◀ Kapitel 20 ▶
◀ Kapitel 20 ▶
Annie Irwin, Avengers HQ, 12.45 Uhr, 599 Tage nach Thanos
Mit einem leichten Brummschädel wache ich auf. Ich brauche einen Moment, um mich selbst zurecht zu finden und zu realisieren, wo ich bin. Dann fällt es mir wieder ein und ich hätte am liebsten frustriert aufgeseufzt. Wann hatte ich es für eine gute Idee gehalten, wenn ich mir zusammen mit Nat die Kante gebe? Wieso hatte mein Ich von gestern Abend gedacht, dass es eine gute Idee ist, sich so lange zu betrinken, bis selbst meine Kräfte ausgetrickst wurden und ich mich besaufen kann?
Ich kneife die Augen zusammen, als mein Zimmer plötzlich hell erleuchtet wird und das blendende Sonnenlicht von draußen zu mir vordringt.
„Du solltest dringend aufstehen. Und eine Dusche nehmen...", ertönt eine sanfte Stimme aus der Richtung des Lichts.
„Steve.", grummele ich genervt, doch denke gar nicht daran jetzt aufzustehen.
„Tony hat auf deinem Handy angerufen und dann eine SMS hinterlassen. Du bist um 18 Uhr bei ihm zum Abendessen eingeladen.", informiert er mich Erneut stöhne ich genervt auf.
„Ich will kein Abendessen mit Tony und seiner Familie.", entgegne ich. Ich höre Steve leise lachen.
„Nein, du willst eine Kopfschmerztablette. Wenn du mal die Augen öffnen würdest, dann würdest du bemerken, dass sie schon lange neben dir liegt. Zusammen mit einem Glas Wasser.", meint Steve und ich beginne leicht zu lächeln.
„Danke, Steve...", erwidere ich.
„Keine Ursache. Nimm eine Dusche und dann komm ins Wohnzimmer. Das ist schöner, als dich alleine in deinem Zimmer zu verkriechen.", meint Steve, dann kann ich hören, wie er das Zimmer verlässt.
Ich beginne zu lächeln. Wenn Steve nicht wäre, dann wäre ich definitiv nicht wieder an dem Punkt, wo ich momentan bin.
Ich greife nach der Kopfschmerztablette und dem Glas Wasser, dann schlucke ich die Tablette und schwinge die Beine aus dem Bett. Als ich in den Spiegel sehe, fällt mir auf, wie beschissen ich eigentlich aussehe.
„Wow, da war Steve mit der Erwähnung der Dusche noch ganz nett... ich sehe aus, als hätte Thanos mich zusammengeschlagen.", sage ich selbst zu meinem Spiegelbild, dann schüttele ich den Kopf und gehe unter die Dusche.
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Nachdem ich endlich wieder aussehe wie ein Mensch, ziehe ich mich an und gehe, wie Steve es mir förmlich befohlen hat, tatsächlich ins Wohnzimmer. Auf dem Sofa kann ich Steve und Rhodey sehen.
„Wo ist Nat?", frage ich interessiert, während ich mich auf dem Sofa niederlasse, auf dem Steve sitzt. Dass ich dabei quer über ihm liege, scheint uns beide nicht zu interessieren.
„Ich glaube die duscht noch... ihr beide saht echt Scheiße aus.", meint Rhodey.
„Ich freue mich auch deine makellose, gottgleiche Erscheinung wieder zu sehen, Rhodes.", kommentiere ich nur sarkastisch und Rhodey lacht leicht.
Ich sehe mich suchend um und entdecke mein Handy auf dem Küchentisch. Mit einer geschmeidigen Bewegung will ich es zu mir fliegen lassen. Da ich allerdings zu wenig Konzentration habe, ist die Bewegung so schnell, dass mein Handy im hohen Bogen durch den Raum fliegt, bevor ich die Chance habe, es zu greifen.
Irritiert sehen mich Steve und Rhodey an. Natürlich. Ich bin bekannt dafür, dass ich meine Kräfte perfekt beherrsche. So eine Fehlbenutzung meiner Kräfte hatte niemand erwartet.
Ich starte einen neuen Versuch an mein Handy zu kommen.
„Was war das denn?", traut sich Rhodey als Erster zu fragen.
„Emotionen beeinflussen die Funktionalität meiner Kräfte.", gebe ich nur abwesend zurück.
„Ach so, okay...", meint er.
„Warte, was?", fügt er dann aber wenige Sekunden später noch hinzu.
„Ich weiß nicht, was in letzter Zeitlos ist, Rhodey. Seitdem... das passiert ist, spielen meine Kräfte verrückt. Zumindest zwischendurch, wenn es mir gerade besonders scheiße geht.", sage ich und hoffe, dass Rhodey nun versteht. Er nickt wissend.
„Wieso geht es dir jetzt besonders scheiße?", fragt er dann aber noch unsensibel. Steve sieht ihn böse an, doch Rhodey zuckt nur mit den Schultern.
„Nat und ich sind gestern zu einer Bar gegangen... auf dem Weg dorthin, sind wir an einem Spielzeuggeschäft vorbei gekommen. Und da war eine Actionfigur von Na...", ich merke, dass ich es nicht hinbekomme, seinen Namen auszusprechen. Sofort füllen sich meine Augen wieder mit Tränen.
„Eine Actionfigur von Namor?", hilft mir Steve. Ich nicke.
„Ja... ich weiß nicht, was über mich gekommen ist, aber das war der Grund, wieso ich mich so besoffen habe... und wieso ich mich heute morgen fühle, als würde ich gerade innerlich sterben.", meine ich bitter. Steve legt mir eine Hand auf den Unterarm. Ich widerum stehe ruckartig auf.
„Ich brauche Luft. Bitte lasst mich alleine." Mit diesen Worten verlasse ich eilig den Raum und trete nach draußen an die frische Luft. Dann sehe ich endlich auf mein Handy.
„Hey, Ann. Morgan vermisst Tante Annie. Hat Tante Annie Lust dazu, heute um 18 Uhr mit uns Abendessen zu essen? Wir haben auch Wackelpudding..." Ich schmunzele bei der SMS von Tony.
„Tante Annie kommt gerne, wenn sie bei euch schlafen kann.", schreibe ich zurück. Wenige Sekunden später erhalte ich schon die Bestätigung, dass ich dort bleiben kann, also ist es wohl beschlossen, dass ich nachher bei Tony, Pepper und Morgan bleibe.
Ich blicke auf die Uhr und seufze. Sofort drehe ich mich wieder um und gehe nach drinnen.
„Leute, ich mache mich fertig... ich wollte noch kurz in mein Hauptquartier. Wenn ihr mich braucht, dann wisst ihr ja, wie ihr mich finden könnt.", meine ich lächelnd und Steve nickt. Ich gehe schnell in mein Zimmer und packe meine paar Sachen zusammen, dann schnappe ich mir meine Jacke und meine Autoschlüssel.
„Wir sehen uns bald, oder?", fragt Steve, als er mich noch zur Tiefgarage begleitet. Ich schmeiße meine Tasche auf den Beifahrersitz meines Audi R8, den mir Tony großzügigerweise geschenkt hat, als er sich ein neues Auto gekauft hat.
„Natürlich. Wann immer du etwas Spießiges machen willst, ruf mich an und ich bin dabei.", zwinkere ich ihm zu, dann steige ich in mein Auto.
„Bis bald, Steve.", verabschiede ich mich und lasse den Motor aufheulen.
Mit einem doch recht zügigen Tempo fahre ich zurück in mein Hauptquartier und suche mir all meine Sachen zusammen, die ich brauche. Mein Blick fällt auf Namors Zimmer und ich zögere nicht lange, als ich daran denke, dass auch er hier normale Kleidung in seinem Schrank aufbewahrt... aufbewahrt hat. Ich öffne seinen Schrank und krame einen Augenblick herum, dann nehme ich mir einen Pullover, den er recht gerne getragen hat und ziehe ihn mir über mein T-Shirt. Er ist mir deutlich zu groß, doch das ist mir egal. Mit einem traurigen Lächeln realisiere ich, dass der Pullover noch immer leicht nach Namor riecht und mein Blick fällt auf den Nachtschrank neben dem Bett. Ich widerstehe der Versuchung seinen Pullover noch mit seinem Parfüm einzusprühen, sondern mache den Schrank wieder zu. Dann allerdings halte ich inne, als ich eine wunderschöne Schmuckbox sehe, die mich neugierig macht. Ich greife danach und erstarre. Auf der Box steht mein Name und ich ziehe skeptisch eine Augenbraue in die Höhe.
Ich weiß, dass es eigentlich nicht fair ist, die Box zu öffnen, doch ich kann nicht widerstehen und klappe den Deckel nach oben. Als ich erkenne, was sich in der Box befindet, steigen mir sofort die Tränen in die Augen.
Vorsichtig greife ich nach dem Zettel, der von innen am Deckel des Kästchens festgemacht wurde. Ich lächele leicht, als ich ihn lese und mir dann das Armband ansehe, dass Namor für mich hatte machen lassen. Es ist silber und sehr schlicht – genau mein Geschmack. An ihm befinden sich zwei Anhänger. Ein Dreizack und ein Schwert. Traurig lächele ich, dann allerdings spreche ich mir selbst Mut zu und mache mir das Armband um. Das ist vielleicht eins der letzten Sachen, die ich noch von Namor habe. Ich hätte mir nur gewünscht, dass er es mir persönlich hätte geben können.
Das Armband passt perfekt und sieht neben meinem Rüstungsarmband sehr harmonisch aus. Leicht lächelnd stehe ich auf. „Danke."
Dann verlasse ich das Sanctum wieder und mache mich auf den Weg zu Tony.
Tony Stark, Tony Starks Küche, 17.49 Uhr
Wieso hätten wir nicht einfach was bestellen können?! Ich hasse es zu kochen! Wie die Pest! Das Kochen ist eigentlich Peppers Aufgabe und meine Aufgabe ist es dann, abzuwaschen. Aber nein, ich kam ja auf die Idee, dass es toll wäre, wenn ich koche, damit Pepper sich mal entspannen kann. Und was habe ich jetzt davon? Annie taucht in wenigen Minuten auf und das Essen sieht aus wie schon mal gegessen.
„Dad, was machst du da?", fragt mich Morgan skeptisch. Großartig, sogar meine eigene Tochter zweifelt an meinen Fähigkeiten als Koch.
„Ich mache was ganz Leckeres für uns zum Essen. Tante Annie kommt gleich. Wieso gehst du nicht raus und wartest auf sie?", frage ich. Morgan nickt und mit einem erfreuten „Tante Annie!" ist sie aus der Tür verschwunden.
„Friday, kann ich das Essen noch irgendwie retten?", frage ich meine KI.
„Nein, Sir. Ich schlage vor Sie holen eine Pizza. Sie haben noch genau sieben Minuten, bis Miss Irwin auftauchen wird." Irre ich mich, oder hört sich meine KI tatsächlich belustigt an?
„Danke, Friday... gib eine Bestellung auf, ich hol sie in ner viertel Stunde mit dem Anzug ab.", seufze ich. Schnell beseitige ich die Reste des Essens und tausche die Teller. Annie wird schon kein Problem damit haben, wenn wir Pizza essen. Wenigstens der Wackelpudding ist was geworden.
Nach genau weiteren sechs Minuten höre ich, wie Annie vor dem Haus vorfährt. Ich höre Morgans fröhliche Begrüßung und Annies Lachen, das ich in letzter Zeit viel zu selten gehört habe.
Als sich die Tür öffnet, drehe ich mich um und beginne zu lächeln. Annie kommt herein, eine große Tasche um ihre Schulter und Morgan im Arm. Sie scheint beinahe zu strahlen und ich bin sofort glücklich, dass Annie das erste Mal seit langem wieder fröhlich wirkt. Außerdem wirkt sie ziemlich ausgeglichen und sieht so aus, als wäre sie für einen gemütlichen Abend bereit, bei dem wir uns nicht ständig um irgendwelche Bedrohungen sorgen müssten. Ihr Pullover ist ihr zu groß und ich würde wetten, dass er Namor gehört. Ihre Haare hat Annie unordentlich hochgesteckt und ihre Beine stecken in einer schwarzen Skinny Jeans. Außerdem trägt sie ein paar meergrüne Vans. Die Farbkombination, die sie trägt, erinnert mich an Namors Kostüm und ich lächele abwesend.
„Hey, Tony.", begrüßt Annie mich dann grinsend, als sie sieht, dass ich sie ausgiebig mustere.
„Daddy, wo ist das Essen?", fragt mich Morgan verwundert. Verlegen sehe ich sie an.
„Im Müll... ich hab Pizza bestellt.", grummele ich und Annie lacht.
„Tante Annie, willst du sehen, was Daddy für mich gebaut hat?", fragt meine Tochter Annie interessiert.
„Natürlich, meine Kleine. Ich bin gespannt.", erwidert Annie und lässt Morgan runter. Diese greift nach Annies Hand und zieht diese nach draußen. Schnell streift sie sich noch die Tasche von der Schulter, dann sind die beiden auch schon verschwunden.
„Boss, die Pizza ist fertig.", ertönt Fridays Stimme in meinem Ohr.
„Ist gut, ich mach mich auf den Weg."
Annie Irwin, Gästezimmer von Tony Stark, 21.34 Uhr
„Persönliches Tagebuch von Annie Irwin, Tag 599 nach Thanos. Ich bin heute bei Tony, Pepper und Morgan. Morgan ist wirklich ein tolles Kind. Ein richtiger Wirbelwind. Ich bin mir sicher, dass sie später genau so ein Genie wird, wie ihr Vater. Aber es soll heute gar nicht um Morgan gehen, sondern um Peter...
Auch, wenn ich mir sicher bin, dass sich niemals jemand diese verworrenen Sentimentalitäten anhören wird, die ich hier von mir gebe, mache ich weiter... Peter war ein toller Junge. Ich habe ihn kennengelernt, als er gegen mich gekämpft hat. Ich wusste, dass er keine Intentionen hat, mich zu verletzen, obwohl Tony ihm damals gesagt hat, dass es wichtig ist, dass ich in Pleasant Hill eingesperrt bleibe... stattdessen hat Peter einen Moment wahrer Stärke gezeigt, indem er zu uns gekommen ist und gesagt hat, dass er auf der falschen Seite steht und das weiß. Ich habe damals wahrscheinlich in diesem Moment beschlossen, dass ich Peter Parker mag. Und das wahrscheinlich mehr, als die meisten erwartet hätten. Aber Peter ist ein toller Junge. Ein Junge, der ohne zu zögern ins Weltall fliegt, nur, weil er glaubt, dass es das richtige ist. Der nicht darüber nachdenkt, was passieren könnte und ob er dabei draufgeht. Peter wollte nur helfen...
Ich habe vorhin gesehen, dass Tony immer noch das Bild von Peter und ihm in seiner Küche stehen hat. Es zerreißt mir das Herz zu wissen, dass Peter niemals der große Bruder für Morgan sein kann, der er gewesen wäre. Denn was auch immer Tony sagt, er hatte Peter doch gefühlt schon fast adoptiert.
... ich habe vorhin gemerkt, dass ich das erste Mal seit langem wieder glücklich bin. Heute Morgen ging es mir nicht gut. Ich habe gestern Nacht etwas gesehen, dass mich an ihn... an Namor erinnert hat... ich weiß, dass es lächerlich ist, deswegen so zu reden, doch ich weiß mittlerweile, dass Namor und ich unsere Differenzen begraben hätten und uns sicherlich noch eine Chance gegeben hätten. Wir können nicht ohne einander leben.
Aber vorhin, als ich gesehen habe, wie glücklich Tony mit Pepper und Morgan ist, da habe ich realisiert, dass er nicht gewollt hätte, dass ich traurig bin. Er hätte nicht gewollt, dass ich um ihn trauere.
Ich glaube, dass ich zu lange gebraucht habe, um zu realisieren, dass trotz allem schlechten, was passiert ist, ich noch so viel Gutes direkt vor mir habe... Tony, Pepper, Morgan... Steve und Natasha... Cho. Ich sollte wertschätzen, was ich hier vor mir habe. Nicht alle von uns hatten so viel Glück. Nicht alle von uns haben noch so etwas wie eine Familie. Und ich sollte sie wertschätzen, solange ich noch kann. Und das werde ich jetzt auch.
Eintrag Ende."
Ich drehe mich um und entdecke Tony, wie er mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnt und mich nachdenklich ansieht.
„Was machst du da?", fragt er mich sanft und kommt in den Raum herein. Hinter sich schließt er die Tür.
„Ich erstelle eine Art Tagebuch... Cho hatte mir dazu geraten. Er meinte, dass es mir dabei helfen würde, meine Emotionen besser zu verarbeiten und sie zu akzeptieren. Damit ich besser mit der Situation klarkomme.", erkläre ich Tony.
„Das waren schöne Worte, die du da gesagt hast.", meint Tony. Leicht lächele ich.
„Cho hatte Recht... ich habe in der Vergangenheit mehrere solcher Einträge gemacht... es hat mir geholfen, zu akzeptieren, dass sie weg sind und dass es auch immer so sein wird.", meine ich leise. Tony legt einen Arm um meine Schultern.
„Wie viel hast du gehört?", frage ich ihn dann. Tony lächelt leicht.
„Alles. Und ich weiß, dass du wahrscheinlich nicht darüber reden willst... aber Namor hätte dir zugestimmt. Er hätte gewollt, dass du glücklich bist.", meint er aufmunternd. Ich streiche mir eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Er hätte gewollt, dass wir alle glücklich sind.", stimme ich Tony zu.
„Tante Annie?!", höre ich plötzlich Morgans Rufen.
„Ja, meine Kleine?", frage ich zurück.
„Kannst du mich ins Bett bringen?", fragt sie mich. Lächelnd erhebe ich mich.
„Mal sehen, bei welcher Zahl du heute ankommst... ich habe Pepper schon lange überholt.", neckt er mich.
„Morgan wird mich am meisten lieb haben, pass nur auf!", zwinkere ich zurück, dann gehe ich, um Morgan ins Bett zu bringen.
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