◀ Kapitel 27 ▶
◀ Kapitel 27 ▶
Annie Irwin, Avengers HQ, Gegenwart
In den letzten fünf Jahren, hatte ich mehr geweint, als in meinem restlichen Leben zusammen. Man würde meinen, dass man sich an den Schmerz gewöhnt und er mit jedem weiteren Mal weniger schlimm wird, doch ich hatte mich getäuscht. Der Schmerz ist mittlerweile ein Teil von mir und doch kann ich ihn immer noch nicht kontrollieren – er kontrolliert mich.
„Hatte sie Familie?", fragt Tony leise und ich sehe auf. Einzelne Tränen rollen mir über die Wange. Ich hätte niemals gedacht, dass wir Natasha verlieren würden. Dass sie sich selbst opfert, damit Clint den Seelenstein bekommt. Natasha ist seit einer gefühlten Ewigkeit bei S.H.I.E.L.D. gewesen und ich kann mir nicht vorstellen, wie Clint sich jetzt fühlen muss. Ich sehe zu ihm, wie er neben mir auf das Wasser starrt und wahrscheinlich am liebsten hereinspringen würde, um sich zu ertränken.
„Ja... uns.", meint Steve traurig und ich verziehe das Gesicht.
„Warum tut ihr so, als wär sie tot? Warum tun wir, als wäre sie tot? Wir haben die Steine, oder? Solange wir die Steine haben, Cap, können wir sie zurück holen!", mischt sich Thor plötzlich ein und ich sehe zu ihm. Auch, wenn ich seinen Enthusiasmus zu schätzen weiß und es mich überrascht, dass ausgerechnet Thor derjenige ist, der optimistisch bleibt, verrät mir irgendetwas an Clints Blick, dass er Unrecht hat. „Schluss mit dem Scheiß, wir sind die Avengers!", fügt Thor noch hinzu.
„Wir können sie nicht zurück holen.", meint Clint neben mir traurig.
„Was meint er?" Verwirrt sieht Thor in die Runde und ich zucke nur mit den Schultern. Ich weiß nicht, woher Clint die Annahme hat, dass wir Nat nicht zurückholen können, aber ausgedacht haben, wird er sie sich sicher nicht. Es muss also etwas Wahrheit an seinen Worten sein.
„Wir können es nicht ungeschehen machen. Es geht nicht.", fügt Clint dann mit Nachdruck hinzu. Thor sieht ihn entschuldigend an, als er seine nächsten Worte spricht: „Entschuldige, nichts für Ungut, aber du bist ein sehr irdisches Wesen und wir reden hier über Weltraummagie. Und geht nicht, klingt sehr endgültig, findest du nicht?"
„Ja ich weiß, ich bin im Gegensatz zu euch nur ein kleines Licht, aber sie ist trotzdem nicht hier, oder?" Clint wird von Sekunde zu Sekunde gereizter und ich kann ihn fast schon verstehen. Natasha zu verlieren ist für ihn sicherlich fast so schlimm, als wenn er seine Familie verlieren würde. Und dass Thor die ganze Zeit noch nachbohrt, macht die Sache sicherlich nicht leichter für ihn. An seiner Stelle wäre ich wahrscheinlich genauso genervt.
„Genau das meine ich ja.."
„Es kann nicht rückgängig gemacht werden. Hat zumindest dieser rote, schwebende Typ gesagt! Vielleicht redest du mal mit ihm, okay?! Nimm einfach deinen Hammer und dann flieg hin und rede mit ihm!", brüllt Clint gereizt und ich sehe ihn beruhigend an, obwohl ich weiß, dass ihn das sicherlich nicht im Geringsten beruhigen wird. Aber die Geste zählt.
„Ich hätt's sein müssen. Sie hat ihr Leben für diesen Gottverdammten Stein geopfert. Hat ihr Leben dafür eingesetzt!"
Bruce pfeffert wütend unsere Bank in den See. Überrascht sehen wir alle ihn an. „Sie kommt nicht mehr zurück... es darf nicht umsonst gewesen sein. Wir müssen dafür sorgen.", verkündet er fest und ich verschränke die Arme vor der Brust.
„Das werden wir.", verkündet Cap und steht motiviert auf. Er blickt zu mir, ein fragender Ausdruck auf seinem Gesicht. Leicht lächele ich und wische mir die Tränen von der Wange.
„Los, holt eure Ausrüstung wir starten!", meine ich und die Jungs sehen mich irritiert an.
„Unsere Ausrüstung?", fragt Thor verwirrt und ich sehe ihn mit einem vielsagenden Blick an.
„Bei so etwas Wichtigem riskiere ich nichts. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.", meine ich und Tony grinst.
„Hat dir schon Mal jemand gesagt, dass du paranoid bist?", fragt er mich und ich nicke.
„Paranoia hat mir geholfen über 100 Jahre alt zu werden. Und jetzt hört auf zu quatschen, wir treffen uns gleich im Labor, okay?"
„Alles klar. Ihr habt 20 Minuten."
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Unsicher stehe ich in meinem Zimmer und blicke auf meine Waffen. Ich weiß, dass ich in der letzten Zeit eigentlich fast immer mit meiner Telekinese gekämpft hatte, aber so ein paar Waffen können eigentlich auch nicht schaden, oder?
Mein Armband mit der Rüstung von T'Challa, das ich mittlerweile wieder ständig umhabe, habe ich schon aktiviert, sodass ich in meiner Rüstung vor dem Schrank stehe. Meine Haare habe ich nach hinten geflochten, damit sie mir nicht im Gesicht hängen. Vielleicht bin ich wirklich paranoid, aber ich wäre überrascht, wenn unser Vorhaben ohne Komplikationen ablaufen würde. Irgendetwas wird schief gehen. Es geht immer etwas schief, wenn es um uns geht. Noch nie hat einer unserer Pläne ohne Komplikationen funktioniert und ich rechne nicht damit, dass sich das heute ändern wird. Es wäre ein Wunder.
Ich schiebe mir zwei Dolche in meine Stiefel und halte inne. Dann allerdings greife ich entschlossen nach dem goldenen Dreizack, der vor mir steht. Ich schwinge ihn probeweise einmal durch den Raum, dann nicke ich mit mir zufrieden. Schon früher hatte Namor mir beigebracht mit dem Dreizack zu kämpfen. Fünf Jahre Trauer und Langeweile, die mit intensivem Training verbracht wurden, hatten auch dabei geholfen, dass ich meine Fähigkeiten mit dem Dreizack ausbauen konnte. Und Luke und Arkus hatten sich auch bereit erklärt, mit mir und dem Dreizack zu trainieren, sodass ich behaupten würde, dass meine Fähigkeiten mit dem Dreizack meinen Fähigkeiten mit dem Schwert in Nichts mehr nachstehen.
Ich mache mich auf den Weg ins Labor und kann die anderen schon entdecken. Tony, Rocket und Bruce starren gerade auf einen roten Handschuh, in dem die Infinity-Steine ordentlich eingebaut sind. Sofort erkenne ich den Handschuh als Teil von Tonys Anzug.
Als ich den Raum betrete, sehen die anderen zu mir und Tony sieht mich erstaunt an.
„Was'n das für'n Ding?", fragt er undeutlich und sieht auf den Dreizack in meiner Hand.
„Der Dreizack von Neptun. Eine sehr mächtige Waffe, der ich hoffentlich gerecht werden kann." In Tonys Blick spiegelt sich Erkenntnis wieder und ich weiß, dass er die Waffe sofort als Namors erkennt. Doch noch bevor wir uns weiter darüber unterhalten können, werfe ich einen Blick auf das, was sich dort in der Mitte des Raumes befindet. Das ist es also. Das ist unsere Chance alles wieder gut zu machen. Alles wieder in Ordnung zu bringen und wieder so zu leben, wie wir es immer wollten.
Mit beinahe schon einem Funken Ehrfurcht in meinem Blick gehe ich ein paar Schritte auf den Handschuh zu und will gerade meine Hand danach ausstrecken, als Rocket mich aufhält. „Warte, wir haben noch nicht darüber gesprochen, wer den Handschuh benutzt." Ich werfe ihm einen beinahe schon genervten Blick zu, der allerdings sofort ins Panische wechselt, als Thor sich bereit dafür meldet, den Handschuh zu benutzen. Am Ende denkt er im entscheidenden Moment noch daran, dass er kein Bier mehr hat und benutzt die Steine dazu einen lebenslangen Vorrat an Bier zu bekommen. Sowas sollten wir beim besten Willen nicht riskieren.
„Ich bin der stärkste Avenger, deshalb fällt diese Verantwortung mir zu.", meint Thor und ich ziehe beinahe spöttisch eine Augenbraue in die Höhe. Ich denke, dass wir uns darüber mindestens ebenso lange streiten können, wie über die Frage, wer den Handschuh jetzt benutzt. Denn ob Thor in seinem jetzigen Zustand immer noch eine Konkurrenz für mich ist, wage ich zu bezweifeln.
„Ich mache es.", biete ich an und sehe die Jungs der Reihe nach an. Steves und Tonys Blicke werden sofort weicher, doch ich erkenne in ihren Blicken, dass sie mir nicht zutrauen, den Handschuh momentan richtig einzusetzen.
„Ich denke nicht, dass du momentan in der besten Verfassung dafür bist, Ann.", ertönt es sanft von Steve und ich sehe ihn empört an. Sie hatten also Thor und mich beide abgelehnt? Haben sie uns damit gerade auf eine Stufe gestellt? Thor und ich wechseln einen Blick, beide scheinbar ungläubig, dass unsere Freunde nicht wollen, dass wir den Handschuh benutzen, um etwas Gutes zu tun. Doch noch bevor wir unser Empören darüber zum Ausdruck bringen können, ertönt Bruce' Stimme. „Ich muss es tun. Ihr habt gesehen, was die Steine mit Thanos gemacht haben." Ja, haben wir. Und trotzdem sind wir scheinbar alle bereit diesen Preis zu zahlen, um endlich wieder geradezurücken, was geschehen ist. „Er ist fast gestorben. Keiner von euch könnte das überleben." Ich rolle erneut mit den Augen. Wie oft schon hatte ich Dinge getan, die ich nicht hätte überleben sollen, die mir am Ende nicht das geringste bisschen Schaden zugefügt haben? Eine kleine, fiese Stimme in meinem Hinterkopf erinnert mich daran, dass ich gerade etwas zu arrogant werde und ich verdränge meine Gedanken direkt wieder. Ich muss endlich einsehen, dass wir ein Team sind. Und, dass wir gemeinsam Entscheidungen treffen. Und wenn Tony und Steve nicht wollen, dass ich den Handschuh benutze, dann werde ich das wohl akzeptieren müssen.
„Der Handschuh besteht hauptsächlich aus Gamma-Strahlen. Es ist, als wäre ich dafür gemacht." Bruce sieht uns entschlossen an und auch, wenn ich weiß, dass er in letzter zeit auch nicht gerade gut drauf war – besonders jetzt, wo Natasha nicht mehr da ist – weiß ich, dass er definitiv das Richtige tun wird.
„Na schön. Du nimmst ihn." Es scheint niemand von uns widersprechen zu wollen, weshalb Bruce ein letztes Mal tief durchatmet und dann langsam nach dem Handschuh greift. Einen kurzen Moment hält er ihn einfach nur in der Hand und sieht ihn sich an, dann blickt er zu Tony.
„Okay, vergiss nicht: Du bringst alle, die vor fünf Jahren von Thanos weggeschnippt wurden wieder hierher. Ändere nichts an den letzten fünf Jahren." Bruce nickt.
„Verstanden!", meint er entschlossen. Um mich herum beginnt scheinbar allgemein Verteidigungsstimmung, denn alle machen sich bereit zur Verteidigung und scheinen sich auf das Schlimmste einzustellen. Tony projiziert sein Schutzfeld vor Clint und sich, während Thor sich schützend vor Rocket stellt. Ich trete einen Schritt näher an Steve heran, dann errichte auch ich mit meiner Telekinese eine Barriere, die uns vor dem Schlimmsten schützen sollte, falls etwas schiefgeht.
„Friday, es wär Mal wieder Zeit für das Scheunentorprotokoll!", murmele ich gerade so laut, dass die KI es hören kann. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, dass ich dieses Protokoll das letzte Mal verwendet habe, allerdings weiß ich, dass es in Wahrheit nur fünf Jahre waren. Wie schnell die Zeit trotz des Schmerzes im Endeffekt doch vergangen ist.
Bruce atmet ein letztes Mal tief durch und murmelt etwas vor sich hin, dann steckt er seinen Arm durch den Handschuh. In dem Moment, in dem sich der Handschuh um seine Finger schließt, geht er unter Schmerzen zu Boden und versucht offensichtlich seine Schmerzenslaute zu unterdrücken. Er braucht einen kurzen Moment, dann kommt er wieder auf die Beine und schnippst. Bruce fällt zu Boden und sofort ist alles wieder still. Wow, wie antiklimatisch. Das war alles? Dafür hatten wir so einen Wind gemacht?
Mein Blick fällt auf Bruce, der regungslos auf dem Boden liegt und ich gehe einen Schritt auf ihn zu. Steve ist schneller, denn er ist schon neben ihm auf die Knie gesunken und sieht den Hulk besorgt an. Clint währenddessen schiebt den glühenden Handschuh, den Bruce noch geistesgegenwärtig abgestreift hat, ein weiteres Stück von sich weg und Tony versucht schnell Bruce' Arm zu kühlen. Ich wiederum registriere am Rande, dass sich die Abschirmungen vor den Fenstern wieder öffnen. Von draußen strahlt es beinahe schon seltsam durch die große Fensterfront herein und ich bin innerlich geschockt, dass wir vergessen hatten, wie friedlich es draußen aussehen kann.
Ein sanftes Vibrieren auf einem der Tische reißt mich aus meinen Gedanken und endlich kommt wieder Leben in mich. Wir müssen schauen, ob es funktioniert hat! Ich muss unbedingt Namor anrufen!
Ich greife sofort in die Tasche meines Anzugs und will mein Handy herausholen, als neben mir plötzlich etwas einschlägt und ich von dem zusammenbrechenden HQ mit in die Tiefe gezogen werde.
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