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten aussieht und der uns von unseren Eltern verheimlicht wurde. Ganz toll. Fühlt sich an als wäre das die schlimmste Woche aller Zeiten. Ich freue mich zutiefst, von Leo's Sohn erfahren zu haben. Als wir zuhause angekommen sind bin ich dennoch in Tränen ausgebrochen. Ich werde Leo's Sohn wohl nie wieder zu sehen bekommen. Ganz toll.

„Neues Auto?", fragt mich Alex beiläufig, als er mich im Hof sieht. Ich bin auf dem Weg zu Kati, die bei Alex übernachtet bis ihre Wohnung renoviert ist. Ich hatte auch ein Zimmer bei uns angeboten, aber sie wollte in der Nähe ihrer Arbeit sein. „Leasingverträge", meine ich nur kurz angebunden und nicke. 

Alex sieht gut aus.. besser als ich erwartet hätte.. als wäre die Trennung genau das richtige für ihn gewesen. Wie bitter, dass es ihm so gut damit geht, mich los geworden zu sein. Ach man, ich klinge wie ein verbitterter Teenager. Juristin, Doktorantin, Geschäftsfrau und trotzdem weine ich Alex hinterher. 

„Hey, ehm.. Wie geht's dir?", fragt er mich vorsichtig. „Gut", behaupte ich zu schnell also korrigiere ich mich, „Wie es sich rausgestellt hat hat Leo einen Sohn, von dem nur unsere Eltern wussten. Die Mutter hasst uns." „Verständlich", meint Alex schulterzuckend. Ouch. Er muss ja nicht gleich so nachtragend sein.. „Tut mir leid. Das sollte nicht so gemein klingen." 

„Schon gut. Verstehe ich. Ich weiß ja wie wir sind." Wieso sage ich das überhaupt? Ich muss ihm doch nicht zustimmen. „Nein, im Ernst. Die Sache mit Jana.. das ist auch schief gelaufen. Ich wollte nicht-" „Schon gut, Alex, ehrlich. Ich verstehe das. Ihr seid das Uni-Pärchen, zu dem man aufsieht und ich war eben eine Diehn. Wir sind gut darin, Dinge zu verbergen." „Nein, das meinte ich-" 

„Bist du startklar?", fragt mich Kati, als sie zu uns stößt, „Cool, dass ihr miteinander redet. Überraschend, aber gut." Na klar, dass sie so direkt ist. Sonst mag ich das gern an ihr, jetzt schäme ich mich. Ich habe immer noch diese Hoffnung, dass Alex Jana einfach in den Wind schießt und mir sagt, dass er kein Problem mehr mit der fehlenden Info von Alex und mir hat. 

Ich muss dringend meine Zeit sinnvoll verbringen.. „Na klar. Vielleicht sollte das alles so sein", meine ich schulterzuckend. Kati wirft mir einen wissenden Blick zu aber Alex nickt nur. „Wir müssen los. Bis dann", verabschiedet sich Kati von Alex und wir nicken uns nur zu.

Der Tag mit Kati war dringend notwendig. Wir waren lediglich in der Stadt und haben uns in ein Café gesetzt. Wie angenehm solche ruhigen Momente sein können. Auf dem Heimweg ruft mich plötzlich eine unbekannte Nummer an. Nachdem das aber eine meiner geschäftlichen Nummern ist gehe ich lieber ran. 

„Hallo?" „Luisa? Hier ist Selina." „Selina?", wiederhole ich überrascht, „Ist alles in Ordnung? Geht's euch gut?" „Ja, ja. Uns geht es gut." „Woher hast du meine Nummer?", frage ich sie verwirrt. Sie hatte absolut kein Interesse an uns. Am liebsten hätte sie wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft mit einer Mistgabel auf uns gehetzt. „Fabi hat sie mir gegeben. Du bedeutest ihm wohl sehr viel." 

Verdammt Fabi, wieso macht er immer alles für jeden? Er nimmt sich mehr Zeit für jeden anderen als für sich selbst. Kati grinst beeindruckt. „Willst du noch einmal vorbeikommmen? Aber bitte mit einem anderen Auto. Deines sorgt für viel zu viel Aufmerksamkeit in dieser Nachbarschaft." „Ehm, klar", stottere ich verwirrt, bin aber froh über ihren Anruf und möchte die Gelegenheit nutzen, „Auch wenn ich mich sehr freue, aber.. woher kommt der Sinneswandel?" 

Kati sieht genauso interessiert aus wie ich. „Keine Ahnung, ob nun mit dem einen oder mit dem anderen Bruder zusammen bist, aber Fabi scheint viel an dir zu liegen." „Fabi war bei dir?", gebe ich überrascht von mir und wenn ich jetzt von meinem Kaffee getrunken hätte, dann hätte ich den wohl gegen die Windschutzscheibe und das beheizte Lenkrad gespuckt. Deshalb das Vorhaben in der Stadt.. Man, wieso ist Fabi nur so krass lieb? Ich kann das doch niemals wieder gut machen. 

„Wie auch immer. Wir sind hier. Wo sollen wir auch hingehen", brummt Selina genervt. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie sie das meinen könnte. Kann sie wirklich nirgends hingehen? Tatsächlich oder aus wirtschaftlichen Gründen? Wir haben uns diese Frage nie gestellt.. Wir hätten alles bekommen können was wir gewollt haben, naja abgesehen von einer unbeschwerten Kindheit. 

Lieber wäre ich unter normalen Umständen aufgewachsen und mit meinem Vater freudig zu einer Schießbude als Geschäftspartner beim Oktober zu treffen. Nicht zu viel Alkohol trinken, nicht zu wenig. Nicht zu viel essen, nicht zu wenig. Nicht zu viel Ausschnitt, nicht zu wenig. Jedes Dirndl, jedes Kleid, alle Hosenanzüge mussten noch einmal von einer Schneiderin angepasst werden, damit es auch ja perfekt aussieht. Unter anderem deshalb machte ich gerne Sport in unserem Fitnessstudio. Hier hat es niemanden interessiert was ich trage. 

„Ich bin bald da", versichere ich Selina zuversichtlich. Wo bekomme ich jetzt ein unauffälligeres Auto her? „Frag Alex", hilft mir Kati sofort auf die Sprünge, doch ich schüttele vehement meinen Kopf. Lieber leihe ich mir schnell ein Auto. Wobei Selina dann sagen könnte wir lösen unsere Probleme mit Geld. Na, wer tut das auch nicht? Viele Sorgen lassen sich mit Geld lösen oder zumindest angenehmer gestalten. 

„Komm schon. Hab keinen falschen Stolz." „Kati, echt nicht. Er hat mich vor einer Woche verlassen, weil ich es nicht gebacken bekommen habe, ehrlich zu sein. Jetzt ist er sowieso schon an Jana dran." „Ich sagte doch, keinen falschen Stolz. Es geht hier immerhin um deinen Neffen." Ja schon.. Man, wenn ich nur mehr Leute kennen würde.. oder noch mit Hannah befreundet wäre. 

Fabi und Kati haben beide kein Auto. Mike würde sich wohl lieber eine Woche lang abschotten als sich ein günstigeres Auto als seinen Mercedes SUV zu kaufen. Sportpaket natürlich. „Das ist kein falscher Stolz. Ich möchte die beiden nur nicht wieder bei irgendwas stören", halte ich wenig erfolgreich dagegen. 

Alex kurz nach der Trennung so zu sehen.. oberkörperfrei und Jana's Stimme im Hintergrund.. das hat mich fertig gemacht. Auf der einen Seite denke ich mir, dass er mich nicht verdient hat, wenn er sich so schnell über uns hinweg trösten kann. Andererseits verstehe ich ihn auch. Er ist wütend und er lässt Dampf ab und er ist mir keine Rechenschaft schuldig. 

„Die beiden kommen ganz sicher nicht zusammen. Das hat sie schon in der Uni nicht geschafft und wird es auch jetzt nicht. Vielleicht kommt ihr euch ja sogar näher, wenn du ihn nach seinem Auto fragst?", grinst Kati süß. „Oh man, na gut. Sitzen lassen kann er mich ja gar nicht mehr also was soll schon passieren.." 

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