7. Kapitel
Die erste Nacht war die schlimmste. Immer wieder mussten die Lehrer zu den Schülern gehen und ihnen erklären, dass sie doch endlich ins Bett gehen mögen und schlafen sollten. Oder es gab die Sorte von Schülern die die Lehrer zu sich gerufen haben nur um mit ihnen zu flirten. Am nächsten Morgen war ich mehr als nur gereizt. An die acht Mal musste ich bestimmt aufstehen und die Leute, dessen Zimmer ich beaufsichtigen musste, um Ruhe bitten. Als ich sie aber wecken sollte, schmeißen mich die meisten am liebsten wieder heraus und meckern herum, dass sie kaum geschlafen haben. Das letzte Zimmer das ich betrete ist das von Harry. Ich habe ihn nicht gesehen gestern Abend, obwohl jedes andere Zimmer auf den Fluren war. „Harry du musst aufstehen. Hörst du mich?" Ich rüttle an seiner Schulter doch er regt sich nicht. Um besser an ihn heran zu kommen, setze ich mich auf das Bett und schüttele ihn etwas stärker. Er bekommt nur schwer die Augen auf und kann sich kaum wach halten. Harry glüht förmlich. Toll der erste Tag der Klassenfahrt und dabei auch noch meine erste und mein Schüler ist krank. Ich decke ihn wieder zu und suche meine Kollegen auf, schließlich kann ich ihn nicht alleine hier lassen und bete darum, dass ich auf ihn aufpassen darf. „Kümmern sie sich um Harry und wir machen etwas mit der Klasse, wenn irgendetwas sein sollte, rufen wir sie an oder sie rufen uns an." Ich ziehe mich eben um und gehe runter um etwas aus einer Apotheke zu holen.
Harry hat sich während ich weg gewesen bin ausgezogen. Ihm ist viel zu warm, aber er muss nun mal schwitzen um wieder gesund zu werden. „Mr Payne, was machen sie denn hier? Sie müssen doch die Klasse beaufsichtigen." Harry dreht sich zu mir. „Ich kümmere mich um dich. Warum bist du nicht zu Hause geblieben, wenn es dir so schlecht geht." Er sieht auf seine Finger. „Ich wollte bei ihnen sein auch wenn die ganze Klasse dabei ist. Ich habe noch nie gefehlt, wenn ich bei ihnen Unterricht hatte." Das Fieber scheint ihm echt zu Kopf gestiegen zu sein. Ich setze mich zu ihm und gebe ihn die Salbe für die Brust und den Rücken. „Können sie das machen? Ich komme nicht an die richtigen Stellen." Eigentlich müsste ich mich von ihm fern halten, denn wenn ich und er weiter so machen, dann kann es nur nach hinten los gehen. Ich komme ins Gefängnis verliere meinen Job und Harry wird vielleicht der Schule verwiesen und es wird schwer, dass er seinen Abschluss machen dürfte, wenn er gebrandmarkt ist. Ich muss es jetzt machen, aber werde seine Mutter anrufen und sie bitten, ihn abzuholen. „Ist gut, leg dich bequem hin, aber du musst dich warm anziehen und ich werde deine Eltern verständigen." Er nickt nur abwesend. Bevor ich auch nur ansatzweise fertig bin, ihn ein zu cremen, höre ich ein leises schnarchen. Harry ist eingeschlafen. Jetzt muss ich ihn auch noch umdrehen und anziehen.
Ich habe Harry ordentlich ins Bett gelegt. Im Flur laufe ich auf und ab und warte darauf, dass seine Mutter oder sein Vater abnehmen. So wie er gerade ist, kann ich es nicht verantworten, dass er hier bleibt und sich sonst was einfängt, oder dass er andere ansteckt. „Guten Tag." Eine weibliche Stimme meldet sich. „Guten Tag. Mr Payne hier, Harry's Lehrer. Spreche ich mit seiner Mutter?", frage ich. „Nein, mit seiner Schwester. Ist etwas mit meinem Bruder passiert?" Die Stimme wird leicht panisch. „Ist deine Mutter da?" „Leider nicht. Aber sie können auch mit mir sprechen.Ich in schon achtzehn." Na gut dann muss ich halt mit seiner Schwester vorlieb nehmen. „Harry, hat sich etwas eingefangen und liegt jetzt mit Fieber im Bett. Wäre es möglich, dass er vielleicht abgeholt werden kann von euren Eltern? Ich kann es nicht verantworten, dass es noch schlimmer wird oder das er noch jemanden ansteckt." Ich muss etwas auf die Antwort, aber bekomme eine Zusage. „Ich komme. Passen sie auf ihn auf, wenn er mal krank ist - was nicht gerade häufig vor kommt - dann ist er ziemlich kuschel bedürftig und versucht sich mit allen Mitteln zu wehren, im Bett liegen zu bleiben. Auch wenn sie sein Lehrer sind, können sie ihn vielleicht in den Arm nehmen und ihn im Bett halten. Ich weiß, dass das gegen ihre Vorschriften verstößt, aber ich bitte sie darum, er ist viel zu sensibel, wenn er mal krank ist und ich werde mich beeilen, es kann aber dauern, denn ihr seit ja nicht mehr in England." Ich verspreche es ihr, auch wenn es gegen meine Vorsätze verstößt, aber ich möchte nicht, dass er unnötig leidet.
Nach dem Telefonat schleiche ich wieder in das Zimmer von Harry. Er windet sich stark in dem Bett und schlägt die Decke von sich. Ich muss leicht lächeln, denn sein Schnarchen ist das süßeste, dass ich je in meinem Leben gehört habe. Mit mehr Decken bewaffnet, gehe ich zu seinem Bett und lege diese ausgebreitet über ihn. „Bleib ihr", Murmelt Harry in sein Kissen. „Ist gut. Deine Schwester kommt später." Ich lege meine Sweatjacke ab und lege mich mit Jogginghose und T-Shirt zu ihm auf das Bett. Eine dünnere Decke schmiegt sich an seinen Körper und die anderen Decken liegen über unsere Körper. Harry dreht sich auf meine Brust und legt seine Arme um meinen Oberkörper. „Danke Mr Payne, dass hat noch niemand für mich gemacht." Ich streiche ihm einmal über den Kopf. „Nicht schlimm. Mache ich doch gerne." „Sie haben gesagt, meine Schwester kommt um mich abzuholen?" „Ja, deine Eltern sind nicht zu erreichen gewesen." „Das war so klar. Sie sind nie zu Hause wenn ich sie brauche." Ich spüre wie mein Shirt feuchte Flecke bekommt. Da war doch etwas mit Harry's Gefühlen wenn er krank war. Ich ziehe ihn an mich und streiche ihm beruhigend über den zugedeckten Rücken. „Es wird schon alles gut werden."
Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn ich öffne meine Augen schlaftrunken, als ich wieder ein Gewicht auf meiner Brust spüre. „Harry? Wie geht es dir?" Harry hebt seinen Kopf und legt sein Kinn auf meiner Schulter ab. „Habe ich dich geweckt. Tut mir echt Leid. Mein Kopf dröhnt, meine Nase läuft und mein Hals kratzt. Ich möchte nur noch nach Hause. Es tut mir Leid, dass sie so viel Stress mit mir haben", sagt Harry mit weinerlicher Stimme. Ich streiche wieder einmal seinen Rücken. „Schon gut. Ist eh nicht so gut, wenn ich hier einschlafe. Deine Schwester wird in ein paar Stunden hier sein. Dann kannst du nach Hause. Schlaf noch ein bisschen und ich gehe mal kurz gucken, ob die anderen schon da sind und ich gucke nach etwas essbaren." Ich drücke Harry von mir runter und ziehe meine Jacke wieder an. Auf den Fluren sehe ich Schüler von mir und werde auch sofort angesprochen, warum ich heute nicht dabei war, oder wie es Harry geht. Kurz und knapp gebe ich Antwortren und flitze in die Küche. Mein Magen knurrt und Harry müsste auch schon vor Hunger umkommen. „Mr Payne, wie geht es ihm?" „Es geht einigermaßen. Seine Schwester wird ihn heute noch abholen, aber er hat sich echt etwas eingefangen. Ist noch etwas Essen über." Meine Kollegin drückt mir ein paar Dosen mit Obst, Sandwiches und Nudelsalat in die Hand. „Hier. Was machst du eigentlich die ganze Zeit bei dem Schüler? Wir können doch den Abend ausklingen lassen." Und schon wieder eine Anmache von ihr. Seit dem ich an dieser Schule gekommen bin, schmachtet mich die Frau an, selbst als ich ihr gesagt habe, dass ich nicht auf Frauen stehe, hat sie nicht von mir abgelassen und es ist noch schlimmer geworden. Es sieht so aus, als würde sie versuchen mich wenigstens Bi zu bekommen, aber ich kann nur über die Versuche lachen. „Tut mir wirklich Leid aber ich bleibe bei Harry bis er von seiner Schwester abgeholt wird. Ich kann ihn nicht in diesem Zustand alleine lassen." Ich drehe mich von ihr weg und verschwinde wieder zu meinen Schüler. Er sitzt an die Wand gelehnt und lächelt mich freundlich an. Es sieht mehr als nur knuffig aus. „Na hast du Hunger? Ich habe hier etwas für uns." Ich lächele ihn schief an. „Ich kann nichts essen, mein Hals tut weh. Selbst sprechen tut weh." Gequält sieht Harry mich an. „Dann halt die Klappe. Ich habe auch einen Tee und eine Suppe für dich. Mach mal ein bisschen Platz dann kann ich mich zu dir setzen und du kannst besser an das Essen ran kommen." Nach dem Essen habe ich kurzerhand beschlossen, dass es viel zu langweilig ist und ich habe meinen Laptop genommen und wir haben zusammen ein paar Filme gesehen. Gegen Ende des zweiten Filmes hat Harry seinen Kopf auf meine Schulter abgelegt und ist immer näher an mich gerückt. „Möchtest du noch einen Film sehen oder schlafen? Ich denke deine Schwester wird auch bald hier sein." „Gemma hat mir geschrieben, dass sie in einen Stau geraten ist und etwas länger braucht, wir können also noch einen Film gucken." Ich frage ihn welchen Film er gucken möchte und er entscheidet sich für eine Liebeskomödie. Während des Film kuscheln wir uns immer dichter beisammen. Ich finde es echt süß, wie Harry sich in den Film einfühlt und auch weinen muss, bei dem Höhepunkt der ganzen Geschichte. „Warum können die beiden nicht zusammen bleiben, er liebt sie doch und sie ihn? Warum ist er nicht bereit alles für sie aufzugeben und ihr endlich zu sagen, dass er sie über alles liebt?", weint Harry. „Manchmal ist es so, man muss etwas aufgeben und jemanden zu schützen auch wenn man selbst verletzt wird", erkläre ich ihm. „Ja, dass weiß ich, aber die beiden könnten endlos glücklich sein, wenn er seinen Job aufgibt und sie auf ihn wartet. Dann wäre es nicht verboten und sie könnten ohne eine Strafe zu befürchten eine Familie gründen." Mir kam die Situation aus dem Film ziemlich suspekt vor. Mich erinnert es ein bisschen an mein Leben gerade. „Wie würden sie sich entscheiden?", fragt mich Harry und sieht mich mit Tränen in den Augen an. „Ich habe keine Ahnung. Zum einen würde ich wollen, dass die Person die ich über alles liebe glücklich wird, von mir aus auch mit einem anderen Mann aber ich würde es nicht wollen, dass wenn ich es getan hätte, enttäuscht werde, weil ich nicht zurück geliebt werde. Noch einmal möchte ich das nicht durchleben. Warum fragst du?" Harry wischt sich die Tränen weg und schaut auf seine Hände. „Nur so..." „Soll ich dir mal etwas sagen, ich glaube dir kein Wort. Komm du kannst mir alles sagen", muntere ich ihn auf, weil es mich schon interessiert, was sein Geheimnis ist. „Okay, aber alles was ich jetzt sage, vergisst du wieder und lässt mich jetzt alles machen und sagen, ohne mich auch nur einmal zu unterbrechen. Denken sie, das sie das hin bekommen?" Ich verspreche es und verschließe obligatorisch meinen Mund mit einem Schlüssel und werfe ihn weg. „Okay, damit sie es besser verstehen, muss ich ihnen gestehen, dass ich schwul bin"; fängt er an und mein Gesicht gleicht dem eines Karpfen. „Als ich sie das erste Mal gesehen habe und sie gesagt haben, sie würden auf Männer stehen, habe ich gehofft, sie könnten sich in mich verlieben. Aber ihr Job lässt es nicht zu. Das habe ich schon verstanden." Harry schaut mich bei keinen seiner Worte an und lässt mich vollkommen im Regen stehen. „Ich habe mich in sie verguckt und wollte immer bei ihnen sein, auch wenn sie mich nicht mal bemerkt haben, und wo sie sich so gut um mich gekümmert haben heute, ging ich davon aus, dass meine Gefühle nicht nur einseitig sind. Mir tut es Leid. Ich mache jetzt etwas, was vielleicht alles zerstören kann." Harry schaut kurz mit Tränen in den Augen auf und beugt sich vor. Er küsst mich erst auf die Wange und dann auf meinen Lippen. Es ist als würde ich in Flammen stehen, zu gern würde ich den Kuss erwidern, aber ich bin noch zu geschockt. Harry löst sich von mir und sieht mich an wie ein angeschossenes Rehkitz. „Was ist denn hier los?", kreischt eine mir unbekannte Frau. „Gemma... was machst du denn schon hier?", stottert der jüngere neben mir. „Ich habe es schneller geschafft als gedacht, nimm deine Tasche und komm." Harry steht auf, nimmt seine Sachen und verlässt das Zimmer ohne mich noch einmal an zugucken.
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