46. Gift
46. Gift
Ein Schädel, aus dessen Mund sich eine Schlange windet. Dieses Mal brennt es wütend und rot, nicht grün und dunkel.
Schmerzen. Brennend, lodernd. Ihr Kopf will platzen.
Für einen Moment Ruhe.
Rote Augen in der Dunkelheit.
Harry Potter. Zischen, wie das einer Schlange.
Gräber.
Ein Name: Tom Riddle.
Eine Schlange im Gras. Eine Schlange in anderer Gestalt.
Ihr Körper bäumt sich auf, zuckt zusammen, keine Kontrolle mehr.
Die Bilder kommen.
Leuchtend, intensiv, dabei so dunkel.
Nicht ihre eigenen. Seine.
Er ist in Gefahr. Sie muss es jemanden sagen. Doch sie kann nicht.
Schatten tauchen auf.
Masken. Kommen immer näher, riesengroß und verzerrt. Todesser, sie erinnert sich an den Namen.
Die Schlange hat die Macht. Cruciatus. Eine silberne Hand.
Treue?
Namen, die sie alle schon mal gehört hat.
Einer ist in Hogwarts. Sie muss es jemanden sagen.
Sie kämpft gegen die Bilder. Aber es hört nicht auf.
Der Junge ist das Schicksal.
Ein weißer Finger. Eine Narbe, die wie ein Blitz aussieht.
Schmerzen. Inzwischen kennt sie den Schmerz.
Er weiß von ihr. Sie soll sterben.
Quirrell. Stein der Weisen. Erinnerungen.
Wurmschwanz. Die Ratte. Verräter. Hass.
Fleisch vom Diener. Knochen vom Vater. Blut vom Gegner. Auferstehung. Unsterblichkeit?
Crucio. Sie steht in Flammen. Keine klaren Gedanken, nur Schmerz. Sie schreit. Will, dass es aufhört. Dabei ist es nicht ihr Schmerz.
Sie sackt zusammen. Hat keine Luft mehr zum Atmen. Sie hat nur noch Angst. Kann nicht mehr trennen zwischen ihm und ihr.
Angst. Angst. Angst.
***
„Verdammt“, fluchte Inga lauthals. Zusammen mit Leo konnte sie Emily gerade noch so auffangen, bevor sie auf den Boden geknallt wäre. So legten die beiden Emily vorsichtig auf das Gras. „Was zur Hölle ist mit ihr los?“
„Keine Ahnung.“ Leo kniete sich neben Emily und strich ihr das nass geschwitzte Haar aus der Stirn. Emilys Augen waren geschlossen und die Haut war blass, fast schon durchscheinend, die Sommersprossen stachen deutlich hervor. „Sie atmet, aber ihr Puls rast“, stellte er fest.
Inga ließ sich ebenfalls ins Gras fallen. „Hat sie irgendwas genommen oder so? Das ist keine normale Panikattacke. Mal abgesehen davon, dass Emily wahrscheinlich eh nie eine bekommen würde.“ Sie legte die Hand auf Emilys Stirn. „Sie glüht ja förmlich.“
Emily stieß einen Schrei aus und ihr Körper bäumte sich auf.
„Emily“, schrien Inga und Leo gemeinsam erschrocken.
„Verdammt. Verdammt. Verdammt.“ Inga raufte sich die kurzen Haare. „Bleib hier und pass auf sie auf. Ich hole irgendjemanden. Schaffst du das?“
Leo setzte sich so, dass Emilys Kopf in seinem Schoß liegen konnte und er strich ihr immer wieder beruhigend auf den Kopf. Wieder waren ihre Lider am flattern und ihre Augen bewegten sich rapide hin und her. „Ja. Aber beeil dich. Hol am besten Sophia.“
„Türlich.“ Inga sprang auf und stob davon.
Jetzt war Leo ganz alleine mit ihr. Er hatte sich noch so viele Sorgen um eine einzelne Person gemacht, wie jetzt in diesem Moment um Emily. Seine Sorgen um Katharina waren nicht zu vergleichen mit der nackten, rohen Panik, die ihn gerade überfiel.
Aber er musste ruhig bleiben. Er würde das schon schaffen, schließlich war er ein Gryffindor. Emily würde es auch schaffen, sie war stärker, stärker als er. „Püppchen“, flüsterte er. „Wach auf.“
Wieder bäumte sich Emilys Körper auf und er hatte Mühe sie am Boden festzuhalten. Ihr Rücken bog sich und ihre Hände krallten sich im Gras fest. Die Adern traten hervor, doch Emily wurde nicht wieder wach. Dieses Mal schrie sie nur laut auf und war dann still.
Die Stille war fast schon beängstigender als wenn sie schrie. Hastig prüfte Leo ob ihr Herz noch schlug und sie atmete. Ihr Atem ging jetzt nur noch stoßweise.
***
Sie stehen sich gegenüber.
Ein Duell.
Aber er ist doch noch so jung. Sie hat so fürchterliche Angst um ihn.
Cruciatus. Schmerzen. Tausend Messer in ihrem Körper. Sie schreit, vielleicht hört es dann auf.
Dann schwebt sie auf Wolken und nichts kümmert sie.
Nein. Sie stürzt von den Wolken. Es ist besser so.
Er kann ausweichen. Erleichterung.
Grünes Licht. Rotes Licht. Goldenes Licht.
So etwas wie Hoffnung.
Lichter überall.
Zum ersten Mal wird sie wieder etwas ruhiger. Sie kriegt wieder Luft, ihr Herz schlägt ruhig. Doch die Bilder lassen sie nicht los, sie kann nicht wegsehen.
Ein Käfig aus Licht, die beiden sind immer noch verbunden.
Löse die Verbindung nicht.
Vor ihren Augen wird alles schwarz.
***
Leo wartete und wartete. Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit schon vergangen war, ihm kam es ewig vor. Von den Tribünen hörte man auch nichts, wahrscheinlich warteten alle gespannt darauf wer endlich gewonnen hatte.
Er zog Emily näher zu sich, so dass sie auf seinem Schoß saß und ihr Kopf an seiner Schulter ruht. Ihr Körper fühlt sich so schwach und klein an, obwohl sie das sonst nie war. Er hoffte nur, dass Inga bald wieder kam, er wusste nicht was er noch für Emily tun konnte.
Er hatte Glück und bald kam Inga außer Atem auf ihn zu gerannt. „Moody kommt. Er war der Einzige, den ich gefunden habe. Sophia war zu weit weg.“
Tatsächlich tauchte kurz darauf Moody auf, sein Holzbein kündigte ihn schon weiten an. „Was ist denn los?“
„Emily ist einfach zusammen geklappt und hat irgendwelche Anfälle bekommen“, erklärte Inga.
„Als Inga Sie geholt hat, hatte Emily noch einmal einen Anfall“, fügte Leo hinzu.
Moody kramte in seiner Jackentasche und zog eine kleine Flasche hervor. „Hier, ein Beruhigungstrank. Das sollte ihr helfen, dauert ein bisschen, bis er wirkt, also bleibt am besten hier draußen wo ihr Ruhe habt.“
„Wissen Sie was mit ihr los ist?“, fragte Inga.
„Panikattacke und zuviel Stress“, erwiderte Moody. „Tut mir Leid, mehr kann ich nicht machen. Ich muss wieder zurück.“
Irritiert und etwas verwundert sahen Inga und Leo zu, wie Moody sich eilig wieder auf den Weg zurück machte. Sie hatten sich schon ein bisschen mehr Hilfe erhofft, aber der Trank war besser als nichts.
„Halt sie fest und ich flösse ihr den Trank ein“, sagte Inga und kniete sich neben Emily und Leo. Vorsichtig entkorkte sie die Flasche und setzte sie an Emilys blassen Lippen an.
Sanft kippte Leo Emilys Kopf so, dass der Trank direkt in ihre Kehle fließen konnte. Inga flösste ihr etwa ein Viertel der Flasche ein, dann hielt sie Emily Nase zu, damit sie schluckte. „Ich hoffe das reicht“, flüsterte Inga.
Leo legte zwei Finger auf Emilys Handgelenk. „Ihr Puls ist ruhiger geworden.“
„Gut.“ Erleichtert ließ sich Inga ins Gras fallen. „Ansonsten müssen wir ihr nachher noch mehr geben.“
„Hat sich im Labyrinth schon etwas getan?“, fragte Leo leise.
Inga schüttelte den Kopf. „Sie warten immer noch alle. Die Lehrer werden langsam nervös, die haben bestimmt nicht geglaubt, dass es so lange dauern könnte.“
Wenige Minuten später ertönten Schritte hinter ihnen. Inga wirbelte herum und stand auf. Doch es waren nur Fred, George und Lee.
„Da seid ihr ja“, rief ihnen Fred entgegen. „Wir haben euch schon gesucht.“
Schnell schlossen die drei zu ihnen auf. „Wie geht’s Emily?“, fragte George. „Wir haben gesehen wie ihr raus gegangen seid, aber ihr seid nicht wieder gekommen.“
„Moody hat ihr einen Beruhigungstrank gegeben, jetzt geht’s wieder“, erklärte Inga. „Aber warum sie überhaupt so war, wissen wir nicht.“ Lee legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Ihr habt sowieso nichts verpasst“, meinte Fred leichthin. „Ist ziemlich langweilig das Ganze.“
„Fleur ist im Übrigen jetzt auch raus“, berichtete Lee. „Hogwarts hat auf jeden Fall gewonnen.“
„Ich glaube Emily schläft jetzt“, sagte Leo unvermittelt. „Ihr Atem hat sich wieder beruhigt, genauso wie ihr Puls.“
„Sollen wir sie hoch ins Schloss bringen?“, fragte George.
„Lass uns noch ein bisschen warten“, erwiderte Inga. „Ich will nicht, dass sie wieder aufwacht weil wir sie bewegen.“
Unvermittelt bäumte sich Emily so stark auf, dass Leo sie kaum noch halten konnte. Doch dann sackte sie zusammen, als ob nichts gewesen wäre.
„Sollen wir ihr noch mehr geben?“, fragte Inga leise.
Die anderen nickten stumm, zu geschockt von Emilys Verhalten und so flösste Inga Emily noch etwas von dem Beruhigungstrank ein. „Wenn es nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten besser wird, dann müssen wir jemanden holen“, sagte Inga.
***
Ihr ist so fürchterlich kalt. Eis fließt durch ihre Adern. Nichts kann die Kälte lindern.
Noch immer sieht sie nichts. Sie ist gefangen in ihrem eigenen Körper.
Sie kämpft. Sie muss sehen was mit ihm passiert, es ist wichtig. Doch die Verbindung ist gebrochen.
Schmerz zuckt durch ihren Körper. Inzwischen kennt sie den Schmerz.
Jeder Atemzug tut weh, aber solange sie atmet ist alles in Ordnung. Dann weiß sie, dass sie noch lebt. Irgendwie.
Ihr ist schwindlig, die Welt dreht sich um sie herum. Immer schneller und schneller.
Mit einem Mal stoppt alles und sie fällt durch das Nichts.
Ihr Herz rast, dann hört es auf zu schlagen.
Doch sie lebt noch, oder?
***
„Es wird nicht besser“, murmelte Leo nach einiger Zeit. Er spürte wie Emily zu zittern begann und egal wie nah er sie zog, sie auch nicht wieder damit aufhörte. Ihre Lippen waren schon blau angelaufen, auch wenn sich merkwürdigerweise ihre Haut gar nicht kalt, sondern brennend heiß anfühlte. Das rote Haar klebte nass an ihrer Stirn.
„Ich gehe Sophia holen“, bot Fred sofort an.
„Madam Pomfrey ist auch unten“, fügte George hinzu. „Krum dürfte wohl jetzt ohne ihre Hilfe auskommen.“ Ohne ein weiteres Wort rannten die beiden Jungen in Richtung Quidditchfeld.
Lee schlang die Arme um Inga, er sah genauso besorgt aus wie alle anderen. Alle drei hofften nur, dass Sophia und Madam Pomfrey irgendwas ausrichten konnten.
Sophia patrouillierte nervös ihren Abschnitt auf und ab. Es war mittlerweile schon fast eine halbe Stunde her, dass Dumbledore die Aufpasser zusammen gerufen hatte um ihnen mitzuteilen, dass jemand den Trimagischen Pokal berührt hatte, aber niemand hier aufgetaucht war. Eigentlich hätte der Pokal den Sieger direkt zum Eingang transportieren sollen, aber Dumbledore vermutete, dass der Portschlüssel nicht richtig funktionierte.
Doch Sophia hatte die Sorge in seinen blauen Augen erkannt. Es erinnerte sie an alte Zeiten. Dennoch war sie froh, dass Dumbledore sie gebeten hatte während der dritten Aufgabe aufzupassen. Er kannte ihre Fähigkeiten und war froh darüber einen weiteren ehemaligen Auror hier in Hogwarts zu haben. Noch heute Morgen hatte er ihr davon erzählt, dass er fürchtete, dass Voldemort wieder zurück kehren würde. Eine Befürchtung, die sie selbst teilte.
Sie hatte wieder das Ende ihres Abschnittes erreicht und traf dort auf ihren alten Mentor Moody. Sie hatte bisher nicht viel Gelegenheit gehabt mit ihm zu sprechen, es schien als ob er ihr aus dem Weg gehen wollte. Zwischendurch war er sogar weg gewesen, wie sie bemerkt hatte, kurz nachdem sich alle vor dem Eingang getroffen hatten. Jetzt nickte sie ihm nur zu und kehrte wieder um. Sie passierte die Tribüne auf der die Weasleys und Harrys Freunde saßen. Eigentlich sollte dort auch Emily sitzen, doch zwischendurch war sie mit Leo und Inga verschwunden, aber nicht wieder aufgetaucht.
Sophia hatte keine Ahnung warum Emily ausgerechnet jetzt gehen sollte, aber vielleicht hatten sie sich auch nur einen besseren Platz gesucht. Doch ihr Bauch sagte ihr, dass etwas nicht in Ordnung war. Sophia war hin und hergerissen zwischen der Sorge um Harry und der Sorge um ihr Patenkind, allerdings war Harry derjenige, der in diesem Moment in größerer Gefahr war.
Langsam näherte sie sich wieder dem anderen Ende ihres Abschnittes. Schon wieder war nichts passiert und bis jetzt hatte sie noch kein Mal eingreifen müssen, Fleur und Krum hatte man beide auf der anderen Seite des Labyrinthes aufgegriffen.
„Sophia“, rief jemand hinter ihr und Sophia wirbelte herum. Es war einer der Weasleyzwillinge, Fred vermutete sie. Fred kam atemlos angerannt und schlitterte über das Gras.
„Was is-"
Fred unterbrach sie sofort. „Emily geht’s nicht gut. Sie ist zusammen gebrochen.“
„Wo?“
„Außerhalb des Stadiums, hinter der Tribüne, wo wir gesessen haben.“
Ohne ein weiteres Wort rannte Sophia los. Wieder einmal hatte ihr Instinkt Recht behalten und mit Emily war etwas geschehen. Rasch verließ sie das Stadium und erkannte schon von weitem die kleine Gruppe, die eng beieinander stand. Es waren Inga, Lee und Leo, der Emily in seinen Armen hielt.
Sophia ließ sich neben Emily fallen und suchte sofort nach dem Puls, der nur noch unregelmäßig schlug. Ihre klamme Haut war immer noch heiß unter Sophias Händen.
„Wie lange ist sie schon so?“
Inga zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, es hat immer alles gewechselt. Ganz am Anfang, als wir auf der Tribüne saßen, ist sie ein paar Mal zusammen gezuckt und war nicht mehr ansprechbar. Wir sind rausgegangen und es wurde nicht besser, eher schlimmer. Mal hat ihr Herz ganz normal geschlagen, dann zu schnell oder sie hat ganz schwer geatmet. Fieber hatte sie auch nicht die ganze Zeit, dass ist erst spät gekommen.“
„Außerdem hat sie aufgeschrien, als ob sie Schmerzen hätte“, fügte Leo hinzu. „Aber sie hat keine Verletzungen erlitten. Ihr Körper hat sich auch immer wieder aufgebäumt oder ist zusammen gezuckt.“ Er strich Emily übers Haar. „Wir haben versucht sie aufzuwecken, aber es hat nicht geklappt.“
„Moody hat uns einen Beruhigungstrank für sie gegeben“, sagte Inga. „Aber der hat auch nichts gebracht.“
„Zeig mal her“, forderte Sophia ohne den Blick von Emily zu nehmen. Inzwischen ging Emilys Atem wieder unregelmäßig, es schien als ob sie Schwierigkeiten hatte überhaupt Luft zu bekommen. „Leo, leg sie besser wieder gerade auf den Boden.“
Inga reichte ihr die kleine Glasflasche. Vorsichtig entkorkte Sophia die Flasche und roch daran. Es roch nicht nach einem der Beruhigungstränke, die sie kannte und die man die Auroren gelehrt hatte. Wenn Emily wirklich eine Panikattacke gehabt hatte, was Sophia allerdings ausschloss, dann hätte Emily etwas ganz anderes bekommen müssen. Außerdem war Emily nicht der Typ für Panikattacken, selbst dann nicht wenn Harry in Gefahr war.
Sophia zückte ihren Zauberstab und schickte ihren Patronus, eine riesige Pantherdame, los um McGonagall, Madam Pomfrey und Dumbledore zu informieren. Moody ließ sie wohlweislich aus, schließlich war er derjenige gewesen, der Inga und Leo den Trank gegeben hatte. Dann beschwor sie eine Trage herauf um Emily darauf zu legen.
Wieder bäumte sich Emily auf und sie wäre beinahe hinunter gefallen, deshalb schlang Sophia ein paar dünne Bänder um den schmalen Körper um sie zu fixieren. „Wir bringen sie nach oben in den Krankenflügel“, sagte Sophia zu den anderen. „Da kann ich ihr besser helfen.“
Doch in Wahrheit wusste auch sie nicht was genau mit Emily los war. Sie war nur Fluchbrecherin und auch wenn sie schon viele Flüche, Vergiftungen und Krankheiten gesehen hatte, fehlte ihr doch die Erfahrung einer wirklichen Heilerin.
Eilig hastete die Gruppe in Richtung Schloss und Sophia versuchte ihre Angst tief in sich zu verbergen. Nur dank der Erfahrungen eines Krieges und mehr als zehn Jahren als Aurorin und Fluchbrecherin, schaffte sie es überhaupt so ruhig zu bleiben.
***
Ein Licht taucht vor ihren Augen auf. Vorsichtig versucht sie danach zu greifen, doch sie kann es nicht erreichen. Es schwebt einfach nur da und scheint sie zu verhöhnen wollen.
Sie hängt im Nichts.
Kein Geräusch erreicht ihre Ohren und doch hört sie das Rauschen ihres eigenen Blutes. Es macht sie wahnsinnig.
Immer noch ist ihr kalt, doch dabei dürfte ihr doch gar nicht kalt sein.
Sie will wieder zum Licht, es sieht so schön warm aus. Es tanzt um sie herum, immer weit genug weg, damit sie es nicht erreichen kann.
Dann fällt sie. Tiefer und tiefer durch das Nichts. Es gibt kein Oben und Unten. Es ist endlos.
Und doch hört ihr Fall einfach auf. Das Licht ist immer noch da.
Erneut greift sie danach und dieses Mal berühren es ihre Fingerspitzen. Endlich.
Es ist warm. Genauso wie sie es sich vorgestellt hat.
Das Licht wird größer und heller. Strahlen umhüllen ihren Körper, wie ein goldener Käfig.
Musik. Von weit her und ganz leise. Es klingt wie Hoffnung.
Ihr wird zum ersten Mal seit langer Zeit wieder warm. Ihre Fingerspitzen kribbeln ganz leicht, dort wo sie das Licht berührt hat.
Das Licht formt sich zu kleinen Kugeln, wie Perlen die in der Luft schweben. Sie scheinen ihren eigenen Tanz zu schweben.
Lass nicht los. Er darf dich nicht kriegen, Harry. Eine Stimme, die sie kannte. Ganz weit weg und kaum zu hören.
Immer mehr Stimmen, die sich zu einer Kakophonie aus Zischen, Rufen und Schreien vermischten.
Ihr Kopf dröhnte, sie hielt sich die Ohren zu. Zog die Beine an um sich so klein wie möglich zu machen. Doch die Stimmen hörten nicht auf. Sie waren überall.
Stille. Dann war da nur noch eine einzelne Stimme.
Süß, warm, lieblich.
Erinnerungen stiegen hoch. Die Stimme wie sie sang, wie sie lachte und redete.
Voller Liebe.
Mama. Mama. Mama. Mama.
Ihr Herz schrie nach der Stimme.
Verlass mich nicht.
Eine zweite Stimme. Dunkler, rauer, genauso warm.
Papa.
Das Licht verlosch und mit ihm die Stimmen.
Sie sackte zusammen, hatte keine Kraft mehr, hatte sie gegeben.
Die Kälte war wieder da, eisiger und durchdringender als zuvor. Alles umschlingend.
Sie fiel und fiel.
Doch dieses Mal traf sie auf dem Boden auf.
Das Nichts füllte sich mit einer Welt aus Schmerz.
***
Endlich erreichten sie den Krankenflügel. Sophia ließ Emily von der Trage auf das am nächsten stehende Bett schweben und fixierte wieder ihren Körper.
Nur einmal auf dem Weg hatte Emily sich bewegt und leise „Mama“ geflüstert, etwas, dass Sophia einen Schauer über den Rücken hatte laufen lassen. Emily hatte wie ein kleines Kind geklungen, klein und verletzlich.
Leo eilte sofort an Emilys Seite und umklammerte ihre Hand. Er war ganz blass im Gesicht vor Sorge. Sophia wusste wessen Sohn er war, er trug genug von seiner Mutter in seinen Zügen um ihn zu erkennen. Aber sie hatte Bellatrix Augen niemals so voller Liebe gesehen. Das hatte sie überzeugt, dass er nicht wie seine Familie sein konnte. Außerdem wusste sie mittlerweile gut genug, dass auch wenn man das Blut der Blacks in sich trug, nicht unbedingt ein Anhänger von Voldemort sein musste.
„Wer von euch kennt sich mit Zaubertränken aus?“, fragte Sophia in die Runde.
„Ich“, erwiderte Leo leise. „Ein wenig zumindest.“
„Okay. Ich brauche einen Fiebersenker, Atemfrei und etwas, dass das Herz beruhigt“, zählte Sophia auf. „Keine Ahnung was Poppy hier hat, aber es sollte drauf stehen. Bring ansonsten alles mit was du findest.“
Leo nickte entschlossen und verschwand in der kleinen Kammer, in der die Krankenschwester alles aufbewahrte.
„Fred, bring mir ein paar Decken“, befahl Sophia. „Lee, hol eine große Schüssel Wasser, kalt, und Tücher.“ Sofort stoben die beiden davon. Ein paar Muggeltechniken würden bestimmt nicht schaden. „Inga, gib mir bitte noch mal den Trank.“
„Was hast du vor?“ Inga reichte ihr erneut die Flasche.
„Raus finden, was man Emily gegeben hat.“ Sophia kippte etwas von der Flüssigkeit in eine Schale. Bevor sie den Zauberspruch sagen konnte, tauchten Madam Pomfrey und George auf.
„Was ist los?“, verlangte Madam Pomfrey sofort. George ließ sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.
Sophia reichte Madam Pomfrey die Schale und ließ sie daran riechen.
„Auf jeden Fall kein Beruhigungstrank“, erwiderte Madam Pomfrey, nachdem Sophia ihr gesagt hatte, was es angeblich sein sollte.
Sophia nickte. „Ich war gerade dabei herauszufinden was drin ist.“ Sie murmelte den Zauberspruch, den sie vor langer Zeit in der Ausbildung bei den Auroren gelernt hatte.
Als erstes leuchtete die Schale in einem grellen Rot und dann in verschiedenen Grüntönen.
„Gift“, sagte Sophia leise. „Emily wurde vergiftet.“
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