04 | Girls Talk

Cuties, ich wünsche euch viel Spaß mit dem neuen Kapitel :)

„Okay, klingt wirklich wie eine Freakshow", sagte Sam trocken und nippte an ihrem Cocktail.

„Echt unglaublich", murmelte ich und ließ kopfschüttelnd meinen Blick durch den Raum in wilden Dschungelfarben schweifen. Obwohl es unter der Woche war, war die kleine Bar gut besucht. Alle Tische waren überwiegend mit weiblichen Gästen bis auf den letzten Platz besetzt, was möglicherweise an der Happy Hour lag. Die leise House-Musik, die aus den kleinen Lautsprechern kam, wurde von einem allgemeinen Stimmwirrwarr und klirrenden Gläsern übertönt.

„Du hättest hören sollen, mit welcher Euphorie der Typ die Geschichte mit dem Hund erzählt hat", ergänzte ich und wandte mich wieder meiner besten Freundin zu. Die strich sich grinsend durch die blonden, langen Haare. Es war offensichtlich, wie sehr meine Erzählungen sie amüsiert hatten. Die erste Sitzung war bereits fast eine Woche her, aber die Geschichten von Pflaster-Mike und Dario Dog Smasher waren noch immer so präsent in meinem Kopf, als hätte ich sie gerade erst gehört. Da Sam und ich es in den letzten Tagen nicht geschafft hatten, zu telefonieren, hatte ich mir die gesamte Palette des Elends für unser heutiges Treffen aufgehoben. Aber sie schien sich für etwas anderes zu interessieren.

„Viel spannender finde ich, dass du Marten wiedergetroffen hast", schmunzelte sie amüsiert. Sie musste es immer auf die Spitze treiben. Ich kräuselte spöttisch meine Lippen.

„Ja, ich kann mich auch kaum halten vor Glück", quittierte ich ihre Freude mit einem Augenrollen, während Sam sich grinsend durch die langen, blonden Haare strich.

„Warum bist du dann wieder mit hochgegangen, um diesen Lückentext mit ihm auszufüllen?", hakte Sam neugierig nach, während ich mit dem Strohhalm in meinem Cocktail herumstocherte.

„Kann gut sein, dass ich die zwei erlaubten Fehltage nochmal wann anders brauche", räumte ich ein.

„Und er war im Anschluss nicht enttäuscht, dass du euren Deal gebrochen und ihm keine Beratung gegeben hast, was er beim nächsten Mal besser machen kann?", feixte Sam. Ich hob abwehrend die Hände.

„Entschuldigung, aber ich musste dringend noch ein paar E-Mails schreiben, um nicht wieder Stress mit meiner Chefin zu bekommen", wiederholte ich meine vor Marten vorgebrachte Entschuldigung. Sam zog die Augenbrauen hoch.

„Wir wissen beide, dass das nur ein Vorwand war", stellte sie treffsicher fest. „Reizt es dich kein bisschen, ihm die Chance zu geben, es wiedergutzumachen?"

Sie musterte mich erwartungsvoll. Ich schüttelte entschieden den Kopf.

„Auf gar keinen Fall. Das Thema ist durch. Der Kurs zieht sich noch eine ganze Weile, also muss ich gezwungenermaßen regelmäßig Zeit mit ihm verbringen. Alles, was zwischen uns passiert, könnte das Ganze noch weitaus unangenehmer machen, als es letzte Woche gewesen ist. Und ich hätte keine Chance, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn irgendwas nicht gut läuft", erklärte ich fest entschlossen und meinte es auch so. Sam seufzte schwerfällig.

„Schade."

Ich lachte.

„Dasselbe denkt er wahrscheinlich auch", sinnierte ich schief grinsend. Sam deutete mit einem Kopfnicken auf mein üppiges Dekolletee.

„Und du wünschst dir echt nicht, dass er sie mit seinen starken, großen Händen mal anfasst?"

Ich verdrehte die Augen. Sie wusste genau, dass ich es nicht leiden konnte, wenn Männer mich auf meine sexuellen Reize reduzierten.

„Das ist ein Anti-Aggressions-Kurs und kein Tinder für gestörte Psychopathen", sagte ich mit einem amüsierten Lächeln. „Die Kerle, die da hinkommen, haben alle 'ne Macke, das versichere ich dir."

Ich trank den letzten Schluck meines Drinks. Dann schob ich das leere Glas in die Mitte des viereckigen Tisches.

„Schade. Dabei hätten deine Großeltern sich bestimmt gefreut, wenn du dort den Mann fürs Leben kennenlernen würdest", witzelte sie amüsiert. Ich schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände.

„Um Gottes Willen", lachte ich.

„Wieso? Die sind mittlerweile wahrscheinlich froh, wenn du irgendwas halbwegs Brauchbares mit nach Hause bringst", feixte meine beste Freundin weiter. Als sie meine Familie erwähnte, wurde plötzlich mein Herz schwer. Ich schnitt eine traurige Grimasse.

„Ach, die haben ganz andere Sorgen", seufzte ich bedrückt. Sam schenkte mir ein mitleidiges Lächeln.

„Aber du hilfst ihnen, wo du nur kannst, damit sie das Café halten können", erinnerte sie mich ermutigend. „Das wissen sie sicher sehr zu schätzen."

„Noch mehr würden sie es vermutlich zu schätzen wissen, ich würde meine Wut nicht an den Kunden auslassen", kommentierte ich trocken und entlockte Sam ein amüsiertes Grinsen.

„Plagen dich jetzt doch Schuldgefühle?", hakte sie neugierig nach, wissend, dass ich das Ganze bisher eher auf die leichte Schulter genommen hatte, bis ich zu diesem bescheuerten Kurs verurteilt worden war.

„Naja, ich weiß schon, dass ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe, aber im direkten Vergleich zu den Psychos, die dorthin kommen, bin ich nun wirklich harmlos. Und eigentlich ist ja auch gar nicht wirklich was passiert. Ich meine – bleibende Schäden hat die blöde Kuh jedenfalls nicht davongetragen, auch, wenn sie das verdient hätte", schweifte ich mürrisch aus und kippte einen Schluck meines Cocktails die Kehle hinunter.

„Trotzdem war deine Reaktion nicht angemessen", redete sie mir einmal mehr ins Gewissen. Ich schätzte sie sehr dafür, dass sie mir keinen Honig um den Mund schmierte, sondern mir immer offen sagte, was sie dachte – auch, wenn ich es nicht mochte, mich mit meinen Schwächen auseinandersetzen zu müssen.

„Ich weiß. Und ich arbeite daran. Schon Oma zuliebe, damit sie sich keinen Kopf um alles machen muss. Das ist tatsächlich das, was mir wirklich ans Herz geht", gestand ich. Sam nickte verständnisvoll und legte ihre Hand auf meine.

„Ich weiß", sagte sie. „Aber ich bin mir sicher, dass alles gutwerden wird. Und wenn ihr noch mehr Unterstützung braucht, musst du nur was sagen. Ich bin da, wenn ich irgendwie helfen kann", sagte sie zuversichtlich und schenkte mir ein ermutigendes Lächeln. Ich erwiderte es. Es war schön, eine beste Freundin wie sie zu haben, auf die ich mich in jeder Lebenslage verlassen konnte.

„Danke", sagte ich gerührt. Sie schmunzelte.

„Und nach dem Café kümmern wir uns um Marten..."

Ich verdrehte grinsend die Augen.

„Gib es auf, okay? Da wird nichts mehr laufen. Der Zug ist abgefahren. Außerdem lache ich mir bestimmt keinen an, der ein Aggressionsproblem hat."

Sam legte nachdenklich den Kopf schief und stützte ihr Kinn auf die Hand.

„Wie oft, sagtest du, musst du dort noch hingehen?"

„Noch neunzehn Mal", murmelte ich und nippte an meinem Drink.

„Das überstehst du schon", sagte Sam ermutigend und legte ihre Hand auf meine. „Und wer weiß, vielleicht hilft es dir ja tatsächlich, deine Wut in den Griff zu bekommen."

Ich stellte klirrend das Glas auf dem Tisch ab.

„Ich habe sie im Griff", protestierte ich. Sam schmunzelte.

„Kein Grund, patzig zu werden."

Es war offensichtlich, wie viel Spaß es ihr machte, mich aufzuziehen. Wir kannten uns bereits seit der Grundschulzeit, also wusste sie genau, wie sie mich ärgern konnte. Da ich sie so gernhatte, konnte ich ihr dennoch nie böse sein. Außerdem wusste ich, dass sie es nicht so meinte. Dass wir dem jeweils anderen gern mit kleinen Sticheleien auf die Nerven gingen, änderte nichts an unserer engen Freundschaft.

Es tat gut, etwas Zeit mit ihr zu verbringen und die Seele baumeln zu lassen, mich mit ihr auszutauschen und zu lachen. Meine Freude darüber wurde getrübt, als mein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk fiel. Wir hatten so viel Spaß zusammen, dass ich die Zeit vergessen hatte. Schon in ein paar Stunden würde ich meiner Oma bei den Vorbereitungen für den Morgenbetrieb helfen müssen.

Ursprünglich hatte sie dafür eine Aushilfe eingestellt, doch die war seit zwei Wochen einfach nicht mehr gekommen, sodass wir gerade nach einem Ersatz suchten. Solang wir niemanden fanden, der uns für kleines Geld unterstützte, half ich meiner Oma auch dabei aus, obwohl ich seit der Entlassung einer ihrer Mitarbeiterinnen mit dem Service schon genug zu tun hatte. Wenn ich nicht gerade irgendwelche Schichten im Café übernommen hatte, schlug ich mich im Büro mit Papierkram herum, der meinem Großvater immer schwerer fiel. Aber jemanden für die Bürotätigkeiten einzustellen, wäre teurer, als eine Aushilfe in der Gastronomie zu beschäftigen. Schweren Herzens seufzte ich, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und musterte Sam reumütig.

„Tut mir leid, aber ich muss los. Sonst komme ich nicht aus den Federn..."

Sam schenkte mir ein warmes Lächeln. Ich war froh, dass sie Verständnis für mich hatte.

„Klar." Sie gähnte herzhaft. „Ich muss auch langsam ins Bett, war ein langer Tag."

Sie schaute sich nach dem Kellner um, während ich in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie wühlte. Als wir bezahlt hatten, fuhr ich nach Hause.

In meiner Gegend wohnten überwiegend junge Menschen wie Studenten und Auszubildende, also war meine Wohnung dementsprechend so billig wie winzig, aber für mich allein vollkommen okay. Mein Apartment hatte einen Laminatboden, eine luxuriöse Fußbodenheizung, große Fenster und einen verschwindend kleinen Balkon. Beim Betreten der Wohnung stand ich bereits halb in meiner kleinen, giftgrünen Einbauküche. Sie war bei meinem Einzug schon drin gewesen und in gutem Zustand, deshalb hatte ich sie nicht ersetzt. Die Mini-Küchenzeile bestand lediglich aus einem Unterschrank, einer Spüle, einem Zweiplattenherd, einem Oberschrank links und einer integrierten Mikrowelle rechts. Der zweite Unterschrank war eigentlich keiner, denn darin befand sich der Kühlschrank. Auf der gegenüberliegenden Seite lag das weiß gekachelte Bad mit Dusche und Toilette. Es war gerade groß genug, dass ich mich einmal um mich selbst drehen konnte.

Als ich mein winziges Reich betreten hatte, schloss ich die Tür hinter mir und atmete tief durch. Auf eine Garderobe hatte ich aufgrund der geringen Wohnungsgröße komplett verzichtet. Da ich bis heute kein Schlüsselbrett angebracht hatte, schob ich den Schlüssel bloß von innen ins Schloss. Dann hängte ich meine Blouson-Jacke an den einzig existierenden Kleiderhaken, direkt an der Wohnungstür. Anschließend streifte ich mir die Sneakers von den Füßen und stellte sie zur Seite. Erschöpft betrat ich das Wohn- und Schlafzimmer. Es bot gerade ausreichend Platz für mein weißes Holzbett. Links stand ein ebenfalls weißer, passgenauer Kleiderschrank. Gegenüber führten bodentiefe Fenster auf den kleinen Balkon, auf den lediglich ein schmaler Messingtisch, eher ein Tischlein, und zwei kleine Holzstühle passten. Die Stadt lag bereits dunkel unter mir, lediglich erhellt von einer Vielzahl heller Lichter, die sich wie ein leuchtender Teppich unter mir erstreckten. Müde schälte ich mich aus meinen Klamotten und tauschte sie gegen ein großes T-Shirt, bevor ich ins Bad huschte, um mich abzuschminken, ehe ich völlig übermüdet ins Bett fiel.

In der folgenden Nacht schlief ich viel zu wenig, doch als mich der Wecker aus meinen Träumen riss, blieb mir keine Zeit mehr, liegenzubleiben und zu mir zu finden. Ich war kein Morgenmensch und brauchte eine gewisse Anlaufzeit, bis ich ansprechbar war. Um anderen mit meiner Eigenart nicht auf die Nerven zu gehen, gönnte ich mir deshalb oft zunächst einen Kaffee. Danach ging es meistens.

Mürrisch schlug ich die Bettdecke zur Seite, huschte ins Bad und nahm eine kurze Dusche, bevor ich mich in eine enge Jeans quetschte, die meine weiblichen Rundungen hervorhob, und mir einen lässigen Oversized Strickpullover überwarf, den ich seitlich in den Hosenbund steckte. Dann machte ich mich auf den Weg.

Es war ein schöner Frühlingstag. Der Himmel war strahlend blau und nahezu wolkenlos. Warme Sonnenstrahlen kitzelten meine Haut und hoben meine Laune ein wenig, auch, wenn die Chancen, dieses herrliche Wetter zu genießen, heute eher schlecht standen. Schließlich würde ich den gesamten Tag im Café verbringen.

Wie immer brummte um diese Uhrzeit bereits das Leben in diesem Viertel der Stadt, überall waren Menschen unterwegs, die wie die Bienen durch die Straßen schwirrten. Die meisten fuhren vermutlich wie ich zur Arbeit oder zur Uni. Es würde sicherlich nicht lang dauern, bis weitere dazukamen, die einfach nur das schöne Wetter genießen wollten. Dann würden sich in den niedlichen Straßencafés wieder Rentner und junge Mütter mit Kindern tummeln, die ein Frühstück oder einen Cappuccino in der Sonne genossen.

Meine Großmutter stand bereits hinter dem weißen Holztresen, als ich ankam. Noch war niemand da, aber das würde sich ändern, sobald wir in einer Dreiviertelstunde öffneten. Die weißen Holzstühle standen ordentlich verkehrtherum auf den weißen Holztischen, die bequemen Sitzauflagen stapelten sich auf einer der gemütlichen Sitzbänke, die die Seiten des Geschäftsraumes säumten. Ich hatte gerade meine Jacke ausgezogen und begonnen, mit anzupacken, als der Bote der Bäckerei mit einer schweren Kiste zur Tür hereinkam. Er belieferte uns jeden Morgen mit frischen Backwaren, die wir unseren Gästen zum Frühstück servierten. Auch heute schenkte er meiner Oma ein freundliches Lächeln, dann stellte er die frischen Brötchen ab und trug nach und nach weitere in die kleine Küche im hinteren Bereich des Ladens. Ich bereitete unterdessen die Tische vor, kümmerte mich um die Dekoration und half meiner Großmutter dabei, die frisch polierten Gläser und Tassen auf den Tresen zu arrangieren, während sie die letzten Vorbereitungen für den Tag traf. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee lag in der Luft. Wir hatten gerade das letzte Geschirr weggeräumt, als die ersten Kunden kamen, um sich ihren Coffee to go oder ein belegtes Brötchen für die Arbeit mitzunehmen.

Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Ich rotierte zwischen dem Service an den Tischen, während Oma sich um die Laufkundschaft an der Theke kümmerte. Als weniger zu tun war, kümmerte ich mich um den Papierkram und überließ meiner Oma das Feld.

Ich brauchte bis zum Nachmittag, um mich durch den Stapel an Rechnungen, offenen Zahlungsständen und Bestellungen zu wühlen. Da die Zeit immer mehr drängte und der Kurs bald startete, endschied ich, im Anschluss noch einmal herzukommen.

Noch hatte ich keinen Weg gefunden, mich zu drücken, also musste ich mich auf den Weg machen, um nicht zu spät zu kommen. Die Motivation, mir weiterhin haarsträubende Geschichten anzuhören, hielt sich in Grenzen, doch viel wichtiger war es mir, nichts von mir selbst preisgeben zu müssen. Also legte ich mir schonmal ein paar passende Ausreden zurecht, um nicht über mich selbst sprechen zu müssen und hoffte, dass ich damit davonkam. Doch vielmehr beschäftigte mich, wie ich Martens Annäherungsversuche unterbinden konnte. Das letzte, was ich gerade gebrauchen konnte, war eine Liaison mit einem großkotzigen Choleriker.

Ja, ich weiß, ein bisschen unbefriedigend, so ganz ohne Marten. Aber es kann ja nicht schaden, wenn ihr Lou ein bisschen besser kennenlernt; und ihre beste Freundin natürlich auch :) Irgendwie witzig jedenfalls, dass sie sich in den Kopf gesetzt hat, Martens Annäherungsversuche zu unterbinden. Ob das so klappt, weiß ich ja nicht unbedingt... Und ihr?

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