10 | Überraschungsbesuch
Cuties, ich wünsche euch einen schönen 2. Advent :) Freut ihr euch schon auf Weihnachten? Oder habt ihr noch gar keinen Bock?
Schwer seufzend strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, ehe ich mich daran machte, das dreckige Geschirr, das sich bereits auf der Anrichte in der Küche stapelte, in die Spülmaschine zu räumen. Das gute Wetter hatte unzählige Menschen auf die Straße gelockt. Auch in Omas Café war seit Langem endlich wieder mal die Hölle los, sodass ich nicht einmal dazu kam, eine kurze Pause zu machen. Nach meiner Arbeit im Büro war ich sofort hergekommen, um sie so gut es ging zu unterstützen. Rasch stellte ich die vielen Gläser, Tassen und Untertassen, Löffel und Gabeln in die Maschine, dann huschte ich wieder aus der Küche in den großen Hauptraum.
Aufmerksam ließ ich meinen Blick über die besetzten Tische schweifen, um zu schauen, ob noch jemand bedient oder abkassiert werden musste. Tatsächlich entdeckte ich zwei ältere Damen im Außenbereich, die sich suchend umsahen. Eine von ihnen hielt bereits eine Geldbörse in der Hand, also druckte ich kurzerhand den Bon an der Kasse aus und machte mich auf den Weg an ihren Tisch.
„Wir würden gern bezahlen", sagte die mit dem Portemonnaie in der Hand und musterte mich erwartungsvoll. Ich legte ihr den Bon auf den Tisch.
„Zehn Euro achtzig", lächelte ich und beobachtete, wie sie ein wenig im Geldfach herumkramte. Dann reichte sie mir ein paar Münzen.
„Das stimmt so", sagte sie großzügig, während ich das Geld zählte. Ganze zwanzig Cent Trinkgeld hatte sie gegeben, und das, obwohl der teure Schmuck um ihren Hals und an ihren Handgelenken darauf schließen ließ, dass sie steinreich war. Doch ich beschwerte mich nicht. Für mich zählte nur, dass der Laden endlich mal wieder besser lief.
„Vielen Dank und noch einen schönen Tag", sagte ich also trotzdem freundlich und räumte die beiden Tassen ab, um sie mit in die Küche zu nehmen. Auf dem Weg dorthin fiel mir meine Oma hinter dem Verkaufstresen auf. Sie war gerade dabei, einen Milchkaffee an der Maschine zu ziehen und schien wieder einmal Schwierigkeiten mit der Technik zu haben. Ausgerechnet heute, wo es schnell gehen musste, streikte der Automat immer mal wieder. Kurzerhand stellte ich die beiden Tassen auf dem Verkaufstresen ab und blieb neben meiner Oma stehen.
„Lass, ich mach das schon", sagte ich, bevor ich mich an die Arbeit machte. Sie lächelte dankbar.
„Nichts, das ich nicht auch hingekriegt hätte", erwiderte sie trotzdem, bevor sie die beiden Tassen für mich in die Küche stellte. Ich versuchte unterdessen, der Kaffeemaschine das Heißgetränk zu entlocken.
„Das nervt so", murmelte ich und tippte auf dem Touchscreen herum.
„Wird man hier auch mal bedient?", hörte ich eine ungeduldige Stimme hinter mir fragen. Ich stutzte, als ich sie erkannte. Überrascht fuhr ich herum und sah geradewegs in Martens Gesicht. Er stand mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und vor der Brust verschränkten Armen am Tresen und musterte mich amüsiert.
„Was machst du denn hier?", fragte ich überrascht und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Seit unserem Spa-Besuch waren bereits ein paar Tage vergangen. Wir schrieben jeden Tag, doch weil wir beide so eingespannt waren, hatte sich ein weiteres Treffen bisher nicht ergeben. Umso mehr freute es mich, dass er unangekündigt hier auftauchte, auch, wenn ich leider überhaupt keine Zeit für ihn hatte. Er ließ die Arme sinken und vergrub seine Hände in den Hosentaschen seiner Jogginghose.
„Ich war gerade in der Nähe und dachte, ich schau mal kurz vorbei", antwortete er.
„Soll ich dir einen Kaffee machen?", fragte ich, als ich auf der anderen Seite des Tresens stehenblieb, die Hände aufstützte und zu ihm aufschaute. Für einen kurzen Augenblick war ich nicht sicher, wie ich ihn begrüßen sollte. Schließlich hatte ich meinen Großeltern noch nicht davon erzählt, dass ich mich mit jemandem traf. Außerdem wusste ich ja nicht einmal, wohin das, was auch immer zwischen Marten und mir war, überhaupt führen würde. Doch er nahm mir die Entscheidung ab, indem er einfach stehenblieb, und keine Anstalten machte, mir einen Kuss zu geben. Ich war hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Enttäuschung, denn auch, wenn es mir lieber war, mich vor meiner Oma zurückzuhalten, vermisste ich das Gefühl, seine Lippen auf meinen zu spüren.
„Nee, danke. Aber eine Cola", antwortete er.
„Schade, dabei hätte ich dich so gern mit einem laktosefreien Vanilla Cream Frappuccino mit Kokosnuss, Mandel, Sahne und Karamell-Topping verwöhnt", grinste ich. Er schmunzelte, dann beugte er sich mir ein Stück entgegen.
„Ich wüsste da ganz andere Sachen", raunte er mir zu.
„Du hast erstmal noch was wiedergutzumachen, schon vergessen?", konterte ich überlegen, bevor ich ihm eine Colaflasche reichte, die er absichtlich so aus der Hand nahm, dass seine Finger dabei meine berührten.
„An deinem Service musst du echt arbeiten", kommentierte er trocken, bevor er den Öffner ansetzte und den Deckel hochdrückte.
„So wie du an deinen Manieren, meinst du?", schoss ich unbeeindruckt zurück. Er schüttelte tadelnd den Kopf, dann setzte er die Flasche an und kippte, statt das Glas zu benutzen, das ich ihm gegeben hatte.
Erst jetzt, als meine Oma aus der Küche zurückkehrte, fiel mir der Milchkaffee wieder ein. Schnell huschte ich zur Maschine herüber, stellte die Tasse auf eine Untertasse und platzierte mit der Zange einen Keks neben dem Löffel. Mir entging nicht, wie meine Großmutter Marten währenddessen neugierig ins Visier nahm.
„Ich bringe das kurz weg. Da hinten ist ein Platz frei. Setz dich doch solang dort rüber", schlug ich Marten vor und deutete mit einem Kopfnicken auf einen der letzten freien Tische am Fenster. Dann ließ ich ihn stehen und brachte der Kundin ihren Milchkaffee. Da sie noch ein Stück Kuchen bestellte, musste er noch ein wenig warten.
„Wer ist denn der junge Mann?", wollte meine Oma wissen, als ich die große Schokoladentorte aus der Kuchenvitrine nahm. Sie musterte mich neugierig.
„Ich kenne ihn aus so einem Kurs", erzählte ich beiläufig, während ich ein Stück abteilte und auf einem bereitgestellten Teller platzierte.
„Sieht ganz schön gefährlich aus mit den vielen Tattoos", stellte meine Großmutter fest und sah noch einmal misstrauisch zu Marten herüber. Der hatte inzwischen sein Smartphone aus der Tasche gezogen und wischte darauf herum. Angesichts ihrer Besorgnis musste ich unwillkürlich an die seltsame Situation im Whirlpool zurückdenken. Als wir uns einen kleinen Schlagabtausch wegen seines Verhaltens geliefert hatten, war Marten fast beiläufig herausgerutscht, dass er schonmal im Gefängnis gesessen hatte. Bis heute dachte ich immer mal wieder darüber nach. Unter anderen Umständen hätte ich genauer nachgehakt, aber erstens hatte er angedeutet, dass er das hinter sich gelassen hatte, und zweitens kannten wir uns noch nicht so gut, als dass es mich überhaupt etwas angehen würde. Außerdem hatte er nicht den Eindruck gemacht, dass er sich etwas von der Seele hatte reden wollen. Vielmehr war es eine Information gewesen, die er eingestreut hatte, damit ich Bescheid wusste, ohne, dass wir die Sache groß thematisierten. Möglicherweise würde ich ihn eines Tages doch nochmal darauf ansprechen, aber dafür mussten wir einander sehr viel näherstehen. Bis jetzt fühlte ich mich noch nicht in der Position, ihn über seine Vergangenheit auszufragen. Fürs erste schob ich die Gedanken beiseite und schenkte meiner Oma ein beruhigendes Lächeln.
„Er ist aber ganz nett", versicherte ich ihr, stellte den restlichen Kuchen zurück und kramte eine Gabel und eine Serviette hervor. Um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen, die ich noch nicht beantworten konnte, schnappte ich mir den Kuchenteller. Sie legte mir lächelnd die Hand auf die Schulter.
„Kümmer du dich mal um deinen Besuch. Du hast sowieso noch keine Pause gemacht", sagte sie, ehe sie mir den Teller aus der Hand nahm und sich an mir vorbeidrückte, bevor ich protestieren konnte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich ihr nachsah. Dann knotete ich meine Schürze auf, legte sie hinter dem Tresen ab, nahm mir ebenfalls eine Cola aus dem Kühlschrank und ging zu Marten herüber. Als er mich bemerkte, sah er zu mir auf und ließ das Handy, auf dem er gerade noch herumgetippt hatte, achtlos in der Tasche seiner Jogginghose verschwinden.
„Tut mir leid, viel zu tun", sagte ich, als ich mich zu ihm setzte.
„Musst dich nicht entschuldigen", gab er verständnisvoll zurück. „Ich hoffe, du hast jetzt keinen Ärger wegen mir."
„Ach was", winkte ich ab und kippte etwas Cola in mein Glas.
„Ich wollte dich einfach nur kurz sehen", sagte er nun unverblümt und sah mir geradewegs in die Augen. Als ich Gefahr lief, mich in dem tiefen Blau zu verlieren, biss ich mir auf die Zunge. Ich mochte es, dass er so direkt war. Er wusste, was er wollte und sagte, was er dachte, statt Spielchen zu spielen. Das gefiel mir.
„Ich freu mich, dass du vorbeigekommen bist", erwiderte ich also, um ihn darin zu bestätigen, alles richtigzumachen. „Ich brauchte sowieso mal eine kurze Pause", ergänzte ich.
„Hat deine Oma irgendwas gesagt?", hakte er interessiert nach und sah mir aufmerksam ins Gesicht.
„Ich bin geflüchtet, bevor sie fragen konnte." Er nickte.
„Hab mir schon gedacht, dass dir das vor ihr vielleicht ein bisschen unangenehm ist. Deshalb hab ich dich auch nicht richtig begrüßt", sagte er etwas leiser. Ich lächelte.
„Danke."
„Nicht, dass ich es nicht gern getan hätte...", fügte er rau hinzu und jagte mir bei der Erinnerung daran, wie es sich anfühlte, von ihm geküsst zu werden, einen wohligen Schauer über den Rücken. Um nicht antworten zu müssen, trank ich einen Schluck aus meinem Glas. Ich hatte es gerade abgestellt, als meine Oma an unserem Tisch auftauchte. In der Hand hielt sie einen großen Teller.
„Ich dachte, ihr möchtet vielleicht etwas essen", sagte sie und stellte ihn zwischen Marten und mir auf dem Tisch ab. Der Duft von frisch getoastetem Brot, Tomaten und Salami stieg mir in die Nase. Erst, als ich nun genauer hinsah, erkannte ich, dass sie uns tatsächlich ein paar Sandwiches gemacht hatte.
„Danke, aber das wäre echt nicht nötig gewesen", lächelte Marten schief und kratzte sich unangenehm berührt am Hinterkopf. Es war offensichtlich, dass er mit dieser herzlichen Geste nicht gerechnet hatte. Mir hingegen war klar, dass meine Großmutter auf diese Weise versuchte, mehr über ihn zu erfahren. Und ihre Taktik schien aufzugehen, denn nun hielt der tätowierte Hüne ihr schief grinsend die Hand hin, die im Vergleich zu ihrer wie eine riesige Pranke wirkte.
„Ich bin übrigens Marten."
„Hallo, Marten", lächelte meine Oma verzückt, während sie ihm die Hand schüttelte. „Ich bin Annemie."
„Freut mich", sagte er, dann warf er einen Blick auf die herrlich duftenden Sandwiches, die selbst mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. „Die sehen wirklich super aus", ergänzte er. Das Lächeln meiner Oma wurde noch ein wenig breiter.
„Dann lasst sie euch mal schmecken", sagte sie, bevor sie sich wieder von unserem Tisch entfernte.
„Nette Frau, deine Oma", schmunzelte Marten, ehe er nach einem der Sandwiches griff.
„Weiß ich", sagte ich, dann nahm ich mir ebenfalls eins und biss herzhaft hinein. Es tat so unglaublich gut, endlich etwas zu essen. Auch Marten probierte seinen ersten Bissen und verdrehte genüsslich die Augen.
„Okay, deine Oma weiß auf jeden Fall, was sie tut", kommentierte er anerkennend und biss direkt noch einmal ab.
„Denk nicht, dass sie immer so ist. Sie möchte sich nur bei dir beliebt machen", lachte ich.
„Hat sie geschafft. Kannst du das genauso gut?", sagte er kauend. Ich winkte frech grinsend ab.
„Dich zu beeindrucken, ist jetzt echt nicht sonderlich schwer", stichelte ich trocken und biss von meinem Sandwich ab. Er lachte empört auf.
„Was soll das denn heißen?"
„Es hat dir gereicht, dass ich mich nicht wie der letzte Körperklaus im Club bewege, um mich anzusprechen", erinnerte ich ihn trocken. Er grinste schief.
„Kann ich leider nicht beurteilen, weil ich keine Ahnung mehr habe, wie genau der Abend verlaufen ist, aber du könntest es mir nochmal zeigen", schlug er frech schmunzelnd vor. Seine Augen funkelten herausfordernd. Ich schüttelte entschieden den Kopf.
„Auf gar keinen Fall..."
„Warum eigentlich nicht?", hakte er ernsthaft interessiert nach, legte die Stirn in Falten und sah mir erwartungsvoll in die Augen.
„Ich bin doch nicht für deine Unterhaltung zuständig", sagte ich bestimmt. Plötzlich wurde er ernst.
„Soll ich dir was sagen?"
„Was denn?", fragte ich.
„Es ärgert mich wirklich, dass ich mich kaum an unser Kennenlernen erinnere...", gestand er leise und senkte seinen Blick. Für einen kurzen Moment wirkte er das erste Mal, seit ich ihn kannte, verlegen.
„Muss es nicht", versicherte ich, damit er sich nicht unnötig den Kopf zerbrach. „Natürlich ist der Abend total unglücklich verlaufen, aber was zählt, ist, was wir jetzt daraus machen..."
Er nickte, dann sah er mir wieder ins Gesicht.
„Was hältst du davon, wenn du bei unserer nächsten Verabredung mein Gedächtnis ein wenig auffrischst?", schlug er vor und biss nochmal von seinem Sandwich ab. Ich sah ihn aus großen Augen entsetzt an. Schließlich erinnerte ich mich selbst nur noch an Bruchstücke, weil ich so viel über den Durst getrunken hatte. Natürlich hatte ich ihm das bis heute nicht gesagt, um den Schein zu wahren. Ich wollte nicht vor ihm eingestehen müssen, dass ich genauso schuld daran war, dass es im Bett nicht mehr geklappt hatte.
„Gar nichts halte ich davon", sagte ich also. „Ich finde, wir sollten das nicht wieder aufwärmen."
Er grinste, sagte jedoch nichts, sondern schob sich das letzte Stück des Sandwiches in den Mund.
„Was?", fragte ich verständnislos.
„Du weißt selbst nicht mehr alles", stellte er treffsicher fest. Ich schüttelte entschieden den Kopf.
„So ein Quatsch", behauptete ich. Er lachte.
„Klar. Mich kannst du nicht verarschen", sagte er und wischte sich über den Mund.
„Rede dir das ruhig ein, wenn du dich dann besser fühlst", überspielte ich meine Unsicherheit selbstbewusst. Er grinste.
„Hast du morgen nach der Arbeit schon was vor?", wechselte er plötzlich abrupt das Thema. Ich runzelte die Stirn.
„Was ist mit dir?", fragte ich irritiert. Er grinste amüsiert.
„Ich merke ja, dass dir das peinlich ist. Wozu also in der Wunde herumstochern?"
„Pfff", machte ich beleidigt. Er lächelte noch immer. Dann legte er den Kopf schief und griff völlig unvermittelt nach meiner Hand.
„Also, kochst du mir morgen was?"
„Seh ich so aus?", fragte ich belustigt.
„Ich muss doch gucken, ob du was taugst", sagte er unbeeindruckt.
„Ob ich was tauge", wiederholte ich empört. „Das sagt der, der nicht mal einen Lückentext ohne mich ausfüllen kann."
Er grinste frech.
„Ich hab meine Stärken eben woanders."
„Ja, im Böse gucken bist du richtig gut", überging ich seine Anspielung. Er lachte.
„Also, was ist jetzt mit dem Essen?"
Ich runzelte die Stirn, tat, als müsse ich zunächst noch Vor- und Nachteile abwiegen, bevor ich ihm antwortete.
„Okay", lenkte ich ein. „Unter einer Bedingung."
Er zog die Augenbrauen hoch.
„Und welche?"
„Du hilfst mir."
Er schnitt eine Grimasse, dann ließ er seufzend seinen Blick schweifen, so, als müsse er wirklich über meine Forderung nachdenken. Schließlich nickte er und sah mir wieder in die Augen.
„Deal."
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich finde Oma ja richtig süß, ne. Und seid ihr auch schon gespannt aufs Essen? Meint ihr, das geht gut? Haha.
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