Kapitel 12.1

*Siiri*

Kaum war die Tür hinter mir ins Schloss gefallen, konnte ich nur über mich selbst den Kopf schütteln. Was hab ich mir nur dabei gedacht, ihm meine Handynummer zu geben? Genau das wollte ich doch nicht. Aber irgendwie konnte ich auch nicht anders. Ich wollte ihn wiedersehen. Auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. Es dürfte nicht sein. Es würde mein Leben nur unnötig kompliziert machen und darauf habe ich einfach mal keinen Bock. Wer steht schon auf kompliziertes, wenn es auch einfach geht? Oben angekommen, ging ich in meine Wohnung und gleich durch ins Schlafzimmer. Erstmal raus aus dem Kleid und ein schönes Bad nehmen. Als das Wasser lief, ließ ich mich in die Wanne nieder und lehnte mich zurück. Tief atmete ich durch und versuchte die letzten 2 Tage irgendwie abzuschütteln, doch der Versuch scheiterte kläglich. Würde wohl doch nicht so einfach werden, wie ich dachte. Und doch war es das Beste. Das Beste und das einfachste für mich. So, wie ich es mag und so sollte es bleiben.

„Siiri? Bist du zuhause?" hörte ich Liisa rufen und stöhnte genervt auf. Das war es dann wohl erstmal mit entspannen.

„Bin im Bad. Bring Kippen mit, wenn du reinstürmst" und schon wurde die Tür aufgerissen. Sie ging nochmal zurück, holte die Zigaretten und ein Aschenbecher und machte es sich vor der Badewanne bequem.

„Erzähl, was habt ihr noch gemacht? Wann seid ihr abgehauen? Ich habe euch im Club gar nicht mehr gesehen und gestern auch nicht. Wie war er so? Er sah ja schon ziemlich heiß aus. Wo warst du da? Musstest du arbeiten? Oder warst du ohne mich feiern?" plapperte sie gleich drauf los. Konnte und wollte ich ihr alles erzählen? Vermutlich würde sie mir eh nur die Hälfte glauben. Würde es mir ja nicht anders gehen, hätte ich es nicht selber erlebt.

„Vergiss das Luft holen nicht beim reden... Weiß nicht mehr. Irgendwann früh's, war auf jeden Fall schon hell. Ich muss erst nachher wieder arbeiten. Und ja, das bedeutet, dass ich die letzten anderthalb Tage mit ihm zusammen war. Er war irgendwie anders... Auf jedenfall recht locker und cool drauf. Entspannt und nicht von schlechten Eltern, was er so zu bieten hatte. Dass er heiß ich, kann ich nicht abstreiten" kurz grinste ich schief bei den Gedanken daran, doch gleich darauf verfluchte ich mich innerlich wieder dafür. Verblüfft schaute Liisa mich an.

„Du warst mit ihm zusammen? Jetzt sag nicht, dass du neben ihm geschlafen hast? Also das schlafen, wo man die Augen zumacht und irgendwas träumt. Oder habt ihr die ganze Zeit nur gepimpert?" fragte sie weiter. So würde es erst recht nichts werden mit dem vergessen. Doch wollte ich das wirklich? Die anderen hatte ich vergessen, sobald ich aus der Tür raus was. Doch bei ihm?

„Er war wirklich nicht ohne im Bett... Ganz im Gegenteil, er hat Sachen getan, die ich ihm niemals zugetraut hätte... Und das auch noch verdammt gut... Und vielleicht bin ich neben ihm erschöpft eingeschlafen... Beide Nächte..." versuchte ich mich halbwegs rauszureden. Ich finde, das reicht an Infos. Den Rest muss sie erstmal nicht wissen. Wie sollte ich ihr das erklären, wenn ich es selber nicht verstand.

„Ich glaube es nicht... Wirst du ihn wiedersehen?" gespannt sah sie mich an.

„Natürlich nicht. Du kennst mich. Einmalige Sache und dann auf Nimmerwiedersehen" sprudelten die Wörter viel zu schnell aus meinem Mund und sie sah mich zweifelnd an, „Wie war es bei Mikke?" versuchte ich vom Thema abzulenken und das klappte jedes Mal. Sofort erzählte sie mir ausführlich, was sie die letzten Tage alles gemacht hatten und ich muss gestehen, dass ich nach kurzer Zeit nicht mehr wirklich zuhörte.

Nachdem Baden haute ich mich auf die Couch und schlief noch ein paar Stunden, bis mein Chef anrief, das er einen Auftrag für mich hätte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es schon später Nachmittag war. Ich machte mich fertig, ließ mich von ihm abholen und traf mich mit meinem Kunden in einem Restaurant. Ein Geschäftsessen reicher Typen, die bei solchen Treffen ungerne alleine aufkreuzten. Professionell lächelte ich die ganze Zeit und umschmeichelte den älteren Herr, mit dem ich schon öfters das Vergnügen hatte. Er war keiner dieser schmierigen Typen, die einem nur an die Wäsche wollen. Er war seit langem geschieden und lebte eigentlich nur noch für seine Arbeit. Schon oft hatten wir uns einfach ein paar Drinks schmecken lassen und über alles Mögliche unterhalten, nachdem sich seine Geschäftspartner verabschiedet hatten. Auch diesmal wünschte er sich dies, doch ich war heute nicht in Stimmung. Als die anderen weg waren, fiel auch mein Lächeln und ich verabschiedete mich von ihm.

In dem Moment klingelte mein Handy und ich dachte, ich sehe nicht richtig. Eine Nachricht von Sebu. Oder besser gesagt, ein Video. Ich wartete, bis es fertig geladen hatte und schaute es mir gleich zweimal an. Lachend schüttelte ich mit dem Kopf. Der Kater hat wirklich ein Ding an der Klatsche und gerade deswegen mochte ich ihn so. Ob Sebu mich so zurücklocken wollte? Oder wollte er mir einfach nur etwas witziges schicken? Ich wusste nicht, ob und was ich darauf antworten sollte, so ließ ich es.

Ich rief meinen Chef an, um Bescheid zu sagen, dass der Auftrag beendet wäre und wie es lief. Danach teilte ich ihm mit, dass ich Feierabend machte und machte mich zu Fuß auf den Rückweg. Ich brauchte frische Luft und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Ich achtete nicht auf den Weg und auch die Zeit hatte ich völlig aus den Augen verloren. Die Sterne funkelten hell über den Dächern Helsinkis und es war ziemlich eisig. Viel hatte ich nicht an. Hatte ich nie bei solchen Aufträgen, die Männer wollten schließlich etwas zu sehen haben. Und das sollten sie auch bekommen. Dafür wurde ich schließlich sehr gut bezahlt und so riskierte ich öfters mal krank zu werden, doch dies geschah nur selten. War wohl einfach schon zu abgehärtet. Sind die Straßen doch mal mein Zuhause gewesen...

So langsam lichteten sich die wirren Gedanken in meinem Kopf und ich atmete tief die eiskalte Nachtluft ein. Die Straßen waren wie leergefegt und nur vereinzelt fuhr ein Auto an mir vorbei. Die Gegend kam mir bei näherer Betrachtung ziemlich bekannt vor. Hier war ich doch heute schon mal. Normalerweise trugen mich meine Füße immer sicher nach Hause, egal wie sehr ich in Gedanken versunken war. Doch nun stand ich hier. Vor diesem alten Fabrikhaus. Vor Sebu seiner Haustür. Ich wollte diese Tatsache ignorieren, umdrehen und nach Hause gehen, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Warum ausgerechnet hier her? Warum nicht vor einem Club oder einer Bar? Warum musste ich genau hier ankommen. Meine Engel flüsterte mir immer wieder zu, dass ich endlich klingeln sollte. Immerhin hatte Sebu mich ja mehrmals eingeladen, jederzeit wieder zu kommen. Doch was dann? Wollte er wieder kuscheln? Arm in Arm in Bett liegen, wie so ein altes Ehepaar? Vielleicht ein wenig knutschen, wie ein paar verliebte Teenager? Das wollte ich doch nicht. Mein Teufelchen dagegen schrie mich regelrecht an, das ich flüchten soll. Dass ich mich umdrehen soll. Einfach kehrtmachen und nach Hause gehen. Als wäre nie etwas gewesen. Als wäre ich nie hier gewesen. Du wirst es bereuen, wenn du klingelst und das weißt du, redete mein kleiner roter Mann mit den schwarzen Hörnern weiter auf mich ein. Geh und komm nie wieder hier her zurück. Vergiss diesen Mann endgültig. Er tut dir nicht gut. Er wird Veränderungen bringen. Dein Leben auf den Kopf stellen und ehe du dich versiehst, hast du ihn an der Backe und wirst ihn nicht mehr los. Als beweg deinen Hintern und geh nach Hause. Dort gönnst du dir ein schönes Bier zum Feierabend und legst die Füße hoch.

Völlig überfordert starrte ich die Klingel an. Rejman stand dort geschrieben und ich war hin und her gerissen. Sollte ich? Sollte ich nicht? Was konnte denn schon schlimmes passieren? Ich konnte jederzeit gehen, wenn ich wollte. Niemand würde mich zwingen zu bleiben. Noch nie hatte ich bei so etwas Zweifel. Das war etwas vollkommen Neues für mich und ich mochte dieses Gefühl schon jetzt nicht. Ich mochte es, wenn alles so lief, wie ich es wollte. Alles klar und offensichtlich war und man sich nicht um solche Nichtigkeiten wie das hier Gedanken machte musste. Dass war reine Zeitverschwendung und bringt einem auch nicht wirklich weiter. Es wirft nur noch mehr Fragen und Gedanken auf und darauf hatte ich ja nun noch weniger Lust. Ich wollte nicht ständig über irgendetwas nachdenken. Da wird man ja ganz verrückt von.

Was war nur aus meinem Plan geworden, ihn einfach zu vergessen? Ihn aus meinen Gedanken zu verbannen und mein Leben normal weiter zu leben? Er war doch nur ein Mann von vielen. Ein Mann, mit dem ich etwas Spaß hatte. Was verdammt nochmal war an ihm so anders, das er einfach die ganze Zeit in meinen Gedanken rumschwirrte? Dass er mich zu Sachen trieb, die ich eigentlich nicht wollte? Dass er es sogar schaffte, das ich vor seiner Haustür stehe und nicht wusste, was ich machen sollte? Was war richtig und was war falsch? Was wollte ich und was nicht? Wollte ich bei ihm sein? Ihn verführen und stöhnend in mir spüren? Oder sollte ich einfach nach Hause gehen, alles vergessen und so tun, als hätte es ihn nie gegeben? Und ehe ich es selbst registrieren konnte, hatte ich geklingelt....

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