16 | Hamburger Nächte
Ich bin gespannt, wie euch das Kapitel gefällt 😄
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Marten schlang seine Arme nur noch fester um mich und drückte mich an sich. Eine ganze Weile alberten wir bereits im Bett miteinander herum.
Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber das war auch nicht wichtig. Eine wohlige Wärme hüllte mich ein, ich fühlte mich wohl und geborgen bei ihm; etwas, das ich lang nicht mehr zugelassen hatte. Ich brauchte immer viel Zeit, bis ich emotionale Nähe wirklich zulassen konnte, aber mit ihm fiel es mir immer leichter.
Noch immer versuchte ich, mich aus seinem Klammergriff zu befreien, doch er war stärker. Also gab ich auf und fuhr schwer atmend zu ihm herum. Als unsere Blicke sich trafen, hielt er inne. Seine Augen funkelten im Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel. Für einen kurzen Moment drückte er seine Lippen fest auf meine. Ich seufzte leise in den Kuss hinein und schloss die Augen. Mein Bauch kribbelte mit meinem Mund um die Wette. Als er sich wieder von mir löste, musterte ich ihn erwartungsvoll.
„Sollen wir aufstehen?", fragte ich. Er runzelte die Stirn.
„Und dann?"
„Weiß nicht, irgendwas unternehmen", sagte ich und richtete mich auf. Er sank ächzend in die Kissen.
„Ich kenne niemanden, der an seinem freien Tag so viele Hummeln im Arsch hat, wie du. Chill doch einfach mal", tadelte er mich anklagend. Ich schüttelte entschieden den Kopf.
„Momentan bleibt mir so wenig Freizeit, dass ich sie einfach so gut wie möglich nutzen möchte. Außerdem bist du heute Abend mit den Jungs verabredet. Wenn wir noch länger liegenbleiben, lohnt es sich doch gar nicht mehr, rauszugehen", grinste ich voller Tatendrang, doch gerade, als ich die Bettdecke zur Seite schieben wollte, hielt er mich fest.
„Ich dachte eher, wir machen da weiter, wo wir letzte Nacht aufgehört haben..."
Seine Stimme war rau geworden. Ich schmunzelte bedächtig.
„Kannst du auch noch an was anderes denken?", sagte ich trotzdem.
„Gerade nicht", erwiderte er und zog mich wieder dichter zu sich heran. Ich grinste.
„Du bist schlimm."
„Rausgehen können wir auch später... Vorausgesetzt, du kannst danach noch..."
Ich verdrehte die Augen.
„Okay, ich muss los", sagte ich und machte Anstalten, mich aus seinem Arm zu winden. Er lachte, dann verstärkte er seine Umklammerung und hielt mich dicht bei sich.
„Komm, insgeheim stehst du doch auf diese plumpen Sprüche", feixte er mit einem spitzbübischen Grinsen auf den Lippen.
„Ich weiß, das tut jetzt weh, aber Pornos spiegeln in den seltensten Fällen die Realität wider", kommentierte ich sachlich und entlockte ihm ein kehliges Lachen. Es klang wie Musik in meinen Ohren. Dann wurde er ernst.
„Komm schon her, Giftzwerg", forderte er und sah mir herausfordernd in die Augen. Seine Hände strichen bereits meinen Rücken hinab und wanderten unter den Stoff meines Strings. Ehe ich antworten konnte, presste er seine Lippen auf meine. Meine Mitte zog sich zusammen, als er mich packte und auf sich zog. Er lachte in den Kuss hinein, vergrub dabei seine Hand in meinem Haar und hielt mich dicht bei sich, küsste mich wieder und wieder, bis ich schließlich aufgab und mich fallenließ.
Etwas später am Nachmittag setzte Marten mich zuhause ab. Während er zu seinen Freunden fuhr, machte ich mich für meine Verabredung mit Sam fertig. In den letzten Wochen waren unsere Treffen wieder mal zu kurz gekommen. Das lag vor allem daran, dass ich die wenige Zeit, die mir neben der Arbeit blieb, mit Marten verbrachte oder mich nach Jobs umschaute. Doch jetzt hatte ich endlich etwas Luft.
Also schlüpfte ich in eine korallfarbene Bluse, die ich in den Bund meiner engen Jeans steckte, frisierte meine langen Haare zu großen Wellen und schminkte mich, dann steckte ich mir kleine Creolen an die Ohren und streifte mir einen Armreif übers Handgelenk. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel und zupfte nochmal an meinem Haar herum, bis ich mir wirklich gefiel, schaltete das Licht aus und schlüpfte in ein Paar Pumps. Ich war schon eine ganze Weile nicht mehr ausgegangen, also freute ich mich richtig auf unseren Mädels-Abend, auch, wenn wir ausgemacht hatten, nichts Kostenintensives zu unternehmen, weil ich meinen Geldbeutel schonen musste. Sam wartete bereits unten auf mich, als ich aus dem Haus trat. Vorfreudig stieg ich zu ihr ins Auto. Nach einer kurzen Begrüßung fuhr Sam direkt los.
„Gott, endlich wieder mal ein Abend nur wir beide", platzte es erleichtert aus ihr heraus. „Ich wusste schon gar nicht mehr, wie du eigentlich aussiehst."
Ich lachte.
„Du hast mir auch gefehlt", versicherte ich ihr und schnallte mich an.
„Habe ich gemerkt", kommentierte sie trocken. Ich drehte ihr grinsend den Kopf zu.
„Danke, dass du immer so verständnisvoll bist", schmierte ich ihr Honig um den Mund. Sie lächelte selig.
„Wozu sind wir sonst beste Freundinnen?", wollte sie wissen. „Also, sollen wir auf den Kiez?"
Ich verzog mein Gesicht zu einer leidigen Grimasse.
„Ich bin momentan echt knapp bei Kasse, Sam. Lass uns doch einfach irgendwo spazieren gehen", machte ich einen Gegenvorschlang. Sie lächelte und warf mir einen flüchtigen Seitenblick zu.
„Mach dir keinen Kopf. Heute lade ich dich ein", sagte sie. Ich hob abwehrend die Hände.
„Auf gar keinen Fall", stellte ich entschieden klar, doch sie schüttelte energisch den Kopf.
„Und ob. Ich habe nämlich eine Gehaltserhöhung bekommen und außerdem noch einen Typen bei Tinder kennengelernt, der mal kein Idiot ist", sagte sie bedeutsam. Ich runzelte die Stirn.
„Du hast einen kennengelernt?", wiederholte ich perplex, denn davon hörte ich heute zum ersten Mal. Sie nickte.
„Ja."
„Und habt ihr euch schon getroffen?", fragte ich neugierig. Sie grinste verräterisch.
„Dreimal."
„Und wann wolltest du mir davon erzählen?", fragte ich anklagend und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Wenn ihr geheiratet habt, oder was?"
„Nee, eigentlich erst, wenn das erste Kind unterwegs ist", konterte sie, setzte den Blinker und lenkte den Wagen in die viel befahrene Hauptverkehrsstraße.
„Tzz", machte ich beleidigt. Sie grinste.
„Hör mal – du warst die letzten Wochen praktisch wie vom Erdboden verschluckt. Wie hätte ich dir also von Eugen erzählen sollen, wenn du dich ständig unter Martens Bettdecke verkrochen hast?"
„Du hast ja recht", räumte ich schuldbewusst ein. Sie winkte ab.
„Schon gut. Ich freue mich ja, dass er dich für den Reinfall damals offensichtlich gut entschädigt hat", feixte sie. Ich verdrehte die Augen.
„Oh man."
Sam lachte, dann konzentrierte sie sich wieder auf den Verkehr. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir schließlich die Reeperbahn erreichten und den Wagen im Parkhaus abstellten. Inzwischen war es bereits nach zehn und ein riesiger Besucherstrom schob sich schon jetzt unaufhaltbar über die sündige Meile, auf der sich Clubs, Tanzläden, Bars und Restaurants wie auf einer Perlenkette aneinanderreihten. Auch wir bahnten uns den Weg in Richtung der zwei tanzenden Türme, die sich am östlichen Ende der Amüsiermeile befanden. Die leise Musik der verschiedenen Läden vermischte sich mit dem lauten Stimmgewirr der Menschen und der Sirene eines vorbeirauschenden Polizeiwagens. Gemeinsam schlängelten wir uns durch die vielen Menschen, passierten den Mojo-Club und verschwanden in einer Seitengasse. Die Lautstärke war noch einmal deutlich angestiegen und die vielen bunten Lichter tanzten bereits vor meinen Augen. Dann erreichten wir eine kleine, schnuckelige Bar. Wie die meisten Läden auf dem Kiez wirkte sie von innen bereits etwas in die Jahre gekommen, doch das Ambiente war gemütlich, wenn auch etwas dunkel.
Wir durchquerten den gut besuchten Raum und suchten uns etwas weiter hinten einen freien Tisch. Wir hatten uns gerade hingesetzt, als eine schlanke Brünette mit großen Brüsten in hautengem Paillettenkleid zu uns kam.
„Was kann ich euch zwei Hübschen bringen?", wollte sie wissen und musterte uns aufmerksam.
„Eine Pina Colada", sagte ich.
„Und ich nehme einen Prince", ergänzte Sam. Als die Bedienung wieder zur Bar verschwunden war, ließ ich die Eindrücke einen Moment auf mich wirken; die ganzen Leute am Tresen, aber auch draußen. Die verschiedenen schillernden Charaktere, die vielen Lichter, Düfte, Melodien und Verführungen.
„Und jetzt erzähl mir von Eugen", forderte ich und sah meiner besten Freundin wieder ins Gesicht. Die strich sich selig lächelnd eine Haarsträhne aus der Stirn und legte schwärmerisch die Stirn in Falten.
„Er ist witzig, hat Charme, steht mit beiden Beinen fest im Leben und sieht zu allem Überfluss auch noch gut aus", erzählte sie. Dabei zog sie ihr Smartphone aus der Tasche. Sie tippte kurz darauf herum, dann hielt sie mir das Display entgegen. Ich betrachtete einen Moment das Bild des jungen Mannes, der mir mit einem schiefen Lächeln entgegenblickte, das seine gepflegten Zähne zeigte. Seine breiten Kieferknochen verliehen ihm ein markantes, kantiges Gesicht. Um seine braunen, warmen Augen hatten sich kleine Lachfältchen gebildet.
„Okay, rein optisch ist er tatsächlich eine zehn von zehn", räumte ich ein. „Sieht sympathisch aus."
„Ist er auch", erzählte Sam. „Sehr bodenständig. Arbeitet als Elektroingenieur."
„So einen kann man immer brauchen", stellte ich fest. Bevor Sam etwas erwidern konnte, kehrte die Kellnerin mit unseren Drinks zurück. Sam wartete, bis sie sich wieder entfernt hatte, bevor wir unser Gespräch über Eugen fortsetzten. Sie blühte regelrecht auf, als sie mir von ihrem ersten Date in einem kleinen Bistro erzählte. Anschließend waren sie zusammen ins Kino gegangen und hatten den Abend an der Alster ausklingen lassen. Ich freute mich aufrichtig darüber, dass sie jemanden kennengelernt hatte, der sie wirklich interessierte und zu allem Überfluss auch noch nett zu sein schien.
„Wenn du willst, können wir ja mal zu viert weggehen", schlug sie vor. Ich musterte sie unschlüssig, denn ich hatte tatsächlich keine Ahnung, wie Marten dazu stand.
„Ich spreche mal mit ihm darüber", antwortete ich also vage, um mich nicht festlegen zu müssen. Sam nippte an ihrem Prince.
„Das wäre sicher lustig", sagte sie überzeugt. „Also vorausgesetzt, wir finden alle mal Zeit dafür."
Ich schenkte ihr einen reumütigen Augenaufschlag.
„Es tut mir wirklich leid, dass wir uns in den letzten Wochen so wenig gesehen und gehört haben", sagte ich schuldbewusst. „Bei mir ging einfach alles drunter und drüber mit Marten und der Jobsuche..."
Sam winkte ab.
„Schon okay, ehrlich. Ich bin dir nicht böse. Aber wie läuft es eigentlich mit ihm?"
Ich lächelte selig.
„Ganz gut", antwortete ich. Sie grinste schief.
„Habt ihr mittlerweile mal definiert, was ihr habt?"
Lachend winkte ich ab.
„Ich bin nicht so dafür, der Sache einen Namen zu geben", erwiderte ich. Sie schüttelte tadelnd den Kopf.
„Also wenn du mich fragst, ist die Sache klar. Ihr verbringt viel Zeit miteinander, versteht euch gut und seid auch bei Problemen füreinander da. Du magst ihn sehr und du würdest dir keinen Zacken aus deiner Prinzessinnen-Krone brechen, wenn du dir eingestehen würdest, in einer Beziehung zu sein", sagte sie ernst, ohne mich aus den Augen zu lassen. Mein Bauch kribbelte verräterisch und ein Schmunzeln huschte mir über die Mundwinkel. Meine Wangen wurden warm, als ich daran zurückdachte, wie ich vorhin noch mit ihm herumgealbert hatte. Doch dann kehrte der ominöse Umschlag in mein Gedächtnis zurück, über den Marten seit dieser Nacht kein weiteres Wort mehr verloren hatte. Noch immer beschäftigte mich hin und wieder die Frage, worum es bei der Gerichtspost wohl gegangen war, doch eine Bar schien mir nicht der passende Ort, um mit meiner besten Freundin darüber zu sprechen. Also verschob ich diese Unterhaltung auf später.
„Okay, ich merke schon, du willst nicht darüber reden. Also genug von meinem Klugscheißer-Modus", grinste Sam, als ich nicht auf ihre Ansprache reagierte. „Eugen und Marten haben wir abgehakt. Jetzt erzähl mir, wie es mit deiner Jobsuche aussieht. Hast du inzwischen irgendwas in Aussicht?", wechselte sie das Thema, legte die Stirn in Falten und musterte mich. Ich ließ frustriert die Schultern sinken und stocherte in meinem Cocktailglas herum.
„Nein", antwortete ich kopfschüttelnd. „Ich hatte ein paar Gespräche, aber sie haben mich ausgesiebt. Einerseits wegen meinen Qualifikationen, andererseits wegen meiner Arbeit im Café. Wahrscheinlich befürchten sie, dass ich mich dann nicht ausreichend auf meinen Job konzentriere, wenn ich tagsüber ständig kellnere."
„Mies. Tut mir leid", sagte Sam mitfühlend. Ich schenkte ihr ein verbittertes Lächeln.
„Es kommen auch wieder bessere Zeiten", gab ich mich zuversichtlich. Dann zog ich trotzdem düster die Augenbrauen zusammen. „Aber es ärgert mich, dass ich nicht mal einen Job an der Supermarktkasse bekomme – weil ich nicht flexibel genug einsetzbar bin. Aber Oma braucht mich nun mal auch an den Wochenenden und nachmittags."
„Verstehe", sagte Sam.
„Entschuldige, wenn ich mich in euer Gespräch einmische..."
Erst jetzt bemerkte ich die nette Kellnerin, die wieder an unseren Tisch herangetreten war. Sie musterte mich aufmerksam.
„Ich wollte nicht lauschen, aber ich habe zufällig gerade mitbekommen, dass du einen Job suchst...", ergänzte sie. „Ein Freund von mir hat eine Bar, ein paar Läden weiter. Eine seiner Bardamen hat sich das Bein gebrochen und kann die nächsten Monate nicht arbeiten, also sucht er gerade händeringend Unterstützung. Möglicherweise passt das besser mit deinem anderen Job. Wenn du willst, gebe ich dir seine Nummer und du rufst ihn einfach mal an."
Haltet ihr das für eine gute Idee, wenn Lou sich dort mal meldet? Was würdet ihr tun?
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