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Ich hätte keinen Bissen hinunter gebracht, aber Beth schlang alle Pop-Tarts wie ein Mähdrescher herunter, während sie genau erzählte, was passiert war. Ich berichtete, was ich geträumt hatte, oder woran ich mich noch erinnerte, und sie gab diese Information ebenfalls weiter. Sebastian sagte kaum ein Wort, während wir am Küchentisch saßen, aber ich wusste, dass er immer noch viel zu verliebt in Beth war, als dass er sie rausgeschmissen hätte. Egal wie verrückt die Geschichte war, die sie ihm auftischte. Und genau genommen, hatte sie ja auch nicht verbrochen.
Jamie war der Schlafwandler. Nicht sie.
Und du auch nicht, erinnerte ich mich, aber es erstickte meine Schuldgefühle trotzdem nicht.
„Und, naja..." Sie tupfte die Brösel der Pop-Tarts mit ihrem Finger auf und leckte sie herunter, bevor sie einen großen Schluck Milch trank. „Wir stecken in ziemlichen Schwierigkeiten, um es sanft auszudrücken."
Sebastian stieß die Luft aus, lehnte sich zurück und betrachtete Beth kritisch. „Was willst du von mir?"
„Ich... Wir brauchen deine Hilfe. Du hast gesagt, dass wir immer zu dir können, wenn wir dich brauchen."
„Nein, ich habe gesagt, dass Anna immer zu mir kann, wenn sie mich braucht", erwiderte er und Beth legte den Kopf schräg.
„Anna steckt genau so tief in der Scheiße wie ich. Lässt du mich im Stich, lässt du sie im Stich."
„Geht verdammt noch mal zur Polizei", meinte er mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Das ist die beste Lösung. Ihr tut euch keinen Gefallen damit, wenn ihr weglauft."
„Nein, wir tun uns keinen Gefallen damit, wenn wir uns stellen", erwiderte Beth und lehnte sich zurück. „Was denkst du denn, was passieren wird, wenn wir zur Polizei gehen? Keiner wird uns glauben. Sie werden nicht glauben, dass Jamie schlafgewandelt ist. Sie werden nicht einmal glauben, dass es mich und sie und Jamie gibt. Und selbst wenn sie es tun gibt es keinerlei Beweise dafür, dass wir wirklich schlafgewandelt sind. Sie werden es als mutmaßlichen Mord abstempeln, weil es einfacher ist, als unserer komplexen Psychologie nachzugehen und uns wegsperren!" Beth setzte ihren flehenden Hundebabyblick auf. „Mr. Parsons kann sich die besten Anwälte leisten und hat genug Geld, um Richter und Jury zu bestechen, damit wir nie wieder aus dem Knast kommen. Und er würde über Leichen gehen, um uns bis in alle Ewigkeit wegzusperren, denn Zach war sein Ein und Alles." Ihr stiegen die Tränen in die Augen. „Und nach allem was schon passiert ist, würden wir eine Gerichtsverhandlung und einen Prozess und den Knast nicht überstehen. Keiner von uns."
„Und was genau hast du vor, wenn man fragen darf?", hakte Sebastian nach und klang nun selbst wütend. „Weglaufen, für den Rest deines Lebens? Für den Rest eures Lebens? Dieser Plan ist noch viel hirnrissiger, Beth!"
„Du verstehst das nicht!", rief sie und sprang auf. Jetzt weinte sie. „Du hast keine Ahnung, in was für einer beschissenen Situation wir stecken! Du begreifst nicht im Ansatz, was-" Sie brach ab, schlug sich die Hände vor den Mund und schloss die Augen. „Alles war gut", murmelte sie. „Alles war gut, bis Jamie wieder an die Oberfläche gedrungen ist." Sie begann zu schluchzen und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. Es war kein Schauspiel, das sie abzog. Sie war tatsächlich verzweifelt und völlig am Ende. Das machte mir Angst, denn so hatte ich sie noch nie erlebt. Sebastian ließ sie eine Weile weinen, bis er aufstand und sie in die Arme nahm.
„Ich flehe dich an", flüsterte er irgendwann und streichelte ihr über den Kopf. „Geh zur Polizei." Beth antwortete darauf nicht sofort, und ich wusste, dass sie ernsthaft darüber nachdachte und versuchte, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Ich versuchte, dasselbe zu tun, aber alles was ich sah, war das Blut und Zach. Ich sah einen Vater, der seinen Sohn verloren hatte. Eine Mutter, die ihr Kind verloren hatte. Eine Schwester, die ihren Bruder verloren hatte.
Irgendwann wand sie sich aus seiner Umarmung und wischte sich die Tränen weg.
„Okay", flüsterte sie und schluckte. „Aber zuerst müssen wir noch etwas Anderes machen."
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