19.Kapitel (das Gewissen)

Es ist jetzt wieder die Sicht von Sarah

In den Pausen am nächsten Tag ignorierte Is uns, besser gesagt mich, immer noch.

Ivan hatte vor der Schule auf mich gewartet und mich gut gelaunt begrüßt. Ich hatte versucht mir nichts anmerken zu lassen, aber das schlechte Gewissen hatte mich wieder gezwickt. Es saß stachelig und schwer in meiner Brust und machte jeden Atemzug schmerzhaft. Wir hatten uns nach der Schule auf dem Hof verabredet, um gemeinsam auszureiten. Er hatte eine echt gute Galloppstrecke im Wald gefunden, meinte er. Einerseits freute ich mich darauf, ich konnte mir nichts schöneres vorstellen als mit ihm auszureiten, andererseits wurde das schlechte Gewissen in seiner Gegenwart noch schmerzhafter. Besonders wenn er so nett zu mir war, so wie gestern. Ich hatte das nicht verdient!

Fa hatte mir und Ann grade von dem Essen mit Rolf und Luca (Luca war ein er!) erzählt und ich konnte nicht anders als mich zu fragen was Is wohl dazu gesagt hätte. Villeicht hätte sie irgendeinen anzüglich Kommentar über Stiefgeschwister gemacht? Oder verlangt ein Foto von diesem Luca zu sehen? Ohne Is fehlte etwas, wir nahmen es alle wahr, aber versuchten es zu überspielen und uns so zu unterhalten wie immer. Doch Ann war still und in sich gekehrt und Fa wirkte merkwürdig abgelenkt, während sie uns erzählte, dass sie am Samstag mit ihrer zukünftigen Stieffamilie zusammen kochen würde. Ich bemerkte das die Aussicht darauf sie nicht gerade begeisterte und versuchte sie zu trösten. ,,Es ist doch nur ein bisschen Kochen. Wie lange kann das dauern? Eine Stunde?" Sie schaubte und schüttelte den Kopf. ,,Wir reden hier von persischen Gerichten." Daraufhin fiel mir auch nichts mehr ein.

Als ich nach der Schule auf dem Reiterhof ankam, hatte Ivan schon beide Pferde geholt und war dabei sie zu putzen. Wir küssten uns zur Begrüßung, dann machten wir zusammen weiter. Dieses Mal ritt er ebenfalls mit Sattel. Ich konnte nicht damit aufhören ihn anzustarren. Seine braungebrannte Haut, die ruhigen, geübten Bewegungen seiner Hände, seine leicht gewellten Haare... ,,Was ist?" Upps. Er hatte mich ertappt. ,,Nichts. Du bist nur schön." Er lachte und gab mir einen Kuss. ,,Sagt die Richtige. Wollen wir los?"

Die Galloppstrecke war wirklich ziemlich gut. Sie machte am Anfang eine leichte Linkskurve, perfekt zum angallopieren und war ansonsten ziemlich grade. Der Boden war weich, beinahe ein bisschen sandig. Obwohl der Ausritt so schön war, fühlte sich alles falsch an. Ich musste mir Mühe geben vor Ivan zu lächeln und wünschte mir einfach nur er wäre nicht so fürsoglich und liebevoll zu mir. Sobald er die Wahrheit wüsste, würde sich das änderen. Wären wir doch bloß nie auf diese blödsinnige Idee mit der Mission gekommen.

Als wir nebeneinander zurück zum Hof ritten und dabei lachend versuchten Händchen zu halten, hatte ich einen Entschluss gefasst.

Wir versorgten die Pferde und brachten sie wieder in den Offenstall. Ich hielt mich an Ronny fest, weil meine Knie so sehr zitterten. Aber ich wusste, wenn ich das jetzt nicht durchziehen würde, könnte ich nie wieder in den Spiegel schauen. Ich kannte Ivan jetzt, er war ein guter Mensch. Was auch immer damals zwischen ihm und Is passiert war, es machte nicht seinen Charakter aus. Er war so viel mehr als ein Ereignis und das hätte mir von Anfang an klar sein müssen.

Als er King das Halfter abnahm holte ich tief Luft und zupfte an seinem Ärmel. ,,Kann ich mit dir reden?" Er nickte überrascht und wir verließen den Offenstall und setzten uns vor dem Zaun ins Gras. Mein Magen war flau und selbst im Sitzen zitterten meine Knie noch. Unablässig verknotete ich die Finger. Ich hatte solche Angst!

,,Ivan, das ist jetzt sicher merkwürdig, aber kannst du mir erzählen was zwischen dir und Is passiert ist?" Er legte die Stirn in Falten, was irgendwie heiß aussah. Aber, na gut, jeder Gesichtsausdruck sah bei ihm heiß aus, selbst Ekel. ,,Ähm Okay. Na ja wie du weißt hatte Is mich damals gefragt ob wir zusammen sein wollen. Und ich habe zugesagt, obwohl ich sie nicht mochte." Ich sah ihn zweifend an. Hatte er das Prinzip von Beziehungen nicht verstanden? Die beruhten normalerweise darauf das man den Anderen mochte. Ja, das man den Anderen mochte und nicht nur zusammenkam weil man versucht hat sich für eine Freundin an ihm zu rächen, sagte eine Stimme in meinem Kopf.

Ivan fuhr sich verlegen durch die Haare. ,,Das klingt jetzt sicher mega angeberisch, aber seit ich klein war kamen Mädchen auf mich zu und sagten mir das sie mich mögen. Und ich wusste nie so richtig wie ich darauf reagieren soll, deswegen habe ich immer irgendwie... mitgemacht." Immerhin war ihm bewusst das es angeberisch klang. Aber trotzdem konnte ich seine Worte nachvollziehen, es stimmte, dass er bei den Mädchen schon in der Grundschule hoch im Kurs gestanden hatte, er sah eben nunmal aus wie ein Nachwuchsmodel.

,,Is ist hübsch und beliebt, also bin ich mit ihr zusammengekommen. Aber es hat nicht gut funktioniert, also wollte ich nach 2 Wochen Schluss machen. Ich hab's ihr gesagt und sie hat geantwortet das es daran lag das ich nicht offen zu ihr wäre. Sie hat mich überredet es nochmal ein paar Wochen lang zu versuchen. Dann wurde es aber eher schlechter, sie hat immer nur über sich geredet und mir gar nichts zugehört. Dann hat sie sich darüber beschwert, dass ich mich ihr nicht öffne und das ich ihr anscheinend nicht vertraue. Außerdem war sie mega eifersüchtig und klammernd. Ich habe noch mal versucht mit ihr zu reden und mich im Guten von ihr zu trennen, aber sie war der Meinung das alles super wäre. Langsam wurde ich echt verzweifelt." Er nahm meine Hand. ,,Ich weiß das ihr befreundet seid und ich glaube auch nicht das sie eine schlechte Person ist. Aber es war einfach nicht so wie es jetzt mit dir ist." Er lächelte mich an und drückte einen Kuss auf meine Fingerknöchel. ,,Also, ich habe mit Adrian darüber geredet wie ich ihr klarmachen kann das ich Schluss machen will und er meinte ich soll Is einfach sagen das ich sie betrogen habe. Luisa hat sich bereit erklärt mitzuspielen, falls sie jemand fragen würde und als ich dann die Hausparty geschmissen habe, habe ich Is die Lüge aufgetischt." Er kratzte sich am Hinterkopf ,,Leider hatte ich mir ein bisschen zu viel Mut angetrunken und war Is gegenüber eine Spur zu ehrlich. Aber endlich hatte sie akzeptiert das Schluss war."

Er hatte also gar nichts mit Luisa gehabt. So aus seiner Sicht erzählt klang es völlig anders. War Is wirklich so zu ihm gewesen? Zugegeben, es klang nach ihr. 

,,Warum wolltest du das wissen? Moment, ging es darum etwa in eurem Streit?"

Ich schluckte. Ivan hatte mir alles erzählt, jetzt war ich wohl dran. ,,Ja ging es. Weißt du, Is war an dem Abend, an dem du mit ihr Schluss gemacht hast, wirklich aufgewühlt. Ich und die Anderen haben uns natürlich um sie gekümmert." Er nickte und hörte mir aufmerksam zu. ,,Am Samstag nach der Party habe ich dich das erste Mal hier gesehen und den Anderen später davon erzählt, weil ich nie gedacht hätte das du reitest. Na ja, wir saßen halt alle zusammen und haben Rachepläne für dich geschmiedet." Ich blickte runter auf meinen Schoß, ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. ,,Und Is hat gesagt sie wolle dir auf die gleiche Art wehtun wie du ihr, das jemand den du wirklich magst mit dir Schluss macht. Und wir haben gesagt, dass das doch eigentlich möglich wäre, wenn du dich in eine von uns verliebst. Weil wir ja jetzt wussten das du ein Pferd hast und ich als Einzige reite, fiel die Wahl dafür auf mich." Ratterte ich ganz schnell herunter, als würde das irgendeinen Aspekt besser machen. Langsam schien er zu begreifen. ,,Das Alles war geplant? Eine Art Racheplan? Deswegen hast du mich angesprochen und mir den See gezeigt..."

,,Nur am Anfang. Dann habe ich angefangen dich wirklich zu mögen." rief ich ,,Ich hab Is gesagt das ich es nicht mehr weitermachen will und deswegen haben wir uns gestritten."

Atemlos wartete ich ab, wie er reagieren würde. Er schwieg einen Moment lang, dann stand er auf und klopfte sich den Dreck von der Hose.

,,Ivan." Rief ich.

,,Tut mir Leid Sarah, aber das muss ich erstmal verdauen. Du kannst mir nicht sowas erzählen und denken es würde nichts verändern." Er ging mit schnellen Schritten den Weg hoch, ich blieb sitzen und sah ihm nach. Eine Träne kullerte über meine Wange. Dann noch eine. Ich stützte den Kopf in die Hände und hoffte einfach nur, aus ganzem Herzen, das er mich nicht hasste.

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