Kapitel 1
Kapitel 1
1943
»Ich wünsche dir einen schönen Feierabend.«, Annie zieht die Tür ihres kleinen Büros hinter sich zu und geht zur Garderobe.
»Danke, ebenso!«, die fröhliche Stimme ihres Chefs ertönt, doch er verschwindet sogleich wieder in seinem Büro. Er ist viel beschäftigt, da hat er keine Zeit sich lange mit seinen Mitarbeitern zu unterhalten, auch wenn er es gerne würde. Er muss sich darum kümmern, dass in der Waffenfabrik alles nach Plan läuft, denn sonst haben die Soldaten an der Front am Ende keine Waffen und keine Munition mehr um sich zu verteidigen. Nicht, dass am Ende die Deutschen den Krieg gewinnen und Hitler es schaffen sollte die Weltherrschaft an sich zu reißen. Annie seufzt kurz leise und streckt dann die Hand zu ihrer schwarzen Jacke aus. Sie hofft, dass es heute ausnahmsweise nicht ganz so kalt sein wird wie die letzten Tage, denn das fand sie schrecklich. Eilig zieht sie ihre schwarze Jacke an und knöpft sie zu. Dann bindet sie sich einen dicken, schwarzen Schal um den Hals. Sie kann es nicht gebrauchen sich bei diesen Temperaturen auch noch zu erkälten. Sie ist auf diesen Arbeitsplatz angewiesen und gerade jetzt ist der Metallbau und besonders die Abteilung für Waffen und Munition besonders wichtig. Außerdem ist dies einer der wenigen Berufe bei dem sie sich keine Sorgen um ihr Mutantengen machen muss, welches sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Dadurch hatte sie Kräfte entwickelt, die aber mittlerweile ein Teil von ihr sind. Sie hatte gelernt, wie sie mit dieser Macht umzugehen hatte. Ihre Mutter wurde damals wegen diesen Kräften gejagt und verspottet. Annies eigener Vater hatte sie alleine gelassen, als er erfahren hatte, dass seine eigene Tochter das Mutantengen geerbt hatte. Für ihn waren Mutanten etwas unnatürliches, etwas Gefährliches. Schnell kontrolliert sie ob sie alles in ihrer Tasche hat und hängt sie sich dann um. Dann tritt sie aus der Tür hinaus und schließt die Tür der Fabrik hinter sich wieder. Sofort empfängt sie die mittlerweile gewohnte Kälte, doch sie zieht sich nur den Schal tiefer ins Gesicht und läuft weiter. Die Straßen sind verlassen, sie sieht nur teilweise mal eine ältere Frau, die mit einem Hund draußen ist. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist es schon recht spät, um diese Uhrzeit sitzen die meisten Leute zu Hause und essen gemeinsam ihr Abendessen, zum anderen sind die meisten Männer an der Front, denn wir befinden uns mitten im Krieg. Annie beeilt sich und biegt mit Schwung um die nächste Ecke, so wie sie es jeden Abend macht. Doch plötzlich stockt sie. Dort stehen zwei Männer, welche sie fies angrinsen. Sie sind dunkel gekleidet und haben eine Uniform an, doch sie haben nicht die typische Soldatenuniform an, sondern eine andere. An ihren Füßen habe sie schwere Stiefel und beide haben die Haare kurz geschoren. Sie sehen sich beide ziemlich gleich. Doch bevor sie überhaupt reagieren kann steckt ein Betäubungspfeil in ihrem Hals und sie sinkt kraftlos zu Boden.
Es ist kalt und stickig in dem dunkeln Raum und man hört nur hin und wieder ein leises Atmen, dann ist wieder alles still. In der Entfernung kann man die leisen Pistolen- und Gewehrschüsse hören, die immer wieder abgefeuert werden. Hin und wieder schreit einer der Männer vor Qual und Schmerzen auf, doch ebenso schnell wie die Geräusche gekommen sind verschwinden sie auch wieder. Daraus kann man schlussfolgern, dass man in der Nähe der Front ist, oder an einem Platz, an dem Kämpfe ausgetragen werden. Der Raum ist stockfinster, man sieht die eigene Hand vor den Augen nicht. Die Luft riecht kalt und feucht, doch ebenso schwingt ein leichter, verwester Geruch mit. Inmitten dieses finsteren Raumes sitzt Annie, gefesselt, damit sie sich nicht bewegen kann. Die kalten Ketten liegen fest um ihre Gliedmaßen. Sie weiß nicht wo sie ist, sie weiß nur, dass sie entführt worden ist. Krampfhaft überlegt sie, ob sie irgendwelche Hinweise auf ihren Aufenthaltsort hören kann, doch nichts. Bis auf die Schüsse hört sie keinen Ton. Genervt setzt sich Annie etwas bequemer hin, denn durch die Ketten ist sie gezwungen auf dem kalten Boden zu knien. Sie könnte noch aufstehen, aber eine andere Sitzposition außer auf den Knien sollte schwierig werden. Na gut, dann eben anders. Sie konzentriert sich auf die Stromleitungen die überall um sie herum sind. Sie kann sie spüren. Sie spürt ihre Energie, sie fühlt es in ihrem Blut. Annie konzentriert sich darauf einen Weg zu den Lampen an der Decke zu finden. Schnell findet sie ihn und lenkt den Strom in die Lampen. Innerhalb weniger Sekunden ist der Raum mit Licht durchflutet. Es blendet einen kurzen Moment, sie blinzelt ein paar Male, dann kann sie klar sehen. Schnell sieht Annie sich um. Doch als sie dies tut stockt sie. In diesem Raum befindet sich rein gar nichts. Das Einzige, was sie sehen kann ist sich selber. Es stehen keinerlei Möbel auf dem Boden. Doch in einer dunklen Ecke kann sie etwas an der Wand ausmachen. Es fällt ihr schwer etwas zu erkennen, denn die Lampen an der Decke spenden nicht wirklich viel Licht, aber dennoch genug um zu sehen, dass es sich um das HYDRA Logo handelt. Annie keucht erschrocken auf. HYDRA, ausgerechnet HYDRA. Es war ihr bewusst, dass es diese Organisation gab, doch niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie selber ein Mal in HYDRA's Gefangenschaft geraten würde. Annie ist sich auf einen Schlag bewusst in welcher Gefahr sie sich befindet. Hydra wird versuchen ihre Kräfte zu missbrauchen, sie werden versuchen sie auf ihre Seite zu ziehen. Wenn das passieren sollte, dann wären alle in Gefahr, denn mit Annies Kräften kann man verheerenden Schaden anrichten. Hektisch versucht Annie aufzustehen und zu fliehen, sich loszureißen, doch die Ketten halten sie am Boden. Sie sieht an sich herunter. Man hatte ihre beiden Arme, ihre Beine und ihre Hüfte jeweils am Boden angekettet. Innerlich beginnt sie kurz zu schmunzeln, dass HYDRA scheinbar so viel Angst vor ihr hat, dass sie sie so stark festketten. Deshalb befindet sich außer ihr wohl auch nichts anderes in diesem Raum: Damit sie sich nicht selber befreien oder umbringen kann.
Annie schreckt auf, als nach einiger Zeit Schritte auf dem Gang zu hören sind. Sofort stellt sie sich sicher hin, sodass sie nach außen hin schon selbstbewusst wirkt, ohne, dass sie etwas sagen muss. Zwei Männer betreten den Raum. Hinter ihnen kommen weitere Männer rein, vermummt und mit Waffen, die sie direkt auf Annie richten. Diese beginnt zu grinsen. Diese Waffen können ihr nichts anhaben, sie könnte die Kugeln mühelos in der Luft stoppen und die Männer mit ihren eigenen Kugeln töten. Ein kleiner, rundlicher Mann tritt auf sie zu.
»Hallo, Mrs. Irwin. Schön, dass sie wach sind.«, entgegnet er, kommt aber nicht allzu nah an sie heran, so als würde er Angst haben. Seine Stimme ist sanft, aber das dient alles nur der Tarnung, das weiß Annie. Sie antwortet nicht. Nun tritt auch der andere Mann hervor. Er ist größer und dünner als der Erste.
»Wissen sie wo sie sind?«, fragt er mit kalter Stimme, ohne sich lange mit Begrüßungen aufzuhalten. Wieder antwortet Annie nicht.
»Ich bin Johann Schmidt und sie sind bei HYDRA. Wir wollen, dass sie etwas für uns tun.«, meint er und tritt immer wieder einen Schritt näher an Annie heran. Diese blickt ihm nur trotzig ins Gesicht, antwortet aber nicht. Daraufhin beginnt Schmidt zu lächeln. Einen Moment lang ist Annie verwirrt, doch sie zeigt es nicht. Ihr Gefühl sagt ihr, dass es nichts Gutes heißt, dass er lächelt. Ihr Verdacht bestätigt sich, denn kurz darauf zieht er seinen Handschuh an seiner linken Hand aus und holt aus. Er trifft ihre Wange, allerdings mit dem Handrücken. Durch die Knochen die gegen ihre Wange drücken ist der Schmerz deutlich schlimmer als bei einer normalen Ohrfeige. Sie hatte schon viele Ohrfeigen bekommen, aber diese ist eine der schlimmsten. Sofort spürt Annie, dass ihre Wange aufplatzt. Durch die Wucht des Schlages beginnt sie kurz zu straucheln, doch sie fängt sich schnell wieder. Sie will sich keinerlei Schwäche anmerken lassen, denn genau das ist es doch was HYDRA von ihr will.
»Also Annie, noch einmal. Werden sie uns helfen?«, wieder sieht er sie an. Annie blickt ihm wieder trotzig ins Gesicht.
»Nein. Ich werde ihnen niemals helfen.«, faucht sie. Wieder lächelt er, dann schlägt er nach der anderen Wange. Annie schmeckt Blut in ihrem Mund. Sie geht einen Schritt näher auf Schmidt zu und spuckt es ihm ins Gesicht. Dieser ist plötzlich außer sich vor Wut und beginnt auf Annie einzuschlagen. Diese wiederum kann die meisten seiner Schläge abblocken. Hin und wieder trifft sie ein Schlag ins Gesicht, doch nichts Weiteres passiert. »Doktor Zola!«, brüllt er dann plötzlich und der kleine, rundliche Mann kommt heran geeilt. Es ist offensichtlich, dass er Angst hat, wahrscheinlich lebt er auch nur noch, weil er HYDRA einen Vorteil verschaffen kann.
»Ja, Herr Schmidt?«, fragt dieser sofort und mustert Annie kurz.
»Ich habe recht gehabt. Sie ist ideal, nur ihr Körper ist schwach. Bereitet alles vor.«, befiehlt Schmidt und wischt sich seine Hand ab, an der etwas Blut klebt.
»Du wirst schon für uns arbeiten, verlass dich drauf!«, sein wütender Blick bleibt noch einen Blick auf Annie, dann geht er mit wehendem Mantel davon. Zola folgt ihm schnell, so als wäre er ein Dackel, der seinem Herrchen auf Schritt und Tritt folgt. Die Bewaffneten Männer verlassen ebenso den Raum, bis auf zwei von ihnen. Diese halten ihre Waffen immer noch auf Annie gerichtet, bereit jederzeit zu schießen. Feindselig sieht sie diese an. Einer der Männer tritt plötzlich näher an sie heran. Annie bleibt standhaft und zuckt nicht zurück, als er direkt vor ihr steht. Dann hebt er die Arme und zieht den Helm von seinem Kopf. Sie sieht ihn kurz an und sofort steigt die Wut in ihr auf. Vor ihr steht unverkennbar ihr Vater, der sie und ihre Mutter verlassen hatte. Der Mann, der sie mehrmals geschlagen hatte, genau wie er ihre Mutter geschlagen hatte. Der Mann, der versucht hatte sie als kleines Kind umzubringen. Und der Mann der seine eigene Frau vergewaltigt hatte. Der Mann, der auch andere Mutanten umgebracht hatte. Sie spürt Hass in sich aufflammen.
»Hallo, Annie.«, säuselt er und beginnt um sie herum zu laufen. Sie spürt, dass er etwas plant, doch bleibt äußerlich ruhig.
»HYDRA hat großes mit dir vor. Aber ich bin der Meinung, dass du das gar nicht verdient hast.«, direkt vor ihr bleibt er stehen, dann tritt er zwei Schritte zurück.
»Überrascht mich zu sehen?«, fügt er dann noch grinsend hinzu. Annie lacht spöttisch.
»Um ehrlich zu sein kein bisschen. Es war klar, dass so ein widerwärtiger Mensch wie du sich so einer Organisation anschließt.«, gibt sie nur trocken zurück. Daraufhin zieht ihr Vater eine Augenbraue hoch. Er war es nicht gewohnt, dass seine eigene Tochter ihm Kontra gab, er hatte noch gut in Erinnerung wie sie jedes Mal gewinselt hatte, wenn er sie geschlagen hat.
»Ich bin widerwärtig? Du bist hier der Mutant.«, antwortet er, in seiner Stimme schwingt so viel Hass mit, dass Annie an den Ketten rüttelt.
»Wenigstens schlage ich keine kleinen Kinder und versuche sie umzubringen. Noch dazu hast du deine eigene Frau vergewaltigt.«, Annie blickt ihm voller Hass ins Gesicht. Ihr Vater beginnt zu lachen. »Ein Jammer, dass sie nicht mehr mitbekommt, dass HYDRA die Weltherrschaft an sich reißen wird.«, Annies Vater setzt noch einen drauf.
»Aber so ist das nun Mal, wenn man sich HYDRA widersetzt. Und dir wird es bald genau so gehen.«, er steht nun zwei Meter vor ihr und sieht sie feindselig an. Dann kramt er in seiner Hosentasche nach etwas und richtet es auf Annie. Diese sieht sofort, dass es eine Pistole ist. Doch auf diese Erkenntnis hin beginnt sie nur zu lachen. Er glaubt doch nicht wirklich, dass er sie mit dieser kleinen Pistole umbringen kann, oder?
»Irgendwelche letzten Worte?«, fragt er dann und richtet die Pistole direkt auf sie, versucht sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihn irritiert, dass sie lacht.
»Ja. Hättest du dich damals auch nur ein wenig für mich interessiertwürde dir das jetzt erspart bleiben.«, meint sie, dann löst sie eine Kugel ausseiner Pistole. Bevor er reagieren kann, lenkt Annie die Kugel auf seinen Kopfzu. Sie trifft und das Blut spritzt heraus. Augenblicklich sinkt ihr Vater Todzu Boden. Der andere Mann rennt aus dem Raum, noch bevor Annie einen weiteren Angriffstarten kann. Dann erst wird ihr bewusst, was sie getan hatte. Sie hatte ihreneigenen Vater ermordet...
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