4. Sommer

4. Sommer


Die Tage flogen vorbei und Emily begann sich einzuleben. Die Weasleys akzeptierten sie einfach so und halfen ihr wo es nur ging. Nur noch einmal träumte Emily vom Waisenhaus und Edwin. Sie war nach dem Albtraum ziemlich fertig, aber sie beschloss sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie würde nicht schwach sein. Es war ihre Vergangenheit, aber würde nicht ihre Zukunft sein. Sie würde sich wehren.

Es war eine Nacht mitten im August als sich plötzlich eine Hand über Emilys Mund legte. Sie schrak sofort aus dem Schlaf hoch und kämpfte gegen den Griff an. Sie bäumte sich auf, doch die Hand bewegte sich nicht.

"Pssch. Wir sind es nur", sagte eine bekannte Stimme. Emily entspannte sich wieder. "Ich nehme die Hand weg. Schrei bitte nicht."

Emily nickte und die Hand verschwand. Sie setzte sich auf und sah in die Gesichter der Zwillinge. Die beiden lächelten und George sagte: "Komm mit, wir wollen dir etwas zeigen. Aber sei leise."

Auf Zehenspitzen tapsten die drei durch den dunklen Fuchsbau der im tiefen Schlaf lag. Die Zwillinge führten sie aus dem Haus hinaus auf eine Wiese, die rundherum von hohen Bäumen begrenzt war. Es war immer noch warm draußen und über ihnen funkelten die Sterne. "Was habt ihr vor?", fragte Emily flüsternd.

"Warts ab", sagte Fred geheimnisvoll und zog sie neben sich auf die Wiese. Dann deutete er auf den Sternenhimmel. Emily blickte gehorsam nach oben und sah erst nur die Sterne. Dann zog plötzlich ein heller Lichstreif über den dunklen Horizont.

"Sternschnuppen!", flüsterte Emily fasziniert. Sie hatte noch nie welche gesehen. In schneller Folge jagten die Sternschnuppen über den Himmel, bis der ganze Himmel zu leuchten schien.

"Du darfst dir was wünschen", sagte George.

Emily schloss kurz die Augen. "Und was hast du dir gewünscht?", fragte Fred sofort.

Emily lächelte. "Das darf man nicht sagen, sonst geht es nicht in Erfüllung."

"Schade", murrte Fred. "Ich hätte es nämlich gerne gewusst."

Emily legte sich wieder ins Gras und starrte in den Himmel. Immer noch fielen die Sternschnuppen. Keiner von ihnen sprach ein Wort, es herrschte eine angenehme Stille zwischen ihnen. Sie war glücklich und sie wollte nicht, dass dieser Moment endete. Dieser Moment reinen, puren Glücks.

"Weißt du als Mum gesagt hat, dass du kommst, waren wir erst nicht so begeistert", sagte George plötzlich.

"Ja. Wir dachten du wärst so klein und verschreckt", fügte Fred hinzu. "Aber das bist du gar nicht. Du bist stark."

"Denkt ihr das wirklich?", fragte Emily und setzte sich abrupt auf.

"Ja. Sonst hätten wir es nicht gesagt", antwortete Fred. "Mum meinte, dass du es nicht einfach gehabt hättest. Eigentlich meinte sie auch wir sollten dir das nicht erzählen."

"Aber seit wann halten wir uns schon an Regeln?", sagte George trocken.

"Oh, da fällt mir ein, haben wir dir schon von unseren Streichen erzählt?", fragte Fred begeistert. Emily schüttelte den Kopf und die Zwillinge begannen mit detaillierten Berichten über ihre Streiche die sie in den zwei Jahren Hogwarts verübt hatten. Emily lachte sich schief und scheckig. Erst kurz bevor die Sonne aufging, gingen die drei zurück ins Haus.

"Danke, dass ihr mir die Sternschnuppen gezeigt habt", sagte Emily.

"Für dich doch immer, Kleine", sagten die Zwillinge unisono.

"Ich bin nicht klein", widersprach Emily lächelnd.

"Na bitte", sagte Fred.

"Da kommt der Kampfgeist durch", fügte George hinzu.

"Gute Nacht." Mit diesen Worten ging Emily nach oben und ließ sich auf die Matratze fallen. Einen Augenblick später war sie eingeschlafen. Mrs Weasley wunderte sich zwar am nächsten Morgen darüber, dass Fred, George und Emily ständig gähnten und dunkle Ringe unter den Augen hatten, aber sie sagte nichts. Seit dieser Nacht waren die drei gute Freunde. Auch mit Ginny verstand sie sich gut, auch wenn diese ein Jahr jünger war.

Ein paar Tage später kamen die beiden ältesten Weasleybrüder zu Besuch. Bill, der älteste, arbeitete als Fluchbrecher für Gringotts in Ägypten. Er ähnelte seinem Vater sehr, er war genauso dünn und groß, aber er trug sein Haar, sehr zum Leidwesen seiner Mutter, lang. Charlie war zwei Jahre jünger als Bill und arbeitete in Rumänien mit Drachen. Eine große schimmernde Brandwunde zierte einen seiner Arme. Er war nicht so groß wie Bill, sondern ähnelte wie die Zwillinge seiner Mutter mehr. Die beiden begrüßten Emily freundlich.

"Und du arbeitest wirklich mit Drachen?", fragte Emily neugierig beim Mittagessen.

Charlie nickte lächelnd. "Jep. Willst du mal Fotos sehen?" Er zog aus seiner Tasche einen Stapel Fotos und reichte ihn Emily. "Das hier ist ein Rumänisches Langhorn und das ein Schwarzer Hebride. Oh und das ist ein Antipodisches Opalauge. Ein Weibchen, sehr gefährlich."

Emily löcherte ihn mit Fragen und Charlie antwortete ihr begeistert. Auch wenn er bei den gefährlicheren Sachen seine Stimme senkte, damit seine Mutter ihn nicht hörte.

"Fragt sie immer so viel?", fragte Bill seine Mutter amüsiert während er Emily und Charlie beobachtete.

Mrs Weasley lächelte. "Ja, nachdem sie begriffen hatte, dass ihr keiner dafür den Kopf abreisst, ist sie manchmal kaum zu bremsen. Nur Arthur kann sie noch toppen, wenn er mit seinen Muggelsachen beschäftigt ist. Sonst ist sie eher ein ruhiges Kind. Wir wissen nicht viel darüber was im Waisenhaus passiert ist, sie will es uns auch nicht sagen. Aber es war nicht unbedingt eine glückliche Zeit für sie."

Bill musterte Emily verstohlen. "Sie sieht für mich aber ziemlich glücklich aus."

"Das ist sie im Moment auch", erwiderte Mrs Weasley. "Sie lässt sich nicht unterkriegen, egal was ihr passiert ist. Außerdem kümmern sich die Zwillinge viel um sie. Sie haben keine Ahnung wie viel ich ihnen dafür durch gehen lasse. Allerdings nur ausnahmsweise."

"Eine kleine Kämpferin also", sagte Bill.

"Klein, ist sie wirklich", sagte Mrs Weasley seufzend. "Ich gebe ihr schon immer so viel zu essen, aber obwohl sie mehr zu essen scheint als Ron nimmt sie nicht zu. Aber sie isst in einem Tempo, als ob sie befürchtet, dass man es ihr wieder wegnehmen würde."

"Das muss schon was heißen", lachte Bill, der wusste wie viel Ron essen konnte.

Nach dem Essen saßen die Weasleykinder und Emily im Wohnzimmer und sahen Ron und Percy bei einer Partie Zauberschach zu. Die Schachfiguren waren so verzaubert worden, dass sie sich von alleine bewegten und dem Spieler sogar Anweisungen zuriefen. Emily hatte einmal gespielt, aber spektakulär gegen Ron verloren, trotz der Hilfe von allen Seiten.

"Wollen wir nicht lieber eine Runde Quidditch spielen?", fragte Fred in die Runde. 

"Ja", brüllte Ron und schoss schon aus dem Zimmer. Dabei kippte das Schachbrett um und die Figuren fielen auf den Boden. Percy sammelte sie seufzend auf und verschwand danach in seinem Zimmer. Er murmelte dabei so etwas wie: "Ohne mich. Ich beschäftigte mich mit etwas Anspruchsvollem."

„Ach der gute alte Percy-" „Er muss ja schließlich seinem Ruf als Vertrauensschüler gerecht werde.“, sagten die Zwillinge.

"Kommst du mit?", fragte Bill Emily. Sie nickte. Von Quidditch hatte sie schon viel gehört, denn die Weasleys waren begeisterte Anhänger des Sports und es hatte schon viele hitzige Diskussionen darüber gegeben. Aber sie hatte noch nie ein Spiel gesehen, geschweige denn selber gespielt.Sie folgte den Brüdern nach draußen wo schon Ron und Ginny warteten. Die beiden hatten schon die Besen und die Bälle geholt.

"Ginny, du kannst nicht mitspielen", sagte Ron gerade ungeduldig. "Du bist noch viel zu klein."

"Emily ist kleiner als ich. Und sie darf mitspielen", beschwerte sich Ginny. "Nichts gegen dich", fügte sie noch entschuldigend hinzu.

"Dann bist du eben zu jung", beendete George entschieden die Diskussion. Er legte einen der Besen neben Emily und sagte: "Stell dich neben den Besen und strecke deine Hand aus. Dann sage laut und deutlich: Hoch."

Emily tat wie ihr geheißen wurde und sofort flog der Besen in ihre ausgestreckte Hand. Fred erklärte ihr alles weitere während die anderen schon um sie herum kreisten. Vorsichtig stieg Emily auf und stieß sich ab. Sie schwebte jetzt etwa zwei Meter über dem Boden. Als sie merkte, dass sie nicht runterfallen würde, entspannte sie sich langsam und flog etwas höher.

"Das machst du gut", sagte Fred der neben ihr aufgetaucht war. Emily lächelte und lehnte sich nach vorne um schneller zu fliegen. Sie spürte den Wind an sich vorbei rauschen und ein breites Grinsen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Fliegen war leicht, es kam ihr ganz natürlich vor. Als ob sie es schon immer gemacht hätte.

"Hey, Kleine", rief Charlie lachend. "Komm wieder her. Wir wollen spielen."

Sie drehte um und landete nach einem Sturzflug schlitternd vor den Weasleybrüdern. Beinahe wäre sie hingefallen, aber sie konnte sich gerade noch so fangen.

"Nicht übermütig werden", lachte Bill. Dann erklärte er kurz die Regeln. Die Zwillinge hatten ihr das meiste schon mal erklärt, so dass es nicht lange dauerte und sie wieder in der Luft waren. Fred, Charlie und Emily spielten gegen Bill, George und Ron. Sie spielten nur eine abgewandelte Form, weil sie nicht so viele Spieler hatten, aber es machte dennoch Spaß. Sie sausten quer über den Himmel, geschützt von den vielen Bäumen rundherum. Emily begann Quidditch jetzt schon zu lieben. Kurz vor dem Abendessen rief Mrs Weasley alle wieder ins Haus.

"Schade, dass du nur eine Erstklässlerin bist", sagte Fred enttäuscht.

"Ja, sonst könntest du ins Quidditchteam von Gryffindor", fügte George hinzu. "Wir brauchen dieses Jahr einen neuen Sucher und einen Jäger."

"Du würdest eine gute Jägerin abgeben", sagte Charlie, der selbst als Sucher für Gryffindor gespielt hatte. Emily strahlte, aus Charlies Mund bedeutete das Kompliment wirklich etwas, denn er hätte für England fliegen können, wenn er nicht nach Rumänien gegangen wäre.

"Aber dazu muss ich erstmal nach Gryffindor kommen", sagte Emily.

"Natürlich kommst du zu uns", erwiderte George und wuschelte ihr durchs Haar.

Die restlichen Ferientage vergingen rasch, Charlie und Bill mussten wieder zurück zu ihrer Arbeit. Die meiste Zeit verbrachten sie damit Quidditch zu spielen. Einmal mussten sie auch den Garten entgnomen. Die Gnome kamen immer wieder, weil Mr Weasley viel zu nett war um sie ganz zu vertreiben. Die Gnome waren kleine Biester, die überhaupt kein Mitleid hatten und jeden in den Finger bissen. Emily lernte schnell ihrerseits kein Mitleid zu haben und die Gnome über die Hecke zu schleudern. Sie war auch die einzige, die daran Spaß hatte.

Oft lagen die Zwillinge, Ron, Ginny und Emily auch im Gras vor dem Fuchsbau und sahen in den Himmel hinauf, vor allem wenn es mal warm war. Sie beobachteten faul die Wolken die vorbeizogen.

„Die sieht aus wie ein riesiger Drache. Charlie könnte uns bestimmt sagen was für einer“, sagte Fred.

„Und die sieht aus wie ein Schnatz“, fand Ginny. Die Geschwister stritten sich eine Weile über die Drachenwolke, während Emily daneben saß und nach langer Zeit mal wieder zeichnete. Diesmal hatte sie sich die Zwillinge als Motiv ausgesucht. Die beiden sahen sich bis zur letzten Sommersprosse ähnlich, so dass selbst ihre Mutter Schwierigkeiten hatte, die beiden auseinander zu halten. Emily war sich meistens sicher wen sie vor sich hatte, sie schob es darauf, dass sie oft zeichnete und deshalb gewohnt war auf kleinste Details zu achten.

Ginny schaute Emily neugierig über die Schulter. „Hey, das werden ja Fred und George. Aber du hast sie viel zu hübsch gemalt“, sagte sie lachend.

Fred gab ihr einen kleinen Stupser, so dass sie ins Gras fiel. „Wir sind ja auch hübsch“, sagte George ernsthaft. Alles brach in Gelächter aus, sogar die Zwillinge.

„Wie schaffst du es uns beide auseinander zu halten?“, fragte Fred interessiert.

„Deine Augen sind ein bisschen blauer als die von George, aber das ist auch das einzige“, antwortete Emily. „Ist mir beim Zeichnen aufgefallen“, fügte sie noch schnell hinzu, als Fred fragend seine Augenbraue hob.

„Beim Zeichnen?“, fragte er und Emily errötete.

„Kein Grund hier rot zu werden. Wir wissen, dass wir gut aussehen“, rief George.

„Was habt ihr immer nur mit eurem Aussehen?“, fragte Ron genervt.

„Kann ja nicht jeder so gut aussehen wie wir, lieber Ronnieboy“, sagten die Zwillinge unisono. Ron streckte die Zunge raus, eine Geste, die die Zwillinge erwiderten.

Und so vergingen die Ferien und schon bald hieß es Koffer packen. Mrs Weasley rannte durch das ganze Haus und brachte jedem seine Wäsche, fand verschwundene Bücher und ermahnte jeden auch alles zu einzupacken. So kam es, dass Emily am 31. August im Bett lag und nervös an die neue Schule dachte. Am liebsten wäre sie noch länger im Fuchsbau geblieben. Aber eigentlich freute sie sich auch schon auf Hogwarts, dort würde sie endlich Magie lernen und das wundervolle Schloss kennen lernen und vielleicht sogar Quidditch spielen. Und die anderen Kinder kennen lernen. Und und und... Über diesem Gedanken schlief Emily ein.

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Im nächsten Kapitel geht es endlich nach Hogwarts & Harry hat seinen ersten Auftritt :D

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