Monster




Nach unserer Kissenschlacht in der Nacht, die bis nach drei Uhr angedauert hatte, saßen wir beide todmüde am Frühstückstisch  und starrten die Speisekarte an. ,,Wieso nochmal mussten wir um acht Uhr hier sein?" ,fragte Zack sichtlich müde und starrte Löcher in sein Glas voll Wasser. ,,Weil ein gewisser jemand mich gestern nicht schlafen lassen hat und das jetzt meine verdiente Rache ist", gab ich trocken zurück und warf ihm einen anschuldigen Blick zu. Isaac stieß ein Gähnen aus bei dem, er schwer zu verstehend, nuschelte: ,,Wenigstens hab ich gewonnen." Mit arrogant hochgehobener Augenbraue  und verschränkten Armen sagte er: ,,Kannst du ja nicht von dir behaupten."

Den ironischen Tonfall konnte man dabei natürlich kaum überhören. Eigentlich genoss ich Zacks und meine kleinen Streitereien sogar, wenn ich ehrlich war. ,,Jaja, halt die Klappe, du weißt ja wohl genau, wer gewonnen hat", gespielt übertrieben verdrehte ich die Augen und dachte erneut an die vergangene Nacht. Ich hatte Isaac Foster geküsst, zwar nur auf die Stirn, aber dennoch - bei dem Gedanken daran bekam ich irgendwie ein mulmiges Gefühl im Magen. Ich wusste selbst nicht, was es war, ob es sich gut anfühlte oder ich im Scham versinken wollte. Ich wollte es eigentlich eher verdrängen, jedes Mal wenn ich aber in Zacks, nun nicht mehr einbandagiertes, Gesicht sah, war ich gezwungen mich diesen Gedanken wieder auszusetzen. 

Inzwischen hatte sich zwischen dem Schwarzhaarigen und mir immerhin so etwas wie eine Freundschaft aufgebaut. Um ehrlich zu sein, ist es wahrscheinlich die aufrichtigste Freundschaft, die ich je hatte. Ganz egal, ob er ein Mörder ist oder nicht. Jemand wie Isaac kann mich nicht kritisieren, und ich, die ständig nur versucht ihre bestehenden Freundschaften zu erhalten und jemandem wie ihm hilft, kann ihm auch schlecht etwas vorwerfen. ,,Wenn du meinst", behauptete er und stützte sich mit einem Ellenbogen auf dem Tisch ab, bevor er sein Kinn auf seine stützende Faust legte und mich heimtückisch angrinste. Ich beugte mich über den schmalen Tisch vor und schnipste mit einem gleichermaßen provozierendem Lächeln, wie seinem, gegen Isaacs Stirn, wobei ich blaffte: ,,Meine ich, Idiot"

,,Ach ja?", höhnte er und trat mir unter dem Tisch auf den Fuß, sodass ich mir ein erschrockenes Aufschreien verkneifen musste. Aua, das tat grad echt weh. Zack kann echt fies sein, aber stark ist er, das muss man ihm wirklich lassen. ,,Ja! Und jetzt lass mich in Ruhe. Der Klügere gibt nach und eigentlich wissen wir doch beide, wer recht hat", funkelte ich ihn an und machte bei meinem letzten Satz eine abwertende Handbewegung. ,,Ja, ich", nahm er sich das letzte Wort und ließ sich entspannt in seinem Stuhl zurückfallen. War klar, dass er sich das immer noch einbildet, Vollpfosten.


Wir hielten unsere herausfordernden Blicke aufrecht, bis schließlich jemand kam und sagte, er würde unsere Bestellungen aufnehmen, sobald er mit dem Abräumen der Tische fertig wäre. Ab diesem Zeitpunkt musste ich dem lese- und schreibunfähigen Zack die Speisekarte in Kurzform wiedergeben, damit er sich so schnell wie möglich etwas aussuchen konnte. Wie zu erwarten gab es davon mehr als nur eine Sache, viel mehr die halbe Speisekarte, wobei er jede Nahrung mit zu hohem Gemüseanteil vehement verneinte und sich mit einem ,,sowas brauche ich nicht!", gegen meine Vorschläge wehrte.


Letzten Endes überlebte er die Nahrungsaufnahme ohne einen Krankenhausaufenthalt und wir konnten uns schon wieder auf den Rückzug in unser Zimmer vorbereiten, als ich beschloss, schnell eines der Messer mitzunehmen, das ich nicht benutzt hatte. Isaac, der weiter von der Ausgangstür entfernt gesessen hatte, erhob sich bereits und ging mit Schulterblick auf mich etwas langsamer an dem Platz vorbei, auf dem ich saß. Fragend sah er auf mich herab, während ich mir, auf die Bedienungen achtend, das ausgewählte Speisemesser in den Ärmel meines Oberteils schob und es dort mit der Handfläche vor einem Fall absicherte.

Eilig griff ich mit der freien Hand nach Isaacs Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, um mir von ihm aufhelfen zu lassen, ehe wir auch schon auf die Tür zugingen und den steril, mattgrau und weiß gestalteten Raum verließen, der zunehmend an die Gestaltung der anderen, bisher von uns gesehenen Räume erinnerte. Zacks verwirrter Blick war dabei bedauerlicherweise nicht zu übersehen, was ich auch nicht unerwähnt ließ, als wir uns wieder vor dem Aufzug befanden: ,,Wieso hast du eigentlich wieder so dumm geglotzt?" ,,Wovon redest du denn bitte jetzt schon wieder?", beschwerte er sich, die Augen verdrehend und beugte sich mit genervtem Gesicht zu mir herunter.

Ich drückte seine Hand etwas fester und hob unsere miteinander verschränkten Hände zwischen unsere Gesichter, wobei jeweils kaum Abstand zwischen Hand und Gesicht blieb. ,,Ja und jetzt? Was ist damit?", fragte er mich verständnislos und starrte mich ausdruckslos an. Ich kann ihm jetzt ja schlecht sagen, dass alle Leute hier alle denken, wir seien zusammen. ,,Du sollst dich nur nicht immer so erschrecken. Die Leute denken nämlich, es wäre selbstverständlich, okay?", gab ich zu verstehen und ließ unsere Hände wieder kraftlos sinken.

,,Wieso sollten die denn bitte auf uns achten?", blaffte der Schwarzhaarige mich an und kam mir noch näher - so wie er es immer tat, wenn er etwas nicht verstehen und mit mir diskutieren wollte. Das habe ich in den letzten Tagen an Zack beobachtet. Er macht das wirklich immer wieder, stellte ich mit einem leisen, belustigten Schnauben fest. ,,Ich raff's echt nicht. Was gibt es denn jetzt schon wieder zu Lachen? Ich hab dir doch eben eine Frage gestellt", wiederholte Isaac genervt und sah mich mit zuckender Augenbraue an.

,,Stell dir einfach vor, dass alle Leute immer, wirklich immer dabei sind, dich zu beobachten. Sie achten darauf was du tust und anziehst. Sie werden dich immer für alles mögliche verurteilen können und erinnern sich an all deine Fehler", versuchte ich einen Erklärungsansatz zu liefern, den der Schwarzhaarige verstehen könnte. Jedoch sah mich dieser nur ahnungslos an und behauptete: ,,Denkst du wirklich Fremde würden sich solche Mühe machen? Du hast sie nicht mehr alle. Kann denen doch egal sein und dir kann es auch egal sein, was die ganzen Hirnlosen denken. Sollen sie doch machen, wenn die Idioten nichts anderes zu tun haben"

Unsanft schnippte er mir gegen die Stirn und grinste mich belustigt an: ,,Ich hab gedacht, du wärst zu schlau für so dumme Gedanken. Darauf mir sowas einzubilden, wäre ja nicht mal ich gekommen" Von sich selbst überzeugt richtete er sich wieder zu gewöhnlicher Größe auf und zog mich hinter sich her, in den nun angekommenen und geöffneten Aufzug. Will er jetzt damit angeben oder was? Zack ist echt unglaublich. Was bildet ausgerechnet er sich ein, klüger zu sein als ich? Wem musste ich denn bitte eben noch die Speisekarte vorlesen?

Zwar waren Isaacs Worte eigentlich nett gewesen, dennoch reizte es mich, wie eingebildet er sich manchmal einfach verhielt, nur um mich zu nerven. Klar machte es einerseits Spaß, aber andersherum konnte ich es wirklich nicht ausstehen, wenn der Schwarzhaarige dann wirklich im Recht war. Was hatte ich mir eigentlich die ganze Zeit eingebildet? Es war doch selbstverständlich, dass man ab und zu angesehen wurde, oder nicht? Wahrscheinlich achtete hier niemand so genau darauf, was wir taten, so wie ich es mir die ganze Zeit lang vorgestellt hatte.

Mit Zacks Hand in meiner liegend verließ ich den Aufzug mit etwas weniger Verunsicherung als ich ihn betreten hatte und wir schlenderten durch den Gang zu unserem Zimmer, das ich mithilfe der uns gegebenen Karte öffnete. Angekommen ließ ich seine Hand los und zog ich mir die Schuhe schnell aus, indem ich sie mir von den Füßen trat, ehe ich den Raum mit dem großen Bett betrat, auf dem die Bettdecken und Kopfkissen unordentlich zerknüllt lagen und mich auf den Boden am Fußende setzte.

Kurz horchte ich noch, ob Isaac nun in den Raum kommen würde. Als ich mich vom Gegenteil überzeugt hatte, ließ ich schnell das geliehene Messer in meine Hand rutschen und unter das Bett gleiten. Ich würde ihm meine Ausbeute später zeigen, beschloss ich und sprang wieder auf die Beine, um mich daran zu machen, das Bett wenigstens ein wenig ordentlicher zu machen. Ich schnappte mir meinen Laptop, der von dem ganzen im Koffer rumgeschmissen und getreten werden zu meinem unwahrscheinlichen Glück keine Schäden davongetragen hatte.

Mit ihm in meinen Händen schmiss ich mich auf das nur grob hergerichtete Bett und begann erneut, mich besser über unser Ziel zu informieren. Es war nicht wirklich schwer, sich ein Bild von der Einrichtung zu machen. Da sie schon etwas älter war, gab es noch viele alte Grundpläne, die nicht wirklich von der nun vorhandenen Version abweichen könnten. Irgendwann schien Zack sich neben mich gesetzt zu haben und ich zuckte leicht zusammen, als ich dies schließlich wahrnahm. ,,Seit wann sitzt du hier?", fragte ich und hielt vor Schreck immer noch meine Hand an meiner Brust und nörgelte: ,,du hast mich total erschrocken, weißt du das?"

,,Sehen tu ich's auf jeden Fall", grinste er mich dümmlich an und rückte näher heran, während er fragte: ,,Was ist denn? Wolltest du was zeigen? Wenn ja, zeig her" Ich warf dem Schwarzhaarigen einen tödlichen Blick zu, als dieser nach dem oberen Rand des Bildschirms griff und ihn zu sich drehte, als wäre ihm nicht bewusst, dass er gerade seine ganzen Finderabdrücke auf meinem Bildschirm hinterlassen hatte. Will er mich verarschen?

Schon wieder tippte Zack einfach schamlos auf den Bildschirm. ,,Das ist das Gebäude in dem Ray ist, richtig?", erkundigte er sich und sah mich etwas unsicher an, sobald er meinen Blick bemerkte. ,,Ja,", gab ich stumpf als Antwort zurück und fuhr fort: ,,und hör auf mit deinen Pfoten auf dem Bildschirm rum zu tippen, sonst lass ich dich gleich mit einweisen. Du machst mich warnsinnig" ,,Dann kannst du ja auch mitkommen", behauptete Isaac schlichtweg und zog eine eingebildete Fratze.

Langsam wirklich von unseren Streitereien gereizt, seufzte ich: ,,Ich möchte dir das Gelände zeigen, damit du weißt, wie dort alles aussieht. Sonst verläufst du dich noch und kommst nicht mehr lebendig raus" Selbstbewusst schüttelte mein Nebenmann den Kopf und sagte: ,,Ich bin auch aus dem Knast rausgekommen, denkst du wirklich ich verlauf mich an so einem gottverdammten Ort? Im Vergleich dazu, kann das da wirklich nicht kompliziert sein."

Respektvoll nickte ich bei seiner kleinen Geschichte, entgegnete aber: ,,Das Gebäude ist so aufgebaut, dass sich mögliche Flüchtende dort verlaufen. Das Personal muss mehrere Rundgänge machen und alle Gänge auswendig lernen, bevor sie eingestellt werden. Alles um sicher zu gehen, dass sie sich nicht verlaufen" Als Antwort bekam ich nur ein ignorantes Schulterzucken: ,,Ich hatte sowieso vor, durch das Fenster zu kommen. Sieht bestimmt auch besser aus" Entgeistert hab ich ihm den ,,bist du warnsinnig?"-Blick und gab ihm mit besorgter Stimme zu bedenken: ,,Dir ist schon klar, dass du auch einfach sterben kannst, oder? Einen solchen Sprung überlebt kein Mensch ohne Verletzungen!"

Mit einem sanften Lächeln legte Zack seine Hand auf meinen Kopf und tätschelte meine Haare behutsam: ,,Was für ein Glück, dass ich ein Monster bin"

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(1806 Wörter)

Naaa, guckt mal, wer wieder da ist ╰(‵□′)╯okay, okay ich hör schon auf :/ Es tut mir ja Leid, also wirklich (es tut mir übrigens immer leid, wenn ich das sage ;-;) bitte hatet mich nicht.

Ich hab den Part sogar extra lang gemacht! Als Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat, versteht sich ja von selbst :) und auch, um mich wieder für alles zu bedanken, weil das sonst echt unhöflich von mir wäre, euch hier 1200 Worte für die erreichten 25k hinzuklatschen xD

Und weil ich mich eigentlich möglichst kurz halten möchte, um gleich schlafen zu gehen und weil ich auch nicht wirklich viel zu schreiben habe, kommen gleich auch schon die Zahlen. Übrigens weiß ich auch nie, ob dieser Part des Kapitels hier (den ihr grad lest) euch überhaupt interessiert, weil die Kapitel immer nur zu 71% gelesen werden ;-; sagt bitte bescheid, wenn euch das nervt und ich es lassen soll :)

Stand: 27.06.2021 02:06 Uhr

Reads: 25.402

Votes: 1.330 das ist so viel Liebe, das hab ich gar nicht verdient :)

Kommentare(über die ich mich immer freue): 664

Ich hab immer Angst, dass ich euch für euren Support gar nicht genug zurückgeben kann, aber vielen Dank an alle Leser! Ihr bekommt alle so ein Lob am Ende des Buches <3 Versprochen

(2029 Wörter) und damit bis jetzt am meisten :D

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