#56 Behind bars
Pov Jimin
Müde tapste ich durch den Flur. Es war früh am Morgen und es hatte den Anschein, dass noch niemand aus dem Haus wach war. Ich selbst wusste nicht, warum ich so früh aufstand. Vielleicht war es schon jetzt die Angst vor dem heute bevorstehenden Termin im Krankenhaus. Ich hatte noch nie Fäden gezogen bekommen, hatte auch noch nie eine so große Wunde gehabt.
Ich betrat leise die Küche und schreckte beinahe vor einer Person zurück, die sich als Taehyung zu erkennen gab. Er sah danach aus, als würde er aufbrechen wollen, eine schwarze Winterjacke bedeckte seine Schultern. Es war er, der schlussendlich zusammenzuckte und nicht ich.
"Wohin führt sie der Weg, junger Freund?" Spaßte ich mit brüchiger Stimme.
"Tut mir leid, Hyung." Flüsterte er, seine Stimme war dunkel, wie immer. Er sah sich auch nicht weiter zu mir um, sondern starrte seinen Sperrbildschirm auf dem Handy an.
"Wofür? Für's foltern gestern? Mach dir keine Sorgen, ich nehme es dir nicht übel, als Jin meinen Rücken verarztet hat, habe ich mehr geschrien. Ab heute muss ich diese Prozedur hoffentlich nicht mehr-"
"Dafür, dass ich dich wahrscheinlich aufgeweckt habe." Unterbrach er mich und das optimistische Lächeln auf meinem Gesicht legte sich. Er verhielt sich nicht, als würde ihn mein unterbrochener Schlaf interessieren, sondern eher die Tatsache, dass ich hier vor ihm stand.
"Wie gesagt, tut mir leid." Er krallte sich seine Schlüssel und brach auf, "Du kannst dich ja wieder hinlegen, ich bin weg."
Ich packte ihn am Oberarm, als er gezwungenermaßen an mir vorbei musste. "Wohin?" Fragte ich eindringlich und knapp, fast schon zischend. Ich konnte ihm ansehen, dass er es verheimlichen wollte.
Er schluckte, "Zu jemandem, von dem ich nicht loskomme, einem Freund. Und das sagst du bitte auch Jungkook." Und damit riss er sich los, wonach ich wenig später die Haustür schließen hörte.
"Dummkopf." Murrte ich und lehnte mich an die Theke.
"Wer?" Hörte ich plötzlich Yoongis raue Stimme, die durch den einsamen Raum drang. Er erschien im Türrahmen und kam auf mich zu.
"Warum bist du schon wach?"
Er stellte sich vor mich und schloss seine Arme um meine Hüfte. Ich ließ mich gelassen gegen seinen Körper fallen und umarmte ihn. Dieser Geruch war mir so bekannt, ich fühlte mich so sicher bei ihm, dass ich die Augen fast schon automatisch schloss. Früher hatte ich es gleichzeitig gehasst und geliebt, dass ich so abhängig von ihm war, heute wusste ich nicht mehr, ob es richtig oder falsch war.
"Wer?" fragte er wieder, er mochte es nicht, wenn man eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortete.
"Tae."
"Ich bin wach, weil ich dich nicht mehr neben mir gefunden habe und ich ohne dich nicht schlafen kann." Aber er würde jede meiner Fragen beantworten.
Ich seufzte, "Oh mein Gott, ich liebe dich so sehr.." Und schmiegte mich mehr an ihn. Ich wollte, dass er mich hielt, mich beschützte und mir für immer seine Wärme gab.
"Jiminie, dass weiß ich doch. Du kannst mich trotzdem nur beim Vornamen nennen." Und als hätte er meinen Wunsch gehört, zog er mich näher an sich und umarmte mich. Wie ein Kind, was seine Eltern lange nicht gesehen hatte, klammerte ich mich an den älteren und genoß es, geliebt zu werden. Und dieses Gefühl war unbeschreiblich.
"Wie geht es dir?" Fragte er wie aus dem nichts und nur so leise, dass ich es hören konnte, während er leichte Küsse auf meinem Ansatz verteilte.
Und ich wusste nicht, wie ich ihm antworten sollte. Eigentlich war alles in Ordnung, ich hatte keine wirklich Sorgen und ich lag in den Armen des Menschen, den ich liebte. Doch auf irgendeine Weise war etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Ich hatte so ein komisches Gefühl im Bauch.
Dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm war.
Absurd, oder nicht?
Pov Taehyung
Mit großen Augen betrachtete ich den in weiß gehaltenen Raum, in dem an einem anderen Tisch auch noch andere Personen saßen. Er sah kark aus, nicht ansatzweise einladend, doch durch das kleine Fenster am obrigen Rand der Wand sah es wenigstens danach aus, als würde man hier wieder herauskommen.
Obwohl dies schier unmöglich war.
Es war eine Sackgasse, nur aus der schweren Tür, vor der ein gelangweilter Wärter stand, würde man fliehen können.
Aber dies hatte ich ja nicht vor. Ich war freiwillig hierher gekommen, in die Untersuchungshaft.
Vor meinen Augen wurde die Tür aufgestoßen und ein weiterer, dünnerer Wärter führte den Mann in den kleinen Raum, wegen welchem ich hier war.
"Du, hier?" Fragte Hoseok mich in dem Moment, in dem er mich erblickte. Der Klos in meinem Hals schien zu wachsen, so konnte ich nicht reden, während er sich auf den Stuhl mir gegenüber setzte und seine von Handschellen zusammengehaltenen Arme auf die Tischplatte legte.
Der dünnere Wärter, mit dem Hoseok gekommen war, verließ den Raum und nur der dickere, gelangweilte Mann überwachte uns. "Ab jetzt haben sie maximal sechzig Minuten, über die Tat darf im Allgemeinen nicht gesprochen werden, noch ist Körperkontakt erlaubt." Klärte er mich auf.
Mein Blick lag auf der weißen Tischplatte, meine vereinten Hände verkrampften sich. Und so saßen wir eine Weile dort, ich hörte den tiefen Atem des älteren und spürte seinen Blick auf mir, er wartete. Ich wunderte mich, dass mein Körper nicht zu zittern begann. Ich war so aufgeregt. Einerseits, weil ich einem Vergewaltiger und Verbrecher gegenüber saß, andererseits, weil ich merkte, dass mein Herz immer noch leichte Gefühle für ihn hegte. Trotz allem erkannte ich die Dinge, die ich vor einiger Zeit zu lieben begonnen hatte. Nur jetzt war es falsch. Jetzt war die Liebe zu ihm ein Fehler. Ich durfte ihn nicht lieben, für das, was er getan hatte, verdiente er keine Liebe.
"Wie kommt es, dass ich deinen Besuch verdiene? Und wer hat dich gelassen? Hassen mich zuhause nicht alle?" Fragte er, als ihm das Warten irgendwann zu dumm wurde. Wie er es immer noch als 'Zuhause' betitelte. Als hätte sich nichts je verändert, als würde er bald einfach wieder nach Hause zurück kommen.
"Warum hast du das getan?"
War das einzige, was ich gerade aus mir herausbekam und wissen wollte.
Hoseok unterdrückte ein ironisches Lachen, "Es gab so viele Gründe. Aber warum kommst du hierher?"
"Weil ich es einfach nicht verstehe!" Ich sah mit hasserfülltem Blick auf und sah ihm in die Augen. In die Augen des Vergewaltigers einer meiner Freunde. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich den Wärter, der mich schon ermahnend ansah, weswegen ich ihm mit dem gleichen Blick zu verstehen gab, dass er mich nicht unterbrechen sollte. "Du bist ein sonst so liebevoller und freundlicher Mensch und wenn man dich einmal alleine lässt, vergewaltigst du einen deiner besten Freunde? Das macht keinen Sinn!" Wenn ich auf meine Gesprächslautstärke nicht achten würde, hätte ich noch viel lauter geredet.
"Bitte achten sie darauf, worüber sie reden." Kam es leiser aus der Ecke vom dicken Mann. Doch Hoseok ignorierte es gleichermaßen. Er lehnte sich zurück und betrachtete seine Hände.
"In deinem Kopf hat noch nie etwas Sinn gemacht. Du kannst Sachen nicht verknüpfen und willst der Wahrheit nicht ins Auge sehen. Du merkst nicht, wie Menschen sich wirklich fühlen, was Trauer und Wut mit dir anstellen können."
"Und weißt du, was du alles nicht siehst?" Fragte ich fassungslos, "Wusstest du, dass Jimin sich selbst verletzt hat? Jungkook hat wohl immer gesehen, wie du Jimin ansiehst, du hättest es doch merken müssen, bevor du ihn einfach vergewaltigst!"
"Keine Worte über die Tat, bitte."
Ich sah dem Mann mitten in die Augen, "Wenn sie nicht gleich aufhören, überhaupt irgendwelche Worte zu verlieren, werden wir über eine andere Tat reden müssen."
Hoseok lachte leise, diese Art von mir schien ihm zu gefallen.
"Menschen verletzen sich durchgehend, Taehyungie, ob ich es nun getan habe oder Yoongi, ist dabei doch völlig egal. Der psychische Schmerz ist dabei dominanter als der physische." Sagte er. Und auch wenn sich dies falsch anfühlte, ich hatte seine kratzige Stimme vermisst. Das letzte mal hatte ich sie gehört, als er mit Beleidigungen um sich geworfen hatte. Ich hatte keinen Abschied nehmen können, es war, als wäre er einfach aus meinem Leben gerissen worden. Mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass ich in einen Mann verliebt war. Ich wusste nicht genau, welcher Sexualität ich entsprach und es interessierte mich auch nicht. Man musste nicht alles erklären müssen. Doch dass ich einen gewalttätigen Vergewaltiger liebte, der einem meiner Freunde Leid zugefügt und in den Selbstmord getrieben hatte, ließ mich mich selbst dafür hassen. Es schien, als hätte ich diese psychischen Schmerzen verdient und so wie es Hoseok beschrieben hatte, schmerzten diese mehr, als die physischen.
"Wurde dir je dein Herz gebrochen?" Fragte ich, diesmal ruhiger und feinfühliger. Mein Körper entspannte sich einigermaßen und meine anfängliche Wut vermischte sich langsam mit der Trauer, welche am Ende überwiegte.
Auch mein Gegenüber wurde stiller und seine Person, sein Erscheinen wurde kleiner, obwohl er sich nicht bewegte. "Mehrmals." Gab er gezwungen von sich, als hätte ich einen wunden Punkt getroffen.
"Also weißt du, wie sich das anfühlt?" Fragte ich interessiert weiter. Diesmal war ich derjenige, der die Oberhand im Gespräch hatte. Hoseok blockte nicht weiter ab, er redete normal mit mir.
"Mehr als genug." Antwortete er wahrheitsgemäß. Ich beobachtete, wie er unruhiger wurde, er knetete seine Hände und konnte mir nicht mehr in die Augen sehen. Stattdessen huschte sein Blick vom Tisch zum Boden, zur Decke und wieder zu seinen Händen, als würde er darauf warten, hier endlich wieder herauszukommen.
"Die Schmerzen sind unerträglich, nicht wahr? Und dir war es wirklich egal, ob jemand die selben empfindet?"
"Taehyung, Menschen handeln immer egoistisch und eigennützig. Ich lebe noch, Jimin auch, er ist nicht verreckt, seid doch froh. Und selbst wenn, wäre es seine Schuld. Er hat bei seiner 'Ich töte mich selbst Aktion' auch nicht an euch gedacht. Höchstens an... Yoongi. Jimin wollte euch alleine lassen, ihn haben eure Gefühle nicht ein bisschen interessiert." Er machte eine bedächtige Pause, in der es totenstill wurde. Auch die anderen schienen zu schweigen. Als er weiter sprach, starrte er leer in den Raum. "Menschen würden immer zuerst sich selbst retten, ihre eigenen Bedürfnisse stillen. Du musst anscheinend noch viel lernen, wir sind dazu verdammt, andere hängen zu lassen und an einer einseitigen Liebe zu sterben, denn wir verletzen die, die uns lieben und lieben die, die uns verletzen.
Das menschliche Wesen interessiert sich nicht für die Gefühle anderer."
"Also interessiert es dich auch nicht, dass ich dich liebe?"
Platzte es aus mir heraus und ich spürte, wie nun meine Hände anfingen zu zittern. Wäre es weiter so still gewesen, hätte man mein Herz sicher pochen hören können, so stark schlug es.
Hobie sah auf, ich hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen, seine Augen weiteten sich. "Was?" Fragte er, obwohl er mich ganz genau verstanden hätte.
"Aber ist nicht schlimm, wir verletzen die, die uns lieben und lieben die, die uns verletzen, nicht war?" Mit diesen Worten stand ich auf und wollte den Raum verlassen, weil ich spürte, dass mir Tränen in die Augen stießen. Hoseok wollte mich aufhalten, doch während ich den Raum verließ, hielt ihn der Wärter mit den Worten "Kein Körperkontakt" zurück.
Doch als mir jemand, in den ich beinahe hineingerannt wäre, die Tür aufhielt, erstarrte ich und faselte: "Warum- Was machst du-"
Er betrat den Raum, den ich soeben verlassen hatte und ließ mich ohne Fassung stehen.
"Warte draußen auf mich, Taehyung."
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[Danke für's kommentieren und Voten]
Hey peeps~
Zum einen will ich klarstellen, dass ich mich keineswegs mit solchen Sachen wie U-Haft und Gefängnissen auskenne, also behandelt die Geschichte bitte auch wie eine Geschichte. Ohne Fantasie wäre das alles gar nicht möglich ;3
Don't judge me, wenn es einfach nicht realitätsnah ist
Dange
Habt 'nen schönen Tag und ein schönes Wochenende♡
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