Kapitel 2
„Denkmal an dem ehrwürdigen Gründer unerklärlich zerstört
In der vergangenen Nacht vom Sonntag auf den Montag wurde vor dem Gebäude des Stadtrats die Statur von Robert Cunningham zerstört. Der Täter wurde nach Aussage des Sheriffs noch nicht gefasst, genauso wie die Vorgehensweise der Tat noch nicht bekannt ist. Da wir Schüler, der Cunningham High, unseren Namensvetter, den es wortwörtlich den Kopf von der Schulter geschlagen hat, nicht ungesühnt lassen können, haben wir, die Mitglieder der Schülerzeitung, uns stellvertretend für die Schule auf der Suche nach dem Täter gemacht. Gefunden haben wir allerdings nur den noch nicht nüchternen Peters, aus der Gasse neben Lissys Dinner, der uns als angeblicher Augenzeuge berichtet, er habe einen fliegenden Mann mit einen Jungen kämpfen sehen. Der Junge soll, während des Kampfes mit einen Schwert den lieben Robert enthauptet haben, dass der Arme allerdings aus Bronze besteht, scheint der alte Peters leider vergessen zu haben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, das Menschen ohne technischen Fortschritt noch nicht fliegen können. Möge die Evolution sich in dieser Hinsicht doch bitte beeilen. Liebe Mitschüler wir werden euch natürlich über weitere Erkenntnisse zu unseren Denkmal und seine schändliche Enthauptung auf den Laufenden halten.",
Elektronischer Beitrag veröffentlicht am 19 April 2009 von den Mitgliedern der Schülerzeitung aus der Cunningham High.
Gefrustet lasse ich mich, ein Stück weiter, in eine sitzende Position fallen. Dabei achte ich darauf, dass die Zapfsäule hinter mir mich so verdeckt, dass der grimmige Mann mich nicht durch das Fenster sehen kann. Nicht das er heraus kommt und mich noch weiter wegscheuchen möchte. Abwesend mit meinen Füßen auf den Boden schabend, werden kleine Sand Wolken hochgewirbelt. Dabei zucke ich zusammen, weil ich mir anscheinend eine Scherbe weiter in den Fuß geschoben habe. Also unterlasse ich es schnell meine Füße in irgendeiner Weise weiter zu bewegen und bleibe ganz stillsitzen. So vergehen Minuten, die ich gar nicht wahrnehme. Still in Gedanken und die Ruhe genießend, schwebe ich so vor mir hin.
Immer wieder driften meine Gedanken ab, während ich dort so zusammen gesunken vor mich hinvegetiere. Zusammenhangslos und losgelöst, reihen sich Gedanken an einander, um sich dann aufzulösen. Müdigkeit überkommt mich. Überfällt mich jetzt regelrecht nach Tagen wandern. Sieht ihre Chance in der Ruhe, um einen Schleier auf meinen Geist zu legen.
BUUUMM... Das zuschlagen einer Autotür reißt den Schleier der Müdigkeit urplötzlich in Zwei und in meinen Blickwinkel schieben sich zwei hohe Stiefel aus schwarzem Leder, an denen Maschen befestigt sind. Definitiv handelt es sich hierbei um Männer Stiefel. Mein Blick wandert hoch, währenddessen nehme ich nur am Rande, die ebenfalls schwarze Cargo Hose und das enganliegende dunkelgrüne T-Shirt, wahr. Mein Blick wird direkt von Goldenen, kühl wirkenden Augen, gefangen genommen. So ein kaltes Gold, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft. Dazu ziehen mich die Pupillen, die fast so schmal wie die eines Raubtieres sind, in den Bann. Pupillen die sich langsam auf mich richten und sich kaum merklich weiten, als direkter Blickkontakt besteht. Ein Überraschtes raues Brummen ist zu hören. Die Augen blicken direkt auf mich und es kommt mir so vor, als wäre an diesen Augen nichts Menschliches vorhanden. Der Mann, zu dem diese Augen gehören, scheint mitten in der Bewegung zu verharren, während er mich mustert. Er mustert mich genauso wie ich ihn mustere. Sein dichtes Haar ist schwarz und so dunkel, wie alles an diesen Mann, dunkel wirkt. Er hat einen drei Tage Bart, der sein Gesicht kantig und schroff wirken lässt. Es scheint als würde sein Gesicht in Schatten liegen und seine Nase ist breit, aber wohl geformt. Alles im Allem ist dieser Mann erschreckend gutaussehend. Gutaussehend im Sinne, dass er aus den Tiefen meiner Träume entsprungen ist und nicht im Sinne eines Models aus einer Modezeitschrift. Fuck. Mädchen. Reiß dich zusammen. Das ist kaum der richtige Zeitpunkt um mit Sabbern an zu fangen. An diesen Kerl scheint rein gar nichts ungefährlich zu sein. Nein, man kann ihn eher mit einem hungrigen Wolf vergleichen, der ihn Sekunden über einen herfällt.
Besonders gefährlich an diesen Mann scheint die Tatsache zu sein, dass er immer noch nicht müde davon geworden ist, mich zu mustern. Unwillkürlich überfällt eine Gänsehaut meinen Körper. Dieser Mann ist definitiv gefährlich, mehr als nur das. Er scheint nicht menschlich zu sein. Mein Baugefühl sagt mir das und seine Augen verraten es mir. Goldene Augen sind für Hexer typisch, aber die Pupillen deuten auf Raubtier hin. Ein Gestaltwandler? Ob er mich so mustert, weil er merkt, dass mit mir auch was nicht stimmt? Nein, das kann nicht sein. Nichts an mir deutet daraufhin, dass ich anders bin. Wenn er wirklich ein Gestaltwandler ist, müsste er mich für einen Menschen halten. Ich sehe so aus wie einer, ich rieche so und meine Aura ist so menschlich wie sie nur menschlich sein kann.
Wenn ich mir nichts anmerken lasse, müsste er mich für einen unwissenden, uninteressanten Menschen halten. Übernatürliche interessieren sich nicht für Menschen. Menschen sind sterblich und wissen nichts von der übernatürlichen Welt. Es gibt kaum Schnittpunkte zwischen Menschen und den Anderen. Es besteht keine Gefahr für mich solange ich nicht verrate, dass ich weiß was er ist oder was ich vermute, dass er sein könnte. Alles kein Problem. Einfach die Klappe halten.
Ich warte bis er mich für uninteressant empfindet und an mir vorbei geht, aber das tut er nicht. Er verharrt immer noch still vor mir und mustert mich. Gruselig. Langsam werde ich nervös und schaue krampfhaft auf den Boden. Warum geht er nicht weiter? Er räuspert sich und mein Blick richtet sich ruckartig nach oben. Seine Augen blicken wieder direkt in meine. Kommt es mir nur so vor oder sind seine Augen heller geworden? Ich könnte schwören, dass sie kalt und dunkel wirkten. Jetzt ähneln sie aber eher warmen Honig. Ist es nur die Einbildung oder ist es Real? Verändern Gestaltwandler die Farben ihrer Augen? Ich weiß es nicht. Mein Wissen über das Übernatürliche hält sich in Grenzen. Ironisch wenn man bedenkt, dass ich mir jederzeit Zugriff auf diese Art von Wissen beschaffen kann.
Aber das ist jetzt unwichtig. Wichtig ist es dieser Situation zu entkommen. Sollte ich einfach aufstehen und meinen Weg auf der Straße fortsetzen? Vielleicht ziehe ich damit noch mehr ungewollte Aufmerksamkeit auf mich. Er steht direkt vor mir. Na klar ziehe ich damit seine Aufmerksamkeit auf mich.
Als hätte er erraten voran ich grade denke, kommt urplötzlich Bewegung in ihm. Meine Hoffnung einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, wird in den Moment zerstört, in dem ich bemerke, wie er sich zu mir herunterbeugt und auf einmal hockt er direkt, auf Augenhöhe, vor mir. Sofort lehne ich mich nach hinten, stoße dabei aber mit meinen Rücken gegen die Zapfsäule. Mein Herz fängt an zu Rasen. Was stimmt nicht mit diesem Kerl?
„Du scheinst ihr Angst zu machen.", ertönt unerwartet eine tiefe Stimme hinter dem Mann, der vor mir hockt. Mein Kopf schießt in die Richtung. Scheiße, es gibt Zwei von denen. Wie konnte mir das entgehen? Hat mich der Mann vor mir, etwa so in Anspruch genommen? Der zweite Mann wirkt etwas schmaler, als der vor mir und hat grüne, statt goldene Augen. Aber er hat definitiv auch diese schmalen Raubtierhaften Pupillen und als wäre das nicht genug bemerke ich, durch eine weitere Bewegung, auch die dritte und letzte Gestalt. Nicht zwei Gestaltwandler, sondern drei? Drei Gestaltwandler auf einmal, lassen auf Gruppenverhalten schließen. Ein Rudel, ein Clan oder eine Herde? Welcher Rasse könnten sie angehören?
Der dritte von ihnen scheint an unpassendsten von ihnen, trägt er doch einen fein geschneiderten Anzug. Aber die Pupillen sind ebenfalls die gleichen, auch wenn er an wenigsten raubtierhaft von ihnen erscheint. Jedoch macht das keinen Unterschied, denn ich bin mir sicher das alle drei mich ohne Probleme in der Luft zerreißen können.
Der Mann vor mir legt überraschend seinen Kopf schräg und mustert mich nochmals eine Spur eindringlicher. „Hey, von mir geht keine Gefahr aus. Ich tue keinen Frauen weh."
Ich schlucke, erwidere allerdings nichts.
„Du scheinst dich in keinen guten Zustand zu befinden." Eine Feststellung seinerseits und keine Frage, also bleibe ich auch weiterhin stumm. Das scheint ihn nicht zu entmutigen denn er versucht es weiter.
„Ich will dir wirklich nicht weh tun und von meinen Freunden geht auch keine Gefahr aus." Seine Ansicht, nicht meine. Anstatt still zu verharren, gucke ich jetzt über seine Schulter hinweg und überlege in welche Richtung ich abhauen könnte, wenn es drauf ankommt. Soll ich links oder rechts die Straße runter rennen oder etwa Quer fällt ein durch die Wüste, schließlich haben sie ein Auto. Nicht das ich mir vormache vor Gestaltwandlern wegrennen zu können. Ein Versuch wäre es allerdings Wert.
Er weicht sofort ein Stück von mir zurück, als könnte er meine Gedanken lesen und wolle mich beruhigen. Warum geht er so sehr auf mich ein? Einer Fremden. Einen Menschen wie mir. „Hör Mal, ich hege wirklich keine bösen Absichten, stattdessen würde ich dir gerne helfen. Du scheinst nichts bei dir zu haben und hier ist mehrere Tage Fahrt, weit und breit, nichts zu finden. Dein Zustand lässt darauf schließen, dass du hier schon ein paar Tage durch die Wüste wanderst, lass dir von uns helfen."
Mein Blick wandert wieder zu ihm. Ich mustere seine Gesichtszüge, um daraus schließen zu können, was er von mir will. Er lächelt nicht, scheint mir aber auch nicht, unfreundlich entgegnen zu Blicken. Will er mir wirklich nur helfen? Was interessiert sich ein Übernatürlicher für einen unwissenden Menschen? Die ganze Situation ist merkwürdig. Meine Antwort fällt somit eher kurz aus.
„In Gegenden wie diesen Hilft man sich nicht." Meine Stimme ist leise, aber frei von jeglicher Nervosität. Gestaltwandler sind schließlich Tiere. Ich habe kein Interesse mit meiner Nervosität ein Raubtier zu reizen.
Seine Reaktion lässt aber vermuten, dass ich es geschafft habe ihn mit diesen einem Satz zu reizen. Seine Gesichtsmuskeln sind angespannt. Er scheint wütend zu sein. „Ja anscheinend hilft man sich in Gegenden wie diesen nicht." Sein Blick fährt einmal von oben nach unten an mir herab, als würde er damit seine Aussage bestätigen, bevor er erneut zum Sprechen ansetzt, „Ich, ich meine Wir, sind jedoch gewollt dir zu helfen. Wir sind nur auf Durchreise und haben mit dieser Gegend nichts zu tun."
Wie Nobel von ihnen, dass sie „gewollt" sind mir zu helfen. Er sieht zwar nicht so aus, könnte mit seiner Ausdrucksweise aber als Schnösel durch gehen. Innerlich verdrehe ich die Augen, bevor ich zum Sprechen ansetze, „Auf der Durchreise?", ich ziehe meine Augenbraue nach oben und deute auf die Straße, „vom nirgendwo oder was? Diese Straße ist eine Sackgasse und hat keine Verbindungsstraße."
Ein kurzes Glimmen lässt seine Augen aufleuchten. War das etwa Stolz? Heilige Scheiße ich werde langsam verrückt. Nein das stimmt nicht. Der Typ vor mir ist der Verrückte. Diese ganze Situation wird mir zu viel und ich will ihr endlich ein Ende setzen. Worte verlassen meine Lippen ohne sie zu überdenken, „Okay, ich werde jetzt langsam aufstehen, an dir vorbei gehen und meinen Weg auf dieser Straße fortsetzen. Ich brauche keine Hilfe. Ich wiederhole, ich brauche keine Hilfe von euch.", um meine Worte zu unterstreichen, stehe ich, wie versprochen, auf. Diesmal zucke ich nicht zusammen, als sich die Scherben weiter in meine Haut schieben.
Man mag es mir nicht glauben, aber ich stehe fest auf beiden Füßen vor dem Mann, der sich mit mir sofort aufgerichtet hat, als würde er mich Notfalls stützen wollen. Hartnäckig blinzle ich den Schwindel weg, der mich bei dieser Bewegung überkommt und schiebe mich an den Mann vorbei. Ich bin eine Bonneville. Eine Bonneville zeigt keine Schwäche. Eine Bonneville hat keine Schwäche. Ich gehöre zwar nicht mehr zur Familie, allerdings bin ich als eine Bonneville aufgewachsen. Mich wie eine zu verhalten, ist einfach. Kalt, Stark und Entschlossen. Alles Eigenschaften, die jeder in meiner Familie lebt, als wäre es die Luft zum Atmen. Ich bin nicht stolz darauf eine Bonneville zu sein. Vielleicht bin ich sogar gar keine mehr. Auf meinen Ausweis trage ich, schließlich den Nachnamen Hastings und nicht Bonneville. Aber kann man seine Herkunft so einfach ausradieren?
Ich schiebe mich auch an den zweiten Mann vorbei, der mit den grünen Augen. Er macht sogar einen Schritt zur Seite um mir Platz zu machen, jedoch kommt es mir so vor, als würde er jeden meiner Schritte genaustens beobachten. Ein Vergleich mit einem lauernden Raubtier wäre treffend bei diesem Mann. Bevor ich den Asphalt betrete und damit nicht mehr den Schotter der Tankstelle unter meinen Füßen habe, werfe ich einen Blick zurück. Es sind nicht die grünen Augen oder die blassen blauen Augen von dem dritten Mann. Nein, es sind die goldenen Augen, die mir einen Schauer über den Rücken laufen lassen. Diese Augen sind wie die Ruhe vor einem Sturm.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top