15.Kapitel (When the Party's over)
Ich fand Ann in einer Ecke der Küche, auf dem Boden sitzend und sich den Kopf haltend.
Sie vertrug Alkohol nicht sonderlich gut und bekam von uns allen die stärksten Kater. Deswegen trank sie normalerweise auch nicht viel. Ich füllte ihr am Waschbecken einen Becher Wasser und setzte mich neben sie. ,,Danke" sagte sie matt und nippte daran. ,,Ich trink nie wieder Alkohol, ich fühl mich grade so scheiße. Ich war vorhin schon kotzen." Ich hatte ein schlechtes Gewissen weil ich nicht da gewesen war um mich um sie zu kümmern.
,,Hey Bitches." Rief Is die jetzt auch angestöckelt kam. Sie war ziemlich voll. ,,Hey Is. Wo ist dein Tanzpartner?" ,,Ach deeeeer. Der war... der war irlendwie nur im Discolicht hot." Lallte sie ,,Wo is'n dea mit dem du verschwundn bist? Hab den goa nich erkannt aba sah gut aus." Sie hatte mich also mit Adrian verschwinden sehen, aber nicht erkannt um wen es sich handelte. Das war schonmal gut, ich wollte nicht das irgendjemand davon erfuhr. ,,Oh. Äh über den könnte man das Selbe sagen." Antwortete ich. Was definitiv nicht stimmte.
,,Wo ist eigentlich Sa?" Frage jetzt Ann. Is und ich zuckten beide mit den Schultern und wir gingen sie suchen. Wir fanden sie 5 Minuten später auf der Tanzfläche, eng umschlungen mit Ivan. Ich sah besorgt zu Is, deren Unterlippe angefangen hatte zu zittern. Dann zog ich Sa kurzerhand mit mir, sie winkte Ivan noch schnell zu. ,,Müssen wir schon los, Fa? Kann ich nicht noch bleiben?" ,,Nope."
Nachdem Sa uns alles über ihr Geknutsche mit Ivan erzählt hatte, kein einziges Wort mehr über Is's Lippen gedrungen war und Ann sich nochmal übergeben hatte, waren wir endlich bereit uns auf den Rückweg zu machen.
Ich wollte uns noch ein paar Chips als Wegzehrrung besorgen und machte mich schnell auf den Weg zu dem Tisch mit den Knabbersachen, wo ich prompt in Adrian rannte, der allen Anschein nach was vom Alkohol mitgehen ließ. Er griff nach meinem Handgelenk und wollte etwas sagen, aber ich schüttelte seine Hand ab, griff mir eine Tüte Chips und bewegte mich im Laufschritt zur Tür.
Der Abend endete damit, dass ich versuchte mich möglichst leise zu übergeben, damit meine Mutter nicht merkte das ich erst nach 11 Uhr (deutlich nach 11 Uhr) wiederkommen war. Dann machte ich mich bettfertig, aber brauchte lange um einzuschlafen. Adrian ging mir nicht aus dem Kopf, seine Augen, sein Gesicht, seine Hände... Wie würde es sein wenn wir uns morgen in der Schule wiedersahen? War es ein Fehler gewesen ihn zu küssen? Und warum musste er so reagieren und den Moment zerstören?
Als mein Wecker klingelte rollte ich stöhnend aus dem Bett und fluchte über meine Kopfschmerzen. Das würde das letzte Mal sein das ich Alkohol getrunken hab'! Es regnete draußen und die Temperatur schien deutlich gesunken, deshalb zog ich schwarze Leggins und einen bauchfreien Hoodie an. Meine Augenringe überdeckte ich mit Massen an Concealer. Maskara und ein Hauch von Kajal durfte auch nicht fehlen, nur weil ich mich schlimm fühlte musste ich ja nicht so aussehen.
Ich frühstückte mit meiner Mutter und machte mich auf den Weg zur Schule.
Sa und Ann warteten schon vor dem Eingang, Is kam anscheinend zu spät, was auch kein Wunder war. Gegen den Kater von Is mussten sich meine Kopfschmerzen anfühlen wie eine angenehme Massage. Wir redeten noch ein bisschen über den Kuss zwischen Sa und Ivan und was das für Mission ISpossible bedeutete. Dann gingen wir alle in unsere Klassen.
Als ich auf meinem Platz war bemerkte ich das Adrian fehlte, nur Ivan war da. Eine Welle der Enttäuschung überrollte mich, obwohl ich eigentlich hätte erleichtert sein müssen.
,,Fariba! Hast du die Frage nicht gehört?" Ich schreckte auf. Die olle Drachin stand direkt vor meinem Platz und sah mich wütend an. ,,Ähhhh Nein?! Sonst hätt' ich geantwortet." Sagte ich. Meine Gedanken waren seit der ersten Stunde nur zwischen Adrian, Is, Adrian, der Party gestern, meinen Kopfschmerzen und Adrian hin und her gesprungen. Frau Sittmanns Lippen wurden schmal: ,,Ich hatte gefragt ob du weißt in welchen Büchern der Bibel über die Geburt Jesu berichtet wird." ,,Nein. Das weiß ich nicht." Sagte ich steif. Sie verzog den Mund zu einer Art Lächeln ,,Nun ja, darüber wird im Koran ja auch nicht berichtet. Aber wenn du in meinem Unterricht aufgepasst hättest würdest du das wissen." ,,Ich bin Atheistisch." Murmelte ich. Hatte sie wegen meiner Wurzeln gedacht ich wäre Muslimin? Meine Mutter und ich waren beide nicht religiös, obwohl wir immer so tuen mussten wenn wir meine religiösen Großeltern besuchten. ,,Nun, das merkt man dir an und erkennt es vorallem auch an deinem Aufzug." Sie sah missbilligend an mir herunter, ihre Augen blieben an dem Streifen nackter Haut zwischen meinem Hoodie und meinen Leggins hängen. ,,Und ich hoffe sehr das Gott dich eines Tages auf den rechten Weg leiten wird." Sie lächelte süßlich und mir wurde fast wieder so schlecht wie gestern Abend.
,,Sie haben kein Recht mir so etwas zu sagen. An dieser Schule herrscht Religionsfreiheit und ich darf Atheistin, Muslima, Hindu oder sonst was sein, ohne das es sie etwas angeht."
Ich hatte nicht mal die Stimme erhoben, aber sie reagierte als hätte ich sie angeschrien. ,,Himmel! Beruhige dich, Fariba. Und komm in der Pause doch bitte in mein Büro." Ich sackte auf meinem Platz zusammen und war froh als die Drachin sich wegdrehte und wieder begann über Gott zu schwärmen. Was ich wohl in Ihrem Büro sollte? Ich hatte doch nichts falsch gemacht?
Als es 15 Minuten später zur Pause klingelte machte ich mich langsam auf den Weg, im Gehen wollte ich Sa eine SMS schreiben und ihr sagen das ich in der Pause nicht da sein würde. Doch dann fiel mir etwas besseres ein. ,,He Ivan! Du kennst doch meine Freundin Sarah aus der b. Kannst du ihr bitte sagen das ich zur Sittmann ins Büro muss und deshalb nicht kommen kann?" Er errötete ein bisschen und nickte. ,,Okay mach ich." Mit etwas besserer Laune ging ich weiter bis zum Büro der alten Drachin.
Streng genommen war es nicht mal direkt ihr Büro sondern der Raum für Alles. Man bewahrte dort Akten, Bücher und konfiszierte Gegenstände auf, dort stand die Fundgrube und dort lagerten die Flyer für das Fußballteam. Und weil Frau Sittmann für den ganzen Kram verantwortlich war, war der Raum allgemein als ihr Büro bekannt.
Ich klopfte, obwohl die Tür offen stand und ich sie von der Schwelle aus bereits sah. Sie saß hinter dem, mit allem möglichen Kram überladenen, Schreibtisch. ,,Herein. Ah du bist es Fariba! Gut." Sie stand auf, ging zu mir und streckte mir etwas entgegen. Es war eine Kleine Bibel. Zögernd nahm ich das Buch entgegen, sie lächelte. ,,Für dich. Wir haben letzte Woche neue Bibeln geliefert bekommen, aber einige der Alten sind noch in so gutem Zustand das ich es nicht übers Herz bringe sie wegzuwerfen."
,,Oh danke, aber wie gesagt bin ich Atheistin und habe keine Verwendung für diese Bibel. Warum schenken sie sie nicht jemandem der sie will?" Ich sprach so höflich wie ich konnte.
Sie ignorierte meinen Einwand, ging zur Fundgrube und kramte einen völlig abgewetzten Anorak hervor. Dann stellte sie sich vor mich und knotete ihn mir um die Hüften, wobei sie den Kopf zur Seite drehte und die Augen schloss. Ich war so baff das ich micht nicht von der Stelle rührte. ,,So. Fertig. Weißt du, ein junges Mädchen wie du sollte wirklich nicht so rumlaufen. Das sehen deine Eltern sicher ähnlich. Bringe den Anorak dann einfach morgen wieder mit. Aber bitte gewaschen."
Sie lächelte und spazierte an mir vorbei zur Tür. ,,Das ist dann alles. Lass die Tür hinter dir ruhig offen stehen." Und schon war sie weg.
Einen Moment lang starrte ich einfach nur auf die Bibel in meiner Hand und den Anorak um meine Hüften. Was war bitte mit dieser Lehrerin falsch? Ich ging zur Fundgrube, riss mir den Anorak von den Hüften und begrub ihn wieder dort unter den anderen Klamotten. Die Bibel platzierte ich auf einem der Regale unter einem Fußball. So! Ich hatte Frau Sittman heute nicht mehr, wenn ich darauf Acht gab ihr nicht auf dem Gang zu begegnen war alles gut.
Aufeinmal betrat jemand den Raum und ich zuckte zusammen und fing an wieder nach dem Anorak zu kramen. Ich wollte echt nicht das die Sache mit Frau Sittmann noch weiter ausartete.
,,Fariba? Was machst du hier?"
Ich drehte mich um und erblickte Adrian in hellgrauer Jogginghose, der mich anstarrte.
,,Die Sittmann hat mich herbestellt, um mich zu dresscoden und mir 'ne Bibel zu schenken. Was machst DU hier? Und warum kommst du erst jetzt?"
,,Tja. Ich habe heute Morgen vor der Schule einem der Neuntklässler Alkohol verhökert. Frau Sittmann war allerdings übertrieben früh da, was wirklich keiner ahnen konnte." Sein Ton wurde ironisch. Er spielte darauf an, das Frau Sittmann dafür bekannt war schon um sieben Uhr an der Schule aufzukreuzen. ,,Die hat mir villeicht was erzählt... und den Jägermeister konfi-, konfiszi- beschlagnahmt. Und weil wir in der ersten und zweiten Stunde doppelt Religion bei ihr haben habe ich spontan beschlossen das ich mir das nicht geben muss. Jedenfalls bin ich hier um den Jägermeister wiederzuholen, der Junge hat im Voraus bezahlt und ich will ihn ja nicht abziehen." Er hatte angefangen die Schubladen zu durchsuchen, während er geredet hatte und jetzt hielt er triumphierend eine Flasche Jägermeister in die Höhe. ,,Ha! Ich würde ihn ja auch hierlassen, die Lehrer können den wahrscheinlich gut gebrauchen, aber-" Laute Schritte näherten sich dem Büro.
Mit zwei, drei Sätzen hatte Adrian den Jägermeister zurückgelegt, die Schublade geschlossen, mich am Handgelenk gepackt und mit in den nächsten Schrank gezogen. Es war einer dieser hohen Blechteile mit kleinen Schlitzen oben. Er hatte grade die Tür hinter uns geschlossen als ich hörte wie jemand den Raum betrat.
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