#64 The next steps
Pov Jimin
"Oh- Guten Tag, Herr Jung!"
Erschrocken zog ich die Ärmel meines Kapuzenpullovers nach unten und ging vor, um unserem Vermieter die Hand zu schütteln. Sein Besuch war unangekündigt und überraschte jeden sichtlich.
"Guten Tag," Er lächelte freundlich, "Dieser Brief lag vor eurer Haustür." Sagte er und hielt mir den weißen Umschlag hin. Bevor ich diesen jedoch weiter betrachten konnte, nahm ihn Yoongi an sich.
"Herr Jung, wollen sie etwas trinken?" Fragte Jin und schüttelte ihm ebenfalls die Hand. "Nein, vielen Dank, aber ich werde nicht lange bleiben."
Ohne Hoseok hatten wir wenig mit seinem Vater zu tun. Hoseok hatte alles immer geregelt, oft hatten wir seinen Vater nie gesehen. Höchstens an besonderen Tagen wie einem Geburtstag oder Weihnachten.
Ich sah ihn mit großen Augen an, als sein Blick auf mich fiel und seine Miene trauriger wurde.
"Das, was passiert ist, tut mir leid. So etwas hätte nicht passieren dürfen."
Augenblicklich schlug ich die Augen nieder, bestimmt sah ich in seinen Augen auch nur noch schwach und hilflos aus.
Er seufzte tief, "Ich werde mir wohl nie bewusst, dass mein eigener Sohn zu so etwas fähig ist." Man erkannte, dass er bestürzt über die passierten Ereignisse war, es tat ihm leid, er konnte es sich nicht erklären.
"Wir können nichts am Vergangenen ändern, lassen Sie uns nicht drüber sprechen, Jimin hat sicherlich schon genug darüber gesprochen." Yoongis Hand legte sich auf meinen Rücken und strich besänftigend darüber. Er wusste, wohin mich dieses Thema brachte und was es auslöste. Ich nickte leicht. Den Vater meines Vergewaltigers ignorierend drehte ich mich zu Yoongi und legte schmollend meine Arme um seinen Körper, mein Gesicht fand Platz in seiner Halsbeuge. Ich suchte Schutz bei ihm, es war kein Geheimnis, dass mich die Anwesenheit Herrn Jungs wieder auf die Tat seines Sohnes zurückwarf. Ich wünschte mir, mich nie wieder so fühlen zu müssen. So machtlos, schutzlos, wehrlos, so beschmutzt, geschlagen und benutzt. Und ich wollte nie wieder dazu gezwungen werden, an Yoongis Liebe zu zweifeln.
"Richtig, tut mir leid." Sagte Herr Jung, "Warum ich eigentlich hier bin," Er lehnte sich im Türrahmen des Wohnzimmers an, "Wie sieht das aus mit euch, wollt ihr noch länger hier wohnen?"
Mit seiner Frage löste er ein Schweigen aus. Und ich fragte mich, warum ich mir diese Frage nicht schon früher gestellt hatte. Wollte ich weiterhin hier wohnen? Wollte ich nie wieder bestimmte Zimmer betreten können, weil mich die darin stattgefundenen Taten zu sehr abschreckten? Wollte ich für immer in Jungkooks Bett und Zimmer schlafen? Und wollte ich weiter die Erinnerungen, die überall in diesem Haus verteilt waren, versuchen zu ignorieren?
Die Erinnerungen entlockten meiner Kehle einen kläglichen Laut, der zu hören war, obwohl ich meine Lippen aufeinander presste. Beschämt vergrub ich mich in Yoongis Pulli, ich war so schwach.
"Yoongi und ich hatten uns schon darüber unterhalten." Berichtete Jin, "Wir waren aber nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Für alle Beteiligten wäre es wohl besser, einen Neuanfang zu machen."
"Aber hier liegen all unsere Erinnerungen!" Protestierte Taehyung.
"Erinnerungen sind nicht immer schön." Zischte Yoongi und drückte mich deutlich fester an sich, worauf Tae verstummte.
"Ich verstehe es, wenn ihr hier nicht mehr wohnen wollt.. oder könnt." Herr Jung sah sich etwas in seinem Haus um. Vielleicht stellte er sich vor, was hier vor ein paar Wochen passiert war. Wenn er das tat, hoffte ich, dass seine Vorstellungskraft nicht weit reichte.
"Wenn mein Sohn jemals wieder aus dem Knast kommt, kann er selbst seine Sachen packen und sich eine neue Bleibe suchen, hier lasse ich ihn nicht mehr wohnen."
Wie er ihn betitelte, nur noch als seinen Sohn. Als wäre dies das einzige Band, was die beiden noch miteinander verbindete. Er nannte ihn nicht mehr beim Namen, hatte jeglichen Respekt vor ihm verloren.
"Naja, ich wollte nicht lange stören. Euch sei gesagt, dass ich euch beim möglichen Umzug und auch in Zukunft unterstützen werde. Soweit ich das Passierte wieder gut machen kann und darüber hinaus. Überlegt es euch." Er machte sich auf den Weg zur Tür und Jin lief ihm hinterher. Was er uns dort vorschlug, war ein großes Angebot. Er war Makler, könnte uns so schnell zu einer neuen Behausung verhelfen und hatte auch sonst so seine Kontakte für jegliches. Er würde uns helfen können, aber trotzdessen fühlte ich mich nicht gut bei dem Gedanken, von hier wegzuziehen.
Mich packte eine überflutende Niedergeschlagenheit, es sah alles so sinnlos aus. Ich versuchte mir fast schon zwanghaft zu beantworten, ob ich glücklich war. Und allein, dass ich es nicht wusste, bewies, dass ich es nicht war. Und dann stellte ich mir die Frage, ob ich es je sein würde. Ich hatte gesagt, dass ich an seiner, an Yoongis Seite glücklich sein würde, dass mit einer erfüllten Liebe alles einfacher werden würde, doch nun begriff ich, dass dies wohl nur eine Art Ziel war, an welches ich mich verzweifelt geklammert hatte, eine kleine Hoffnung, für die ich nicht aufgeben würde.
Jedoch konnte Liebe nicht alles heilen. Nur die Schäden, die sie selbst verursacht hatte, wenn überhaupt.
Wenig später kam Jin dann wieder und sein Blick ging einmal durch die Runde.
"Wie sieht das denn aus mit uns?" Fragte er und wiederholte somit die Worte Herrn Jungs.
"Meinst du.. wir sollen umziehen?" Fragte Taehyung leise, schon an seiner Frage erkannte man, dass er hier nicht weg wollte. Ich sah auf und sah dabei zu, wie Jungkook seine Arme von hinten um Tae schlang und sich an ihn schmiegte. "Manchmal braucht man einen Tapetenwechsel, um Dinge und Menschen zu vergessen. Manchmal ist es der erste Schritt, der einen auf einen besseren Weg bringt. Manchmal ist es gut so, manchmal soll es so sein, Hyung."
"Ich denke, dass es das beste ist, aber ich kann das nicht gegen euren Willen entscheiden." Sagte Jin und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wer wäre dafür?" Fragte er erneut und hob die Hand, als Zeichen, wir sollten es auch tun, würden wir dafür sein.
Jin sah vom einen zum anderen, fragte mit Blicken jeden einzelnen. Jungkook hob zögernd die Hand, Taehyung sah stumm auf den Boden. Namjoon hob ebenfalls die Hand, nachdem ein prüfender Blick mich ereilte. Yoongi dagegen hob in Sekunden die Hand. Und ich? War ich bereit, die Erinnerungen, die guten wie die schlechten, einfach hinter mir zu lassen?
"Kann man sich auch an den Erinnerungen erfreuen, wenn der Gegenstand nicht mehr präsent ist?"
"Ja."
Obwohl ich es selbst vorhatte, nahm Yoongi meine Hand und streckte sie in die Luft. Mit einem Blick, der mir allein schon aussagte, "Es ist besser so" Schaute er mich eindrücklich an.
"Jimin, bist du dafür?" Fragte Jin. Wahrscheinlich wollte er sichergehen, dass ich es aus freiem Willen entschied. Und ich nickte. Es war mir doch so oder so egal, wo ich war, wenn Yoongi an meiner Seite stand. Ich würde selbst auf der Straße schlafen, wenn ich dies in seinen Armen tun würde. Home is where your heart is, was wollte ich also noch hier?
"Gut, dann sage ich Herrn Jung Bescheid." Jin nickte akzeptierend.
Während ich mich wieder an meinen Geliebten kuschelte, fiel mir der Brief in seiner Hand wieder auf und ich griff nach diesem.
"Jiminie, nicht-" Er ergriff mein Handgelenk, sein Griff war so stark, dass es beinahe schmerzte. Ich sah ihn eingeschüchtert an, fragte still, warum er um diesen Brief so ein Geheimnis machte.
"Was steht in dem Brief? Von wem ist er?" Fragte Jungkook mit Skepsis in seiner Stimme.
Yoongi schien etwas verunsichert, stammelte etwas unverständliches und ließ schließlich mein Handgelenk frei, bevor er den Brief ohne Widerstand meinerseits nahm.
"Der, der Brief ist.. ist wahrscheinlich von der Polizei..."
"Wahrscheinlich? Warum schaust du nicht einfach drauf?"
Yoongi riss den Umschlag auf, mich hatte er schon vollkommen aus seinen Armen gelassen.
"Hyung?" Fragte ich vorsichtig, seine Augen glitzerten verunsichert, als er die geschriebenen Zeilen überflog. Dann sah er mich an, sein Blick entschuldigend, als wäre an dem Schuld, was er mir gleich beibringen musste.
"N-naja, das ist.. das ist das Datum für den Gerichtstermin."
"Welcher.." Ich sah zwischen seinen Augen hin und her.
"Du musst nochmal aussagen, du musst vor einen Richter und vor.. Hoseok."
Ein Schauer überfuhr meine Haut und eine Übelkeit stieg in mir auf. Ich atmete tiefer ein und aus, versuchte zu verstecken, dass ich eigentlich gerade viel lieber weggerannt wäre. Mein innerstes sträubte sich dagegen, ich wollte nicht noch einmal in diese Augen schauen, diesem Blick nicht noch einmal ausweichen müssen.
Yoongi musste gesehen haben, dass ich meine Gelassenheit nur vortäuschte und mir lieber zum heulen zumute war, weswegen er mich fest in die Arme schloß und mir Mut zuredete. "Wir kriegen das schon hin, es wird nicht lange sein. Ich und alle anderen werden garantiert dabei sein und Polizisten verhindern, dass er dir weiteren Schaden zufügen kann. Außerdem denke ich nicht, dass er immer noch darauf aus ist, das ganze Verfahren zu verlängern. Du wirst da einfach kurz sagen, dass er schuldig ist und schon bist du wieder da raus, okay? Du schaffst das, danach bist du für immer von ihm befreit. Wir kriegen das hin.
Du bist stark, mein Engel."
Hätte ich gewusst, dass seine Worte mir mein Überleben sichern würden, hätte ich nie aufgehört, mich bei ihm zu bedanken, bevor ich nicht mehr die Chance dazu bekam.
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[Danke für's kommentieren und Voten]
Ich weiß, es ist kurz
Ich weiß, es ist langweilig
Ich weiß, es könnte besser sein
Ist es aber nicht
I wanna go home
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