18.Kapitel (Luca)
Als es am nächsten Tag (Dienstag) zur großen Pause klingelte, tauchte Is nicht an unserem üblichen Treffpunkt auf.
Sa, Ann und ich redeten über belangloses Zeug, bis ich mir schließlich einen Ruck gab und Sa fragte ob sie Ivan gestern noch die Frage gestellt hatte. Sie schüttelte den Kopf. ,,Nein. Er hat mich gefragt. Gestern waren wir zusammen ausreiten, wieder zum See und als wir dann dort am Wasser saßen hat er mich gefragt." Mann! Er hatte sich anscheinend echt in Sarah verliebt. Ich hätte letzte Woche noch nicht damit gerechnet das alles SO gut klappen würde. ,,Gratuliere!" Riefen Ann und ich und flippten komplett aus. Sa rang sich ein Lächeln ab. ,,Warum siehst du so unglücklich aus?" Fragte sie Ann. ,,Das sind doch super Nachrichten. Er muss dich echt mögen, ich glaube es ist das erste Mal das er ein Mädchen gefragt hat. Sonst lässt er sich immer fragen." Sa sah aus als würde sie gleich anfangen zu weinen, ich legte einen Arm um sie. ,,Was ist denn los, Süße?"
,,Ich mag ihn!" Schniefte sie ,,Das ist los. Ich mag ihn! Irgendwie habe ich angefangen ihn zu mögen und ich kann ihn einfach nicht mehr weiter anlügen. Und jetzt ist Is sauer auf mich und wenn er jeweils was von dieser blöden Mission erfährt wird er nie wieder mit mir reden." Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich und Ann standen wie vom Donner gerührt da. ,,Sa?" Rief jetzt auf einmal eine Stimme hinter uns. Es war Ivan, wann war der denn dazugekommen? Und seit wann nannte er sie ,,Sa"? Dieser Spitzname war eigentlich nur für uns reserviert.
,,Sa, wieso weinst du denn?" Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann sah er zu mir und Ann und seine grünen Augen verengten sich. ,,Habt ihr ihr etwa was gesagt das sie zum Weinen gebracht hat?" Ann schüttelte den Kopf. Ich kramte schnell in meinem Gehirn nach einer Antwort. ,,Sie weint weil... sie hat sich mit Is gestritten. Deswegen." Stammelte ich langsam. Er nickte verstehend und strich ihr über das Haar. Wie brachte ich ihn jetzt dazu zu verstehen, dass er alles nur noch schlimmer machte wenn er sie tröstete?
Ann sah neugierig zu Ivan ,,Stimmt es das ihr zusammen seid?" Er nickte zur Antwort nur kurz. Bei seinen anderen Freundinnen über die letzten Jahre, hatte die ganze Schule darüber geredet. Warum hatte ich heute Morgen noch nichts darüber gehört? Hatte er es etwa für sich behalten? Um uns herum hatten die Leute angefangen Ivan und Sarah anzustarren und hinter vorgehaltenen Händen zu tuscheln. ,,Weiß es schon jemand?" Fragte ich und er schüttelte den Kopf. ,,Sa wollte nicht das ich es jemandem erzähle, jedenfalls noch nicht jetzt. Schhh ist ja gut, babe" BABE?! Er nannte Sarah babe? Was zum Fick war in den letzten Tagen alles auf dem Reiterhof passiert? Pferde schienen Menschen echt zusammen zu bringen.
,,Was ist denn hier los, Ivan?" Na toll! Adrian! Der hatte hier grade noch gefehlt. Wir hatten uns in den ersten 2 Stunden ständig Blicke zugeworfen und bei jedem einzigen hatten meine Lippen gekribbelt. Er trug ein blaues T-shirt und knielange Shorts, die seine muskulösen Waden perfekt zur Geltung brachten. ,,Moment warum umarmst du Sarah? Und warum weint sie?" ,,Weil sie seit gestern meine Freundin ist und weil sie sich mit Isabella gestritten hat." gab Ivan zur Antwort. Gesprächig ging anders.
Adrian nickte verwirrt und ich spürte wie er mich ansah, ich sah weg und ließ den Blick über den Schulhof wandern. Als ich Is entdeckte, zuckte ich vor der Kälte in ihrem Blick fast zurück. Sie stand ganz alleine etwa 20 Meter entfernt und starrte auf Ivan, der Sarah immer noch im Arm hielt. Ihr Gesicht war starr, eiskalt, es zeigte keine Regung. Sie weinte nicht und sah nicht einmal wütend aus, sie war einfach nur kalt. So hatte ich sie noch nie gesehen.
Als die Pause schließlich endete, hatte Sa sich wieder einigermaßen gefangen und lief Hand in Hand mit Ivan die Treppenstufen hoch. Ich und Ann liefen nebeneinander, Adrian lief hinter uns, neben 2 seiner Freunde, ich spürte förmlich wie sich sein Blick in meinen Rücken bohrte.
Wenig später saß ich wieder auf meinem Platz und versuchte bei dem Film über Vulkane aufzupassen. Unser Erdkundelehrer gab sich keine übermäßige Mühe bei seinem Unterricht. Entweder bekamen wir Arbeitsblätter oder schauten Filme, machmal auch beides. Pooja neben mir stupste mich an und gab mir unterm Tisch einen Zettel. ,,von Adrian." flüsterte sie. Ich faltete ihn auf. Er hatte mit Kugelschreiber geschrieben, seine Schrift war unordentlich aber lesbar. ,,Hey Fariba, sehen wir uns nach der Schule? Adrian." Er beobachtete mich von seinem Platz schräg hinten, während ich eine Antwort darunter kritzelte. ,,Ok. Am selben Baum wie gestern. Wehe, du erzählst irgendjemanden davon." Ich formte eine Kugel und warf sie ihm zu. Er fing sie mühelos mit einer Hand.
,,Weißt du," sagte Adrian später, als wir grade eine kurze Atempause einlegten. ,,Ich meinte mit dem Zettel eigentlich das wir etwas zusammen machen sollten." Ich küsste ihn erneut. ,,Wir machen doch was." ,,Ja schon aber... Ach vergiss es. Ich kann mich echt nicht beschweren." Er grinste und zog mich an sich.
Auf dem ganzen Rückweg hatte ich das Gefühl zu schweben. Villeicht hatte Adrian ja irgendwas geraucht und ich hatte jetzt durchs Küssen ein bisschen was davon abbekommen? Anders konnte ich mir diesen Rausch nicht erklären. Ich lief wie auf Wolken die Treppen rauf und roch schon beim Öffnen der Wohnungstür das Mama bereits am Kochen war. Mmh. ,,Hallo, Mama. Das riecht aber gut." Ich sah überrascht, dass sie ihr knöchellanges, bunt gemustertes Kleid trug. Dabei trug sie nur zu besonderen Anlässen Kleider, da war sie genau wie ich. Auch ihre Haare waren mit einer silbernen Spange geschmückt und als sie mit wehendem Kleid zum Tisch ging und dort behutsam einen Stapel Teller abstellte, sah sie aus wie ein Gemälde. ,,Hallo, mein Schatz. Sei mir bitte nicht böse, ich hatte vergessen es dir gestern zu sagen. Aber heute kommt Rolf wieder zum Essen. Und er bringt Luca mit. Dann kannst du die Beiden doch jetzt mal richtig kennenlernen." Sie lächelte mich leicht verunsichert an.
Meine gute Laune war wie weggeblasen. Warum warnte sie mich denn nie vor? ,,Wann kommen sie?" Meine Mutter schien erleichtert das das Alles war was ich dazu zu sagen hatte. ,,In etwa 20 Minuten. Zieh dir doch bitte auch was schickeres an. Villeicht die weiße Bluse und dazu irgendeinen Rock?" Ganz sicher nicht!
1. Waren Röcke unbequem
2. Würde ich mich ganz sicher nicht für Rolf und diese Luca zurechtmachen
3. War meine weiße Bluse schulterfrei und würde freie Sicht auf alle Knutschflecken gewähren. Es hatte durchaus einen Grund warum ich heute meine Jeansjacke trug.
,,Nein, Mama. Rolf und Luca werden sich mit mir so vorliebnehmen müssen. Warum kommen sie eigentlich zum Essen, kann dieser Rolf nicht kochen oder was?" Sie seufzte leise. ,,Na gut dann bleib eben so. Und ja Rolf lässt sogar Spiegeleier anbrennen, ich habe keine Ahnung wie er und Luca noch nicht verhungert sind." ,,Villeicht kennen sie ja einen sehr guten Pizzaboten?" Schlug ich vor. Mama lächelte ,,Das kannst du ja gleich mal fragen."
Keine 10 Minuten später klingelte es. Galt es nicht als unhöflich überpünktlich zu sein?! Meine Mutter strich sich das Kleid glatt und eilte zur Tür. Ich füllte noch schnell eine Kanne mit Wasser und stellte sie auf den Tisch.
Luca sah ganz anders aus als ich sie mir vorgestellt hatte. Ich hatte bei dem Namen immer an ein blondes Mädchen mit Zahnspange gedacht, aber sie war, allen Anzeichen nach, ein blonder Junge mit Zahnspange. Luca war also die ganze Zeit ein er gewesen. Wie hatte ich das denn nicht mitgekriegt?
,,Hallo Nesrin. Hey, Fariba." er schüttelte mir und meiner Mutter die Hand, Rolf wollte es ihm gleich tuen, aber meine Mutter umarmte ihn stattdessen. Ich musterte Luca, er war groß und schlank, seine goldblonden Haare waren fransig geschnitten und fielen ihm seitlich über die Stirn und das eine Auge. Im Gegensatz zu Rolf waren seine Augen nicht blau sondern haselnussbraun. Ansonsten sah er seinen Vater ziemlich ähnlich. Wir setzten uns und begannen zu essen, Rolf und Luca hörten gar nicht damit auf meine Mutter für ihre Kochkünste zu loben. ,,Ihr könnt doch am Wochenende mal vorbeikommen, dann bringe ich euch ein oder zwei Gerichte bei." Lächelte sie. Bitte mach das ich da nicht dabei sein muss, dachte ich. Rolf war begeistert. ,,Das würdest du tun, Nesrin? Ich warne dich, ich bin ein hoffnungsloser Fall beim Kochen. Meistens kümmert sich Luca ums Essen." Au Backe Luca konnte kochen, Ich konnte grade mal Gemüse schnibbeln. ,,Oh aber ich bin wirklich nicht gut." mischte sich dieser ein. ,,Ich würde echt gerne was von ihnen lernen, wie wäre es mit Samstag Vormittag?" Urgh wer würde denn schon gerne seinen Samstag mit kochenlernen verbringen? Schleimer.
Meine Mutter freute sich und plante eifrig mit Rolf die Kochstunde. Ich füllte mir Reis nach und versuchte nicht allzu miesepetrig zu gucken. Das Gespräch ging weiter und Luca erzählte von irgendeinem Schulwettbewerb den er gewonnen hatte und von seinen zwei Nachhilfeschülern. Anscheinend war er ein richtiger Überflieger. Auch das noch! Zum Glück waren wir allem Anschein nach nicht auf derselben Schule, was echt nicht selbstverständlich war, denn unsere Stadt war so klein das man die Grundschulen, weiterführenden Schulen und Kindergärten praktisch an einer Hand abzählen konnte.
Als wir endlich zum Nachtisch übergingen zählte ich nur noch die Sekunden bis wir alle fertig waren. Ich antwortete einsilbig wenn Rolf oder Luca mich etwas fragten. ,,Was ist dein Lieblingsfach?" ,,Alles außer Religion." ,,Weißt du schon was du später machen willst?" ,,Nein." ,,Was sind deine Hobbies?" Urgh.
Schließlich waren alle fertig und nachdem Rolf und Luca mit abgeräumt hatten und meine Mutter ihnen dreitausend mal gesagt hatte das sie nicht auch noch beim Abwasch helfen mussten, verabschiedeten wir uns. ,,Mach's gut." Sagte Luca zu mir und lächelte. Seine silberne Zahnspange blitzte und auf einmal fiel mir auf das er gar nicht mal schlecht aussah. Seine braunen Augen zusammen mit den goldblonden Haaren hatten etwas sommerliches. Wenn mir jemand sagen würde, vor mir stände ein Mitglied einer Boygroup hätte ich es sofort geglaubt. Rolf und meine Mutter küssten sich kurz, als sie dachten wir würden wegsehen und Luca und ich taten so als würden wir es nicht bemerken.
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