◀ Kapitel 17 ▶
◀ Kapitel 17 ▶
Annie Irwin, Chicago, 23. 57 Uhr, 167 Tage nach Thanos
Mit einem wütenden Aufschrei reiße ich mein Schwert herum und versenke es in der Brust des Angreifers. Ich sehe mit einem zufriedenen Ausdruck, wie seine Augen immer glasiger werden und drehe das Schwert mit einem kalten Blick in seiner Brust um seine eigene Achse. Der Mann keucht, dann ziehe ich das Schwert ruckartig wieder aus ihm heraus.
Hinter mir höre ich weiteren Kampflärm und weiß, dass er von Clint kommt.
„Annie! Versuch nach drinnen zu kommen!", brüllt Clint mir zu. Ich rolle mich elegant zu ihm herum und richte mich neben ihm wieder auf.
„Du weißt, dass ich hier meine Kräfte nicht benutzen kann, weil es einen Mutantenschutz gibt, ja?", frage ich rhetorisch nach und weiche einem weiteren Schlag aus. Clint sieht mich aus dem Augenwinkel an.
„Na und? Du bist Annie Irwin, du brauchst keine Mutantenkräfte, um in das Gebäude zu kommen.", meint Clint und versenkt sein eigenes Katana in der Brust eines weiteren Mannes.
„Ich dachte wir wollen das hier zusammen machen.", meine ich und werfe ich einen Blick über meine Schulter zu Clint.
„Tu es einfach. Du weißt genau wie ich, dass dieses miese Schwein es verdient zu sterben. Ich kümmere mich um seine Handlanger. Du tötest ihn.", weist er mich an. Ich weiche einem weiteren Schwerthieb aus und rolle mich erneut über den Boden, dann trete ich dem Mann die Beine weg und versenke mein Schwert in seinem Bauch.
„Du musst den Mutantenschutz für mich ausschalten, dann kann ich alle Verbrecher in dem Gebäude töten.", meine ich und Clint sieht mich kurz abwartend an, dann allerdings nickt er und wirft mir sein Schwert zu. Ich fange es auf und beobachte ihn noch kurz dabei, wie er sich unauffällig einen Weg ins Inneres des Hauses bahnt. Ich sehe, dass er das zweite Schwert, das in der Scheide auf seinem Rücken liegt, zieht. Dann fahre ich herum und halte beide Katanas angriffsbereit in die Höhe. Ich sehe zwei Typen fies grinsen, dann greife ich an. Ich wirbele mit meinen Schwertern nur so herum und wehre mich mit allem, was ich habe. Dann sehe ich plötzlich, wie bestimmt zwanzig weitere Männer aus einem anderen Gebäude stürmen. Oh Clint, beeil dich!
Schnell bringe ich mich etwas aus der Mitte der Kämpfenden heraus, damit ich bessere Chancen habe. Ich weiß, dass ich auch mit meinen Schwertern eine sehr gute Kämpferin bin, doch bestimmt 25 Männer auf einmal schaffe nicht mal ich. Zumindest nicht mit zwei Schwertern. Zehn hätte ich geschafft, vielleicht auch 15. Aber nicht 25. Doch ich weiß, dass ich jetzt keine Schwäche zeigen darf. Wenn ich jetzt Schwäche zeige, dann werde ich sofort getötet. Auch, wenn das Vibranium-Skelett in mir drinnen noch Wirkung haben wird und mich zumindest etwas beschützt, meine Selbstheilungskräfte werden nicht wirken und ich bin genau so verletzlich, wie jeder andere Mensch auch.
Ich drehe mich elegant und schlage nach dem ersten Mann, dabei trenne ich seinem Nebenmann mit einer fließenden Bewegung den Kopf ab. Dann allerdings passe ich einen Moment nicht auf und spüre, dass mich jemand am Fuß berührt. Noch bevor ich mich retten kann, bringt mich diese Person zu Fall. Panisch reiße ich die Schwerter nach oben und versuche noch mich irgendwie selbst zu schützen.
„CLINT! LOS!", brülle ich, in der Hoffnung, dass er es hört. Ich weiß, dass ich die Angriffe nicht mehr lange abwenden kann. Eine einzige Person muss mich noch gut treffen, dann kann das schon mein Ende bedeuten. Ich keuche auf, als ich einen stechenden Schmerz in meiner Seite spüre und trete nach dem Mann, der mir sein Messer in die Seite gerammt hat. Ein böses Lachen ertönt.
„Es war naiv von dir hier her zu kommen, Mädchen!", meint er fies und ich wehre mich weiterhin.
„Du bist schwach... genau wie dein Freund.", meint er noch und genau in dem Moment spüre ich, dass sich etwas verändert. Ein Teil des Schutzes hat sich aufgelöst, doch ich spüre, dass es noch nicht genug ist. Das heißt aber, dass Clint fast fertig ist. Ich sehe dem Mann direkt in die Augen und als ich spüre, dass meine Kräfte wieder zu mir kommen, sehe ich, dass auch er es sieht. Meine Augen, die eben noch normal aussahen, müssen sich zu ihrem beißenden Lila zurückverwandelt haben.
„Ich bin nicht schwach. Weißt du nicht, wer ich bin?", zische ich zurück. Dann lasse ich umstehende Energie in mich fließen.
„Du bist Annie Irwin!", verkündet der eine geschockt. In diesem Moment werden sie alle von meiner Druckwelle von mir geschleudert. Die Meisten bleiben benommen liegen, doch ein paar stehen direkt wieder auf. Spöttisch sehe ich sie an und lasse mit meiner Telekinese mehrere Messer aufsteigen. Noch bevor sie wissen, was passiert, liegen sie wieder am Boden, die Messer in verschiedenen Teilen ihrer Körper. Dann drehe ich mich zu dem Haus um.
Ich schließe die Augen und versuche mich auf Clint zu konzentrieren. Als ich ihn gefunden habe, lasse ich ihn mit einer sanften, aber schnellen Bewegung aus dem Fenster heraus direkt zu mir fliegen. Er kommt neben mir auf und sieht mich beeindruckt an.
„Deine Wut steht dir.", meint er und nimmt sein Schwert wieder entgegen, das ich ihm hinhalte.
„Es sind noch unschuldige Kinder im Gebäude.", meint er dann und ich nicke.
„Wo?", will ich wissen.
„Sie sind eingesperrt. Die Wichser halten sie in einem Käfig, wie Tiere.", schnaubt Clint und ich schließe erneut die Augen. Mit meinen Kräften taste ich das Innere des Hauses ab, bis ich den Käfig spüren kann. Ich hebe eine zweite Hand, da es anstrengender ist und mehr Kraft erfordert den Käfig mit den Kindern sicher heraus zu befördern, dann allerdings sehe ich, wie er gegen die Hauswand drückt und sie schließlich durchbricht. Mit einem Poltern kommt der Käfig mit ein paar völlig verängstigten Kindern neben Clint und mir zum Stehen.
„Sind jetzt nur noch die Verbrecher im Gebäude?"
„Ja.", antwortet er kalt.
„Okay, gut.", meine ich ebenso emotionslos wie er und hebe die Hände erneut. Clint sieht mir dabei nur zu, ohne, dass er etwas macht oder sagt. Ich spüre, dass sich die Stabilität des Hauses unter meinen Fingern wölbt und grinse fies. Mit einem leisen Aufschrei sinke ich auf die Knie, doch ich konzentriere mich weiter. Bloß nicht die Kontrolle verlieren. Dann endlich bewegt sich etwas. Ich sehe mit einer gewissen Genugtuung, dass sich das Haus langsam in seine Einzelteile zerlegt. Von Innen höre ich Schreie, denn auch die Männer, die sich dort drinnen befinden, scheinen zu merken, dass das Haus jederzeit zusammenbrechen könnte und sie dann unter sich begräbt. Ich seufze, dann lasse ich von dem Haus ab und sehe zu Clint. Wir beide wissen, dass das Haus gerade so instabil ist, dass eine einzige Bewegung von einem von uns es zum Einstürzen bringen würde.
„Möchtest du?", frage ich ihn, doch Clint schüttelt den Kopf.
„Die Ehre gebührt dir.", meint er. Ich zucke nur mit den Schultern. Dann forme ich aus Telekinese einen Ball und lasse ihn dann auf das Haus zuschnellen. In dem Moment, in dem er das Haus trifft, beginnt alles zu wackeln. Dann sehe ich den ersten Stein fallen. Dann den nächsten. Und schlussendlich fallen alle Steine und die Schreie der Männer verstummen. Clint und ich sehen auf das, was einst das Haus voller Vergewaltiger und Kinderhändlern war, dann drehen wir uns beide zeitgleich um.
Als ich sehe, wer hinter mir steht, erstarre ich. Clint reagiert schneller als ich und flieht direkt. Er schießt einen Pfeil nach oben in eines der anderen Häuser und hebt ab. Ich allerdings bin wie gelähmt von der Person vor mir und weiß nicht, was ich tun soll.
„Steve. Was tust du hier?", frage ich ihn dann, um meine eigene Unsicherheit zu verstecken.
„Was hast du getan?", fragt er mich geschockt, doch ich wische nur mein von Blut verschmiertes Schwert an meinem Hosenbein ab.
„Menschen bestraft, die es verdient haben.", gebe ich kühl zurück und will mich gerade von ihm abwenden, als er meinen Namen erneut sagt. Ich halte inne und sehe ihn fragend an.
„Was ist mit dir geschehen? Das bist nicht du.", meint er leise und ich schnaube.
„Das ist es, was ich schon immer war. Wir alle wollten es nur nicht erkennen.", meine ich kalt und drehe mich wieder um. Ich komme genau zwei Schritte voran, als ich ruckartig stehen bleibe, weil Steve zu sprechen beginnt.
„Ist es das, was Namor gewollt hätte? Glaubst du, er wäre stolz auf dich?", fragt er mich und ich senke den Kopf.
„Namor ist nicht hier, also kann es mir egal sein, was er denken würde.", meine ich als Antwort.
„Aber das ist es dir nicht und das wissen wir beide. Ich weiß, dass du eine Menge seelischer Schmerzen ertragen musst, aber das ist nicht der richtige Weg.", meint Steve sanft. Spöttisch lachend drehe ich mich um.
„Ach nein? Was soll ich stattdessen machen? Selbsthilfegruppen bilden, so wie du? So tun, als ob alles gut wäre? Ich kann so etwas nicht, Steve. Das einzige, was ich gut kann, ist kämpfen."
„Das bist nicht mehr du, Annie. Es mag sein, dass das einst so gewesen ist. Doch jetzt nicht mehr. Du bist nicht mehr das Monster, zu dem du dich selbst machst.", sanft sieht Steve mich an und ich sehe unsicher zu ihm.
„Darf ich dir einen Rat geben, Annie?", fragt er mich dann noch zögerlich und anhand der Tatsache, dass ich ihn abwartend ansehe, erkennt er wohl, dass er darf.
„Geh ins Sanctum und nach Atlantis.", meint er. Fragend sehe ich ihn an.
„Vertrau mir. Es wird dir gut tun.", meint er und sieht mich sanft lächelnd an. Ich nicke ihm kurz zu, dann drehe ich mich um und gehe.
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„Wong?", rufe ich laut und sehe mich unsicher um. Ich bin von oben bis unten beschmiert mit Blut und ich weiß, dass ich wahrscheinlich ein schreckliches Bild abgebe. Doch das ist nicht das erste Mal, dass ich so aussehe. Und es hatte mich schon all meinen Mut gekostet, mich überhaupt dazu zu bringen, hier her zu kommen. Ich hatte zuerst überlegt, ob ich nicht Atlantis einen Besuch abstatte, doch ich bezweifele, dass ich das schaffe. Da ist das Sanctum als erstes der deutlich bessere Weg.
„Wong?!", rufe ich, dieses Mal jedoch lauter. Ich sehe mich suchend um und höre dann plötzlich Schritte von oben. Wong taucht auf der Treppe des Sanctums auf und sieht mich fragend an.
„Was ist passiert, Annie?", fragt er mich verwirrt und ich sehe, dass sein Blick an mir herunter gleitet. Über die letzten Monate, in denen ich hier viel Zeit mit Stephen verbracht habe, sind Wong und ich so etwas wie Freunde geworden und er kann mir wahrscheinlich ansehen, dass etwas nicht stimmt. Zudem bin ich von oben bis unten mit Blut bespritzt und sehe wahrscheinlich wahnsinnig aus, wie ich hier stehe.
„Ich- Kann ich in seinem Bett schlafen?", frage ich nur leise. Auf dem Weg hierher hatte ich nachgedacht. Steve hatte Recht. Ich muss irgendwas tun, was mit Stephen zusammenhängt. Er ist in den letzten Monaten einer meiner engsten Freunde und meiner engsten Verbündeten geworden. Ihn immer weiter zu verdrängen sorgt am Ende nur dafür, dass ich noch größere Angst bekomme. Einen Moment lang sieht Wong mich zögernd an, dann nickt er und sein Blick wird sanfter.
„Aber geh dich vorher duschen. Du weißt, wie sehr Stephen auf die Sauberkeit seines Bettes geachtet hat.", meint er mit einem leichten Grinsen. Ich schlucke bei der Erwähnung seines Namens.
„Danke, Wong." Dieser lächelt mir nur sanft zu. Ich glaube, dass er verstanden hat, was ich hier will und warum ich hier bin. Auch, wenn ich nicht über meine Gefühle rede und sie auch nicht zeigen möchte, glaube ich, dass sie ihn förmlich anschreien, wenn er mich ansieht. Ich drehe mich langsam um, damit ich zu Stephens Zimmer gehen kann, als mich Wong erneut aufhält, indem er meinen Namen sagt. Ich drehe mich noch mal zu ihm um und sehe ihn fragend an.
„Wenn du etwas brauchst, dann sag mir Bescheid, in Ordnung?", fragt er dann noch. Ich lächele und es ist eines der ersten ehrlichen Lächeln, das ich ihn letzter Zeit gezeigt habe.
„Danke, Wong!"
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Steve Rogers, New York, 12.32 Uhr
Mit einem Kaffee in der Hand sitze ich am Straßenrand einer viel befahrenen Straße von New York und sehe auf die Straße. Ich weiß, dass dies hier nicht das beliebteste Café ist, weshalb es für die New Yorker Verhältnisse relativ leer ist. Aber ich glaube, dass dies genau das ist, das wir brauchen. Ich sehe auf, als ich plötzlich Schritte höre, die mir immer näher kommen. Und dann sehe ich Annie. Im ersten Moment bin ich erschrocken, denn als ich sie vor ein paar Tagen mit Clint gesehen habe, war es dunkel und ich habe nicht jeden ihrer Gesichtszüge erkennen können. Doch jetzt, am helllichten Tage kann ich es und bin mehr als nur geschockt. Ihre sonst so strahlenden Augen leuchten zwar immer noch, haben aber jeglichen Glanz verloren. Sie ist blass und auf ihrem Gesicht erscheint ein unzufriedener Ausdruck. Ihr sonst so selbstbewusster Gang wirkt jetzt beinahe unsicher. Früher, hat Annie dafür gesorgt, dass ihr die Leute hinterhergucken und die stolze Mutantin erkennen, die sie ist. Heute fällt sie zwischen den meisten Leuten, die sich durch New York zwängen, gar nicht wirklich auf. Sie trägt eine enge schwarze Jeans, ein Paar Doc Martens und einen grauen, viel zu großen Pullover, von dem ich mir sicher bin, dass er nicht ihr gehört. Für Cho ist der Pullover auch zu groß und ich habe plötzlich eine Vermutung, woher der Pullover kommt.
Ihr Blick fällt auf mich und ihre finsteren Gesichtszüge entspannen sich etwas, doch ich merke, dass das Lächeln, das sie aufsetzt, auch wirklich nur als das zu erkennen ist: Als aufgesetzt.
Mit einer geschmeidigen Bewegung lässt sie sich gegenüber von mir auf den Platz fallen und überschlägt die Beine.
„Hey.", meine ich sanft. Annie lächelt schwach.
„Hey."
„Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest.", gestehe ich ihr ehrlich und Annie lehnt sich etwas nach vorne.
„Ich mir bis vor kurzem auch nicht. Aber du bist einer meiner besten Freunde und dich wie Dreck zu behandeln tut in dieser Situation auch keinem einen Gefallen. Wo ich doch auch ganz genau weiß, dass du mir helfen möchtest.", meint sie und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. Eine Strähne fällt sofort wieder zurück und sie sieht diese genervt an, dann fliegt sie plötzlich von ihrem Gesicht zurück in ihre anderen Haare und ich realisiere, dass Annie ihre Haare gerade allen ernstes mit Telekinese bändigt.
„Hat es geholfen?", frage ich sie klar heraus und weiß, dass sie ganz genau weiß auf was ich anspiele. Immerhin ist es noch nicht lange her, dass ich ihr geraten habe, ins Sanctum und nach Atlantis zu gehen, damit sie sich ihren Erinnerungen an Namor und Stephen stellt. Zart nickt sie.
„Ja, etwas. Steve, was ich neulich gesagt habe tut mir leid.", meint sie dann und ich winke nur ab.
„Man sagt manchmal dumme Sachen, wenn man verletzt ist. Aber das ist okay. Ich weiß, dass du es nicht böse meintest.", meine ich und greife nach ihrer Hand, die auf dem Tisch liegt. Sie zuckt zusammen, dann sieht sie mich mit einem unsicheren Blick an.
„Wichtig ist nur, dass du eingesehen hast, dass das, was du dort getan hast, falsch war.", sage ich sanft und Annie nickt.
„Du hattest Recht mit dem, was du gesagt hast. Namor hätte das nicht gewollt.", gibt sie leise zu. Dann sieht sie mich plötzlich beinahe schon motiviert an.
„Aber genug von mir. Wie gehts dir?" Ich weiß, dass dieser Stimmungswechsel nur daher kam, dass sie in diesem Moment von zu vielen Gefühlen überrannt wurde und sie diese loswerden möchte, doch ich mache mir da nichts draus. Wenn sie abgelenkt werden möchte, dann lenke ich sie ab. Dafür sind beste Freunde schließlich da!
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