Kapitel 1

Freitag, 22:43 Uhr

Es war Freitagabend, nach dem Kino hatte ich mich von meinen Freunden verabschiedet und war nun auf dem Weg die Straße herunter zu den Bushaltestellen zu gehen, da hörte ich bereits, wie jemand etwas entfernt hinter mir herlief. Ich werde verfolgt!, schoss es mir durch den Kopf und ich zwang mich dazu, ruhig zu bleiben und mir nichts anmerken zu lassen. Gerade nachdem ich an einem Passanten vorbei gehuscht war, bog ich in eine kleine Seitengasse ab, innerlich in der Hoffnung, mein Verfolger würde es mir gleichtun.

Und tatsächlich, nach nur einigen Sekunden bog eine Gestalt um die Ecke, ihr suchender Blick fiel auf mich und verharrte auf mir. Ich lehnte neben ein paar dieser riesigen, stinkenden Mülltonnen, die in denen in so manchen Filmen auch Leichen versteckt werden, an der Wand und blinzelte meinen Verfolger mit dem Kaputzenpullover nun gleichgültig an und wartete darauf, dass dieser das Wort ergreifen würde. Die Straßenlaternen in seinem Rücken verbargen sein Gesicht in den dunklen Schatten der Gasse.

„Willst du so gerne sterben, dass du schon freiwillig in diese Gasse gegangen bist?", fragte mich eine männliche Stimme mit einem boshaften Unterton.

,,Nein.", antwortete ich mit fester Stimme. „WA-", begann der Mann zu brüllen, doch ich unterbrach ihn schnell: „Ich habe nicht vor, mich von dir umbringen zu lassen. Denkst du ehrlich, ich hätte nicht gemerkt, dass ich verfolgt werde? Dein Name ist Isaac Foster, richtig? Ich sehe die Nachrichten, natürlich weiß ich, dass aktuell ein berüchtigter Serienmörder sein Unwesen in dieser Stadt treibt und wie unsicher diese Gegend bei Nacht ist Ich habe sogar insgeheim gehofft dir hier irgendwann zu begegnen." Er gab für einige Zeit keinen Mucks von sich, als hätte es ihm die Sprache verschlagen, dass ich seinen Namen genannt hatte.
,,Woher kennst du meinen verdammten Namen und warum zum Teufel bist du nicht weggerannt, als ich dich verfolgt habe?! ", fuhr er mich sauer und zugleich vielleicht sogar etwas schockiert an.

Ein Grinsen musste ich mir verkneifen. Mit ruhiger Stimme erwiderte ich: „Weil ich ganz einfach keine Angst vor dir habe. Ich war ziemlich neugierig auf dich. Davon abgesehen wäre es wahrscheinlich dumm gewesen anfangen zu laufen, sobald ich dich bemerkt hätte, nicht wahr? Ich meine, das ist es doch was einen Mörder so richtig in Mordlust versetzt, oder?" Neugierig musterte ich die Gestalt, tatsächlich beschäftigten mich die Gedanken, die Mörder hatten und wie es überhaupt so weit kommen konnte, dass ein Mensch einen anderen tötete ungemein.

Der Mann im Kaputzenpullover wandte seinen Blick beschämt zur Seite und ließ die große, schwarze Sense in seiner Hand etwas lockerer in der Hand liegen und zu Boden sinken. Dann gestand er mit leiser, undurchdringlicher Stimme: „Ja, das stimmt wohl, aber warum hast du dann keine Angst vor mir?", seine Stimme wurde wieder härter: „Wenn du doch selbst schon weißt, dass ich ein Mörder bin!"

„Wie gesagt, ich habe die Nachrichten gesehen. Das alles hat mich neugierig gemacht. Es mag zwar leichtsinnig sein, aber irgendetwas sagt mir, dass hinter dir mehr steckt als nur ein stinknormaler Gesiteskranker der aus Lust und Laune Leute absticht. Ich hoffe mal, du enttäuscht meine Erwartungen nicht, ansonsten wäre das alles wohl ziemlich blöd für mich gelaufen...", gab ich achselnzuckend zurück. Eigentlich wusste ich selbst nicht genau, wie ich auf so eine Idee gekommen war. Aber jetzt steh ich eh schon hier, also was soll man machen.

Seine Hand schlang sich blitzschnell wieder um seine Sense, er raste auf mich zu, drückte mich mit dem anderen Arm gegen die Wand, dabei packte er grob mein Gesicht. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren, so nah war er meinem Gesicht gekommen, als er mich mit funkelnden Augen anfauchte: „Wehe du lügst mich an! Ich kann Lügen nämlich auf den Tod nicht ausstehen!" Schmerz fuhr mir durch den Hinterkopf, dennoch hielt ich seinem durchdringenden Blick trotzig stand.

„Tja, ich lüge auch nicht,", sagte ich standhaft: „Übrigens ist ein weiter Mord doch wirklich das letzte, was du auf deiner Flucht gebrauchen kannst, hab ich nicht recht? Außerdem bezweifle ich irgendwie, dass diese Seite deiner Sense scharf genug ist, um mir den Hals aufzuschneiden.", merkte ich nachdenklich, aber auch leicht triumphierend an, während ich die Sense, so gut es ging, betrachtete. Nicht nur hatte er mein Gesicht gepackt und drückte mich damit gegen die Mauer in meinem Rücken, sondern presste mir gleichzeitig auch die stumpfe Seite seiner Klinge gegen meinen Hals.

Isaac starrte mich nur sauer an, bevor er die Augen zusammenkniff: „Wenn ich wollte, könnte ich dich problemlos auch mit dieser Seite töten. Aber das wäre auch mit bloßen Händen kein großes Problem." Das war eine unmissverständliche Drohung. Mein Blick glitt wieder zu seinen Augen, die immer noch größtenteils in Dunkelheit gehüllt waren. „Willst du denn?", fragte ich nun vorsichtig nach und nahm langsam meine Hand aus meiner Tasche. Sein Blick huschte schnell herab und sein Griff um mein Kinn festigte sich noch etwas mehr.

Das kalte Metall der Sense an meinem Hals zog sich aber zurück. Der Serienmörder kniff die Augen zusammen, als sei er sich mit seiner Entscheidung selbst nicht ganz sicher. „Was weißt du vom Flüchten?", hakte er mit erhobenen Kinn nach. Belustigt verdrehte ich die Augen: „Willst du mir ehrlich sagen, du hast noch nie sowas wie ne True Crime Serie gesehen? Oder was darüber gehört?" Verwirrt legte er den Kopf schief und fuhr mich mit zusammengepressten Lippen an: „Willst du mich veraschen?"

Scheiße, also nicht. „Sorry, irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass du dich vielleicht vor deiner Mordserie auch mit anderen Tätern auseinandergesetzt hast... oder sie dich vielleicht inspiriert haben könnten...", stammelte ich unsicher. Will er mir wirklich Weißmachen, dass er sich nicht an irgendwelchen anderen Tätern orientiert hat? Wie konnte er überhaupt so lange entkommen, wenn er keine Ahnung von anderen Tätern hat? Weiß er denn was er bei so einer Flucht alles zu beachten hat? Keine Leichenspur zu hinterlassen vielleicht?

„Scheiß drauf", murrte mein Gegenüber nur und riss mein Gesicht nun näher vor seins. „Also... Mädchen..., wie kommst du darauf mir eine Predigt zu meiner Flucht zu halten? Denkst wohl du könntest das besser, was?", kommentierte er gereizt. Schnell versuchte ich verneinend meinen Kopf zu schütteln, aber Isaacs Griff um mein Kinn war zu fest, weshalb ich schnell erklärte: „Nein nein, bloß nicht, aber ich dachte eigentlich, dass du sie suchen wollen würdest. Die Blondine, die bei dir war, als du aus diesem brennenden Gebäude gekommen bist. Damals, als sie dich verhaftet haben. Du hast sie doch retten wollen, oder nicht? Was steckte dahinter? Was war in diesem Gebäude? Wolltest du sie wirklich umbringen? Woher kanntest du Rachel Gardner wirklich? -"

Meine Fragen waren ihm nur so entgegengesprudelt, doch in der Sekunde, in der ich den Namen des Mädchens ausgesprochen hatte, funkelten seine Augen auf und sein Griff lockerte sich abrupt.

Entgeistert fragte er: „Was hast du da gerade gesagt? Woher weißt du das alles?" Langsam glitt meine Hand immer näher an seine heran, bis ich sie schließlich vorsichtig umschloss und ohne den Blickkontakt zu brechen, aus meinem Gesicht nahm. Jetzt hatte ich also endlich seine Aufmerksamkeit. Langsam fing ich an: „Da dein Fall sehr bekannt ist und überall in den Nachrichten war, kennt so gut wie jeder dein Aussehen und weiß von deinen früheren Vergehen. Deshalb gab es einen riesigen Medienaufschrei, als du vor ein paar Wochen aus dem Gefängnis ausgebrochen bist."

Ich nahm ruhig einen Atemzug, ehe ich fortfuhr: „Da viele Leute eine neue Mordserie fürchten, werden jegliche Sichtungen gemeldet, sobald jemand vermutet, dich gesehen zu haben. Daher weiß also jeder, der die Berichte über dich verfolgt, dass du eventuell dein Unwesen in unserer Stadt hier treiben könntest. Und Tada: hier bist du." Seine Augen fixierten mich wieder und er kniff sie zusammen, gleichzeitig entriss er mir seine Hand. „Denk ja nicht darüber nach, auch nur einer Menschenseele zu sagen, dass ich hier bin", drohte er und hielt seine Sense bereit. Ich nickte: „War nie meine Intention."

Misstrauisch behielt mich der Mann vor mir weiter im Blickfeld. Langsam spürte ich, wie er von Minute zu Minute nervöser wurde. Vermutlich, da es ziemlich kompliziert werden könnte, aus so einer Sackgasse wie dieser wieder herauszukommen, würden Polizisten den Weg versperren. Denkt er vielleicht, es könnte alles eine Falle sein? „Möchtest du vielleicht woanders weiterreden?", fragte ich nun vorsichtig und deutete mit einem Nicken auf die Straße hinter ihm. „Woher willst du wissen, dass ich dich nicht einfach jetzt umbringe?", gab die Gestalt bissig zurück, dennoch war ein ernstgemeinter Unterton in seiner Stimme zu vernehmen.

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