#53 I called her..
Pov Jimin
"Heute wurde der Täter, Jung Hoseok, nochmals zu seiner Tat befragt. Und immer noch streitet er alles ab.
Hat sich der dreiundzwanzigjährige am Abend des einundzwanzigsten Novembers wirklich über den jüngeren Park Jimin her gemacht, ihn vergewaltigt, missbraucht, geschlagen und anschließend zu Bett gehen lassen, als wäre nichts passiert?
Laut Polizei soll das Opfer ein Mitbewohner des Täters gewesen sein. Der Tathergang soll folgendermaßen-"
"Ich kann das nicht mit anhören." Fauchte Yoongi und schaltete den Fernseher aus.
"Woher kennen die meinen Namen?" Fragte ich leise. Meine Augen starrten den schwarzen Bildschirm an, ungläubig.
"Das kriegen die immer irgendwo heraus." Jin ließ sich mit einer Tüte Chips neben mich auf das Sofa fallen.
"Das nächste mal schlage ich denen den Kopf ein."
"Yoongi!" Jin mochte es nicht, wenn man nicht ernst gemeinte Morddrohungen einfach so in den Raum warf.
"Ich will diese ganze Scheiße nicht, woher wissen die das alles überhaupt? Und was interessiert es sie? Für die Welt ist Jimin nur ein weiteres Opfer und Ho-" Yoongi war wütend, entsetzt und stand auf.
"Okay, es reicht. Sprich diesen Namen nicht aus oder werf dein gesamtes Kleingeld ins Beleidigungs-Gläßchen."
Taehyung prustete lachend, während Yoongi den ältesten mit einem Blick ansah, der ihn nicht ernst nahm. "Du willst das mit der beschißenen Box immer noch durchziehen?"
"Leute, durch Yoongi wächst die Haushaltskasse!" Somit stand Jin auf und grinste.
"Oh komm schon, wir sind alle über zwanzig! Beleidigungen gehören zu unserer Kommunikation dazu."
Jin sah Yoongi enttäuscht an, vielleicht sogar verletzt, "Beleidigungen sollten nie etwas alltägliches werden."
Es klingelte und im selben Moment sah jeder in die Gesichter der anderen, denn niemand von uns erwartete Besuch.
"Ich gehe schon." Murmelte Jin, als er sich auch schon auf den Weg zur Tür machte. Ich stand nun ebenfalls auf, war neugierig und trat in den Flur, Yoongi direkt hinter mir. Er legte seine Arme um mich und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Ich genoß seine Wärme und war dankbar für seine Nähe, so sehr, dass ich die Augen schloss.
"Verdammt," Er sprach leise, seine raue Stimme veranlagte mein Herz dennoch zu rasen, "Ich liebe dich einfach viel zu sehr." Und selbst, wenn ich diese Worte schon relativ oft gehört hatte, mein Herz machte jedes mal einen Sprung oder setzte für ein paar Sekunden aus. Denn egal wie oft ich darüber nachdachte und es mir wieder und wieder vor Augen führte, ich konnte nicht realisieren, dass er Mein war und es sein wollte. Dass er mich ohne bösen Hintergedanken von seiner Liebe überzeugen und ich ihm vertrauen konnte.
"Ich dich auch." Flüsterte ich zurück, bevor er mir einen Kuss auf die Wange gab und sich von mir löste.
Im nächsten Moment konzentrierte sich meine Aufmerksamkeit auf den Menschen, der gerade unser Haus betrat. Und ich erstarrte zu Eis, als ich ihr Gesicht erkannte und ein einziges, erschrockenes Wort meine Lippen verließ,
"Mama?"
Meine Arme pressten sich in Sekundenbruchteilen an meinen Körper, rein aus Reflex und ich drehte mich um, starrte Yoongi an, als wäre er Hoseok, der mich gerade geküsst hatte. "Bitte hol mir eine Jacke, ich flehe dich an-", Ich brauchte nicht mehr sagen, da war er auch schon ein Stockwerk über uns.
Und ich stand da, schien nicht die Situation zu begreifen.
Hinter meinem Rücken stand meine Mutter. Ich hatte sie bestimmt seit sieben Jahren nicht gesehen. Verschiedenste Fragen flogen durch meinen Kopf: Wie hatte sie mich gefunden? Wo war mein Vater? Was war der Grund ihres Auftauchens? Und warum jetzt, warum jetzt, wo alles doch so ruhig in meinem Leben schien?
Yoongi hatte weniger als eine Minute gebraucht und drückte mir die graue Stoffjacke nicht nur in die Hand, sondern half mir sogar in sie hinein. Er war so perfekt.
Dieser Schritt war wichtig. Ich wusste nicht, warum meine Mutter hier war, ich hatte sie komplett aus meinem Leben verdrängt. Gut möglich, dass sie durch die Nachrichten zu mir gefunden hatte. Vielleicht war ihr eingefallen, dass sie noch ein Kind hatte und ein schlechtes Gewissen, welches sie nicht schlafen ließ. So oder so, sie musste nicht gleich die Verbände an meinen Handgelenken sehen, geschweige denn die Narben auf meinen Armen.
"Jimin?"
Ich hätte in Tränen ausbrechen können. Ihre Stimme löste so viele Erinnerungen in meinem Gedächtnis, die ich so erfolgreich vergessen hatte. Doch ich denke, man konnte nichts vergessen, nur verdrängen. Und so schallte ihre Stimme in meinem Kopf wieder, in Stimmlagen, in denen selbst ich nicht mit Leuten reden würde. Ich nicht. Besonders ich nicht. Die Sachen, die sie mir an den Kopf geworfen hatte, damals, als ich noch die Beine unter Papas Tisch hatte und ihren Worten folgen musste. Ich erinnerte mich an die vielen Regeln, an die Einschränkungen, die Bemühungen und die Verluste. An das Wohnzimmer mit dem braunen Teppich, in dem Mama mir damals eine Ohrfeige verpasst hatte, weil ich schon wieder eine schlechte Note mit nach Hause gebracht hatte. Ich erinnerte mich an meinen schwarzen Rucksack, welchen ich in der einen Nacht hektisch zu füllen versucht hatte, als meine Mutter im Bad beschäftigt gewesen war und Hoseok und Jin unten vor der Haustür auf mich gewartet hatten, um mich mitzunehmen und somit aus der Hölle zu befreien.
Damals hatten sie ihre Suche nach mir nicht einmal begonnen, warum endete ich nun doch als ihr Ziel?
"Chohee," Jin schien es mir erleichtern zu wollen, seine Stimme klang weder von ihrem Besuch, noch von meinem Verhalten begeistert und dennoch verstand er, dass ich nicht weiter wusste, "Darf ich dir einen Tee anbieten?" Er zog sie beinahe in einen anderen Raum, er hatte sie genau so wenig über die letzten Jahre gesehen.
Und ich krallte mich in Yoongis Shirt, welches in meinem Blickfeld auftauchte und spürte wirklich, wie meine Augen zu Tränen begannen. "Ich kann das nicht, können wir abhauen? Sagen wir, mir ist schlecht, mir geht es nicht gut, aber ich kann das nicht!" Ich sah hysterisch zu ihm auf.
"Das ist deine Mutter, richtig?" Fragte er und hielt mich an den Armen.
"J-ja." Stimmt, er hatte sie nie gesehen, nur über sie gehört. Er war damals noch nicht mit uns gewesen, er war später dazu gekommen, erst später hatte sich unser Freundeskreis etwas erweitert.
"Rette mich, bitte." Ich konnte mir nicht helfen, bettelte schon um Hilfe, da ich nicht weiterwusste.
"Nein." Sagte er stark, "Sie kann dir hier nichts, das hier ist dein Zuhause, wir sind zu sechst in der Überzahl. Und wenn ich ehrlich bin, sah sie mir nicht danach aus, als würde sie dich gleich anspringen."
Er sah, dass ich Panik schob, ich konnte diese Frau nicht einschätzen. "Jimin. Engelchen.. Ich sitze neben dir."
"Bleib bei mir."
"Ich beschütze dich. Dafür würde ich mein Leben geben."
"Tu's nicht."
"Hm?"
"Dein Leben geben. Sonst muss ich alleine klar kommen."
Er musste lächeln, "Du bist schon süß."
-
"Möchtest du irgendetwas bestimmtes in deinen Tee?" Hörte man Jin aus der Küche. Mein Blick haftete am Boden, während meine Zähne damit beschäftigt waren, vor Nervosität das innere Fleisch meiner Wangen aufzubeißen. Ich wollte sie nicht wieder sehen, sie hatte keinen Platz in meinem Leben verdient.
"Nein." Rief meine Mutter dem ältesten zu.
"Ich bin Yoongi." Stellte sich der schwarzhaarige auf einmal vor und aus dem Augenwinkel sah ich seinen Arm über den Tisch gehen. Mein Blick schoss in seine Richtung. Ich sah ihn unerverständlich an, etwas entsetzt, enttäuscht und immer noch stumm. Wenn die Rolle des Teufels nicht schon verteilt wäre, hätte ich gesagt, dass er gerade diesem die Hand schüttelte.
Yoongi sah mich an, als würde er mir innerlich sagen, dass er machte, was er wollte und mich fragen, was mein Problem wäre. Und ich erkannte wieder, wie viel Respekt ich vor ihm hatte. Seine gesamte Aura schien so imposant, als würde man vor ihm zurückschrecken und sich ducken, würde er die Hand heben. Und ich war wieder mehr als froh, dass er mir nie etwas antun wollte.
"Ah, ich habe mich schon gefragt, wer da neben meinem Sohn sitzt." Sie klang so freundlich, was mich aggressiv werden ließ und mich dazu veranlagte, mich rechtfertigen zu wollen.
"Du wolltest mich noch nie deinen Sohn nennen." Hasserfüllt sah ich zu ihr auf. Und wenn Blicke nun getötet hätten, säße eine Leiche auf meinem gegenüber liegenden Stuhl.
Ihr Aussehen ließ mich nicht kalt, dennoch erstarren. Ihr braunes Haar war kürzer als die Jahre zuvor, es fiel ihr stufenweise über die Schulter und ging ihr nur knapp bis zur Brust. Sie hatte Falten bekommen und so sehr ich es auch versuchte zu ignorieren, sie sah erschöpft aus. Wenn ich ihren sanften Blick mit einbezog, war sie gebrochen. Sie hatte Augenringe, die sichtbar versucht wurden, mit Make-up unsichtbar zu machen. Und ihre braunen Augen glichen einer schwarzen Nacht.
Wie sie dort auf dem Stuhl saß, sie machte sich klein. Beide ihrer zwei kleinen, zierlichen Hände hielten Yoongis ausgestreckte Hand, als würde sie ihm zeigen wollen, wie sehr sie es schätzte, dass ihr jemand die Hand reichte.
Was war mit ihr passiert?
Jin kam ins Zimmer gebogen und stellte ein Tablett mit vier Tassen und einer Teekanne in die Mitte des Tisches. "Jimin, das ist deine Mutter, achte auf deine Sprache." Tadelte er mich, als wäre er meine eigentliche Mutter.
"Würde ich, wenn ich sie als das sehen würde."
"Ist schon.. okay." Versuchte meine Mutter die Situation zu entschuldigen, "Ich hatte nicht wirklich mit einer empfänglichen Umarmung gerechnet." Und durch die Worte 'nicht wirklich' konnte man lesen, dass sie es trotzdem gehofft hatte. Dass in ihr immer noch ein Fünkchen Hoffnung geschimmert hatte, der nun endgültig erloschen war.
"Was führt dich zu uns?" Jin übergab jedem eine Tasse und setzte sich neben meine Mutter. Diese ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Und ich konnte mir vorstellen, dass sie unter Stress stand. Man konnte die Beziehung zwischen ihr und Jin im Entferntesten wie eine geschiedene Ehe ansehen, nur das die beiden nie mehr als bekannte gewesen waren. Jin war damals wie ein Ex-Mann gewesen, der ihr Kind mit sich genommen hatte. Dennoch war sie nie sauer auf ihn gewesen. Er hatte sie damals noch am selben Abend angerufen und ihr erklärt, dass ich jetzt mit ihm und einem weiteren Freund zusammenwohnen würde, er hatte ihr die Gründe erklärt, dass ich es in diesem Haus nicht mehr aushielt und den Bestrafungen meiner Eltern nicht länger standhalten konnte, und auch, dass sie Informationen über mich erhalten würde, wie es mir ging, auf Nachfrage natürlich. Sie musste gewusst haben, dass ich bei ihm viel glücklicher war, ihr war bewusst, dass er bessere Erziehungsmethoden hatte, weswegen der Kontakt nach ein paar Monaten abgebrochen war.
"Ich habe schon lange versucht, den Kontakt wiederherzustellen." Kam es kratzig von ihr. Ihre Stimme war mir so bekannt und doch erkannte ich sie fast nicht wieder. Ich hatte sie so lange nicht mehr sprechen gehört und in dieser Stimmlage, so ruhig, als wäre mir das unbekannt.
"Willst du jetzt so tun, als wären wir all die Jahre in engem Kontakt gewesen? Willst du fragen, wie es mir geht und wie es mir ergangen ist? Was willst du hier und damit erreichen?" Sagte ich und klang vorwurfsvoll. Unsere Blicke trafen sich. Wie sie mich wohl sah?
"Braucht eine Mutter einen Grund, um ihr Kind zu sehen?" Fragte sie und setzte die Tasse an ihre Lippen, um einen Schluck zu nehmen.
"Natürlich, wenn sie ihr Kind über Jahre nicht sehen wollte."
"Na, ihr seid ja heute gut aufgelegt." Jin seufzte. Und ich sah ihn wieder als die Person, die mich mit erzogen hatte und nicht mehr als Freund, alles allein wegen meiner Mutter.
"Wo ist Papa?" Fragte ich monoton, da es mich wunderte. Er hatte sie doch immer in der Hand gehabt, er hatte sie nur selten alleine rausgehen lassen. Warum war er also nicht mit ihr hier?
"Dein Vater.. ist beschäftigt." Gab sie an.
"Er hat mich also aufgegeben."
"Er hat uns aufgegeben."
"Und du hast ihn immer noch nicht verlassen?"
"Du verstehst das nicht."
"Ja ja, Liebe ist Liebe und du kannst ihn nicht verlassen, du liebst ihn zu sehr, ich verstehe das schon."
"Jimin versteht das am besten." Yoongis raue Stimme durchschnitt den Raum und unterbrach die erste wirkliche Unterhaltung zwischen meiner Mutter und mir. Ich sah ihn an, sein Blick versetzte mir einen Stich. Er wusste ganz genau, wie weh eine einseitige Liebe tat und dass ich dafür das beste Beispiel war. Doch vielleicht versuchte er seinen Namen hinter meinem zu verstecken, da er selber durch das alles durchgegangen war.
"Oh." Kam es knapp von meiner Mutter, ihre Augen wurden groß und sie sah Yoongi an, "Wer war denn die Glückliche?"
Ich rollte mit den Augen, es war immer wieder das gleiche. Nach all den Jahren hatte sie es immer noch nicht verstanden.
"Und daran sieht man, wie wenig du dich für mich interessierst. Wie oft habe ich dir erklärt, dass es nicht nur Mädchen sind? Verdammt, du denkst immer noch, das wäre alles eine Phase gewesen? Ich liebe nicht nur Mädchen, ich liebe Jungen genauso und gerade liebe ich einen ganz besonders. Ich bin für dich kein normales Kind, ich war nie ein normaler Sohn für dich, du bist nie mit mir klargekommen, ich war nie gut in der Schule," Ich begann sie anzuschreien und spürte, wie leicht mir Tränen wieder in die Augen stießen, "Ich habe nie gute Noten mit nach Hause gebracht und immer musste ich dafür bezahlen, dass ihr euch keine Nachhilfe für mich leisten konntet! Siehst du die Ironie dahinter?! Mama, warum hast du mir immer eine verpasst, wenn ich zu schlecht war? Warum hat Papa mich immer angeschrien? Ihr habt mich nie wirklich akzeptiert, wolltet mich immer in eine andere Richtung leiten, die euch besser gefallen hätte.
Wenn Jin-Hyung nicht endgültig einen Entschluss gefasst hätte, wäre ich immer noch in dieser stickigen Wohnung, hätte mich vor euch unter meinem Bett versteckt, damit du mich nicht anschreien und Papa mich nicht schlagen konnte. Und ja, Papa hat mich nie richtig geschlagen oder? Aber mich an meinen Füßen unterm Bett hervorzuziehen, um mich dann so lange anzuschreien, dass ich zittere, ist sicherlich nichts, was zum Alltag eines dreizehnjährigen gehören sollte." Ich schlug mit der Faust auf den Tisch, schluchzte bereits. Ich hatte diese Gefühle viel zu lange unterdrückt, nie hatte ich mit jemandem genug darüber geredet. "Nur weil Jin-Hyung nie locker gelassen hat, als ich ihm nicht sagen wollte, wo all die blauen Flecken herkamen, nur deswegen bin ich hier.
Und es ist kein Wunder, dass ich mich abends in den Schlaf geheult, mir die Arme mit Schnitten übersäht und mich gefühlt habe, als wäre ich nichts wert, wenn ich nichts anderes je zu hören bekommen habe. Ihr, Mama und Papa, ihr seid Schuld an all dem, warum wart ihr so miserable Eltern?!"
Ich brach auf dem Tisch zusammen, machte mich klein und schrie mir die Seele aus dem Leib. "Ich bin so schwach!" Stieß ich aus. Ich achtete gar nicht mehr auf meine Mutter oder einen anderen Beteiligten, hörte nur, wie jemand die Treppe herunter gestürzt kam und spürte Yoongi, der mich in eine Umarmung zog. Auch wenn ich mich wehrte und ihn wegzuschlagen versuchte, krallte er mich an sich und hielt mich in seinen Armen gefangen. Im Nachhinein atmete ich deswegen auf, da er mich nicht allein ließ und für mich da war.
Das waren Depressionen.
Sie schlichen sich durch jedes ersichtliche Loch, dass ihnen in der Mauer deiner Defensive auffiel und schlüpften hindurch, als wäre es eine Tür, die ihnen geöffnet wurde. Sie lösten einen einzigen Stein und die Mauer, die über die Zeit immer fester und stabiler geworden war, fiel in sich zusammen, als wäre sie erst Sekunden alt.
Doch Yoongi war für mich da.
Seine Arme waren mein Zuhause, in dem ich Schutz und Geborgenheit genießen konnte. Er beschützte mich auf ewig.
Ich weinte in den Stoff seines Pullis und vergrub mich in seinen Armen, ich wollte kein Tageslicht mehr sehen. Ich verfluchte meine Mutter, diesen Tag und mein Leben.
Meine Mutter saß fassungslos auf ihrem Platz, konnte ihren Mund nicht schließen, war erstarrt und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Bei ihr war ich noch nie so ausfällig und aggressiv geworden, ich war noch nicht einmal aus mir herausgekommen oder hatte meine Probleme angesprochen, aus Angst vor den Konsequenzen. Also musste es sie überraschen. Ihr Sohn war erwachsen geworden, dass sollte sie spätestens jetzt begreifen.
"Hyung, zähl bitte fürs Beleidigungs-Gläßchen mit," Begann Yoongi über mir und ich wusste, dass aus seinem Mund nun eine Ansage kommen würde, weil er sich nicht zurückhalten konnte, "Okay, ich kenne sie nicht und ich werde jetzt nicht auf ihr Niveau herunterkommen. Oder zumindest werde ich das versuchen. Aber ihr Sohn ist mental instabil - Jiminie, darf ich darüber reden?"
Mir stockte der Atem und ich schaute zu ihm auf. "Warum fragst du so blöd? Sag dieser Frau, wie sehr ich gelitten habe, wie schwach ich war und wie viele Leute es ausgenutzt haben!" In diesem Moment wusste Yoongi, dass ich nicht ihn ankeifte, sondern es mir einfach zu viel wurde.
"Jimin ist mental instabil. Er leidet an Depressionen und..
Ich weiß nicht, ob er diesen Grundgedanken, nicht genug zu sein, aus seinem Elternhaus mitgegeben bekommen hat, aber wenn das stimmen sollte, dann.. schämen sie sich. Ich hoffe, sie werden bis an ihr Lebensende mit diesen Schuldgefühlen kämpfen. Einen Jungen so traumatisieren zu können, dass er sein Zuhause freiwillig verlässt, das muss man erstmal schaffen. Denken sie, ihr Sohn kommt freiwillig mit schlechten Noten nach Hause? Aber wenn sie ihm als Mutter lieber eine scheuern, als sich seine Probleme anzuhören, dann sind sie weniger wert als Abfall. Und es tut mir leid so respektlos mit ihnen reden zu müssen, aber ich liebe diesen Jungen mehr als mein eigenes Leben und ich kann es nicht ertragen, wenn er leiden muss. Und sein ganzes Leben besteht aus Schmerz und Leid. Er wurde zuhause fertig gemacht, musste bei seinen Freunden aufwachsen, dann habe ich ihn auch noch wie Dreck behandelt, noch dazu ist eine einseitige Liebe das schmerzhafteste, was man einem Herzen antun kann. Es hat ihn zur Selbstverletzung getrieben, er lief monatelang mit suizidalen Gedanken herum. Und um das ganze noch auf die Spitze zu treiben, wurde er dann auch noch vergewaltigt! Vergewaltigt von Hoseok, einem Bastard, der kein Hirn besitzt und seine Rache sowie Gier an meinem Engel ausgelassen hat, um mir zu schaden. Hoseok hat es nicht verdient zu leben, ich hätte ihn umbringen sollen.
Jimin hatte keinen Grund mehr zum Leben."
"Ich habe... versucht mich umzubringen." Schniefte ich, "Und ich hasse mich dafür, ich habe so vielen Leuten damit weh getan." Ich versuchte mich aufzurichten und meine Augen zu trocknen. Ich sah, dass es Taehyung und Jungkook waren, die den Raum höchstwahrscheinlich wegen meinen Lauten aufgesucht hatten. Yoongis Arme lagen immer noch um mich und ich denke nicht, dass sie mich jemals losgelassen hätten. Ich war sein kleiner Schützling, sein kleiner Engel, auf den er so unbedingt aufpassen wollte.
Zögerlich legte ich beide Arme auf den Tisch und zog langsam die Ärmel auf beiden Seiten hoch. Zum Vorschein kamen die beiden Verbände an meinen Handgelenken und die Narben, die man trotz allem nur bei näherem Hinsehen sah. Man würde sie wohl auch erkennen, würden sie offen liegen, doch ich konnte das nicht beurteilen, da ich daran gewohnt war sie zu sehen.
"Ich weiß nicht, ich bin durch das alles nicht gestorben. Kaum zu fassen oder? Vielleicht sollte mich das alles stark machen. Vielleicht kann ich dir diese Narben zeigen, weil ich stark bin, weil es Narben und keine offenen Wunden sind. Aber.. Ich will dir so etwas nicht zeigen müssen. Mama, ich wünschte, dass ich dir so etwas gar nicht zu zeigen bräuchte. Du hast dir das ganze auch anders vorgestellt oder?
Du wolltest bestimmt nicht, dass ich mich umbringe.
Du wolltest bestimmt nicht, dass dein Sohn von Selbsthass zerfressen wird.
Du wolltest bestimmt nicht, dass ich je Angst vor meinen Eltern habe.
Du wolltest mich bestimmt nie schlagen.
Du wolltest bestimmt nicht, dass ich abhaue."
Ihre Wangen waren mit Tränen übersäht.
Vor meiner Mutter saß ich, ihr Sohn. Er lebte. Und obwohl sie es für selbstverständlich gehalten hatte, war sie nun mehr als dankbar dafür. Ich hatte ihr Gesicht geerbt. Diese Augen, die alles gute in einem Menschen sahen. Diese Ohren, die die Wahrheit in Lügen und Lügen in eine eigene Wahrheit verwandelten. Diesen Mund, der immer klein bei gab und ohne Überlegung Worte wählte. Und diesen Kopf, der sich einzog, jedes mal wenn jemand die Hand hob.
Und ich hatte Mitleid mit ihr. Vor allem, weil sie auf den Tisch sank, sowie ich es zuvor getan hatte, ihre Haare ihr Gesicht verdeckten und ihre Hände zärtlich die meine umfassten. Sie zitterte unglaublich stark, ihre Hände waren kälter als ihre Seele, die sich gerade zu erwärmen schien. Sie war diejenige, die fertig mit ihren Nerven war. Nicht ich, nicht irgendjemand.
"Jimin... Du bist so stark.."
"Mama, warum bist du wirklich hier?"
Ich ignorierte den Fakt, dass jeder aus dem Haus meine eigene Mutter weinen hörte. Ihre Ehre war sowieso schon durch den Dreck gezogen worden, von meinen Erzählungen und mehrmals von meinem Vater und ich hatte mich zu sehr an diesen gebrochenen Klang, der schmerzhafte Erinnerungen weckte, gewöhnt, als dass er mir eine Gänsehaut bescherte.
"Weil ich es nicht bin. Weil ich Hilfe brauche."
Und in weniger als ein paar Sekunden hatte sie wieder etwas Respekt von mir erlangt. Sie war die selbe Person, nur dass man ihr ansah, dass die gesamte Familie Park Jahre voller Qualen durchgemacht hatte. Das war es, was sie so gebrochen wirken gelassen hatte.
Und dass sie um Hilfe suchte, das nannte ich Stärke. Sie sagte nicht nur vor mir, sondern vor fünf Männern, dass sie Hilfe brauchte, wobei sie älter als wir war. Es bewies mir, dass ihr ihr Stolz nichts mehr bedeutete und sie nicht mehr zu feige war, es zuzugeben.
Dennoch konnte ich meine Erinnerungen nicht vergessen, was mich in einem besonders wichtigen Moment Schweigen ließ.
"Es tut mir so leid." Hörte man sie noch schniefen, während sie sich vor meinen Augen aufrappelte, sich die Tränen wegzuwischen versuchte und gebrechlich aufstand. "Aber dafür ist es offensichtlich zu spät.."
Meine Augen blieben am selben Punkt haften, ich traute mich nicht, ihr nachzuschauen.
"Warte doch!" Jin hechtete ihr nach, während sie aus dem Raum stürmte.
Ich ließ meinen Kopf so hart es ging auf die Tischplatte knallen und starrte leer in irgendeine Richtung. Yoongi sah mich bemitleidend an, bevor er seinen Griff um mich festigte und sich an mir anlehnte.
Ein mal ein Versager, immer ein Versager.
"It's sad when family become more like strangers, and strangers become more like your family."
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[Danke für's kommentieren und Voten]
Hello peepz~
Es tut mir unglaublich leid, dass über zwei Wochen nichts kam. Hat mit Schule und etwas persönlichem zu tun. Auf jeden Fall war ich nicht in der Stimmung zu schreiben.
Jetzt läuft das alles aber wieder (hoffe ich) und ich werde wieder schreiben~
Ich habe an diesem Kapitel drei Tage geschrieben, wenn nicht sogar noch länger, weil ich nie weitergekommen bin ugh
Naja, danke für's lesen und einen schönen Abend noch♡♡
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