12 | Bürodrache
Cuties, ich wünsche euch frohe Weihnachten und viel Spaß mit dem neuen Kapitel :)
„Minigolf...", wiederholte meine beste Freundin trocken und entlockte mir ein Schmunzeln. Ich hatte Sam jetzt schon einige Zeit nicht mehr gesehen, also hatte ich sie heute auf dem Weg zur Arbeit angerufen, um mich nach ihr zu erkundigen. Natürlich war sie neugierig und wollte alles zu den neusten Entwicklungen rund um Marten wissen. Obwohl wir uns inzwischen schon einige Monate trafen, sog sie jedes noch so winzige Detail über unsere Verabredungen auf wie ein Schwamm; heute über unseren Ausflug zum Minigolfplatz vor ein paar Tagen.
„Was findest du so schlimm daran?", lachte ich, während ich durchs Treppenhaus in Richtung der Etage eilte, in der sich mein Büro befand.
„Nichts, ich kann ihn mir nur so gar nicht mit einem kleinen Schlägerchen in der Hand vorstellen", stichelte Sam. „Finde aber gut, dass er so viel Initiative zeigt."
„Ich auch", pflichtete ich ihr bei, als ich den oberen Treppenabsatz erreichte und die Tür zum Büro öffnete. „Er gibt mir das Gefühl, dass er wirklich ernsthaft mit mir zusammen sein will."
Ich lief an einigen Büros vorbei, bis ich am Ende des Ganges mein eigenes erreichte.
„Spricht für ihn, dass er nicht diese lästigen Spielchen spielt, um sich interessant zu machen", kommentierte Sam. Ich nickte.
„Er weiß ziemlich genau, was er will und das gefällt mir", sagte ich, während ich meine Jacke auszog und über die Lehne meines Drehstuhls legte, dann ließ ich mich in das weiche Polster fallen und startete den Computer.
„Selbstbewusstsein macht eben sexy", erwiderte Sam wissend. Ich schmunzelte bedächtig, während ich auf der Tatstatur herumklackerte, um meine Zugangsdaten einzugeben.
„Du musst mich auf jeden Fall auf dem Laufenden halten", forderte Sam.
„Mache ich", versprach ich.
„Habt ihr eigentlich schon...?", hakte sie gespannt nach. Ich stellte mir vor, wie sie dabei die Augen leicht zusammenkniff und erwartungsvoll die Stirn runzelte.
„Sam!", platzte es aus mir heraus.
„Was denn?", lachte meine beste Freundin glockenhell. „Ich darf ja wohl noch fragen. Immerhin hat er da einiges wiedergutzumachen."
„Ich bin auf der Arbeit", zischte ich kopfschüttelnd, ließ mich gegen die Lehne des Stuhls sinken und strich mir die Haare nach hinten. Ich erschrak, als plötzlich meine Chefin ins Büro rauschte. Ihre Augenbrauen düster zusammengezogen nahm sie mich missmutig ins Visier. Ertappt hielt ich den Atem an.
„Ich muss jetzt auflegen", sagte ich zu Sam, bevor ich das Telefonat beendete und ein versöhnliches Lächeln aufsetzte, in der Hoffnung, dass meine Chefin nicht zu viel von meinem Gespräch aufgeschnappt hatte. „Guten Morgen", wünschte ich und ließ das Handy beiläufig in der Tasche verschwinden.
„Morgen", raunzte sie zurück und baute sich auf der anderen Seite meines Schreibtisches auf. „Es wäre schön, wenn du deine privaten Telefonate nicht während der Arbeitszeit führen würdest", tadelte sie mich wirsch. Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als sie mich unmittelbar unterbrach. „Sind meine Übersichten fertig?", fragte sie ohne Umschweife und sah mir, die Augenbrauen zusammengekniffen, ins Gesicht.
„Ich schicke sie gleich rum", verschleierte ich bestmöglich, dass ich gestern nicht mehr ganz fertiggeworden war und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Ihre Laune schien nicht die beste zu sein, also war es wohl besser, sie nicht noch weiter zu reizen.
„Gut. Und dann müssen wir über den Urlaub reden", fügte sie mit zusammengekniffenen Augen hinzu.
„Was ist denn damit?", fragte ich unheilvoll, schließlich brauchte ich die Tage dringend, um meiner Oma im Café auszuhelfen, während ihre Mitarbeiterin verreist war.
„Das geht auf keinen Fall. Ihr könnt nicht immer alle fahren, wie ihr lustig seid. Wer soll denn dann hier den Laden am Laufen halten?", machte sie ihrem Ärger Luft und verschränkte wie zur Bestätigung die Arme vor der Brust.
„Aber wir haben doch vorab darüber gesprochen und ich brauche die zwei Wochen wirklich dringend", erwiderte ich. Sie schüttelte den Kopf.
„Das sagen die anderen auch, nur, dass die Kinder haben und auf ihren Urlaub in der Zeit angewiesen sind", stellte sie entschieden klar.
„Das verstehe ich ja", gab ich mich diplomatischer, als mir gerade zumute war. „Aber ich habe noch überhaupt keinen Urlaub gemacht, seit ich hier angefangen habe und irgendwann muss auch ich mal ein paar Tage nehmen können", versuchte ich es mit einem Appell an ihren Gerechtigkeitssinn. Doch auch dieser Versuch scheiterte, denn sie schüttelte abermals energisch den Kopf.
„Später im Jahr kannst du dir gern zwei Wochen nehmen, aber jetzt geht das nun wirklich nicht."
So, wie es aussah, ließ sie sich nicht erweichen. Ich biss mir hadernd auf die Unterlippe. Obwohl ich es ungern tat, kam ich vermutlich nicht drum herum, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen.
„Es ist echt wichtig. Ich muss meiner Großmutter in ihrem Café aushelfen, weil ihre Mitarbeiterin in der Zeit im Urlaub ist. Ohne meine Unterstützung ist sie aufgeschmissen. Ich kann ihr nicht so kurzfristig sagen, dass ich das jetzt doch nicht machen kann. Wir haben das schon alles durchgeplant", eröffnete ich ihr also, in der Hoffnung, sie doch noch zum Umdenken zu bewegen. Sie stieß einen verächtlichen Laut aus.
„Das ist doch nicht mein Problem", lachte sie abschätzig, Ich wusste nicht, worüber ich mich mehr ärgerte; darüber, dass ich mich ihr geöffnet hatte, auch, wenn es sie im Grunde überhaupt nichts anging, oder darüber, dass sie dermaßen kaltschnäuzig reagierte. Natürlich konnte ich kein Entgegenkommen ihrerseits erwarten, aber dass sie so lapidar damit umging, machte mich wütend. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. In mir brodelte es, doch statt ihr ins Gesicht zu springen, schluckte ich meine Wut herunter. Schließlich brauchte ich das Geld, das ich hier verdiente, um meinen Großeltern unter die Arme greifen und meine eigenen Rechnungen bezahlen zu können. „Guck gefälligst, dass du das anders regelst", schob der Drachen zu allem Überfluss noch bissig hinterher, dann wandte sie sich von mir ab. „Achso, und die Spülmaschine muss auch ausgeräumt werden", ergänzte sie anklagend, während sie den Raum verließ. Ich sah ihr mit offenem Mund hinterher. Was glaubte sie eigentlich, mit wem sie sprach? Sie behandelte mich nicht wie eine geschätzte Mitarbeiterin, sondern wie eine Leibeigene. Das Blut in meinen Adern kochte, eine unbändige Hitze schoss mir durch den Körper. Meine Finger verkrampften sich um das kühle Holz des Schreibtisches.
„Sollte das ne Bitte sein?!", rief ich ihr hinterher.
„Was?"
Irritiert fuhr sie noch einmal zu mir herum. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich meine Gedanken offen ausgesprochen hatte. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, während sie sich wie eine gefährliche Raubkatze wieder auf mich zubewegte.
„Ich sollte dich gar nicht erst darum bitten müssen, deine Arbeit zu machen", stellte sie scharf klar.
„Von permanentem Kaffeekochen oder dem ständigen Ausräumen der Spülmaschine stand nichts in meiner Jobbeschreibung", erwiderte ich bestimmt und reckte ihr wie zur Bestätigung das Kinn entgegen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mir überheblich ins Gesicht.
„Es ist nun wirklich nicht mein Problem, wenn dir deine ganzen Aufgaben zu viel abverlangen", schoss sie giftig zurück. Ich stieß ein verächtliches Schnauben aus. Schließlich opferte ich mich regelrecht auf, um all meine To-Dos zu schaffen, obwohl es für die vereinbarte Arbeitszeit viel zu viele waren.
„Ich mache einen guten Job. Kein Mensch kann in zwanzig Stunden das erledigen, was normalerweise für vierzig ausgelegt ist. Du solltest die Leistungsanforderungen, die du an deine Mitarbeiter stellst, nochmal überdenken", konterte ich gereizt.
„Da brauche ich nichts überdenken. Nur, weil du überfordert bist, brauchst du das nicht auf die anderen abzuwälzen. Die schaffen das ja schließlich auch irgendwie", kommentierte sie überzeugt. Ihre bodenlose Ignoranz machte mich noch wütender. Die Hitze, die sich in mir ausbreitete, wurde nach und nach unerträglich. Ich hatte das Gefühl, gleich zu explodieren.
„Interessant, wie du ,Es tut mir leid, da habe ich wohl meine Personalplanung fehlkalkuliert' ausdrückst", warf ich ihr schnippisch an den Kopf. Sie schnappte nach Luft. Ihre Augen funkelten gefährlich, als sie mich nun ins Visier nahm.
„Jetzt ist es also meine Schuld, dass du deine Arbeit nicht schaffst? Ein bisschen weniger private Telefonate oder nächtelanges Kellnern im Café würde wahrscheinlich schon helfen, den Fokus aufs Wesentliche zu legen und deine schlechte Organisation in den Griff zu kriegen", gab sie kühl zurück. Als sie nun auch noch meine Großeltern in die Diskussion hineinzog, brannten meine Sicherungen durch. Was erlaubte sie sich diese frustrierte, untervögelte Alte eigentlich? Wutentbrannt griff ich nach dem erstbesten Gegenstand, den ich finden konnte, und warf ihr in Rage den Tacker entgegen. Überrascht riss sie die Hände hoch.
„Weißt du was? Dann schmeiß deinen Scheißladen doch selber!", platzte es aus mir heraus, dann stand ich auf, schnappte mir meine Jacke und meine Tasche und stürmte aus dem Raum, noch bevor ich über die Bedeutung meiner Worte und meines Handelns nachdenken konnte. Erst, als ich das Treppenhaus erreichte, wurde mir klar, das da gerade passiert war. Ich hatte wegen meinem dummen Gefühlsausbruch meinen Job verloren.
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich aus dem Bürogebäude stürmte, und versuchte, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen, doch es gelang mir nicht. Also setzte ich mich zunächst ins Auto, startete mit zitternden Fingern den Motor und fuhr eine Weile ziellos durch die Stadt, verfluchte die anderen Autofahrer vor mir und versuchte, mich zu beruhigen. Ich wusste nicht einmal, wie ich hierhergekommen war, als ich einige Zeit später auf einem kleinen Parkplatz unweit der Elbe aus dem Wagen stieg.
Nachdenklich ließ ich meinen Blick über das Wasser schweifen, während ich wie in Trance wackelig einen Fuß vor den anderen setzte. Nur langsam lichtete sich der Nebel in meinem Kopf und mein Verstand drang wieder zu mir durch. Immer wieder ließ ich die Auseinandersetzung mit meiner Chefin vor meinem geistigen Auge revuepassieren, doch angenehmer wurde der Ausgang nicht; im Gegenteil. Nach und nach begriff ich, dass ich einen riesigen Fehler gemacht hatte. Obwohl ich schon einige meiner Anti-Aggressions-Sitzungen besucht hatte, hatte ich mich noch immer nicht im Griff. Jetzt, wo meine Wut verrauchte, und ich aufs Wasser sah, nagte das schlechte Gewissen an mir und mein Verhalten war mir richtig unangenehm. War ich von allen guten Geistern verlassen? Ich brauchte diesen Job.
Schwer seufzend strich ich mir die Haare nach hinten und schüttelte über mich selbst den Kopf. Eine seltsame Leere legte sich über mich, fraß mich regelrecht auf. Ich erschrak, als plötzlich das Smartphone in meiner Tasche zu klingeln begann. Einen kurzen Moment haderte ich mit mir, dann zog ich es doch heraus, um einen Blick auf das Display zu werfen. Für einen winzig kleinen Augenblick ertappte ich mich dabei, wie ich mir wünschte, dass meine Chefin mich anrief, um das Problem aus der Welt zu schaffen und mir meinen Job zurückzugeben. Als ich erkannte, wie absurd die Vorstellung war, schüttelte ich spöttisch über mich selbst den Kopf, dann schaute ich auf mein Handy.
Ich biss mir auf die Zunge, als ich stattdessen Martens Namen auf dem Display sah. Einen Moment war ich hin- und hergerissen. Einerseits wollte ich gerade einfach nur mit meiner Wut auf mich selbst allein sein, andererseits ihn nicht ignorieren. Er konnte schließlich nichts dafür. Unentschieden strich ich mir die Haare nach hinten und biss mir hadernd auf die Unterlippe, ehe ich das Gespräch doch entgegennahm, um ihn zu bitten, das Telefonat auf später zu verschieben.
„Hey...", begrüßte ich ihn mit einem gezwungenen Lächeln.
„Hey", wiederholte er.
„Können wir später reden?", bat ich ihn unmittelbar.
„Was ist los?", wollte er wissen. Ich wischte mir lautlos seufzend über die Augen.
„Nichts, ich... es ist gerade einfach schlecht. Kann ich dich zurückrufen?", fragte ich bemüht gefasst.
„Wir können uns auch einfach treffen und dann weiterschauen", schlug er vor.
„Ich will wirklich nicht darüber sprechen", wiederholte ich entschieden.
„Okay. Verstehe. Sollen wir vielleicht einfach was essen gehen, ganz ohne reden?", machte er einen weiteren Vorschlag. Die Vorstellung, jetzt ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen, ganz ohne ihm mein Herz auszuschütten, und mich einfach abzulenken, gefiel mir schon eher. Allerdings hatte ich keine große Lust auf andere Menschen.
„Möchtest du lieber zu mir kommen?
Ja, was soll ich sagen, ist für sie nicht ganz so gut ausgegangen, der Tag. Und weil wir Weihnachten haben, geht es auch schon morgen mit dem nächsten Kapitel weiter :) Denkt ihr, sie ist zu weit gegangen mit ihrer Chefin oder könnt ihr sie verstehen? Und denkt ihr, es gibt noch eine Chance für ihren Job, oder ist der jetzt wirklich weg?
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