Kapitel 17
"Azrael", wiederholte Seraphion den Namen, den seine losgeschickte Blume ihm vermittelt hatte. Seine Gedanken rasten, denn er konnte sich nicht erklären, wie die kleine Blume an diesen Namen gekommen war, denn vor Jahrtausenden von Jahren war dieser aus dem Engelreich verbannt worden. Zu unrein war seine Seele gewesen, die sich mit Hass gefüllt hatte, als seine Liebe nicht erwidert worden war.
Seine Eltern erzählten ihm, dass Azrael im Haus seines besten Freundes wahnsinig geworden war und diesen angriff, da er die ständige Ablehnung seiner großen Liebe nicht mehr ertrug. "Er verlor endgültig seinen Verstand, als er das jüngste Kind erblickte, was die anderen beiden Erzengel versteckt hatten. Zu Groß war die Gefahr, dass dem kleinen Weißflügigen etwas zustoßen könnte, dass sie sich niemals verzeihen würden", erklärte sein Vater, doch ließ dieser viele Details aus, da er noch zu klein war, um alles zu verstehen. "Eines Tages wirst du es erfahren." Wenn du es mir damals gesagt hättest, wäre ich nun einen Schritt weiter, Vater.
Seraphion wusste, dass er ihm keine Schuld zuweisen konnte und tat dies auch nicht, doch wünschte er sich, dass er mehr über Azrael wüsste. Wer könnte mir helfen?
Der Schwarzhaarige bemerkte in all seiner Grübelei nicht, dass Haniel frisch gewaschen zurück ins Schlafzimmer gekehrt war und leise auf ihn zu schritt. "Stimmt etwas nicht?", fragte er auch sogleich, als er die tiefen Falten auf Seraphions Stirn entdeckte.
"Ich müsste etwas überprüfen, doch kenne ich keinen Engel, der über vergangene Vorfälle redet", antwortete der Schwarzhaarige, stieg aus dem Bett und lief auf Haniel zu, den er in seine Arme schloss. "Über Vergehen, die begangen wurden?" Haniel erwiderte die Umarmung des Seraphen, da er merkte, dass dieser sie brauchte. Seinen Kopf legte er auf Seraphions Schulter ab und genoss das sanfte Streicheln an seinem unteren Rücken. Auch seinen Flügeln gefiel dieser Körperkontakt und sie raschelten unruhig vor sich her. "Genau, mein Engel."
Haniels Mundwinkel zuckten leicht nach oben, als Seraphion ihn 'mein Engel' nannte und konnte nicht glauben, in welch kurzer Zeit er sich verändert hatte. Er verändert mich. Der Erzengel löste sich von dem Schwarzhaarigen, hob den Kopf leicht an und blickte in dessen bernsteinfarbenen Augen. "Ich kenne jemanden, der viel über die Vergangenheit weiß, doch kann ich dir nicht garantieren, das dieser Engel reden wird", sagte Haniel und konnte bei seinen Worten das Funkeln in Seraphions Augen sehen. "Wer ist es? Ich bin mir sicher, dass ich ihn überzeugen kann."
Da bin ich mir nicht so sicher Seraphion, dachte Haniel und sprach gleichzeitig: "Mein Vater."
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Michael lief in seinem Wohnzimmer auf und ab. Er konnte die letzte Nacht kein Auge zu tun und dachte über die Bitte seines kleinen Bruders nach. Der Erzengel war nicht sauer auf Haniel, denn dieser wusste nichts von seinem innerlichen Dilemma, konnte sich aber trotzdem nicht dazu durchringen und ihm den Wunsch erfüllen.
Ein Klopfen an seiner Haustür riss ihn aus seinen Gedanken und er stoppte mitten in der Bewegung. Ist Uriel wieder gekommen?
Tief ein- und ausatmend, ging Michael auf seine Haustür zu und öffnete sie schwungvoll. Er zog den Engel in sein Haus und ließ die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. "Ich habe dir gestern Abend schon gesagt, dass ich über das Thema Dumah nicht mehr reden möchte, also was machst du hier, Uriel?", fing Michael an zu reden, ohne seinen Bruder eines Blickes zu würdigen. "Wieso wollt Ihr nicht über mich reden, Erzengel Michael?", hörte er eine weiche Stimme hinter sich, bei der sich die Nackenhaare des Weißhaarigen aufstellten.
Als Michael sich langsam umdrehte, weiteten sich Dumahs blaue Augen voller Staunen, da ihn die Schönheit des Erzengels überwältigte. Die hellblauen Schwingen auf seinem Rücken raschelten leise vor sich her und er kam Michael einen Schritt näher. Dieser wich zurück und sah den den jüngeren Engel nicht an.
"Warum weicht Ihr vor mir zurück, Erzengel Michael? Was habe ich Euch getan?", fragte Dumah traurig und sah zu Boden, da sich Tränen in seinen Augen bildeten. "Ihr solltet als vergebener Engel nicht alleine in ein Haus eines Alleinstehenden gehen, also verlasst bitte mein Haus", sprach Michael mit kalter Stimme, welche Wasser zu Eis gefrieren lassen könnte.
"Vergeben? Ich? Wer sagt das?" Dumah klang entsetzt und konnte die Worte des Erzengels nicht fassen. Wie kommt er darauf?
Verächtlich schnaubte Michael laut aus, denn die Dreistigkeit des Meldeengels nahm Ausmaße an, die seine Grenzen überschritten. "Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, also spielen Sie mir nichts vor. Gehen Sie zu ihrem Mann, welcher kurze schwarze Haare und dunkelgrüne Flügel besitzt", fauchte der Erzengel Dumah an, der im ersten Moment erschrocken zusammenzuckte. Doch der Blonde fing sich schnell wieder, baute sich so gut es ging vor dem Erzengel auf und schrie mit hoher Stimme: "Das ist mein Bruder!"
Was? Der Bruder?
Stille trat zwischen den beiden Engeln ein, welche für Michael mit jeder verstrichenen Sekunde peinlicher wurde. "Ich...hm...es...uff", stotterte der Weißhaarige vor sich hin, was den Jüngeren leise kichern ließ. "Es tut Ihnen leid. Das wollten Sie doch sagen, oder?" Der Erzengel konnte nur ein Nicken als Bestätigung von sich geben und strich sich erschöpft über das Gesicht. Meine negativen Gedanken waren alle umsonst.
"Ich verzeihe Ihnen, wenn wir uns in Zukunft duzen werden", kam Dumah dem Erzengel entgegen und schenkte diesem sein schönstes Lächeln. "In Ordnung, du behälst aber jegliche Information über die Erzengel für dich, Dumah." Auch wenn Michaels Verstand sagte, dass die Entscheidung falsch war, sagte sein Herz das genaue Gegenteil. Er wird noch mein Untergang sein, prophezeite der Erzengel in Gedanken.
"Du kannst dich auf mich verlassen, Michael", sprach der Meldeengel voller Freude, da er es geschafft hatte, dass das Eis zwischen ihnen beiden einen Riss bekam. Hoffentlich merkt man mir die Freude nicht an. Bleib ruhig Dumah und zeige dich von deiner besten Seite, ermahnte er sich selbst, doch wusste er nicht, dass er strahlte, wie die Sonne am Himmel bei Tag.
"Setz dich auf die Couch, es gibt etwas, über das ich mit dir reden muss", bot der Erzengel ihm an und begann somit das Gespräch, vor dem er versucht hatte zu flüchten. Dumah, nahm dankend Platz und schaute Michael fragend an, der ihnen zwei Gläser Wasser mit seiner Magier erschaffen hatte und somit Zeit schindete. "Um was geht es?"
"Es geht um einen Engel, den du in deinen Aufzeichnungen markiert hast. Hättest du…" "Meinst du Sonnchen?", unterbrach Dumah den Erzengel. "Ich weiß nicht wer Sonnchen sein soll, aber ich rede von Pethel dem Facilityengel." Stille trat zwischen ihnen ein, die Michael verwunderte, da er Dumah bisher noch nie schweigsam erlebt hatte.
"Sonnchen ist Pethel und mein Wolkenfreund", sprach Dumah nach einer Weile und umklammerte das Wasserglas in seinen Händen fester, da ihm das Thema Pethel schwer auf den Magen schlug. Der Erzengel merkte die Bedrücktheit des kleineren Engels, streckte seine Hand aus, legte sie auf dessen linke Schulter und versuchte so diesem etwas Kraft zu spenden.
"Es ist alles meine Schuld", wimmerte Dumah und Tränen liefen an seinen geröteten Wangen herunter. "Was ist deine Schuld, Dumah?", fragte Michael, da die Antwort entscheiden für den weiteren Verlauf dieser Situation werden würde.
"Er ist nicht mehr er selbst."
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