◀ Kapitel 16 ▶
◀ Kapitel 16 ▶
Annie Irwin, Supreme Five HQ, 12.34 Uhr , 85 Tage nach Thanos
„Persönliches Tagebuch von Annie Irwin... ehm... 85 Tage nach Thanos... Ich weiß nicht, was ich hier tue... Cho meinte zu mir, dass es mir helfen würde, wenn ich darüber rede, wie es mir geht... ich weiß nicht, ob mir das etwas bringen wird. Aber irgendwie hat er Recht. Schlimmer machen kann ich meinen momentanen seelischen Zustand nicht mehr wirklich, also kann ich auch gut darüber reden. Ab dem Zeitpunkt, an dem Steve mich besucht hatte, genau 25 Tage, nachdem Thanos die Hälfte des Universums ausgelöscht hatte, konnte mein Zustand nicht mehr schlimmer werden. Ich habe mehrere Zimmer meines Hauptquartiers zerstört, geschrieben, geweint und das so lange, bis Cho geschockt zu mir gekommen war, weil die Wände des Hauses gewackelt haben. Erst dann konnte ich etwas aufhören und mich wieder beruhigen. In diesem Moment wusste ich, dass jegliche Chance etwas zu retten, die Steine einzusetzen oder Thanos zu zwingen, alles wieder rückgängig zu machen, gescheitert ist. Ich hatte mich so hilflos gefühlt, als würde ich in ein Loch fallen und einfach keinen Sinn mehr haben. Als wäre ich nur noch auf dieser Erde, um zu existieren – um die 50% zu repräsentieren, die Thanos verschont hatte... doch heute fühle ich mich zumindest so weit bereit, dass ich anfangen kann, darüber zu sprechen, was passiert ist.
Ich habe lange überlegt, über wen ich als erstes reden möchte... ich kann mich bei der Hälfte der Leute, die gestorben sind, nicht mal dazu durchringen, ihren Namen zu sagen... dabei ist es jetzt fast drei Monate her...
Als ich drüber nachgedacht habe, über wen ich rede, kam mir plötzlich Fury in den Sinn.
Fury und ich waren nie die besten Freunde. Ganz im Gegenteil. Doch über die letzten Jahre hinweg, habe ich gemerkt, dass Nick Fury doch so etwas wie Sympathie in mir hervorgerufen hat. Natürlich ist er mir ständig auf die Nerven gegangen und am Anfang, als ich ihn kennengelernt habe, hätte ich ihn am liebsten stündlich umgebracht, aber es wurde besser.
Ich würde sogar so weit gehen, dass ich behaupten würde, dass Nick Fury und ich an irgendeinem Punkt in unserem Leben Freunde wurden. Oder zumindest so etwas ähnliches... kaum zu glauben, dass ich ihn mal vermissen könnte... und doch tue ich es.
Fur- Nick, es tut mir leid."
„Annie!" Wütendes Geklopfe ertönt an meiner Zimmertür. Missmutig ziehe ich mir die Bettdecke über den Kopf, als könnte ich so den Lärm ausblenden, doch ich weiß, dass ich es nicht kann.
„Jarvis, schließ bitte die Vorhänge.", grummele ich und verkrieche mich wieder unter der Bettdecke. Ich höre, dass sich die Vorhänge leise schließen und versuche wieder zu schlafen, als sich die Tür plötzlich ruckartig öffnet und gegen die Wand knallt. Wütend grummele ich in meine Bettdecke.
„Gott, ist hier drinnen etwas gestorben?", fragt Cho provokant und ich weiß, dass er übertreibt, denn die Belüftungsanlage des Zimmers funktioniert einwandfrei. Sonst hätte ich es hier drinnen auch nicht ausgehalten.
„Halt die Schnauze, Cho!", fluche ich genervt und halte meine Bettdecke stärker fest, da ich damit rechne, dass Cho sie mir gleich wegziehen wird.
„Jarvis, Vorhänge und Fenster auf!", meint Cho und noch bevor ich Jarvis aufhalten kann, höre ich von draußen einen Vogel zwitschern und spüre die kühle Brise in das Zimmer kommen.
Wie erwartet zieht Cho mir die Bettdecke weg und ich lasse es einfach geschehen.
„Was willst du?", frage ich Cho dann. Dieser sieht an mir herunter und sieht mich beinahe schon missbilligend an. Würde es mir emotional gerade besser gehen, dann hätte ich ihm das nicht mal verübeln können.
Ich trage ein viel zu großes Shirt ohne Hose. Meine Haare sind fettig und stehen wahrscheinlich in alle Richtungen ab. Es grenzt an ein Wunder, dass ich mir vorhin die Zähne geputzt habe und mir das Gesicht gewaschen habe.
„Du siehst aus wie ein Penner, Annie.", holt Cho mich zurück in die Realität. Spöttisch lache ich auf.
„Na vielen Dank auch.", erwidere ich genervt.
„Los, zieh dir was Schickes an, wir gehen etwas Essen.", fordert er und ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe.
„Und mit ‚Wir gehen essen' meinst du, dass du essen gehst und ich hier weiterhin liege und deinen Tatendrang bewundere, richtig?", hake ich nach und versuche wieder nach der Bettdecke zu greifen, doch Cho hält sie zu weit weg von mir.
„Nein. Ich meine damit, dass du gleich aufstehen wirst und dich unter die Dusche stellst. Du siehst aus, als würdest du gleich sterben." Cho schnaubt, als ich keinerlei Anstalten mache, mich aus meinem Bett zu bewegen.
„Ich fühl mich auch so und jetzt lass mich in Ruhe." Ich kann Chos bösen Blick förmlich spüren, ohne dass ich ihn angucken muss.
„Steh auf oder ich schleife dich eigenhändig unter die Dusche.", zischt er mir dann beinahe schon wütend zu und ich weiß, dass er ja eigentlich Recht hat. Er bemüht sich wirklich mich aufzumuntern und ich stoße ihn immer wieder von mir. Aber ich habe nicht die Kraft, mich aufzuraffen und heraus in die Welt zu gehen. Noch nicht.
„Aber ich will nicht!", bringe ich trotzig hervor und will mich gerade umdrehen, als Cho mir einen Schritt näher kommt und kurz vor meinem Bett steht. Warnend sehe ich ihn ihn, doch er zieht nur eine Augenbraue in die Höhe.
„Die mächtigste weibliche Avengerin sieht aus wie ein Ork und vegetiert hier vor sich hin...", spottet er und ich rolle mit meinen Augen.
„Cho, ich hasse dich."
„Ich weiß.", antwortet er mir und ich spüre im nächsten Moment, wie ich hochgehoben werde. Instinktiv halte ich mich an Cho fest, da ich mir nicht sicher bin, ob er mich sicher halten kann. Immerhin bin ich durch das Vibranium in mir recht schwer und Cho ist meines Wissens nach nicht der stärkste.
„Lass mich los oder ich sorge dafür, dass du es tust.", fauche ich ihn dann allerdings wütend an, da er sich mit mir in seinen Armen auf den Weg zum Badezimmer macht. Ich weiß, dass ich mich eigentlich ohne Probleme befreien könnte, aber ich will Cho nicht wehtun, nach alem, was er für mich getan hat. Irgendwie ist er ja doch Familie für mich.
„Du scheinst ja doch noch du selbst zu sein.", höre ich ihn lachen und ich verkneife mir ein kleines Grinsen.
„Amadeus..."
„So nennst du mich nie, außer wenn du was von mir willst. Aber ich werde trotzdem nicht aufgeben und wenn ich dich zum Deli tragen muss.", meint er entschlossen. Ich seufze und Cho beginnt zu grinsen.
„Ist ja gut, du hast gewonnen!", gebe ich mich geschlagen, obwohl er das eben wahrscheinlich schon gewusst hat.
„Ha! Ich bin der beste!", freut er sich und setzt mich im Badezimmer direkt unter der Dusche ab.
„Bist du nicht und jetzt bring mir irgendwelche Klamotten, wenn du mich hier schon zu zwingst." Ich ringe mich zu einem schwachen Grinsen durch und Cho sieht mich fragend an.
„Wieso soll ich dir Klamotten bringen? Bin ich dein persönlicher Modeberater?", möchte er wissen.
„Weil es deine Idee war, dass ich das Haus verlassen soll und du mich hier abgesetzt hast, ohne, dass ich eine Chance hatte, mir Klamotten mitzunehmen.", zucke ich nur mit den Schultern und Cho seufzt, stimmt mir aber scheinbar zu.
„Ja, ist ja schon gut... was soll ich dir bringen?", fragt er und ich zucke mit den Schultern.
„Irgendwas düsteres.", gebe ich nur zurück und kämme mir die Haare durch, damit sie gleich nicht so verknoten.
„Also eigentlich ein Outfit, wie jeden Tag?"
„Korrekt..." Cho nickt grinsend, dann verlässt er das Bad und schließt die Tür hinter sich.
+++++
Etwa eine Stunde später laufe ich mit Cho durch die Straßen von New York. Cho hatte zumindest Outfittechnisch eine gute Wahl getroffen und mich mit einer guten Kombination aus dunklen Klamotten ausgestattet, sodass ich mich jetzt nicht allzu schlecht fühle.
„Weißt du, was ich auch mal machen möchte?", fragt Cho mich und ich sehe ihn mit einem Seitenblick an.
„Nein, aber das wirst du mir jetzt bestimmt sagen.", entgegne ich und weiche einer Frau aus, die mich sonst beinahe über den Haufen gerannt hätte.
„Einen Städtetrip...", seufzt er und ich sehe ihn nachdenklich an.
„Vielleicht machen wir ja mal einen zusammen...", meine ich nur. Ich könnte mir schon vorstellen, einen Städtetrip mit Cho zu machen... aber nicht in meiner momentanen Verfassung. Ich brauche nur etwas Zeit, um mich selbst emotional wieder aufzuraffen.
„Ich wollte schon immer Mal nach London.", sagt Cho und ich nicke.
„London ist toll.", stimme ich ihm zu und er lächelt.
„Lass uns so etwas aber noch nicht planen, sonst bin ich enttäuscht, wenn es nicht klappt.", lacht er dann leicht und ich lächele, dann lege ich ihm einen Arm um seine Schultern.
„Lass uns nicht noch mehr Hoffnung verlieren, als wir sowieso schon verloren haben.", meine ich. Cho sieht mich nachdenklich an, dann schlingt er seinen Arm um meine Hüfte und sieht mich mit einem brüderlichen Lächeln an.
„Unsere Zeit wird schon noch kommen, verlass dich drauf."
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