#65 Lawsuit

Anmerkung: Ich habe nicht wirklich Erfahrung mit dem Gericht oder einem Strafprozess. Also erwartet nicht, dass das hier der Realität gleicht. Es müsste auch eigentlich einen Staatsanwalt geben, glaube ich. Es ist mehr der Geschichte angepasst und nochmal: es ist alles eine Geschichte, keine Realität und frei erfunden.

Zeitsprung; Eine Woche

Pov Jimin

"Du bist stark, mein Engel.
Es ist alles gut, wir werden nur wenige Meter weit hinter dir sitzen."

Yoongi strich mit seinem Daumen zärtlich über die Haut meines Handrückens. Mit weichen Knien betrachtete ich die riesige Flügeltür, die sich hölzern vor mir aufbaute. Dort musste ich rein und meine Angst spielte mir vor, dass ich dort nicht mehr raus konnte. Noch einmal wurden meine Nerven auf die Probe gestellt, noch einmal würde ich von innen heraus gefoltert werden, eben das, was die Erinnerungen in mir verursachten, diesmal vor den Augen mehrerer Personen.

Zitternd atmete ich aus und sah mich um. Sie waren alle hier, meine Freunde, die mich unterstützten. Ich versuchte mir fast zwanghaft klar zumachen, dass es nicht schlimm werden würde, dass mir nichts passieren konnte und doch waren meine Beine jederzeit bereit zu rennen, bereit wegzulaufen.

Mein Anwalt kam auf uns zu, der vorher noch etwas abseits stand und mit weiteren Männern in schwarzer Robe geredet hatte. In seiner Hand trug er eine Mappe, wohlmöglich war sie gefüllt mit Informationen über diese eine Nacht. Ich hinderte meinen Verstand gerade noch daran, sich wieder an die Einzelheiten zu erinnern.
Er lächelte mir verständnisvoll zu, "Sind Sie bereit?" Ich konnte mich diesmal nicht zu einem Lächeln zwingen, verschiedenste Emotionen durchspülten meinen Körper und keine war wirklich so greifbar, dass ich mich auf eine konzentrieren konnte. Wie in der Menschenmasse einer Großstadt konnte ich mich nicht an einen einzelnen halten, ein unkontrolliertes Chaos.

Ich schluckte schwer und sah ihn mit großen Augen an, nickte zögernd.
Der Anwalt erklärte mir, was ich gleich tun würde, welche Fragen mir gestellt wurden und wie alles ablaufen sollte. Und obwohl er in angemessener Lautstärke und Schnelligkeit sprach, überhörte ich die Mehrzahl seiner Worte. Die Nervosität machte mich verrückt.

"Verstanden?" Fragte er bestimmt zum zweiten mal nach, mir fiel es schwer, nicht in meinen Gedanken zu ertrinken.
Yoongi lehnte sich zu mir hinüber und gab mir einen leichten Kuss auf die Stirn. Wie musste er sich wohl fühlen? Ich war mir sicher, er wollte nicht, dass ich hier war. Er mochte den Gedanken nicht, mich noch einmal unter Hoseoks Blick stehen zu sehen.
Er blieb mir nah und flüsterte: "Wenn ich könnte, würde ich deinen Platz einnehmen." Er musste sich schlecht fühlen, er konnte nur zusehen.

Der schwarzhaarige wollte sich von mir lösen, doch ich hielt ihn an seinem Oberarm bei mir, als würde ich mich an die Hoffnung klammern, hier unversehrt wieder herauszukommen. "Ich liebe dich." Wisperte ich verzweifelt. Yoongi drehte sich wieder zu mir, nahm mein Gesicht zwischen beide Hände, "Und du wirst mich auch noch danach lieben, so wie ich dich. Verstanden?"

Seine Augen waren so tief, das Braun in ihnen gab mir ein Stück Wärme und Gelassenheit zurück, welche mich Stück für Stück zu verlassen schien. Sicherheit war es, was sie ausstrahlten. Zuhause, dachte ich. Er war mein Zuhause, da er mein Herz gefangen hielt. Und diese Gefangenschaft begann sich wie ein Aufenthalt im Paradis anzufühlen.

"Verstanden.." Flüsterte ich im Bann seiner Augen.

Vor mir öffnete sich die massive Flügeltür und mein Blick fiel in den großen Saal. In der Mitte ein kleiner Tisch und ein Stuhl, Drumherum drei andere, im Vergleich große Tische. Eine kleine Gasse, die von Sitzreihen eingeschlossen wurde, führte mich zu dem kleinen Tisch.
Zaghaft setzte ich einen Schritt vor den anderen, ich hatte meinen Blick schnell wieder gesenkt, wagte nicht, Hoseok wohl frühzeitig zu erblicken. Denn so wie der Anwalt es mir erklärt hatte, vor mir würden die Richter sitzen, rechts von mir er selbst mit einem leeren Platz neben sich, auf dem ich später Platz nehmen würde und links von mir ... Hoseok und sein Verteidiger.

Der Moment, in dem sich meine Hand von der Yoongis trennte, verlief viel zu schnell, als dass ich etwas dagegen hätte tun können. Wie Jin und die anderen, nahm er in der Sitzreihe ganz vorne platz. Ich sah ihm noch kurz hinterher, würde mich lieber damit auseinandersetzen, wie gut er in dem schwarzen Anzug aussah.

Unabhängig davon, ob dies überhaupt möglich war, bekam ich das Gefühl, dass meine Beine mit jedem Schritt weicher wurden. Ich musste wie ein ängstliches Lamm ausgesehen haben, so zitternd wie ich dort lang lief. Ein unschuldiges, junges Lamm, auf seinem Weg zum Schlachter. In meinem Fall war es jedoch nicht der schnelle, durch einen Schnitt am Hals ausgeführte, sondern der qualvolle, schleichende Tod. Außerdem würde mir kein Mensch ein Ende setzen, eher schien es, als würde man mich in der Wildnis aussetzen, ohne jeglichen Schutz der Familie, direkt vor die Füße des hungrigen Wolfes. Ob dieser mich nun mit seinen Zähnen oder Krallen zerfetzte, mich in einem hinunter schlang oder mir das Fleisch in großen Bissen von den Rippen riss, lag an ihm.

Um mich herum nahm ich das Gemurmel und Getuschel der Leute wahr, das verstummte, je näher ich dem kleinen Tisch kam. Schweigend setzte ich mich. Eine Eiseskälte umhüllte meinen Körper und ich konnte nicht differenzieren, ob es an der Raumtemperatur lag oder daran, dass ich mich so verloren fühlte. Ich fühlte mich klein, traute mich nicht zu sprechen, still faltete ich meine Hände auf der Tischplatte. Auch ich trug einen Anzug, selten hatte ich einen an. Und ich war froh darüber, dass man die kleinen, weißen Striche auf meinen Unterarmen nicht sah, die der schwarze Stoff überdeckte.

"Sag mir, was das auf deinem Arm ist."

"Du hast mich gefesselt. Leuchtet's dir ein?"

"Ich meine das, was schon davor drauf war."

"Ich habe mich selbst verletzt."

"Wegen Yoongi?"

"Mehr oder weniger."

"Das .. Tut mir leid."

"Ich brauche dein Mitleid nicht."

"Ich weiß. Ändert trotzdem nichts daran."

Ich kniff die Augen zu und richtete meinen Blick selbstbewusst auf. Ich wollte nicht an die Nacht denken, das würde ich gleich schon zu viel tun.
Vor mir sah ich nun einen in schwarz gekleideten Richter, sein Blick jagte mir Respekt ein, ihm würde wohl niemand Widerworte geben wollen.

"So," Hörte man ihn nuscheln, bevor er die Papiere oder die Mappe - ich konnte es nicht ganz erkennen - vor sich überflog, "Ihr Name ist Park Jimin und Sie sind zweiundzwanzig Jahre alt. Sie sind in Seoul ansässig und sind weder verwand noch verschwägert mit dem Angeklagten." Fragte er mehr als es zu sagen und deutete mit seinen Augen kurz zu meiner Seite. Ich wagte es nicht, einen Blick auf 'den Angeklagten' zu werfen. Stattdessen nickte ich deutlich und versuchte unter seinem Blick nicht noch kleiner zu werden.

"Sie sind hier vor Gericht, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie die Wahrheit sagen müssen, wenn Sie das nicht tun, machen Sie sich strafbar. Jimin, ich darf Sie doch Jimin nennen?"
Ich nickte wieder.
Er lächelte freundlich, "Jimin, können Sie uns erzählen, was in der Nacht vom einundzwanzigen auf den zweiundzwanzigen November passiert ist?"

Können ja, wollen nein.

Ich hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde, das war der Grund, warum ich hier saß. Und doch warf mich diese Frage auf so einiges zurück. Wo sollte ich anfangen? Wie viel konnte, wollte und durfte ich erzählen?

"W-wir.." Ich räusperte mich, ich sprach zu leise und stotterte, ich war so nervös. Ich spürte, wie meine Hände feucht wurden und ich hätte im Boden versinken können, so unangenehm war mir diese Situation. "Also, i-ich und Hos- Herr Jung.." Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte, wie sollte ich Hoseok hier nennen? Seinen Namen konnte ich nicht einmal richtig aussprechen.

Hilfesuchend sah ich über meine Schulter und ließ meine Augen die Reihen nach Yoongi absuchen. Als ich sich unsere Blicke kreuzten, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte nicht erwartet, dass er verschwunden war, trotzdem jagte mich die Angst, dass ich alleine hier festsaß.
"Ist alles in Ordnung? Wen suchen Sie?" Hörte ich den Richter vor mir und ich drehte mich augenblicklich wieder zu ihm. Wie konnte ich es wagen, mich von ihm abzuwenden?

"Mich, euer Ehren. Tut mir leid, für die Unterbrechung. Verstehen Sie bitte, dass es schwer für ihn ist." Yoongis raue Stimme drang zu mir und ich dankte ihm innerlich tausend mal dafür, dass er mir diese Worte abnahm.
"Kein Problem, ich habe vollstes Verständnis für die Situation. Jimin, nehmen Sie sich die Zeit, die sie brauchen."

"Jimin, sprich! Erzähl ihnen, was ich dir angetan habe, sprich meinen Namen aus!"

Ich erzitterte unter seiner Stimme, stark spürte ich mein Herz in meiner Brust schlagen. Sein Wortlaut jagte und jagte mich, jedes mal, wenn er meinen Namen aussprach, es erinnerte mich an diese eine Nacht.
Doch warum bat er noch darum? Warum war er dafür, dass ich alles ausplauderte, wenn er es am Anfang abgestritten hatte?

Geistesabwesend schaute ich nach links, damit direkt in Hoseoks Augen. Ich vergaß zu atmen, mir wurde mit einem Mal viel kälter. Sein Blick, diese Augen, ein Braun, welches mit dem Yoongis nicht zu vergleichen war. Yoongis Augen waren warm, sie zeigten mir, dass ich bei ihm zuhause war, doch Hoseoks Blick war ermüdet, kalt und einsam. Allein mit einem Blick zeigte er mir, wozu er alles fähig war, die tiefen Augenringe sagten mir, dass er Nächte lang nicht geschlafen hatte. Und doch erkannte ich ihn wieder. Sein schlanker Körper, das schmale Gesicht und die ebenso dünnen Lippen. Man sah ihm an, dass er zerstört war, ich lehnte mich sogar so weit aus dem Fenster, dass ich sagen würde, er hätte Nächte lang mit Denken verbracht. Und doch sah er unserem damaligen Freund so ähnlich. Hoseok, derjenige, der zuerst für andere gehandelt hätte und dann für sich. Ein gutherziger, höflicher Mensch, dem immer ein lockerer Spruch auf der Zunge gelegen hatte.

Sein innerer Mensch hatte sich in dieser einen Nacht zu Satan höchstpersönlich verwandelt.

Ich war zu sehr in meine Gedanken verzogen, als dass sich etwas an meiner festgefrorenen Miene hätte verändern können. Demnach zeigte ich ihm ein Gesicht, das so leer an Emotionen war, wie ein unbeschriebenes Blatt. Er hätte nicht erkennen können, was ich in mir trug. Wut, Trauer, Angst?

"Komm schon, Jimin." Sagte er nun ruhiger, da ich ihn ansah und meine Aufmerksamkeit auf ihm lag. Mittlerweile war ich mir jedoch sicher, dass man mir meine Verzweiflung ansehen konnte. Mit großen Augen sah ich ihn an. Er wusste ganz genau, welchen Schaden er damit anrichtete, dass er meinen Namen sagte.

"Herr Verteidiger, halten sie ihren Mandanten still. Es scheint, als würde er Herrn Park beeinflussen wollen." Sprach der Richter, wodurch das Gemurmel hinter mir, welches man zunächst einfach überhört hatte, nochmals verstummte.
Hoseoks Blick wanderte bedrohlich zum Richter, als würde er versuchen ihn damit zu erdolchen. Den Blick, den er mir gegeben hatte, hatte ich schon als tödlich angesehen, doch im Gegensatz zu seinem jetzigen, war der mir geltende sogar freundlich.

"Lassen Sie sich nicht ablenken." Sagte der Richter, was mir galt.
Ich bündelte meinen Mut, je schneller ich aussagte, desto schneller würde ich wieder in Yoongis Armen sein.

Ich schluckte laut und knetete meine Hände abwechselnd, "W-wir waren zuhause.. und saßen in der Küche."
"Waren Sie allein?"
Ich nickte, "Wir.. wir wohn- wohnten zu siebt im Haus, Yoongi-Hyung, Namjoon-Hyung, Taehyung und Jungkookie sind weggefahren. Und Jin-Hyung ist ihnen dann später hinterher, weil Namjoon-Hyung seine Kopfhörer vergessen hatte. Also waren wir alleine." Ich ratterte die Informationen über diesen Abend pausenlos runter, ich wollte nicht länger hier sitzen und vor den Augen aller anderen einen Zusammenbruch erleiden.

"Wie kam es dann zu dem Vorfall-"
"Hören Sie doch auf zu fragen, ich habe Ihnen alles erzählt, Sie wissen alles." Erschrocken sah ich zu Hoseok, der sich wieder gegen den Richter stellte. Warum tat er das? Er hatte Grund mir weh zu tun, Yoongi, aber nicht dem Richter.
"Ich bitte Sie nochmals leise zu sein."
Hoseok warf sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, er nuschelte: "Was' ein Scheiß."
"Hüten sie ihre Zunge, anderenfalls muss ich Ihnen ein Ordnungsgeld auferlegen." Die Stimme des Richters wurde lauter und ich zuckte zusammen.

Als es stiller wurde, fuhr ich fort.
"Wir.. haben uns unterhalten, was eine kleine Wendung genommen hat."
"Wie meinen Sie das?"
Wieder drehte ich mich zu Yoongi um und fragte stumm, wie ich antworten sollte. Natürlich konnte er mir nicht antworten, man würde es wohl so sehen, dass er mir vorschrieb, was ich sagen sollte. Und ein Blick zu Hoseok, der mir zunickte, deutete mir, dass ich die Wahrheit sagen sollte.
"Wir haben darüber geredet, dass.. Wie soll ich das sagen? Dass Yoongi mich schlecht behandelt, mit mir zu grob umgeht und dass ich besseres verdient hätte." Sagte ich leise, mich nicht trauend aufzusehen.
"Inwiefern schlecht behandeln?" Fragte der Richter vorsichtig.
"Yoongi-Hyung und ich, wir.. sind in einer Beziehung.."
Der Richter nickte verstehend und akzeptierend.

"Nun.. ich wollte über dieses Thema nicht reden und bin... Ich bin die Treppe hochgelaufen." Mir fiel auf, dass das, was ich dem Richter hier erzählte, auch neu für meine Freunde und auch Yoongi war. Sie wussten, was passiert war, aber nicht wie es geschehen war. Und besonders Yoongi musste es quälen, die ganze Geschichte zu hören. "Er ist mir hinterher gelaufen und.. es kam dann das eine zum anderen und.."
"Was hat Herr Jung getan?" Der Richter setzte mich unter Druck, fragte nochmal nach, was mich nervöser machte.
"Er hat mich gegen die Wand gedrückt und dann-" ich brach ab und weitete meine Augen. Bevor Hoseok zu all dem gekommen war, war noch etwas anderes geschehen, was ich mich nicht traute, auszusprechen, da es Yoongi verletzen würde. Hilfesuchend sah ich Hoseok an, welcher jedoch seinen Blick gesenkt hatte. Ich hätte weinen können.

"Er, ich, wir, Hoseok hat mich- Na, er hat mich... geküsst."
"Geschah das schon gegen ihren Willen?" Gefroren starrte ich auf meine Finger, es tat weh, es auszusprechen.
"Nein." Ich schluckte noch einmal, "Ich habe den Kuss.. erwidert."

In diesem Moment war ich froh, dass Yoongi hinter mir saß, selbst wenn mir so der Teufel im Nacken saß. Ich konnte mir zu gut vorstellen, wie sein Blick sank.

"Was ist dann geschehen?" Die Fragen des Richters trieben mich weiter an.
"Jin-Hyung hat angerufen. Und als H-Hoseok erfahren hat, dass wir über die Nacht alleine sein würden, hat alles begonnen.."

Meine Fingernägel drückten sich in die Haut meiner anderen Hand, ich wollte hier weg, ich wollte nicht weiter über mich reden, nicht über das Thema, ich bekam Panik.
"Er hat mich.. gepackt, mich gegen die Wand gedrückt, dann auf den Boden gestoßen und-"

"Du kannst so laut schreien wie du willst, niemand wird dich hören."

Ich hielt mir die Hände vor den Mund, da ich mich anders wohl vor allen Leuten übergeben hätte. Jede einzelne Minute aus der Tatnacht stieß in meinen Kopf, wie Nadelstiche prasselten sie auf mich ein. Frustriert hielt ich mir den Kopf, wimmerte durch geschlossene Lippen, ich hielt es nicht aus. Panik durchflutete meinen Körper, wie Tsunamis, die nichts unversehrt ließen.

"Ich will dich nicht töten. Ich will dir nur sehr, sehr doll weh tun."

"Nicht.." Jammerte ich kaum hörbar. 'Reiß dich zusammen' Redete ich mir gedanklich ein, 'dich sieht jeder'

"Wie hässlich dein Körper ist, so schwach und klein. Sieh deine Finger an, sie können mich nicht mal abhalten."

Ich hielt mir meine Hände vor und starrte sie wie besessen an. Ich atmete zu schnell, mein Herz pumpte und pumpte.

"Jimin!" Hörte ich Hoseok, geschockt sah ich zu ihm, "Reiß dich zusammen und erzähl ihm, was ich getan habe! Lass das alles nicht an dich heran!" Ich blinzelte mehrmals, war es wirklich er, der das sagte? Er sah mich an, bemitleidend, traurig. Und mich packte die Wut.

"Ich soll es nicht an mich heranlassen? Das sagst du?! Wie soll ich nicht an mich heranlassen, dass du mich innerlich umgebracht hast?" Schrie ich völlig außer mir. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich ein Mann, der neben dem Richter saß, vorbeugte, jedoch vom Richter selbst aufgehalten wurde. Wohlmöglich sah er, dass diese Wut mir mehr Mut gab, als die Trauer. "Durch dich quäle ich mich jede Nacht! Ich wache auf, weil ich Albträume habe, kann nicht ohne Licht schlafen, weil ich denke, du Mistkerl stehst in der nächsten Ecke. Ich leide..." Ich sank japsend auf den kleinen Tisch und fing hemmungslos an zu weinen. Ich kam mit der Überforderung nicht klar, sie zerfraß mich.

Von hinten hörte ich leise meinen Namen und ich wagte zu glauben, dass es Yoongi war, der ihn aussprach.
"Setzen Sie sich bitte wieder." Ertönte die Stimme des Richters, derjenige, der meinen Namen gesagt hatte, musste aufgestanden sein.
"Bitte lassen Sie mich zu ihm, auch nur kurz. Bitte.." Ich hatte es mir nicht nur eingebildet, es war wirklich Yoongi gewesen. Er konnte mich so nicht sehen, so schwach und leidend, das tat ihm weh.

"Tut mir leid." Weinte ich und richtete mich kläglich auf, "Es tut mir leid, ich.. ich schaffe das schon." Ich versuchte mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, "So eine Aufmerksamkeitssucherei." Murmelte ich zu mir selbst. "Wo war ich?" Fragte ich schniefend.

Der Gedanke, Yoongi keine Sorgen zu machen, stand höher als der, um mich selbst zu sorgen. Wieder war es mir wichtiger, anderen auch nur ein bisschen Leid zu ersparen, egal wie ich mich selbst fühlte. Ich hatte es sonst auch immer getan. Als niemand wusste, wie das Blut unter den Ärmeln rinnte, als niemand wusste, wie die Gedanken erwürgten, während das Lächeln stand.

Und wie so oft, überfiel mich die Taubheit im Moment des Schmerzes. Wie die Nächte, in denen ich um drei Uhr morgens alleine und stumm auf meinem Bett gesessen und einfach nur in die Leere gestarrt hatte. Ein Opfer meinerselbst. Als würde jeglicher Lebenswille aus mir gewichen sein.

"H-Hoseok hat mir befohlen, mich auszuziehen. Er hat mich geschlagen, mich getreten. Mit.. seinem Gürtel hat er auch noch den letzten Lebenswillen aus mir heraus gepeitscht, naja, viel hatte ich so oder so nicht davon übrig."

"Nein, Jiminie, du hast mich wütend gemacht."

"Er hat mich ans Bett gekettet und dann.. vergewaltigt. Es gab elf Runden.."

"Wo sind deine Flügel?! Wo hast du deine Flügel, wenn du doch sein Engel bist?"

"Er hat selbst unseren Hund verletzt, gegen die Wand hat er ihn geschmettert, als wäre er ein Sack Reis." Ich musste das Blut aus meinen Händen gepresst haben, so sehr drückte ich sie ineinander. "Holly.." Kam es mir zittrig über die Lippen, die dunklen Augen des kleinen Tieres kamen mir in den Sinn. Ein so unschuldiges, wehrloses Lebewesen so einfach schinden zu können, welche Wut musste man in sich tragen?
Genau dieser Gedanke machte mich wieder emotional, Wut, Rache war es, was ihn dazu verleitet hatte. Wäre ich zu Ort und Zeitpunkt nicht einer von Yoongis Sklaven gewesen, wäre das alles nicht passiert. Ich stieß mir gegen den Kopf, wie dachte ich über ihn? Einer seiner Sklaven? Nahm ich jetzt wieder den Menschen an, den Hoseok aus mir geschaffen hatte?

"Mein Mandant wurde bis auf die Knochen geschunden." Meldete sich mein Anwalt nun mit einer Liste in seiner Hand. "Man fand Blutergüsse an seinem Auge, seinem Hals, über seiner Brust verteilt und an seinen Hüften. Biss- und Kratzspuren waren überall auf seinem Körper vorzufinden, seine Handgelenke wiesen die angesprochenen Fesselspuren auf, auf seinem Rücken fand man Fleischwunden, die auch durch wehementes Kratzen verursacht wurden, was alles ein Arzt bestätigt hat. Ganz zu schweigen von den anderen, im Vergleich kleineren Dingen, die ich hier noch auf der Liste habe, kann man hierbei von einer Vergewaltigung mit schwerer Körperverletzung ausgehen, wenn es nicht sogar schon an versuchten Mord grenzt."

Stiller hätte es im Saal nicht werden können. Ich denke auch nicht, dass es ein wichtigeres Gespräch gab. Ein paar der betroffenen Körperstellen kribbelten, als sie genannt wurden, besonders mein Rücken, der immer noch nicht ganz verheilt war. Flügel. Nach Flügeln hatte er gesucht, gegraben. Ich war nie ein Engel, ich würde es nie sein. Oder hatten Engel nur das Schlimmste von allem verdient? Und doch war ich an der Seite des Teufels am glücklichsten, was eine Ironie.

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und wimmerte leise vor mich hin. "Ich will nicht mehr.." jammerte ich leise. Hatte ich dieses Leben verdient? Hätte man irgendetwas von meinem Schicksal verhindern können?

"Jetzt komm doch nicht mit der Nummer." Stieß Hoseok genervt aus.
"Herr Jung-" setzte der Richter an.
"Nein," Sagte der braunhaarige aggressiv, "Sie können mir auch nach meinen Worten ein Ordnungsgeld," Er setzte das Wort gestikulierend in Anführungszeichen, " auferlegen. Ich soll sie nicht unterbrechen? Dann unterbrechen sie mich nicht!" Und ich begriff es. Es war nie seine Absicht, den Richter wütend zu machen, es war ihm nur egal. Er würde ins Gefängnis kommen, er würde für mehrere Jahre keine Freiheit haben...

"Ich will mich dafür erhängen, aber du weißt, dass ich das nie machen würde. Ich würde diesen anhaltenden Schmerz nur umgehen und das ist das letzte, das ich will. Ich will für das leiden, die gerechte Strafe für das bekommen, was ich getan habe.. und wenn es so ist, dass ich an nichts anderes mehr, als meine Untaten denken muss, dann sollen sie mich jagen, ich kann es ja sowieso nicht ändern.."

..also versuchte er auch nicht, sein Schicksal zu ändern. Er konnte nichts dagegen tun, er wollte gerade für seine Taten stehen.

Hoseok wandte sich wieder zu mir.
"Willst du uns jetzt wieder die Ohren damit vollheulen, wie wertlos dein Leben ist? Kannst du das Thema nicht ein einziges mal vom anderen trennen? Bezieh doch nicht gleich alles auf dein ganzes Leben. Ja, ich habe dich geschlagen, ja, ich habe dich vergewaltigt, aber denkst du wirklich, dass ich das getan habe, weil du emotional sowieso schon am Ende bist? Wie naiv." Eingeschüchtert starrte ich in seine Augen, still bahnte sich eine Träne ihren einsamen Weg über meine Wange und ich bildete mir ein, dass auch Hoseok den Tränen nah war. "Es muss nicht alles wegen dem anderen passieren, es baut nichts aufeinander auf. Natürlich wird dich so etwas wie eine Vergewaltigung mitnehmen, natürlich fühlst du dich nutzloser als davor, weil ich dir so eine Scheiße eingeredet habe. Aber hier zu sitzen und zu sagen, du willst nicht mehr leben willst-"
"Ich habe nicht-" versuchte ich ihn zu hindern.
"Doch, du hast genau das gemeint. Ich bin nicht dumm, verstanden? Du lebst, verdammt noch mal, du lebst, du sitzt hier, deine Verletzungen heilen so schnell, sie sind schon fast alle weg und du beschwerst dich? Du bist durch das alles durchgegangen, bist am Ende eines Kapitels in deinem Leben und du beschwerst dich jetzt? Hab doch wenigstens etwas Glauben an dich selbst. Wenn du dir selbst immer wieder sagst, dass du zu schwach bist, dass du etwas nicht schaffst, dann wirst du es auch nicht schaffen. Ich weiß verdammt nochmal, wie sehr ich dir geschadet habe und was das alles für Folgen hat und glaub mir, wenn ich es könnte, würde ich von den Schmerzen her den Platz mit dir tauschen. Aber bitte lass dir nichts durch dich selbst verbauen. Sieh in deinen Narben nicht die Schwäche sondern deine Stärke, dass du sagen kannst, es sind Narben und keine offenen Wunden mehr. Du wirst geliebt. Von deinen Freunden und von einer Person ganz besonders, welche genau weiß, dass dir das nichts bringt, wenn du nicht lernst, dich selbst zu lieben. Versprich mir, dich nicht weiter selbst zu ruinieren."

Minuten voller Schweigen vergingen, in denen Hoseok und ich einander in die Augen sahen. Eine kalter Schauer lief mir über den Rücken, als er seinen Satz beendete. Und alles, was ich empfand, war Dankbarkeit. Reine Dankbarkeit.

Etappenweise sank mein Blick, bevor er sich genauso auf den Richter richtete. Ich atmete durch. Obwohl ich vorher keine Probleme damit hatte, fühlte es sich an, als würde ich nach einer langen Zeit wieder frei Atmen können, tief Luft holen.

"Was soll ich Ihnen noch erzählen?" Fragte ich monoton. Mein Mund fühlte sich trocken an, erstmals befeuchtete ich meine Lippen, die salzig schmeckten. Das Gesicht des Richters taute auf und er sah verwirrt auf sein Blatt.
"Hat die Tat die ganze Nacht stattgefunden?"
"Nein. Ich weiß nicht, wann es angefangen hat, aber um halb vier Nachts hat er gesagt, dass er mich in Ruhe lässt, was er dann auch getan hat." Erzählte ich in der gleichen Betonung. Für mich zählte nun nur noch, einfach von hier wegzukommen.

"Ach du-" Hörte ich eine mir zu bekannte Stimme hinter mir, hatte Yoongi erwartet, dass es die ganze Nacht gedauert hatte?

Pov Yoongi

Ich hielt mir eine Hand vor den Mund, um nicht weiter zusprechen.
"Passt ihnen etwas nicht?" Fragte der Richter.
"N-nein, alles in Ordnung." Nuschelte ich und mein Blick senkte sich.
"Was ist denn?" Flüsterte Jungkook über Taeyhung, welcher zwischen uns saß.

Halb vier. Ich erinnerte mich, wie ich damals um genau diese Uhrzeit wach gelegen hatte, über Jimin nachdenkend. Wie mich die Sehnsucht nach ihm geplagt hatte.

"Nichts." Antwortete ich Jungkook und richtete meinen Blick wieder auf meinen Jungen. Ihn dort zu sehen, schmerzte. Er war auf sich allein gestellt, sah so zurückgelassen aus, würde ich doch nur neben ihm sitzen können. Ich würde seine Hand halten, Küsse auf seinem Ansatz verteilen und ihm Zuneigung zeigen. Ich würde ihn nicht alleine lassen. Ich würde ihm noch einmal die schönen Seiten der Liebe zeigen, bevor er wieder die schmerzvollen erfahren müsste.

"Dann.. war es das soweit eigentlich. Hat jemand noch Fragen an den Zeugen?" Der Richter sah in die Runde seiner Angestellten. Als sich niemand meldete, lächelte er meinen Jungen an. "Na dann, vielen Dank Jimin, dass sie ausgesagt haben, obwohl es ihnen offensichtlich schwer gefallen ist. Sie können sich neben ihren Verteidiger setzen."

Jimin stand nur zögerlich auf und stützte sich am Tisch ab. Es musste ihm schwer fallen, überhaupt einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er warf mir einen gleichgültigen Blick zu, als er neben seinem Anwalt Platz nahm. Und ich hoffte einfach nur, dass er nicht wieder in einer dunklen Welt verloren gegangen war, da ich diesmal nicht die Möglichkeit hatte, es zu verhindern. Und ihn dort wieder heraus zuholen, war so schwer.

Als Zeuge wurde noch Jin angehört, bevor es zu den letzten Worten der Verteidiger ging. Nachdem Jimins Anwalt um eine für ihn angemessene Strafe gebeten hatte, tat Hoseoks Verteidiger das gleiche.

"Da mein Mandant klar Reue gezeigt hat, es offensichtlich war, dass er seine Fehler bereut und dazu noch eine weiße Weste hat und polizeilich nie aufgefallen ist, halte ich eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung für angemessen."

Ein Raunen ging durch die Menge der Zuschauer, "Was?" Stieß Jungkook empört aus und selbst Hoseok sah seinen Verteidiger verwirrt an. "Das ist doch viel zu wenig, für das, was er getan hat." Hörte man es leise von hinten und ich hätte mich zu gern umgedreht und dem Fremden zugestimmt, jedoch war ich zu gefesselt an Jimin, der mit geweiteten Augen Hoseok anstarrte. Man hatte ihm eingeredet, dass er Hoseok nie wieder auf der Straße begegnen würde, dass er sein Leben lang hinter Gittern landen würde. Zu realisieren, dass er vielleicht nur zwei Jahre Zeit hatte, um sicher leben zu können, musste ihn erschüttern. Und was sagte, dass ihn die Bewährung an etwas hindern würde?
Jedoch sah ich, dass sich sein Anwalt um ihn kümmerte, er schien ihn beruhigen zu können, denn Jimin nickte und die Angespanntheit wich etwas aus seinem Körper.

"Danke." Sagte der Richter zum Pflichtverteidiger Hoseoks. "Herr Jung, Sie haben das letzte Wort."

Hoseok sah auf, er sah traurig aus. Ich spürte, wie ich Jimin um alles in der Welt vor ihm beschützen wollte. Ich wollte ihn dort weg holen und ihn in meinen Armen halten, wo ihm niemand etwas anhaben konnte.
Hoseok sah Jimin nur für Sekunden an und ich dachte, er würde schweigen, bis dann doch ein leises "Es tut mir leid." Seine Lippen verließ, während er in unsere Richtung schaute. Ich dachte mir jedoch, dass es nicht uns allen galt, sondern mehr meinem Nebenmann, der danach wortwörtlich den Kopf hängen ließ.

-

"Im Namen des Volkes verkünde ich folgendes Urteil: Der Angeklagte Jung Hoseok wird wegen Vergewaltigung mit schwerer Körperverletzung an Park Jimin zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Revision kann in einem Zeitraum von einer Woche eingereicht werden."

Wir atmeten auf. Immerhin waren es knapp vier Jahre. In meinen Augen würde ihm wohl keine Strafe je gerecht werden. Das, was er getan hatte, könnte ihm niemand je verzeihen.

Ungeduldig wartete ich, bis der Richter zu Ende sprach, was er sagte, interessierte mich nicht mehr. Mein Blick lag nur auf meinem Engel, der genauso angespannt auf seinem Stuhl saß und meinen Blick erwiderte. Was ich bei ihm jedoch erkannte, war Angst. Er konnte nicht mehr, er war am Ende und er brauchte mich, ich wusste genau, wohin er wollte. Und das waren meine Arme.

Als die Verhandlung endlich geschlossen wurde und sich jeder erhob, stand ich bereits und schlängelte mich durch die Reihe. Jimin lief, dann rannte auf mich zu und fiel mir unsanft um den Hals. Sein Herz schlug so sehr, dass ich es spüren konnte, was mir etwas Angst einjagte, ich hatte seine Panik unterschätzt.
"Ich bin hier, alles ist gut." Flüsterte ich ihm zu und versuchte damit, ihn zu beruhigen. Ich bemerkte wieder einmal, wie sehr ich ihn lieben musste. Niemanden hatte ich je so bechützen wollen, wie ihn.
Er klammerte sich an mich, als würde ihn jemand von mir wegzerren wollen.
"Ich will weinen." Sagte er leise.
"Ich weiß, Kleiner, ich weiß." Ich strich ihm mit der flachen Hand über den Rücken. "Lass uns von hier verschwinden." Murmelte ich und er löste sich gezwungenermaßen von mir.

Während er mich an der Hand zum Ausgang ziehen wollte, fiel mein Blick jedoch ein letztes mal auf Hoseok. Ein Polizist stand hinter ihm, legte ihm Handschellen an. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass mein Leben so verlief, dass ich den Mann, der mir so viel genommen hatte, so verabschieden sollte. Sein Blick, der mich traf, war kalt wie eh und je.

"Fahr zur Hölle." Rief ich, doch er lächelte sanft, "In der leben wir bereits."

Ich drückte Jimins Hand fester, als würde er mir entrissen werden und folgte ihm, ließ einen lächelnden und gleichzeitig bereuenden Straftäter zurück.

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[Danke für's kommentieren und Voten]

HeYyYyY~
Ich bin endlich wieDER ZUFRIEDEN MIT MEINEM SCHREIBSTIL. Ich finde, dass das Kapitel mir gelungen ist und idc, was ihr dazu sagt.
Natürlich freut es mich, wenn ihr das auch so seht, aber das liegt im Auge des Betrachters :)

Btw
Irgendjemand gegen 'ne Fortsetzung?

Guysguysguys
Danke, dass ihr immer voted und kommentiert. Die Komentare machen meinen Tag immer schöner (really) und geben mir meistens 50% der Motivation um weiter zuschreiben
So thank you~

Einen schönen Tag und eine schöne Woche euch♡

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