privilegierte Kinder
„Lass uns heute Abend ins Zen gehen", schlage ich Mike direkt vor als ich bei ihm auftauche. Erstmal will ich mir anhören wie es bei den beiden läuft, bevor ich ihm reinrede. Und ich sehne mich nach einem 5-Gänge-Menü in der Stadt.
Das Zen ist so gut wie immer drei Monate im Voraus ausgebucht, aber ich bin nunmal wer ich bin. Ich bekomme immer einen Platz. Ich heiße nicht umsonst Diehn mit Nachnamen. Wenn ich schon gewisse Nachteile durch meine Familie habe, dann will ich auch die Vorteile genießen.
„Ich kann nicht. Laura schmeißt eine Party und Lu wollte unbedingt hingehen." „Meine Schwester wollte hingehen und du folgst ihr?", hake ich skeptisch nach, „Wie läufts sonst bei euch?" „Gut?", erwidert Mike zögerlich, weil er wohl mit meiner ernsten Frage nicht gerechnet hatte, „Wieso fragst du?" „Ach, ich habe nur mitbekommen wie Leo und Lu über dich gesprochen haben. Aber wenn alles gut i-"
„Spuck's schon aus", brummt Mike ungeduldig. Nun bin ich derjenige, der grinst. Menschen auf die Folter zu spannen ist eines meiner Talente. Ich weiß wann und wie ich meine Informationen geschickt einsetze. Auch wenn ich bei Mike keinen Zweck außer den unserer Freundschaft verfolge also antworte ich ihm schneller als sonst.
„Leo ist nicht dein größter Fan, er denkt es wird nicht halten. Und meine Schwester.. die denkt manchmal noch an den Typen aus dem Skiurlaub." „Du hast gesagt da lief nichts", erinnert sich Mike sofort und ich nicke. „Nein, nicht als ich hingesehen habe und alles andere traue ich ihr auch nicht zu. Trotzdem solltest du dir was einfallen lassen, wenn du sie bei dir halten möchtest." „Wir sind schon zusammen."
„Man, Mike, ein bisschen mehr Initiative. Liebst du sie?" „Das wird jetzt aber nicht der typische große-Bruder Vortrag, oder?" „Nein", seufze ich und schüttele meinen Kopf. Mike mag sie, das weiß ich. Ich habe viel mehr Sorgen, dass sie seine Gefühle nicht auf die gleiche Weise erwidert. Dann müsste sie aber in die Situation kommen, ihm dazu antworten zu müssen.
„Du weißt, dass Fabi sie auch mag", warne ich ihn hingegen. Fabi ist ein gemeinsamer Freund von uns beiden und den Mädels. Er hat normale Eltern und ist dementsprechend normal aufgewachsen aber wir haben uns früh schon beim Sport kennengelernt und gleich verstanden. Er ist wirklich der letzte Mensch, dem ich es zutraue, nur auf Geld aus zu sein. Er ist sicher nicht so arrogant wie wir, aber eigentlich mag ich ihn genau dafür. Wenn ich mal keine Lust auf mein Leben hab, kann ich mit ihm anders sein.
„Fabi wird sich nicht einmischen", hält Mike dagegen. Ja, da hat er auch wieder Recht. Er schafft es nicht einmal, Lu zu sagen was er denkt. Das kann aber auch daran liegen, dass er weiß, dass Mike sie auch schon lange mochte. „Nein, aber er Luisa auch nicht überreden bei dir zu bleiben, wenn sie sich über dich beschwert. Genauso wenig wie Leo. Also mach was, dass sie einen Grund hat zu bleiben. Wegen des Geldes wird sie das ja wohl nicht."
„Sehr lustig, wirklich", seufzt Mike über meinen schlechten Witz, „Seit wann so humorvoll?" „Bin ich immer, du musst nur deine Art von Humor anpassen." „Lea hat ja ein riesen Glück", zieht mich Mike dann auf aber ich grinse nur weiter. „Ja, das hat, aber da spielt mein Geld wohl mehr eine Rolle als mein Humor." „Ich bin auch nur wegen deines Ansehens mit dir befreundet", versucht Mike mir glaubhaft zu machen, aber ich schmunzele nur.
„Nein, bist du nicht. Ich bin nur der einzige Mensch, der eine Herausforderung beim Golfen für dich ist." „Manchmal verstehe ich, warum Lu genervt von dir ist", spaßt Mike und klatscht mit mir ein, „Dann mach dich fertig. Wir müssen heute zu einer Party." „Ich muss gar nichts." „Lea wird auch dort sein. Ich gebe dir zehn Minuten bis sie dir schreibt."
Lea fragt mich häufig recht spontan und weil ich kein Arschloch sein will, sage ich meistens zu, auch wenn mich ihre kurzfristigen Termine echt nerven. Sehe ich so aus als hätte ich mir einen Puffer eingeteilt, damit sie mich immer dorthin bestellen kann wo sie mich braucht? Ich will lieber keine Antwort darauf hören.
Mike hatte natürlich Recht. Heute Abend bei Laura. Ich kann ihre Freunde doch nicht einmal leiden. Gut, Lu muss ich leiden, sie ist Familie. Hannah ist heiß, aber zu durchgedreht und Laura ist mir zu langweilig. „Komm, auf geht's. Falls das schief geht liegt's an dir, deine Schwester zu überzeugen." „Kleiner Tipp, freunde dich mit Leo an und sie liegt dir zu Füßen."
Luisa's Sicht:
„Bist du fertig?", fragt mich Mike, als wir uns für Laura's Party fertig machen. „Ja, ich zieh nur noch meine Schuhe an", meine ich locker und setze mich dazu hin. „Du siehst toll aus", lächelt mir Mike entgegen. „Danke, Schatz", grinse ich und küsse ihn sanft, „Du auch." Sobald wir fertig sind verlassen wir seine Wohnung und steigen in sein Auto.
Bisher konnte ich Leo's Worte gut ignorieren und habe mir keine Gedanken mehr über unser Gespräch gemacht, aber ich war auch beschäftigt genug, es zu unterdrücken. Jetzt da Mike und ich so ruhig im Auto sitzen lässt mich Leo's Aussage nicht los. Unabhängig von einer Bekanntschaft mit anderen Menschen frage ich mich, ob ich mich nicht zu schnell in die Beziehung mit Mike begeben habe.
Es wurde von mir erwartet. Maxi ist sein bester Freund und meine Eltern lieben ihn. Mike ist genau das was sie sich wünschen. Wahrscheinlich mache ich mir einfach nur deshalb zu viele Gedanken. Wenn ich nicht bei Mike sein wollen würde, hätte ich mich nicht darüber gefreut, dass wir zusammen gekommen sind. Leo's Weisheiten machen einen aber auch immer nachdenklich.
Wir sind bei Laura zuhause und spielen ein Trinkspiel, haben uns gerade noch für eine Pause entschieden. Also gehe ich in ihre Küche, um mir was zu trinken zu holen. „Du denkst dran, dass du uns noch heimfährst, ja?", meint Mike dann selbstverständlich und ich verdrehe meine Augen innerlich. Ich bin froh, dass Mike und ich seit Monaten zusammen sind, aber manchmal hat er diese Art an sich..
„Darüber hatten wir doch noch gar nicht gesprochen", meine ich locker und fülle mein Glas mit Lillet. Mike hingegen schiebt das Glas beiseite und gibt mir eines mit Wasser. „Das war doch klar. Du weißt, dass ich in kein gewöhnliches Taxi steige. Die alten Ledersitze verdrecken meine Jeans jedes Mal."
Ja, genau diese Art. Was Geld und Wohlstand angeht ist er meinem Bruder leider sehr ähnlich. Typisch privilegierte Kinder. Und er trifft Entscheidungen ohne mich zu fragen, gerade wenn es um Dinge geht, die für ihn so selbstverständlich sind. „Ja, du hast Recht", meine ich und nicke nur, bevor er zufrieden abdampft. Erst dann seufze ich. Ich wollte ihm das schon lange sagen, aber ich finde einfach nicht den richtigen Zeitpunkt.
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