»Zur Hölle mit den ganzen Klischees.« | Kapitel 8

Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.
Eugène Ionesco

Manche Momente sind so voller Magie, dass sich eine zauberhafte Blase um sie spannt. Sie schirmt sie für einen Augenblick von der Welt ab und die einzigartige Pracht bündelt sich in ihrem Inneren. Und urplötzlich, mit einem spöttischen Pff, zerplatzt sie irgendwann.

Sie zerplatzt, weil die Macht in ihr so gewaltig war und in die Welt dieser keinen Platz gewährt. Wie eine Seifenblase — Puff — ist sie von einem Wimpernschlag auf den nächsten verschwunden, hat sich ins Nichts verabschiedet und hinterlässt ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen derer, die die Schönheit des Moments entdeckt haben.

Als ich Lewis etwas ratlos ins Gesicht schaue, erkenne ich eben so ein Lächeln. Meine Lippen zeichnet es auch, das sagt mir Lewis Art mich anzuschauen.

Doch bevor ich irgendwas sagen kann, presst Lewis seinen Zeigefinger auf meine Lippen. Leise.
Ich nicke gehorsam und muss mir trotz allem auf die Lippe beißen, um nicht doch loszulachen.

Das Funkeln in seinen Augen, das ich schon ins Herz geschlossen habe, blitzt noch einmal auf, dann wird es überdeckt von seiner Ernsthaftigkeit. Im dämmerigen Mondlicht erkenne ich seine Züge. Die Muskeln seiner Kiefer zucken und mit angespanntem Gesicht rückt er etwas von mir ab.

Ihn neben mir zu haben, fühlte sich so normal an, und die unerbittliche Leere an seiner Stelle ist ungewöhnlich. Nahezu unangenehm.

Als die vertraute Hand sachte über meine streicht und damit meine verkrampften Finger löst, schließe ich kurz meine Augen. Tief ein und aus atmen.
»Wir müssen gehen«, erinnert Lewis mich. Neben das Klavier gehockt, zieht er leicht, aber bestimmt an meiner Hand.

Ich nicke und folge ihm gebückt durch den Saal. Das Adrenalin rauscht durch meine Adern und ich bin so im Tunnel, dass ich beinahe gegen Lewis stolpre. Er ist unvermittelt stehen geblieben, hat sich die Violine gegriffen und ohne meinen erschrockenen Blick zu bemerken, setzt er sich wieder in Bewegung.

Auf dem Weg zur Tür stoppt er bei einem der Wandschränke und verstaut die Geige. Gewissenhaft schließt er den Schrank und würdigt mir erst dann wieder einen Blick.

»Wir wollen doch niemanden nachhaltig beunruhigen, oder?«, beantwortet er meine unausgesprochene Frage und fährt sich durch die blonden Haare. Er beißt sich schmunzelnd auf die Lippe und verkneift sich so ein Grinsen.

Dass er gerade umwerfend aussieht, scheint er ganz genau zu wissen. Die Dämmerung verwandelt seine Haare in ein silbernes Schimmern, durchzogen von goldenen Fäden, und lässt seine Augen noch mehr funkeln. Seine Grübchen heben sich in der Dunkelheit besonders hervor. Mühsam widerstehe ich dem Drang, mit dem Finger über seine Wange zu streichen.

Ein Lichtschein fällt erneut in die geladene Dunkelheit und reißt uns beide aus der Starre.
Verlegen wendet er den Blick ab, doch ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel.

Ohne ein Wort setzten wir uns in Bewegung. Wir huschen durch die Tür hinaus, verschließen sie ordnungsgemäß, nehmen eine Stufe nach der anderen, umgehen knatschende Dielen und gerade als wir durch die Tür hinaus schleichen wollen, ertönt das knirschende Geräusch eines Schlüssels im alten Schloss. Der Klang durchbricht die Stille so abrupt, dass ich ihn im ersten Moment nicht zuordnen kann. Er dröhnt in meinem Ohren und ich erstarre mitten auf den letzten Metern.

Lewis Hand umschließt meine Handgelenk und ehe ich mich versehe, stehe ich eng an seine Brust gezogen in einer dunklen Nische.

Adrenalin pumpt durch meinen Körper. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, ob die nichtvorhandene Distanz und Lewis warmer Atem, der mein Ohr kitzelt, verantwortlich dafür ist, oder der starre Lichtstrahl, der den Flur entlang gleitet.

An meinem Rücken spüre ich Lewis schweren Herzschlag.

Eine Holzdiele knatscht und ich presse die Lippen zusammen. Bitte, lass es gut gehen. Bitte, lass uns unentdeckt bleiben. Bitte-
Eine tiefe Stimme lässt mich zusammenfahren: »Hallo?«.

Lewis hält mich fest in seinem Arm.
Fast bin ich versucht zu antworten und einfach aus unserem Versteck ins Licht zu treten.

»Widerrechtliches Betreten dieses Gebäudes ist strafbar und wird zur Anzeige gebracht.«

Nur die zaghaften Kreise, die Lewis auf meinen Oberarm zeichnet, halten mich davon ab. Und langsam lösen sich meine verkrampften Muskeln.
Der Schein wandert weiter den Flur entlang und bleibt an der Treppe hängen. Ein Grunzen erklingt nur wenige Zentimeter von uns entfernt und ich wage nicht zu atmen.

Lewis stoppt in seinen Bewegungen und zieht mich noch näher an sich. Sein Herz pocht gegen die Rippen und fast bin ich mir sicher, es hören zu können.

Wenn der Mann nur einen Schritt weiter gehen würde, ständen wir Angesicht zu Angesicht.
Ich schließe die Augen und atme ganz langsam aus.
Der Kegel der Taschenlampe erscheint erneut in meinem Blickfeld und huscht an uns vorbei. Oder über uns hinweg.

Wir stehen tief im Schatten und verschmelzen nahezu mit ihm.

Schlüssel klappern und ich kralle meine Hände in Lewis Arme, die mich schützend umschließen. Jetzt ist es vorbei.

Jetzt nimmt auch dieser Abend ein jähes Ende.
Doch nichts passiert. Keine Sterne die mir im plötzlichen Licht vor den Augen tanzen, keine lauten Anweisungen, keine Hände, die Lewis und mich auseinander ziehen.

Intuitiv habe ich mein Gesicht in Lewis Armbeuge versteckt. Erst, als die Anspannung langsam von ihm abfällt, wage ich aufzublicken und meine Finger von seinen Unterarmen zu lösen.

Wie ein Mantel umhüllt seine Wärme mich und ich weigere mich hinzunehmen, dass das nur ein Bild ist, dass man Gehirn mir weiß machen will. Das hat nichts mit den ganzen Romcoms zu tun, die Alyah so sehr liebt. Rein gar nichts.

In einem Teeniefilm würde sie sich jetzt an seinem Hemd festkrallen und nie wieder aus seinen Armen hervorkommen, es sei denn, um sich einen Kuss zu stehlen.

Und obwohl Fremde mir noch nie so sehr aus der Seele gesprochen haben, reiße ich mich los. Zur Hölle mit den ganzen Klischees.

Sofort schafft Lewis mir Raum und lässt seine Hände von meinem Rücken gleiten. Doch bevor er sich ganz zurückziehen kann, umschließe ich seine Hand.

Es war viel zu leicht sich von Lewis zu lösen und am liebsten würde ich wieder in seine berauschende Nähe flüchten, die mich fühlen lässt, wie in einem von Alyahs vermaledeiten Filmen.

Der geschaffte Abstand hinterlässt ein Ziehen in mir und ich presse die Lippen zusammen.

Und trotzdem stehen wir immer noch viel zu nah beieinander. Erst jetzt realisiere ich, dass uns ein tiefer Türrahmen vor dem Nachtwächter versteckt gehalten hat. Die Enge, die uns eben den Kragen gerettet hat, treibt mich jetzt in den Wahnsinn.
Nachdem ich den Gang ein letztes Mal kontrolliert habe, trete ich wieder hinaus. Leise Schritte verraten mir, dass Lewis mir zögerlich folgt. Ich könnte mich verfluchen. Schon wieder bin ich vor dem Geflüchtet, was mir die Kontrolle entreißen könnte. Schon wieder konnte ich nicht über meinen Schatten springen.

»Es tut mi-«, als ich mich umblicke, treffen mich Lewis fragende Augen und lassen mich verstummen.

»Ich erklär's dir draußen« — oder probiere es zumindest.
Er antwortet nicht.

Seine Schritte sind beständig hinter mir, wie schon den ganzen Abend. Doch etwas hält mich zurück, etwas protestiert gegen den Drang, ihm ein Lachen entlocken zu wollen.

Etwas tapsig suche ich mir einen Weg durch die vollgestellten Seitengänge des großen Flurs und hoffe, dass mein Orientierungssinn mich einmal nicht im Stich lässt. Der Haupteingang wäre der einfachste Weg hinaus gewesen, aber wäre ich Nachtwächterin, würde ich die Einbrecher denken lassen, ich hätte ihn endgültig abgesucht und dort hinaus locken.

Aber wir müssen hier heraus, ehe der Abend von noch mehr unschönen Wendungen gezeichnet wird.
Ohne ein Wort folgt Lewis mir immer tiefer ins Gebäude hinein. Jeder Augenblick des Schweigens zerrt an meinen Nerven. Nur unsere Schritte durchbrechen die Stille und als es irgendwann immer dunkler wird, halt ich es nicht mehr aus.
Gegen alle Mauern, die ich in der letzten Minute zwischen uns errichte habe, warte ich auf ihn und taste in der Schwärze nach seiner Hand.

Seine Finger streifen meine ganz sanft und ein Lächeln verzieht mein Gesicht in der Nacht.
Allein die Tatsache, dass er genauso meine Hand gesucht hat, reicht, um mir Hoffnung zu geben. Vielleicht ist doch nicht alles eingerissen...
Ganz leise kommen die Wörter über meine Lippen, als ich eingestehe: »Wo geht's raus?«.

Sein raues Lachen steckt mich an. »Irgendwas hat mir gesagt, dass du keinen Plan hast.« Ich schnaube.

»Nächstes Mal weiß ich auch, was...«
Vielsagend lässt er die Wörter stehen und ich suche vergeblich seinen Blick.

Mit einem: »Hier entlang«, marschiert er los und schweigend wandern wir durch das Gebäude.
Es riecht nach Farbe, frischem Holz und altem Papier je tiefer wir in das Bauwerk eindringen. Ohne irgendeinen Grund beginne ich mich zu entspannen. Eigentlich spricht alles dagegen. Wir sind fucking eingebrochen, ein Nachtwächter schleicht ums Haus in das wir eingebrochen sind und wir haben kein Wort mehr gewechselt, seit Lewis mich durch die Gänge des Hauses, in das wir eingebrochen sind, führt.

Und trotz des Schweigens glühte eben in der Dunkelheit etwas auf, von dem ich dachte, dass ich es erstickt habe, bevor es überhaupt greifbar war. Ich weiß nicht was und vielleicht will ich es auch gar nicht wissen, aber ich will, dass es nicht mehr verschwindet.

Irgendwie ist plötzlich alles gut. Ob es besser wird, oder schlechter, es ist egal. Es ist gut gerade. Alles gut, so wie es ist.

Und möglicherweise ist es das nur, weil niemand weiß, wie es danach sein wird.

Als Lewis schließlich vor einer der tausenden gleichaussehenden Türen stehenbleibt und im zaghaften Schein, der unter der Tür hindurch zu uns dringt, meinen Blick sucht, beiße ich mir auf die Lippe.

»Wir klettern gleich durchs Fenster raus, okay?«
Ich nicke und hoffe, dass das reicht. Meiner Stimme vertraue ich nicht genug und ich hasse es.

»Der Abend war bisher zu gut, um mit einer Verhaftung zu enden«, quittiert er es und entlockt mir ein kleines Lachen.

Ein zufriedenes Grinsen liegt in seinem Gesicht. Kurz streifen seine Finger über meinen Handrücken, dann löst er unsere Hände und stößt die Tür auf.

— ♕ —

Für einen Bruchteil fühlt es sich an, als könnte ich fliegen. Und dann lande ich härter denn je auf dem Boden der Tatsachen. Oder zumindest fühlt es sich so an.

Als Lewis von der Fensterbank auf den Boden geglitten ist, sah es kinderleicht aus. Eine Illusion, eindeutig, wie mir meine rechte Verse verkündet und ich kneife die Augen zusammen.

Ich hasse diesen Schmerz, der nicht wirklich ein Schmerz ist, aber trotzdem weiß man ganz genau, dass das zu viel war.

»Alles okay?« Lewis entgeht nichts. Ich habe keine Ahnung, wie lange es brauchen wird, dass ich akzeptieren muss, dass ich nichts vor ihm geheim halten kann. Es ist schlichtweg unmöglich. Oder zumindest scheint es so, ich bin noch nicht an dem Punkt, an dem ich es einfach hinnehme.

»Hättest du die Hilfe angenommen...«, betont er sein Angebot mich herunterzuheben.

»Schwafle nicht und hilf mir lieber jetzt«, murre ich und stütze mich auf seinen Arm, den er mir um den Rücken legt.

»Und was hast du jetzt davon, dass du alles alleine schaffen wolltest?«

»Ich wollte einfach nur selber aus dem Fenster springen und nicht wie eine erbärmliche Katze vom Baum gerettet werden.«

»Das weiß ich sehr wohl. Trotzdem wärst du mich anders schneller los geworden«, seine Stimme verrät, dass er wieder grinst, »und vor allem  wärst du selbst ohne Kollateralschäden davon gekommen«.

Kurz huscht mein Blick zu ihm, ehe ich antworte: »Was sagt dir, dass eins von beidem mein Ziel gewesen ist?«.

Stolz auf mich selbst, einen Weg zurück zum Umgang vor der Misere mit dem Nachtwächter gefunden zu haben, unterdrücke ich ein Giggeln.
Für einen Augenblick verstärkt sich der Druck von Lewis Hand in meiner Seite und lässt mein Puls beschleunigen.

Langsam erwidert er: »Das eine beunruhigt mich, das andere nicht.« Er seufzt. »Trotzdem weiß ich nicht, was mir mehr Sorgen macht.«
»Etwa um deiner selbst Willen?«

Er schmunzelt und zuckt die Schultern.
Mitten im Beet, dass um das Haus herum angelegt ist, bleibt er nun stehen und zwingt mich, es ihm gleich zu tun.

»Was ist los?«, verlange ich zu wissen, als er sich mit der freien Hand durch die Haare fährt. Das tut er entweder, wenn er gedankenverloren vor sich hinträumt, oder, wenn er konzentriert nach etwas sucht.

»Shit«, entfährt es ihm und seine Augen huschen hin und her. Er rümpft die Nase und seine Finger tippen einen unruhigen Rhythmus.

»Du machst mich nervös«.
»Sorry«, murmelt er, macht aber keine Anstalten etwas zu ändern.
»Was ist los?«
»Nichts.« Er geht weiter auf den Gehweg zu und ich folge ihm. Man sieht ihm an, dass seine Gedanken immer noch rattern.

Schweigend humple ich neben ihm her. Wieso redet er nicht. Für einen kurzen Moment wird er langsamer und ich nutze die Chance.

»Lewis.« Ich löse mich aus seiner Stütze und lege beide Hände an seine Wange. Augenblicklich stoppen seine Finger und sein Blick liegt auf meinem Gesicht.

Langsam lasse ich die Hände sinken und weiß nicht mehr, was ich eigentlich erreichen wollte.

»Der Mantel«, erklärt er kurz angebunden.
»Ahh«, merke ich hilfreich an.
»Ich hab ihn liegen lassen.«
»Okay-« Ich verstehe den Punkt noch nicht. »Kannst du ihn nicht einfach morgen holen?«
Kurz runzelt er die Stirn, dann schüttelt er den Kopf.

»Ne«, er schaut nach links und rechts und hebt mich dann, ohne dass ich mich dagegen wehren kann, über den kleinen Zaun. Ich hab ihn gar nicht bemerkt und hätte beim Stolpern mehr als eine pochende Verse beibehalten, »das würde auffallen. Und ob du's glaubst oder nicht, die ganzen faulen Schnösel hier interessieren sich einen Dreck für das Studium, aber wenn sie irgendwelchen Gossip über andere Studenten bekommen können, arbeiten ihre grauen Zellen auf Hochdruck.«

Als wäre es selbstverständlich legt er seinen Arm um meine Schulter.

»Irgendwie kommt immer raus, was auf dem Campus alles passiert. Irgendwer mit Einsichten in die Akten, tratscht wohl gerne. Tja«, er seufzt erneut, aber diesmal nicht so resigniert. Wir sind auf einem guten Weg.

»Verstehe.«

Dann ergänze ich: »Wenn sie wissen, dass heute Nacht jemand dadrin«, ich deute auf das alte Gemäuer neben uns, »war und dein Mantel dadrin ohne Grund liegt, zählen sie eins und eins zusammen«.

Er nickt und zeichnet Kreise auf meine Oberarm.
»Darin sehe ich nur kein Problem«, provoziere ich ihn.

»Wirklich?«, er lacht und unterbricht die Kreise.
»Ich dachte, du bist doch so clever...«

Mit einem Stoß in die Seite revanchiere ich mich.

»Es geht nicht darum, ob wahr ist, was sie sagen, sondern nur darum, was sie sagen. Du wirst lachen, aber die Wahrheit wird hier nicht so groß geschrieben, wenn sie doch alle einfach von anderen annehmen, anstatt sie selbst zu suchen.«
Ein Vogel flattert in den Ästen über uns davon.
»Sie sind froh, wenn sie einen Übeltäter finden, also sollte man ihnen am besten keinen geben.«
»Verstanden. Und jetzt?«
»Jetzt holen wir uns den Mantel zurück.«

— ♕ —

Der Mantel liegt noch genau dort auf dem Klavier, wo Lewis ihn abgelegt hat, bevor er mit dem Violinenspiel begonnen hat.

Das schwarze Holz des Flügels spiegelt das Licht der Taschenlampe und der Kegel wird immer kleiner, je näher wir kommen.

»Dieser hier?«, fragt der Nachtwächter. Ne, der andere. Was für eine intelligente Aussage.
Tatsächlich erfüllt der kugelige Mann alle Klischees, denen ein Nachtwächter entsprechen kann; übereifrig, naiv und etwas zu mollig um wirklich für Sicherheit sorgen zu können. Doch eigentlich patrouilliert er auf dem Campus bei den Studentenwohnheimen, da ist Sicherheit vielleicht nicht die erste Priorität.

Der blonde Mann neben mir antwortet seh viel freundlicher, als ich es getan hätte und streicht liebevoll über den Mantel.

Lewis und er scheinen sich verhältnismäßig gut zu kennen und unterhalten sich auf dem Weg aus dem Kunstwerk heraus, wie das Gebäude wohl heißt. Ich genieße das Gefühl von Lewis Hand fest in meiner und lasse das Gespräch an mir vorbei fließen. Es ging, glaub ich, um seinen Opa, von dem der Mantel sei, das war sein Grund, dass er ihn heute Nacht unbedingt wieder zurückholen muss.
Ohne dass ich es bemerkt habe, sind wir wieder hinaus in die Nacht getreten.

»Danke, Mann.« Lewis steckt ihm einen Schein zu und die beiden verabschieden sich mit einem Handschlag. Der Nachtwächter schlägt mir im Vorbeigehen auf die Schulter und ich fühle mich wie ein Rennpferd, dass gerade das Rennen seines Lebens gemacht hat.

Nur dass ich kein scheiß Pferd bin.
Wieso? Argh...

Ich könnte kochen, aber ich drücke nur Lewis' Hand, der mich verwundert anschaut.
Als der Pferderennbahn-Nachtwächter endlich verschwunden ist, lässt die Wut langsam nach. Vorsichtig löst Lewis seine Hand und knetete sie mit der anderen.

»Was war das denn?« Aus seinen Augen spricht Aufrichtigkeit und ich weiß, dass er es trotzdem nicht verstehen wird. Er wird es hören und anerkennen, dass ich so fühle, aber nicht verstehen. Denn verstehen kann man so etwas nur, wenn man es selbst erlebt hat. Nur das lässt vollständig verstehen.

»Machen wir kein Thema raus, aber er hat mich wütend gemacht.«
»Offensichtlich.« Ohne ein weiteres Wort legt er wieder seinen Arm um meine Schulter und ich verkneife mir ein Lächeln. Es fühlt sich so gut an.
»Was machen wir jetzt?«
Er zieht mich noch näher an sich und antwortet: »Was willst du denn machen?«.

Ich will, dass die Nacht nie zu Ende ist. Aber ich spreche es nicht aus und lege stattdessen meinen Kopf auf seine Schulter.

»Hast du morgen nicht Uni?«
»Mhh«, murmelt er.
»Unser Flug geht auch um 11...«, weiter will ich nicht sprechen.
»Was heißt hier „auch". Meine Vorlesung startet um 7:30. Nachbarschaftsstreit. Ich fürchte mich jetzt schon davor.«

»Was hat Nachbarschaftsstreit den mit Internationalem Recht zu tun?«, will ich lachend wissen und blicke ihm ins Gesicht. Seine blau-grauen Augen funkeln und verraten mir, dass er keine Ahnung hat.

»Es wird langsam kalt und vor allem musst du morgen früh raus, also-«, »Gegen „Kalt" können wir etwas tun«, da habe ich den Mantel schon um meinen Schultern.

Erst jetzt realisiere ich, dass der warme Septemberabend schon lange nicht mehr warm ist. Es wird ein Wunder sein, wenn ich mir nicht längst eine Erkältung eingefangen habe, mit diesen kurzen Ärmeln und dem Kleid.

Der herbe Geruch von Holz, gemischt mit dem zarten Frisch einer Zitrone hüllen mich ein. Es riecht nach Lewis und mein Bauch kribbelt.
Scheiß auf die bescheuerten Klischees.

Ich gehe einen Schritt näher bei ihm und wie von selbst legt sich sein Arm wieder um mich und zieht mich noch ein Stückchen näher zu sich. Selbst durch die weiche Baumwolle dringt seine Wärme zu mir und ich kuschle mich regelrecht in seinen Arm und Mantel.

Schweigend spazieren wir durch den Park und drehen irgendwann immer wieder die gleichen Runden.

»Wir sind einfach eingebrochen,«, ich grinse, »sind geflüchtet, haben etwas vergessen und haben den Nachtwächter eingespannt, um es zurück zu holen«. Ein Lachen entweicht meiner Kehle und ich hole tief Luft, bevor ich seine stürmischen Augen suche.
Als sich unsere Blicke treffen, bricht es aus uns heraus. Wir können keine Worte bilden, lachen haltlos in die Nacht von NewYork und japsen nach Luft. Ich habe mich nie besser gefühlt als in diesem Moment.

——

Nah, was haltet ihr von den beiden? 👀
Da sind sie ja gerade nochmal davon gekommen...
Wie die Nacht wohl endet? 🙃

——
jegliche Gedanken sind herzlich willkommen!
Und alles, was du loswerden willst ;)
Und falls dir nichts einfällt, freu ich mich natürlich über ein Sternchen

Pssst: die sind sogar kostenlos, aber nicht umsonst 😌 uns als Schreiberlingen bedeuten sie in der Schaffensphase nämlich die Welt ☺️
— aber nicht verraten

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