(Jujutsu Kaisen) Gojo Satoru

wort count: 4.690 Wörter

genre: Uff, keine Ahnung, verzeiht ^^'

short description: Ihr habt eine enge, freundschaftliche Bindung zueinander, die plötzlich mitten im Training zu etwas ganz anderem führt.

Ich kenne ihn

Schmerzen peinigten mich grausam. Angst schoss in mir hoch, vernebelte meinen Kopf. Die erstickende Tatsache, dass ich mein Bein nicht mehr bewegen konnte, irritierte mich dermaßen hemmungslos, dass keine weiteren Gedanken es schafften, zu meinem Bewusstsein durch zu dringen.

Bei der alleinigen Vorstellung, dass mein Knochen gebrochen war und wie die blutende, aufgerissene Verletzung wohl aussehen würde, wurde mir unangenehm übel. So sehr, dass ich schon vorhersah, mich hier und jetzt übergeben zu müssen. Danach fühlte es sich zumindest an.

Schwer war mein unruhiger Atem, meine Brust stank und hob sich aufgescheucht, während ich mich weiter mit dem Gedanken an Schutz gegen die raue, harte und kühle Rinde des Baumes hinter mir drückte, welche mir schonungslos in den Rücken stach. Fast so, als wollte sie nicht, dass ich hier rastete, nicht wollte, dass ich mit zusammengebissenen Zähnen versuchte, gegen die Quallen meines gebrochenen Beines anzukämpfen und gar gegen meine bodenlose Erschöpfung, welche mich jeden Moment gewaltsam mit sich reißen könnte wie eine kraftvolle Strömung.

Alles in mir war angespannt. Mein schlapper Körper appellierte auf Flucht. Rauschen vernahm ich in meinen gespitzten Ohren, die angenehme Luft des Waldes lastete auf meiner Lunge.

Und dennoch war die Sommerluft unglaublich nostalgisch und warm, entlockte mir kindliche Empfindungen.

Für drei läppische Sekunden schloss ich genießerisch die schmerzenden Augen, froh, mal kurz närrisch meine Wachsamkeit kopflos abgeben zu können. Doch als mich warnende Vernunft durchströmte, riss ich sie allerdings augenblicklich blitzschnell wieder auf, ohne großartigen Nutzen davon gehabt zu haben. Eher das Gegenteil war der Fall; meine Augen fühlten sich nun noch trockener und stechender an.

Wenn ich hier einschlief, könnte mir sonst etwas passieren, dies war mir wimmernd bewusst. Die Wachsamkeit nur für mehr als harmlos aussehende fünf Sekunden zu verlieren wäre schon tödlich, ein Spiel mit dem Feuer, an welchem ich mich grausam verbrennen konnte. Selbst diese drei Sekunden waren gewagt gewesen.

Denn sie waren hier. Die Flüche. Gnadenlos. Gefühlslos. Abscheulich. Wie ausgehungerte Wölfe strichen sie durch diesen stillen Wald auf der hungrigen Suche nach ihren unglücklichen Opfern, um sie kaltherzig und gierig zu zerfleischen. Mit Haut und Haar würden sie mich verschlingen, wenn sie mich hier so verletzlich wie auf dem Präsentierteller vorfinden würden. Ich war ihnen ausgeliefert.

Diese Tatsache war mir eisern bewusst. Und trotzdem blieb ich an Ort und Stelle. Bewegte mich keinen Zentimeter. Denn ich konnte nicht aufstehen.

Meine Glieder, meine Muskeln, mein gesamter Körper, einfach alles von mir fühlte sich ausgelaugt und kraftlos an, sie zeugten davon, dass mir langsam aber sicher die Hoffnung aus meinen zittrigen Händen glitt. Zu sehr stand ich neben der Spur, so dass ich nicht verbittert darüber sein konnte.

Ich fühlte mich wie eine unbewegliche Puppe, geschnitzt aus Holz, nicht wie ein Mensch, der die Fähigkeit hatte, tobend herumzuspringen.

Ebenso fühlte ich mich verlassen. Tiere waren nirgends zu erkennen, die einzigen Lebewesen in diesem Wald schienen die Pflanzen zu sein, Flüche konnte ich beim besten Willen nicht als solche betiteln.

Irgendwo waren sie, meine Mitschüler aus der Jujutsu-Akademie, gaben ihr Bestes, um die freigelassenen Flüche in diesem verlassenen Waldgebiet zu beseitigen, ihre eh schon überragenden Fähigkeiten zu verbessern, ihre herausragenden Sinne weiter zu schärfen.

Gerne hätte ich dies auch gemacht oder eher gesagt länger als diese schlappen zehn Minuten, welche ich gerade mal in diesem Training durchgehalten hatte. Wäre dieses „Rudel" aus Flüchen nicht aufgetaucht, welche zum verzweifeln zufällig am selben Punkt wie ich aufeinander getroffen waren, hätte ich wahrscheinlich bis zum Ende durchgehalten.

Nun hatte ich keine Lust mehr, auch nur irgendeinen Finger zu rühren, ausgelaugt und unmotiviert ruhte mein müder Körper an dem haltenden Baum hinter meinen Rücken.

Unscharf, irgendwie in gewisser Weise milchig, blickten meine Augen auf das Gras vor mir. Die gesunden grünen Halme waren teilweise mit meinem Blut in ihrer reinen Schönheit befleckt, welches von meiner brennenden Schnittwunde quer über Oberarm und meinem Bein herunter lief und tropfte.

Wie gebannt verfolgte ich die einzelnen Tropfen, wie wenn sie etwas besonderes und wirkendes wären, beispielsweise ein gigantisches Feuerwerk oder ein lustig sprudelnder Parkbrunnen. Bei dem Anblick meines Oberarmes verzog ich meine Augenbrauen, wusste, dass die Wunde nicht sonderlich tief, beziehungsweise bedenklich war, doch trotzdem wurde mir beim Betrachten flau im Magen. Wenn ich stärker gewesen wäre, hätte ich gar keine Wunden von dem unglücklichen Aufeinander mitgenommen.Wehmütig musterte ich meine triefende Wunde, fuhr mit meinen Augen mütterlich über sie, als ob ich mit einem warmen Ausdruck in diesen die aufgerissene Haut zum Schließen bewegen könnte.

Wer hätte gedacht, dass ich meinen Blick wenige Sekunden später wieder heben würde.

„Oi. Na, dich hat es ja erwischt." Eine Stimme kitzelte plötzlich meine Ohren. Sie war wohlklingend, ohne Unebenheiten und verursachte augenblicklich ein enormes Kribbeln in meiner Magengegend. Mit einem Mal fühlte ich mich sicher und behütet. Ich entspannte mich, eine kolossale Last viel von meinen steifen Schultern. Erleichtert gab ich mich dem verratenden Flattern in meinem Bauch in und seufzte.

Schwerfällig hob sich mein Kopf, mein mitgenommener Blick, in dem Freude zu funkeln begann, legte sich auf den Jungen, welcher in der Hocke verweilend vor mir saß. Locker, fast schon so, als ob dies hier ein unbedenklicher, fröhlicher Schulausflug zum warmen Strand wäre. Ebenso gelassen klang seine Stimme.

Satoru Gojo. Ein Klassenkamerad von mir.

Seine hübschen schneeweißen, lässig herunter hängenden Haare wurden vom Wind in die Hand genommen, einige seiner weichen dünnen Strähnen erhoben sich in die Luft, der Rest wiegte sich wie bei einem idyllischen, hypnotischen Tanz.

Die pechschwarze Sonnenbrille mit runden Gläsern hinderte mich besitzergreifend daran, seine geheimnisvollen Augen zu erblicken, welche ich die ganzen Jahre hier an der Schule für Fluchaustreiberei kein einziges, läppisches Mal bewundern konnte. Seine Augen waren ein vor mir verborgenes Geheimnis, dass Gojo nur noch interessanter machte. Die dunkelblaue Schulkleidung der Jujuzisten, welche er trug, war der meinen identisch, nur war seine nicht wimmernd verdreckt, mit Blut bespritzt oder an manchen Stellen verlegen zerrissen.

Auf seinen hellen Lippen, völlig aus dem Kontext gerissen und mich derbe verblüffend, lag sein charakteristisches, leichtes Lächeln.

„Schön...dass du da bist", hauchte ich zart. Wenn der warme Sommerwind in diesem Moment stärker gewesen wäre, hätte er mein zierliches Stimmchen weggeweht, einfach fortgerissen. Das belebende Gefühl gerettet zu sein machte sich in meinen kraftlosen Körper breit wie ein loderndes Lauffeuer, gar glücklich fühlte ich mich.

„Lange hast du aber nicht durchgehalten", bemerkte der Weißhaarige ehrlich mit einem neckenden Unterton, während er seinen Kopf schief legte und mich durch die pechschwarzen Gläser der Sonnenbrille musterte. Ich lächelte, obwohl es schlicht nichts zum Lächeln gab und ich mich selbst dafür zu müde fühlte. Es war seine Art, er meinte es nicht böse. Das wusste ich. Denn ich kannte ihn. Wollte ihn kennen, besser als jeder andere auf der Welt.

Das makellose Gras raschelte, als er aus seiner gemütlichen Position, welche ich in einem Wald voller Flüche aus purer Angst niemals eingenommen hätte, aufstand, sich in voller Größe gemächlich aufbaute und auf mein durch und durch erleichtertes Ich zu ging. Na ja, Gojo schlenderte mehr, als er wirklich ging.

„Na dann, wollen wir mal", kam es über seine wie gemalten Lippen. Der Weißhaarige überraschte mich, denn eigentlich hatte ich verträumt damit gerechnet, dass er mich klassisch im romantischem Brautstil hoch heben würde, dementsprechend war ich ein wenig enttäuscht, als er mich ohne große Anstrengung wie ein schlappes Handtuch über seine rechte Schulter legte, so dass mein Oberkörper an seinem Rücken war. Mit klopfendem Herzen ließ ich mir nichts anmerken.

Dies alles tat er mit einer Leichtigkeit, wie wenn ich nichts wiegen würde, unglaublich schnell. Vom einen auf den anderen Moment ruhte ich nicht mehr auf den, vom Morgentau noch angefeuchteten Boden, welchen die unerträglich heiße Mittagssonne trotz kämpferischen Willen noch nicht erreicht hatte. Der angenehme Schatten der bauschigen Baumkronen schien undurchdringlich und alles verschlingend, spendete wenigstens etwas Kühle an diesem sonnenbeschienenen Tag.

Sanft spürte ich die Schritte Gojo's, der sich ohne Hektik in Bewegung gesetzt hatte und nun mit mir auf seiner rechten Schulter heiter durch den Wald spazierte, wieder als ob es ein spaßiger Ausflug wäre, als ob keine bestialischen Flüche hinter jedem bemoosten Baumstamm lauern könnten, als ob alles total normal wäre.

Das leichte, fast liebliche Schaukeln verstärkte meine Müdigkeit, ließ mich behütet fühlen, wie in einer Kinderwiege. Bei Gojo war ich sicher, ich war bei ihm. Empfindungen des Wohlfühlend durchstreifen meinen energielosen Körper warm, sie erinnerten mich an wärmende Sommerbrisen am Strand.

Mein Herz wurde in ein weiches Kissen gelegt, während es aufgeregt pochte und sich ihm benebelt bedingungslos hingab.

Gefühle der Glückseligkeit, des Leichtseins und des guten Befindens. Ich erinnerte mich nicht daran, sie jemals so intensiv wahrgenommen zu haben. Ebenso die Gefühle der Sehnsucht, der Anziehung, der Leidenschaft und der Liebe.

Fast hätte ich wohlig geseufzt und meine Nase anbetend in seine Kleidung gesteckt.

Unmittelbar, von mir unbeabsichtigt, atmete ich tatsächlich den Geruch des Weißhaarigen urplötzlich ein, kurz nachdem ich daran einen beschämten Gedanken verloren hatte. Sein Duft löste sich von seinem hochgewachsenen, schlanken Körper und fuhr mir mit einem Mal sanft in die Nase.

Süßlich.

Es war der verlockende Geruch nach der japanischen Süßigkeit, die er so gerne aß, dessen Name mir allerdings entfallen war. Oft hatte er mir sogar welche in den verschiedensten Farben und Geschmäckern angeboten, allerdings hatte ich seine nette Geste jedes Mal abgelehnt, da sie Mochi zu gleichen schienen. Unglücklicherweise war meine erste Sorte vor ein paar Jahren grüner Tee gewesen und da ich dazu gezwungen gewesen war, diese traditionelle Süßspieße angeekelt herunterzuwürgen, traute ich mich nicht mehr, eine ähnliche Süßspeiße wenigstens zu probieren.

Trotzdem rutschte ich in eine Art himmlische Trance ab. Andächtig nahm ich seinen Geruch war, schien nicht bei Sinnen zu sein, denn bei normalen Zuständen würde ich mich niemals so einer Gefühlswelle hingeben und an anderen Leuten schnuppern, egal wie nah sie mir waren und wie angenehm sie rochen. Schamröte schoss heiß in meinen Kopf und nistete sich in meinen Wangen ein. Doch ich wollte nicht aufhören. Hatte jetzt diese einzigartige Gelegenheit. Hatte die Möglichkeit, ihm nahe zu sein.

Mein Gewissen und gut ausgeprägtes Schamgefühl ignorierend, hielt mich diese Trance weiter davon ab, aus dieser Traumwelt zu entkommen, wieder volles Bewusstsein und Kontrolle zurück zu bekommen, Gojo nicht mit allen Sinnen aufnehmen zu wollen und schlicht meinen Kopf schütteln zu können, damit die warmen, zärtlichen Gefühle, die über meinen Körper wie behutsame Fingerspitzen liebevoll strichen, mich nicht mehr so in ein angenehmes Meer tauchten. Eigentlich muss ich mich doch konzentrierten. Flüche könnten jeden Moment aus ihren Verstecken hervorschnellen. Zudem...wenn ich derartig mitgenommen von meinen Gefühlen war...mache ich dann nicht verliebte Dinge, die alles überstürzten? Kann ich überhaupt noch gescheit nachdenken?

Meine Lippen waren verschlossen, ich wusste nicht, was oder überhaupt ob ich etwas sagen, vielleicht sogar ein Gespräch anfangen sollte. Gojo schwieg ebenfalls, sein Lächeln haftete auf seinen Lippen. Mein Magen fühlte sich mulmig an, mein Kopf glich der Konsistenz von weichen Wackelpudding. Unfähig etwas zu sagen, bewirtete ich die Stille.

Dies lag auch daran, dass ich es genoss. Seinen Körper, die sicheren Schritte die er auf dem bemoosten Waldboden vonstatten brachte, sein verführerischer Duft, die Tatsache, dass ich gerade auf seiner Schulter lag.

Schlapp hing mein Körper über seiner Schulter wie ein Gegenstand, den man nicht tragen wollte und deshalb auf diese plumpe Art und Weise achtlos transportierte. Und dennoch...in mir flatterten unzählige Schmetterlinge wild umher.

Damit ich nicht genau wie ein solcher Gegenstand einfach unbeachtet herunterrutschte, hatte Gojo seine große, dünne Hand auf meinen hinteren Beckenknochen abgelegt, verlieh mir das Empfinden von Geborgenheit, Zärtlichkeit und Fürsorge. Wie bei einer Brücke wanderte nun seine atemberaubende Körperwärme zu mir, mit offenen Armen empfing ich sie innerlich erfreut quietschend. Am liebsten würde ich ewig auf seiner Schulter verweilen. Plötzlich empfand ich paradoxe Dankbarkeit für die Flüche, die diese beflügelnde Situation ins Leben gerufen hatten.

Meine Sinne konzentrierten sich auf seinen Körper, wollten sich jedes Gefühl, jede Berührung, gar jedes kaum merkbare Schwanken bei seinen Schritten in sich aufnehmen, verewigen, damit ich diese Empfindungen, welche mir kribbelnde Schauer über den Rücken jagten, mein Herz um ein vielfaches schneller schlagen ließen und meinen Atem dazu verdammten, unregelmäßig zu sein, immer und überall abrufen konnte.

Er war es, der mir immer half, wenn ich Probleme hatte, wenn ich meine Fluchkraft nicht konzentrieren konnte, wenn ich dachte, ich wäre die nutzloseste Jujutsuistin, welche die Welt je gesehen hatte und in dickflüssigen Selbstzweifel abrutschte. Dabei wirkte er bei anderen immer unnahbar, nicht wie eine Person, die sich um eine andere herzerwärmend kümmern konnte. Klar, Gojo war ein netter Kerl und wusste durchaus, was Fürsorge war, doch er schenkte sie sicherlich nicht jedem, war nicht zu jedem nett, sorgte sich nicht um jeden, interagierte von seiner Seite aus nicht mit jedem. Diese freundliche Vertrautheit zwischen uns hat mir die prickelnde Hoffnung gegeben, er würde wie ich empfinden und erschuf in mir eine grausige Angst, es wäre nur eine Einbildung.

Die Tatsache, dass ich nicht die Stärkste war.

Wir hatten mal darüber geredet, nach der letzten Stunde, an irgendeinem Tag im Hochsommer letzten Jahres, während die Sonne genau wie heute gnadenlos auf unsere Häupter geknallt war, der Stoff meiner Uniform durch den Schweiß widerlich und unangenehm an meiner Haut klebte und mein Mund nach Wasser gebettelt und gefleht hatte.

Unfassbar war ich von mir enttäuscht gewesen, unzufrieden, ich spielte mir dem Gedanken, mit dem ganzen Fluchaustreiben endlich aufzuhören. Es war eh ein absurdes Wunder gewesen, dass eine Normalstämmige wie ich, die keiner Jujutsu-Familie angehörte und zuvor nie etwas von Flüchen und deren Tätigkeiten gehört hatte, ehe ich sie das erste Mal einen gesehen hatte, so problemlos einer Akademie für Fluchaustreiber beitreten konnte. Doch ich besaß Fluchkraft, konnte sie eines Tages aus heiterem Himmel erkennen. Waren das Gründe genug gewesen, um Schülerin dieser Schule zu werden?

Gojo hatte sich damals beiläufig den Schweiß von der Stirn gestrichen, dies wusste ich noch genau, denn seine Bewegung war so elegant und flüssig gewesen, dass selbst das mich zutiefst fasziniert hatte. Alles an ihn faszinierte mich zutiefst.

Der Grund, warum ich mit dem Jujutsu nicht aufgehört hatte, war er. Satoru Gojo. Seine Art, sein Dasein, sein Aussehen und die Worte, die er mir damals geschenkt hatte, hatten mich dazu veranlasst, all das nicht aufzugeben.

Schweren Herzens hatte ich ihm verraten, dass ich mit den ernüchternden Gedanken spielte, die Schule zu verlassen und zurück in mein davorriges „normales" Leben einzutauchen. Die nötige Stärke, um in der Welt der Jujuzisten auch nur irgendetwas zu reißen, hatte ich offenbar nicht. Obwohl ich mir viel Mühe gegeben hatte, Trainieren gegangen bin ohne nachzulassen, jeden Abend erschöpft und entkräftet wie ein Stein ins Bett geplumpst bin, mit den Gedanken schon in nächsten Tag und wie ich dort an Kraft zulegen könnte. Ich hatte alles gegeben, mir alles abverlangt, wollte den Menschen helfen, diese neue Seite der Welt, die mir zuvor nie bewusst gewesen war, nicht verlieren. Besonders ihn nicht. Ich wollte bei ihm bleiben, ihn stolz machen. Ihm näher kommen.

„Ich mische mich zwar nicht unbedingt gerne in solche privaten Sachen ein, aber ich finde, du solltest hier bleiben. Dein Jujutsu ist zwar nicht perfekt, du hast noch große Schwächen und strauchelst hin und wieder, aber du hast Potenzial." Gojo unterbrach sich selbst, um sich einen großen Schluck seiner kühlen, frisch gekauften Dose Orangen-Limonade zu genehmigen, an dessen Außenseite glitzernd Wassertropfen perlten.

Anhimmelnd hatte ich die Bewegung seiner Kehle beobachtet, als er geschluckt hatte. Kurz darauf hatte ich mir selbst gedanklich eine peinlich berührte Ohrfeige gegeben und mein verliebtes Ich empört gemahnt. Betrübt hatte ich meinen Kopf gesenkt gehalten, sah auf die grauen Stufen zum großflächigen, freien Sportplatz, auf denen wir uns niedergelassen hatten. Bei dem kalten Gedanken, ihn verlassen zu müssen und vielleicht nie wieder zu sehen, blutete mein zerbrechliches Herz peinigend. Dabei hatte ich am Angang gedacht, hier mein Glück zu finden.

Mein weißhaariger Klassenkamerad löste zufrieden seine Lippen von dem metallischen Öffnung der Dose und fing mit seiner rosigen Zunge rasch die abgehauenen, süßen Tropfen auf, die an seinen Lippen hafteten. Während ich nervös mit meinen Fingern spielte, mitverfolgte, wie eine pralle Schweißperle meine linke Achsel herunterrannte und eine flinke Ameise auf der Stufe unserer Schuhe erblickte, glitt er mit seiner schlanken Hand durch sein hübsches Haar und suchte, von mir unbemerkt, meinen Blickkontakt. Für einen Moment still musterte er mich.

„Deine Fluchkraft ist stark, wenn auch ungeschliffen und miserabel trainiert." Er nahm kein Blatt vor den Mund. Doch es machte mir nicht großartig etwas aus, auch wenn es leicht in meinem Herzen stichelte. So war er eben. Er meinte es nicht böse.

„Angenommen du lernst, sie richtig einzusetzen und zwar wirklich richtig, könntest du noch mehr Menschen retten und das ist doch das, was du willst, der Grund warum du hier bist, oder?", erkundigte er sich bei mir. Schweigend biss ich mir auf die Lippen. Besser einsetzten, besser kontrollieren, besser trainieren. Wie viel musste ich noch geben, wie viel musste ich noch trainieren?

Gedankenversunken dachte ich über seine Worte nach, denen ich vollstes Vertrauen schenkte. Ablenkend verfolgte ich die hektische Ameise, die gerade aufgeregt einen Kieselstein inspizierte, hörte gedämpft seine folgenden Worte.

„Außerdem...wäre ich schon traurig, wenn du gehen würdest."

Damals hatte mein Körper auf seine Worte reagiert, als hätte er mir einen Heiratsantrag gemacht. Seine Worte waren derartig zart und lieblich gewesen, sie hatten mich in ihren Bann gezogen, sie waren wie eine fließende Melodie, welche mir meine Sinne mit einem Schlag raubte. Seine Worte waren wie eine Hand, die mir gereicht wurde. Seine Worte hatten mein Herz mit einem mal zum Ausrasten gebracht.

Ich vermutete, dass es dieser Moment war, in welchen mir eine Sache, welche ich schon längst, tief in meinem Inneren gewusst hatte, wirklich klar wurde.

Satoru Gojo war meine Jungendliebe.

An das musste ich die ganze Zeit denken, als er mit mir über seine Schulter durch den Wald spazierte, in einer Atmosphäre, in der man hätte fröhlich flöten können, ohne dass es sich komisch anfühlen würde.

„Satoru...", flüsterte ich, weiterhin den Kopf nach unten, im Takte seiner Schritte schaukelnd. „Mhhh?", erwiderte dieser gut gelaunt und dennoch ununterbrochen wachsam seiner tückischen Umgebung bewusst. „Mein Blut läuft runter in meinen Schädel. Mir ist schon ganz schwummerant", teilte ich ihm mit einem bittenden Unterton hilfbedürftig mit und lachte dabei leicht.

Gojo blieb stehen, als müsste er erstmal über meine Worte nachdenken. Geduldig wartete ich, schlaff wie ein nasser Lappen über seiner Schulter, dass der Gleichaltrige mich herunter ließ, damit ich mit beiden Beinen sicher auf dem Boden stehen konnte. Obwohl der Zustand meines Körpers mir mit dem Blut im Kopf ordentlich gegen die Fellrichtung strich, da dies bedeutete, Adjö zu Gojos bezaubernder Nähe und Körperkontakt zu sagen, wollte ich rasch wieder herunter. Mein Kopf fing langsam das Schmerzen an, des Weiteren war seine Schulter auf Dauer nicht sonderlich gemütlich.

Der Sonnenbrillenträger warf einen flüchtigen Blick zu mir nach hinten. Sein Lächeln verzog sich teuflisch. Nach der zweijährigen Erfahrung in der selben Klasse konnte ich auf der Stelle beurteilen; er hatte sich vorgenommen, etwas auszuhecken.

„Gut, dann lasse ich dich jetzt runter", teilte er mir belustigt mit, seine gelassene Stimme war ein Paradoxon im Gegensatz zu seinem schelmischen Lächeln. Eigentlich hatte ich gedacht, er würde etwas in die Hocke gehen. Eigentlich hatte ich gedacht, er lässt mich kontrolliert von seiner Schulter gleiten. Eigentlich hatte ich gedacht, er lässt mich herunter auf der Seite, wo meine Beine sind.

Ein quiekender Schreckenslaut kletterte meine Kehle hinauf und entfloh meinen Lippen. Urplötzlich, ohne jegliche Vorwarnung oder sonstigem, schob er mich mit seinen schlanken Händen von seiner Schulter. Mit einem Schlag wurde mein Gesicht blass und kalt, als ich mit weit aufgerissenen Augen feststellte, dass der grüne Waldboden nicht von mir weg ging, sondern auf mich zu raste.

Hinterhältig hatte mich Gojo absichtlich in die falsche Richtung geschubst, in die, wo mein Kopf hing. Purer Schreck fuhr jaulend durch meine Glieder, umringte meine Knochen und klammerte sich überrollt, sowie zitternd an ihnen fest. Völlig überrumpelt blieb mein Herz mitten im Schlag empört stehen. Rasendschnell schossen meine Arme dank meinen Reflexen nach vorne, um den abrupten Sturz irgendwie zu dämpfen. Ich sah den Boden näher kommen, bereitete mich bereits darauf vor, mit den Armen und dem Kopf auf diesen unbeschönigt aufzuschlagen.

Eine Hand packte mein Schienbein. Fest umklammerten blasse Finger mein Bein. Ich taumelte und schwang, wie nach einem Bungee-Jumping Sprung, zeitgleich starrte ich auf den bewucherten Waldboden, der nur noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt war, einzelne Strähnen meiner Haare begrüßten bereits die Erde.

Im letzten Moment hatte mich Gojo aufgefangen, hielt mich nun wie ein Fischer, der stolz seinen frisch gefangenen Fisch hoch hielt. Ich brauchte keine Sekunde, um zu realisieren, dass er das absichtlich gemacht hatte.

Ein Lachen. Ein frisches, belustigtes Lachen glitt durch die stillen Bäume des weiten Waldes, großzügig gebadet in warmen Sonnenlicht. „Satoru!", lachte ich und versuchte vorwurfsvoll zu klingen. „Ich hab mich erschrocken!" Prompt erntete ich ein amüsiertes Grinsen.

Spielerisch schlug ich gegen seinen mir zugedrehten Bauch, wand mich in seinem Griff und wirkte nun wirklich wie ein fangfrisches Schuppentier. Vergnügt streckte Gojo seine Zunge heraus. Egal was er machte, ich konnte ihm gegenüber nicht verärgert sein, wusste, er meinte es nicht böse. Auch wenn er manchmal übertrieb. Er war Satoru. Der Satoru, den ich liebte. Was seine Scherze angeht, ich war sie gewöhnt, ja, mochte sie gar, empfand sie als eine Art Fürsorge an mich, durch sie kamen wir uns näher.

Sanft ließ er mich runter. Das weiche Moos des Waldes nahm mich wie eine Matratze auf. Während ich die Falten meiner Uniform glättete und heilfroh darüber war, keinen Rock gewählt zu haben, begutachtete mich der Fluchaustreiber. Lässig ging der Hochgewachsene vor mir in die Hocke.

„Sag mal, hast du Lust auf Filme?", erkundigte er sich mit schrägen Kopf, hinter seiner Brille verbargen sich Augen, die mich genaustens anblickten und sich jeden Zentimeter meines Gesichtes einprägten. Filme?, hallte es in meinem Kopf wie ein endloses Echo. Meine Finger krallten sich unbemerkt in das lockere Moos unter mir.

„Filme?", wiederholte ich mit unsicherem Ton, forderte ihn somit still auf, mir sein Vorhaben genauer erklären, dass sich mir nicht ganz erschloss. Doch ich hoffte verträumt. Hoffte, er lädt mich soeben ein, mit ihm gemeinsam einen Film zu sehen. Ein Filmeabend. Herumflacken auf einem Sofa. Bewirtet mit Süßem und Salzigen, sowie kühlen Getränken. Ein Date.

Aufgeregt pochte mein Herz, überschlug sich übermütig, der verlockende Gedanke gab dem Organ gar keine andere Chance. Das Blut rauschte in meinen Adern, brachte meine Gedanken zum Drehen. Würde er? Würde er mich versteckt nach einem Date fragen? War das...meine Chance?

Der Weißhaarige nickte. „Ich kenne da eine super Trainingsmethode, bei der Filme schauen einen beträchtlichen Teil ausmacht", teilte er mir begeistert mit und hob seinen Zeigefinger. Enttäuscht sackte ich zusammen, fühlte richtig, wie die verliebte Freude wie Luft aus meinem Körper wich. Tja, knapp.

Aber wenigstens gemeinsame Zeit, fasste ich mir ans Herz und konnte spüren, wie die verliebte Freude wieder kam und mein Inneres füllte. Das Herzklopfen fand den Weg zurück.

„Gerne, wenn es dir nichts ausmacht." Etwas passierte. Ich war benebelt. Konnte nicht mehr richtig denken. Jeder Gedanke richtete sich ausschließlich an Gojo, handelte von ihm. Er war mein Hauptcharakter. Mit weichem Ausdruck in den Augen starrte ich ihn angetan an, fühlte mich wie in einer Trance. Die Umwelt verwischte, der grüne Waldboden mit seinen kleinen Ästen, sprießenden Pilzen und gesunden Pflanzen verblasste. Nur er vor mir.

Gojo wollte etwas erwidern, neue Anregungen in den Raum werfen, mit mir erwünschte Filme aussuchen. Doch seine hübschen Lippen stockten, als er meinen Blick bemerkte.

Die Atmosphäre veränderte sich schlagartig. Plötzlich war alles...warm, weich, gedämpft. Nur auf uns bedacht. Wir lasen uns gegenseitig wie Bücher, starrten ungebrochen weiter, wagten nicht ein Wort zu sprechen. Jeglicher Schmerz meiner Wunden war vergessen. War ich aufgeflogen?

Wir hatten einen Moment.

In mir ging alles drunter und drüber, ich hatte nur Augen für ihn. Mein Herz schmelzte unter seinem Blick. Sein Ausdruck ging von verwirrt darüber, was mit mir los war, zu überrascht, dass ich mich anscheinend derartig von ihm angezogen fühlte, zu sanftem Ernst.

Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Aus der Tiefe seiner Kehle drang ein beflügelndes Lachen. Es liebkoste meine Ohren, so wie ich mir wünschte, er würde es mit meinem ganzen Körper tun. Seine dünnen Hände über meine Haut fahren lassen, mir prickelnde Gänsehaut bescheren, seine Lippen benutzen, um meine zu berühren. Einfach da zu sein. Bei mir. Körper an Körper.

Ich wollte mich sicher in seinen Armen fühlen, meine Nase gegen seine Brust drücken, wenn wir kuschelten. Ich wollte ihn.

Reihenweise stellten sich mir die Nackenhaare auf, verdattert und fasziniert lauschte ich seinem angeregtem Lachen, das durch den leisen Wald glitt und für meine Ohren bestimmt war. Gojo schien die Situation zu amüsieren, zu mindestens sah er unerwartet belustigt aus, während er heiter seine weiße Haarpracht schüttelte.

„Wir hatten wohl gerade einen Moment", flüsterte er mit gesenktem Haupt, weiterhin in der Hocke verweilend. Er lächelte. Aus heiterem Himmel die Erkenntnis; er hatte nun eine Ahnung, was ich empfand. Mein Herz in meiner Brust rebellierte lautstark.„Sag mir...was wollen wir tun? Weiter Freunde bleiben und unbeschwert die Zeit an der Schule genießen, ignorieren, was gerade war? Oder wollen wir anfangen uns zu daten? Na, was sagst du? Was ist deine Antwort? Wollen wir es wagen oder es lieber bei dem aktuellen Stand belassen?"

Gewichtig lasteten sein Blick auf mir. Alles schien stehen zu bleiben. Die Umwelt hielt den Atem an. Wartete erschrocken auf meine sich Zeit lassende Reaktion. Tüchtig wollte mein Kopf hinterher kommen, schaffte es jedoch nicht.

Ich konnte die Spannung zwischen uns fühlen, es knisterte unaufhörlich. Die frische Luft wurde wie bei einem Blasebalg aus meinen Lungen gepresst. Es verschlug mir die Worte. Kein einziger zusammenhängender Gedanke geisterte in meinem Kopf herum, vertrieben von seinem zuckersüßen und doch so entscheidungslastigen Angebot.

Mit gehobenen Augenbrauen blickte ich ihn an, gab außer einem überrumpelten Ausatmen keinen noch so leisen Laut von mir. Meine Gedanken drehten sich ungehalten wie ein rasendes Karussell, machten mich ganz schwindelig. Wie konnte er diese Worte so problemlos über seine Lippen bringen, während ich noch nicht einmal einen Gedanken als Reaktion zustande brachte?

Verdutzt und grenzenlos überrollt öffnete ich meinen Mund, obwohl ich keine Worte hatte und schloss ihn unfähig wieder. Er sah mich an. Lächelte verboten attraktiv. War sicherlich unterhalten von meinem stockendem Ich, das mit rosaroten Wangen und entgeisterten Gesichtsausdruck vor ihm im Gras hockte.

Er gurrte erneut ein Lachen, ehe er sich zwanglos und aufgeschlossen erhob. Mit wenigen Schritten stand er direkt vor mir, brachte seine schlaksige Gestalt ein weiteres Mal in die Hocke. Immer noch in einer Art Schock-Starre feststeckend bemerkte ich mit weit aufgerissenen Augen seine dünne Hand, die er langsam hob. Zärtlich, wie ich es von Gojo in dem Ausmaß nicht kannte, leger er diese um meine Wange, vorsichtig, als würde sich dort ebenfalls eine klaffende Verletzung befinden. Sekunden verstrichen, in denen seine Hand mein Gesicht zierte und ich weiterhin mit der Situation nicht zurecht kam.

„Du bist süß, wenn du überfordert bist", äußerte sich Gojo mit seinem scherzenden Unterton, obwohl er sein Gesagtes ernst meinte. „Also...daten wir jetzt?"

Er wirkte ungeduldig auf mich. Als wollte er jetzt das Training auf der Stelle abbrechen und mit mir Richtung Stadtmitte davonlaufen. Als stünde schon fest, dass ich „Ja" sagen würde. Ich war ihm verfallen. Das war ein Fakt. Doch gerade war ich zu überfordert mit meinen gigantischen Gefühlen, um ihm das mitten in sein ansehnliches Gesicht zu sagen, dass meinem unfassbar nah war. Wenige Zentimeter weniger und unsere Nasen würden sachte gegeneinander stupsen.

„W...ie? Ähm...also...g-gerne...", stotterte ich unkonzentriert und vergrub mich in meinem Herzklopfen. Was passierte hier eigentlich? Hatte ein Fluch uns angegriffen und mir einen deftigen Schlaf auf den Kopf verpasst? War ich in Ohnmacht gefallen?

Doch die Wärme seiner Hand verriet mir säuselnd; es ist echt. Es passierte wirklich, war kein Traum. Hieß das...er empfand wie ich? Liebte er mich auch?

Sein Lächeln wurde größer. „Dann wollen wir mal." Mit einer raschen Bewegung und einem kräftigen Ziehen zog er mich zurück auf mein gesundes Bein, sodass ich überrascht taumelte. „Wie?", wiederholte ich piepsend. „Na, auf ein Date!"

Und tatsächlich. Ich hatte mich nicht geirrt, seine Stimmlage richtig aufgefasst. Er wollte wirklich hier und jetzt, während einem Training, mitten in einem Wald voller unberechenbaren Flüchen mit einer Verletzten auf ein Date. Und er tat es auch.

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