37. Kapitel
„Wer ist Roberto?", fragte ich und drehte mich zu Angelo um.
„Mein Onkel", entgegnete er nur monoton und wischte sich das Blut von der Nase.
„Der Onkel, der neulich betrunken durchs Haus gerannt ist?", hakte ich weiter nach, worauf er nur nickte und sich dann zur Haustür drehte.
„Komm ich sollte dich nach Hause fahren"
Was?
Er konnte doch jetzt nicht erwarten, dass ich nach einer Prügelei, in der es eindeutig um mich ging, einfach so mir nichts dir nichts von ihm nach Hause gefahren werden wollte ohne das er mir auch nur eine Frage beantwortet hatte.
„Kylie?", fragte er abermals und drehte sich zu mir um, als ich mich kein Stück bewegte.
Ich sah wie er die Augenbraue hochzog und mich fragend anschaute.
„Stimmt das, was Leonardo vorhin gesagt hatte?"
Ich sah wie er die Stirn kurz in Falten legte und dann einmal aufseufzte.
„Leonardo erzählt viel, wenn der Tag lang ist, also hör auf dir da so Sorgen zu machen"
Wütend schnaubte ich auf und trat dann ein paar Schritte auf ihn zu.
„Ich hab dich nicht gefragt wie lang der Tag ist, sondern ob das wahr ist, was Leonardo vorhin gesagt hat", zischte ich und fixierte ihn mit meinen Augen.
Durch die Wut schaffte ich es nämlich meine Trauer zu verbergen.
Zumindest die Trauer, die langsam in mir aufkam.
Er war doch jetzt nicht etwa der zweite Junge auf den ich herein gefallen war, oder?
„Was genau?"
„Das du mich nur benutzt, um deinem Bruder wegen so einer bescheuerten Scarlett eine auszuwischen", fuhr ich ihn an.
Man konnte hören wie er abermals aufseufzte und sich dann durch die Haare fuhr.
„Hör zu, das ist eine lange, komplizierte und alberne Geschichte", fing er an zu erzählen, aber ich unterbrach in bereits.
„Also ist es wahr?"
„Nein, das ist es nicht. Ich benutzt dich nicht um irgendjemandem eine auszuwischen"
„Und warum sollte ich dir das glauben. Leonardo hat doch bestimmt die Wahrheit gesagt", platze es im nächsten Moment aus mir heraus.
Perplex starrte er mich an.
Nun war er derjenige auf dessen Gesicht sich Verwunderung ausbreitete.
Ich sah wie er ein paar Schritte auf mich zu kam und dicht vor mir stehen blieb
Seinen warmen Atem konnte ich auf meinen Wangen spüren und seine schwarzen Augen schienen mich zu durchbohren.
„Kylie", hörte ich ihn langsam meinem Namen sagen und ich merkte wie mich ein Zittern durchfuhr.
Eigentlich wollte ich ihn voll schnauzen, was zur Hölle bitte mit seiner kompletten Familie los war und warum aus jedem Scheiß hier so ein Darama gemacht wurde, aber er raubte mir irgendwie die Stimme.
Ich merkte wie er nach meiner Hand griff und sie sich mit seiner verschränkte.
Erneut setzte wieder das Kribbeln in meinem Bauch ein.
„Ich....", setzte er an, aber da durchschnitt eine schrille Stimme seine Worte.
Erschrocken sprang ich von ihm weg und konnte nun sehen wie seine Mutter die Treppe herunter gestürmt kam und wie eine Irre plapperte.
„Angelo, schnell bring Kylie sofort nach Hause!"
„Was?", platze es verwundert aus uns beiden heraus.
„Roberto!", antwortet sie keuchend.
„Er kommt her!"
Wie als hätte Angelo der Blitz geschlagen, packte er mein Handgelenk und zog mich hinter sich her.
Das einzige was ich aus dem Augenwinkel noch sehen konnte, war Giannas besorgter Blick.
Was zur Hölle war hier bitte los?
Warum hatten sie alle solche Angst vor diesem Roberto?
War er nicht ein Teil ihrer Familie?
Das einzige was ich noch wirklich mitbekam, war wie er sich meine Sporttasche schnappte und mich dann aus der Haustür drückte.
„Angelo!", rief ich mehrmals, als er mich hinter sich zu seinem Auto zog.
Aber erhörte nicht.
Kein einziges Mal.
„Was zur Hölle ist hier los?", schrie ich ihn schließlich an und entriss mich seiner Hand.
Klar ich wusste bereits, dass er ebenfalls zur Mafia gehörte und dadurch sollten ja eigentlich die meisten Fragen zu seinem merkwürdigen Verhalten geklärt sein.
Aber das waren sie überhaupt nicht!
„Wieso schiebt ihr alle solch eine Panik, wenn euer Onkel zu Besuch kommt? Und warum zur Hölle darf er mich nicht sehen?"
„Du stellst ziemlich viele Fragen für deine Größe", hörte ich ihn nur entgegnen.
Empört schnaubte ich auf, aber wurde dann auch schon von ihm über die Schultern gelegt und weiter zu seinem Auto getragen.
„ANGELO!!", keifte ich auf seinem Rücken weiter.
„Sag mir jetzt endlich was hier los ist? Warum macht ihr aus allem so ein Drama?"
„Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich dir davon nichts erzählen darf", sagte er nur und öffnete die Autotür und setzte mich auf dem Sitz ab.
Dann schlug er sie zu und lief einmal um den Wagen herum, um schließlich einzusteigen.
Zwei Sekunden später steckte auch schon der Schlüssel ins Zündloch und Angelo steuerte den Wagen in einem Höllen Tempo aus der Einfahrt.
Genervt stöhnte ich auf.
Wie gerne würde ich ihm jetzt einfach ins Gesicht sagen, dass ich doch schon längst wusste, dass er Mancinis Sohn war und zur Mafia gehörte sowie ich es auch tat.
Aber mein Mund blieb weiterhin verschlossen.
Mein Vater würde mich umbringen, wenn ich auch nur ein Wort an irgendjemanden, der nicht zu uns gehörte, über die Mafia verlor.
Und Angelo zählte definitiv nicht zu uns.
Aber was war mit seiner Familie los? Warum hatten alle so eine Angst davor, dass sein Onkel mich sehen könnte?
Was würde denn dann passieren?
Wollte er mich etwa umbringen?
Und wer war diese Scarlett gewesen?
Zwar war das gerade ziemlich unpassend zum Thema, aber irgendwie verursachte dieser Name einen Stich in meinem Bauch.
Insbesondere da Angelo anscheinend früher mit ihr zu tun gehabt hatte.
„Kylie!", riss er mich aber plötzlich aus meinen Gedanken.
„Was?", fragte ich verwirrt und blickt auf.
Nun konnte ich den Bürgersteig vor unserem Haus sehen, der mit Blättern überseht war. Der Herbst fing langsam an zu kommen.
„Wir sind da!", half mir Angelo etwas auf die Sprünge.
Anscheinend war er so schnell gefahren, dass ich nicht mal mitkommen hatte, wie wir vor meinem Haus hielten.
Ich ignorierte aber was er gesagt hatte und drehte mich auf meinem Sitz zu ihm herum.
„Wirst du mir irgendwann mal erzählen, was mit deinem bekloppten Onkel los ist und warum ihr alle so einen Aufstand macht, wenn er zu Besuch kommt?"
Ich hörte wie er aufseufzte und etwas auf dem Lenkrad herum trommelte.
„Wir werden es sehen", antwortete er schließlich.
„Außerdem kommt unser Onkel auch nicht zu Besuch. Das einzige was er macht ist das Haus verunstalten und Pläne zu schmieden"
„Also macht er es in diesem Moment gerade wieder und jagt Leonardo durch die Flure?", hakte ich genauer nach.
Irgendwie tat mir Leonardo schon etwas Leid.
Klar er war meistens ziemlich arrogant zu mir, aber dafür musste er anscheinend oft im Schatten seines Bruders stehen und mehrmals für ihn einbüßen.
„Nein, denke ich nicht. Er redet wahrscheinlich höchstens mit meiner Mutter über seinen Bruder also meinen Vater?"
„Was ist eigentlich mit deinem Vater?", hakte ich weiter nach.
Sofort sah ich wie Angelo sich anspannte und seine Hände sich fester um das Lenkrad schlossen.
Wenn er mir jetzt antworteten würde, fand ich vielleicht endlich mal heraus wo sich Mancini wirklich aufhielt.
„Ihm geht es momentan nicht so gut, aber mehr kann ich dir auch nicht sagen. Es ist nun mal sehr privat", antwortete er schließlich, aber hielt seinen Blick dabei strickt auf die Straße gerichtet.
Mit einem Seufzen schnallte ich mich langsam ab.
Es würde nichts bringen es aus ihm heraus zu quetschen.
Er würde mir jedes Mal die selbe Antwort geben.
Kurz bevor ich aussteigen wollte, schoss mir aber noch eine Frage durch den Kopf.
„Wer ist eigentlich Scarlett?"
Verwundert schaute er auf und wandte seinen Blick zu mir.
„Ist da etwa jemand eifersüchtig", ertönte es schließlich von ihm, wobei sich ein Grinsen auf seinem Gesicht bildete.
„Nein, sondern nur neugierig und wenn du mir nicht antworten willst, kann ich auch Leonardo fragen", entgegnete ich und drehte mich langsam in Richtung Autotür, um auszusteigen.
Jedoch hielt er mich noch an meinen Arm fest und zog mich zurück in den Sitz.
„Scarlett ist die Tochter eines alten Freundes meines Dads. Wir kennen sie und ihren Bruder seid wir fünf sind. Deswegen sind sie eigentlich wie Familie für uns"
„Wie Familie?", hakte ich weiter nach
„Dein Bruder hat da vorhin aber etwas anderes gesagt"
Mit einem Seufzen ließ er sich zurück in den Autositz sinken und drehte dann seinen Kopf zu mir.
„Du willst wirklich die ganze Geschichte hören?"
„Sonst würde ich ja nicht hier sitzen", entgegnete ich.
„Na gut, wie du willst. Leonardo und ich waren mit ungefähr zehn beide in Scarlett verschossen"
„Wow, ihr seid ja ziemlich oft in das gleiche Mädchen verknallt", murmelte ich und schaute ihn belustigt an.
„Wer sagt denn, dass ich in dich verschossen bin?", entgegnete er darauf und schaute mich fragend an.
Nun wurde mein Grinsen nur noch größer, denn er war gerade nicht nur in eine Falle getappt, sondern hatte sich auch noch verraten.
„Wer sagt denn das ich von mir rede?"
Schlagartig verwandelte sich sein Blick in Verwunderung und ein paar Sekunden später kniff er die Augen zusammen und fixierte mich.
Ich dagegen hatte jedoch noch Lust Öl ins Feuer zu gießen.
„Außerdem weiß ich eh schon, dass du mich magst. Schließlich hättest du mich vorhin fast geküsst"
„Du hattest ne Wimper unterm Augen gehabt mehr nicht", murmelte er nur und drehte sich auf seinem Sitz wieder nach vorne.
„Genau!", entgegnete ich nur wobei meine Stimme nur so vor Sarkasmus triefte.
„Ach, also würdest du gerne, dass ich dich küsse?", fragte er auf einmal überzeugt und wandte sich nun wieder zu mir, sodass seine dunklen Augen mich durchbohrten.
„Das habe ich nie gesagt. Ich habe nur gesagt, dass du es fast getan hättest. Es war nie die Rede davon ob ich es wollte und jetzt erzähl mal weiter! Ich kann nicht ewig hier sitzen bleiben. Meine Eltern warten auch auf mich"
Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen musterte er mich und setzte dann schließlich mit der Geschichte fort.
„Irgendwie hat Leonardo Scarlett dazu gebracht ihn zu küssen, was ich damals nicht ganz so toll fand. Mittlerweile fände ich es sogar besser, wenn sie ihn nehmen würde"
„Und jetzt denkt Leonardo also, dass du ihm eins auswischen willst in dem du was mit mir machst"
„Ja, so in etwa", antwortete er nachdenklich.
„Okay wow, das ist doch jetzt schon ein paar Jahre her. Warum vermischt er das denn auf einmal so?"
„Keine Ahnung, aber anscheinend hat seine Liebe zu dir doch nicht nur einen Woche angehalten, sondern fast über ein ganzes Jahr. Sogar noch mehr, wenn man die jetzige Zeit mitzählt. Schon krass, dass du es überhaupt nicht bemerkt hast?", entgegnete Angelo und musterte mich belustigt.
„Er hatte mich ja auch nie angesprochen oder so. Wie sollte ich es da auch merken? Außerdem hör auf dich so darüber lustig zu machen. Er ist schließlich dein Bruder"
Irgendwie tat mir Leonardo jetzt noch mehr Leid. Es musste bestimmt nicht gerade leicht sein mit so einem Dickschädel wie Angelo zusammen zu wohnen.
Aber über die ganzen letzten Monate hatte ich nie ein Wort mit ihm gesprochen, also wie hätte ich es auch bemerken sollen, dass er mich mochte?
„Du hättest ihm wahrscheinlich eh einen Korb verpasst, wenn er auch nur ein Satz mit dir gewechselt hätte", holte Angelo mich aus meinen Gedanken zurück.
„Das hätte ich nicht", entgegnete ich sofort, aber merkte, dass dies nicht stimmte.
Ich hätte ihm sowas von einem Korb gegeben. Zum einen weil er damals zu den größten Aufreißern der Schule gehört.
Jedoch war meine Sicht nun etwas anders auf dieses Thema.
Mittlerweile war Leonardo für mich nicht mehr der Junge, der Eine nach der Anderen abschleppte. Er war eher der Typ, der nur probiert hatte sich eine Welt aufzubauen in der mal nicht sein Bruder die Hauptrolle spielte.
Zumindest hatte er es geschafft, bis Angelo auf unsere Schule gekommen war.
Es musste schon ziemliches scheiße für ihn gewesen sein mit anzuschauen, wie sein hart aufgebauter Ruf durch seinen Bruder zunichte gemacht wurde.
„Warum bist du eigentlich zu uns auf die Schule gekommen?", entfuhr mir die Frage schließlich, worauf Angelo mich verwundert anschaute.
„Ich bin schon mehrmals geflogen und hätte das letzte High School Jahr nicht bestanden, wenn meine Eltern es nicht doch noch geschafft hätten mich auf Leonardos Schule anzumelden"
„Also machst du die zwölfte Klasse jetzt schon zum zweiten Mal?", fragte ich nachdenklich, worauf er nur nickte.
Im nächsten Moment ertönte auch das Klingeln meines Handys, was ich in meiner Hosentasche hatte.
Verwundert schaute ich auf dem Display, wo Mum angezeigt wurde
„Es wäre glaube ich besser, wenn du dich mal langsam vom Acker machst", sagte Angelo, als er den Bildschirm meines Handys bemerkte.
„Ja, sonst jagt sie mich auch noch so durchs Haus wie euer Onkel es getan hat"
Ich sah wie sich ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen bildetet und er sich dann vorbeugte, um meine Autotür aufzumachen.
„Danke fürs Fahren", sagte ich noch und wollte dann aussteigen, hätte er mich nicht nochmal zurück gezogen.
„Weil du ja unbedingt wolltest das ich dich küssen", hörte ich ihn noch raunen und spürte im nächsten Moment seine Lippen auf meiner Schläfe.
Ich rollte nur einmal mit den Augen, aber konnte mir das Grinsen dabei nicht verkneifen.
Dann drückte ich mich von ihm weg, schnappte mir meine Sporttasche und stieg schließlich aus dem Auto.
Dabei merkte ich aber noch wie sein Blick mir im Rücken hing und mich bis zur Haustür verfolgte.
———
Hello Hello 🌸
Mal wieder ein etwas längeres Kapitel für euch heute😁
Ich wollte mich nochmal ganz herzlich für die 10k Reads bedanken. Ich kann es irgendwie noch nicht ganz richtig glauben, aber ihr sollt wissen, dass es mir wirklich mega viel bedeutet.
Freue mich schon mega auf die Lesenacht mit euch morgen😍😁
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