Kapitel 9

"Herein!", hörte ich die dunkel stimme des Direktors, gedämpft durch die dicke Holztür. Vorsichtig öffnete Ginzou diese.

Wir kamen in einen gemütlich wirkendes Büro. Fenstern, an der rechten Seite und gegenüber, ließen helles Licht in den großen Raum. Der holzige Boden lies unsere Schritte dumpf widerhallen.

"Bitte setzt euch.", bad uns der Direktor und deutete auf die Sitzgelegenheiten im Raum.
Kurz vor dem breiten Schreibtisch, an dem der Direktor saß, war eine gelbe Couchgarnitur aufgebaut. Zwischen den zwei Sofern und dem gemütlich aussehenden Sessel, stand ein niedriger heller Holztisch.
Vorsichtig setzte ich mich auf die gelbe Couch auf der Linken. Ginzou lies sich mit Schwung neben mich fallen. Mit einen Lächeln machte er es sich bequem und schlug die Beine übereinander.

"So, ich habe gehört Sie verstoßen gegen die Schulordnung.", verkündete der Direktor. Er war ein älter Mann mit schon leicht grauen Haaren. Unter seinen Augen bildeten sich bereits die ersten tiefen Falten. Abschätzend schaute er uns von seinen Schreibtisch aus an. Die Falten  auf seiner hohen Stirn wurden tiefer, als er seine Augenbrauen hoch zog, um über den Rand der Brille auf der Nasenspitze zu blicken.

"Dürfte ich fragen welche?", fragte ich fast schon monoton.

"Laut einigen Lehrern sind Sie Beide nicht zum Unterricht erschienen.", wieder zog er die Augenbrauen hoch als sein Blick leicht zu mir herüber schweifte. "Dabei hatte ich das bei Ihnen gar nicht erwartet. Ich dachte Sie wollten für den Platz der Schulpräsidentin kandidieren, Tabinacha. Allerdings können Sie sich solche Fehler dann nicht leisten."

Ich wollte also Schulpräsidentin werden, interessant. Warum wusste ich nur nichts davon, ging es mir bei den Worten des Direktors durch den Kopf.

"Ja, leider musste ich den Unterricht aus gesundheitlichen Gründen verlassen, aber das wird nicht nochmal vorkommen.", antwortete ich mit überzeugender Stimme. Eigentlich hatte ich doch eine Entschuldigung. Meine vorsätzlichen Freunde sollten doch dem Sensei Bescheid geben. Auf sie war eindeutig kein Verlass.

"Das will ich auch für Sie hoffen.", antworte er mit strengen Unterton. "Ich lege viel wert darauf, Tabinacha."

"Ja, ich verstehe.", sagte ich und senkte den Blick. Unwillkürlich hatte ich Respekt vor diesen Mann. Ich wollte ihn nicht enttäuschen, da er anscheinend viel von mir hielt. Wenn ich schon in dieser Welt gelandet bin sollte ich das beste daraus machen und mithilfe meine vorhandenen eindruckst mehr herausfinden, anstatt wie Ginzou erstmal Radau zu machen.

"Gut.", der Direktor wand seine Aufmerksamkeit nun Ginzou zu, "Ihr Verhalten in letzter Zeit lest mich echt Erstaunen, Mizuki. Ich hatte mehr Leistung von Ihnen erwartet. Sie haben sich wohl zu sehr auf Ihren guten Noten ausgeruht."

"Kann sein.", entgegnete Ginzou trocken. Er machte sich noch nicht mal die Mühe den Direktor anzusehen.

"Zur Strafe werden sie eine Woche zusammen den Ordnungsdienst übernehmen. Das nächste mal muss ich härtere Konsequenzen ziehen.", ich sah wie sich leichte Wut in den Augen des Direktors sammelte, "und jetzt gehen Sie.", genervt deutete er zur Tür und wand sich wieder den Unterlagen auf dem Tisch zu.

"Ja natürlich.", schnell stand ich auf und verbeugte mich kurz, bevor ich richtig Tür ging. Ginzou folgte mir ohne sich zu verabschieden.

Die Tür viel laut hinter uns ins Schloss. "Ach dieser Idiot kann mich mal.", murmelte Ginzou vor sich hin.

"Du bist nicht nett, Ginzou. Das war kein angemessenes Verhalten.", ermahnet ich ihn.

"Ich kann den Typ nicht leiden.", verteidigte er sich mürrisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Das ist kein Grund sich unhöflich zu benehmen.", belehrte ich ihn nochmals. Mein Blick wanderte zu ihm, wie er mit verschränkten Armen und gesenkten Blick den Gang entlang lief. Wie ein kleines Kind, was keine Schokolade bekommt.
Ich erkannte die Sturheit in seinen Blick, mit dem er anscheinend versuchte den Boden zu töten. Schmunzelnd schüttelte ich nur den Kopf.

"Na komm, dass wird bestimmt lustig mit dir zusammen Ordnungsdienst zu machen.", sein Kopf schnellte hoch und nun war ich diejenige, welche von seinen Blick getötet wurde.

"Oki, oki ich hab nichts gesagt", unschuldig hob ich meine Hände.
Schnell verwandelt sich sein Todesblick in ein verschmitztes Lächeln.

"Hab doch nur Spaß gemacht!", spielerisch legte er seinen Arm über meine Schulter.

Lächelnd schaute ich ihm in sein freudestrahlendes Gesicht. Ich mochte ihn wirklich sehr. Insgeheim hoffte ich das es keine einfache Bekanntschaft blieb, sondern das wir gute Freunde werden konnten.
Schließlich war er der einzigste der mich verstand, der das selbe Problem hatte, in dieser fremden Welt gefangen zu sein.
Vielleicht schaffen wir es zusammen dieser Welt zu entfliehen und nochmal zurück ins Leben zu gelangen. Wer weis, vielleicht war dies hier auch nur eine Prüfung, überlegte ich. Eine Welt zwischen Tod und Leben, und wenn man die Prüfung bestand durfte man zurück. Es war eine schöne Vorstellung und ich sehnte mich nach meiner Familie, meine Freunde, die am Krankenhausbett auf mich warteten.
Ich stelle mir vor wie ich wieder aufwachte und die Augen öffnete und die freudigen gesicherter meiner Liebsten zu sehen. Doch ich wusste nicht ob ich jemals zurück kommen würde. Ein Stich in meiner Brust lies mich zusammen zucken, als ich mich an die traurige Gesichter von Mino und Saki erinnerte.
Auf meiner Wange wurde es plötzlich feucht und ich erschrak vor dem unangenehmen Gefühl.
Verwirrt tastete ich die Stelle ab und musste feststellen das es eine Träne war, welche mein Auge verlassen hatte.
Ginzou schaute mich mit einer Mischung aus Sorge und Entsetzen an.

"Ist alles Oki, Kanade-chan?", fragte er mich und blieb stehen.
Sofort musste ich lächeln. Er macht sich tatsächlich Sorgen um mich.

"Ja alles in Ordnung. Ich hab mich, glaube ich, noch nicht an den Gedanken gewöhnt all meine Freund und Familie nie wieder zu sehen.", erklärte ich ihm.

"Wir finden einen Weg wie du hier wieder zurück kannst, versprochen.", Ginzou blickte mir fest in die Augen und ich konnte nicht anderes als in zu glauben. Ich würde wieder zurück kommen.
Nein, nicht nur ich sondern wir zusammen.

"Wir.", korrigierte ich ihn. Es flackerte in seinen Augen und er wich meinen Blick aus.

"Nur du.", sagte er und ging weiter den Flur des leeren Schulgebäudes weiter.
Etwas verdattert blieb ich noch eine weile stehen.
Wollte er nicht zurück, zur seiner Familie, dem alten Leben welches er geführt hatte?

"Ginzou, willst du etwa nicht zurück?", frage ich ihn entsetzt.
Er antwortete mir nicht, stattdessen beschleunigte er das Tempo, auf die große Treppe zu, welche aus den Gebäude führte.
Ich erinnerte mich an seine Worte;

"Hattest du ein schönes Leben, in deiner Erinnerung?"

"Ja, hatte ich."

"Meins war es nicht!"

"Warte, bitte.", rufe ich ihm nach und verfolge ihn so gut es mit meinen kurzen Beinen ging. Ich hatte eine dumme Frage gestellt. Natürlich wollte er nicht zurück.
Doch ich konnte ihn nicht mehr erreichen zu schnell lief er die Treppe herunter. Schnell hetzte ich die Stufen hinunter und sah wie Ginzou die große Glastür des Ausgangs öffnete. Kurz blieb er im Türrahmen stehen und blickte ein letztes Mal zu mir.

"Ginzou, bitte warte!", rief ich ihn zu. Doch er behielt seinen kalten Blick bei und rannten los. Raus aus meinem Blickfeld, raus auf den Campus.
Verdattert blieb ich auf den letzten Stufen stehen. Ich hatte gerade die wahrscheinlich einzigste Person die mir helfen könnte vergrault. Was hatte ich nur getan?!

Verwirrt und alleine tappte ich hinaus und sah mich um. Ich suchte nach einem Zeichen von Ginzou, doch nirgendwo sah ihn. Auf gut Glück schlug ich eine Richtung ein und lief ziellos über den Campus. Immer wieder sah ich mich um, ob ich Ginzou irgendwo entdecken konne. Doch der ganze Campus scheint wie leer gefegt. Nirgends begegnet ich einer Menschenseele. Natürlich nicht, der Unterricht lief noch und alle Schüler saßen in ihren Klassenräumen.
Kurz überlegte ich meine Klasse suchen zu gehen. Ich wollte nicht noch mal zum Direktor gerufen werden. Doch Ginzou war mir wichtiger. Ich musste ihn finden. Er war aber schon fünf Tage hier, ich erst seid ein paar Stunden. Woher sollte ich wissen wo er in so einer Situation hin gehen würde?
Jeder hatte einen Ort an dem man flüchtete um alleine zu sein. Ob es ein Zimmer oder ein gewissen Ort im Freien war, dort könnte man alleine sein. Er hatte bestimmt schon so einen Ort in dieser Welt gefunden. Alleine und verwirrt hatte er sich bestimmt ein Plätzchen gesucht um in Ruhe nachdenken zu können. Doch ich kannte ihn nich gut genug. Ich würde lange brauchen um diesen Ort zu finden.
Ziellos wanderte ich den gepflasterten Weg entlang. Neben mir war mittlerweile eins der großen Schulgebäude aufgetaucht. In Gedanken versunken hatte ich nicht mitbekommen wohin ich lief. Eine riesige Treppe erstreckte sich auf meiner linken. An jeder Seite waren Becken errichtet worden und ich hörte das gleichmäßige plätschern des herunter laufenden Wassers. Von Absatz zu Absatz der Treppe waren jeweils ein Becken aufgebaut. Wie ein Wasserfall rauschte das kühle Nass die steilen Wände zwischen den drei Becken auf jeder Seite hinunter.

Ich stand oben am Rand der Stufen und blickte den Abhang hinunter. Vor mir erstreckte sich der Sportplatz auf den ein paar Schüler Runden liefen. Die Mittagssonne schien mir entgegen und ich musste schützten meine Hand vor die Augen halten.
Weiter hinten sah ich ein paar weitere Gebäude. Mein Blick wanderte weiter nach links. Ich erkannte einen weiteren etwas kleineren Sportplatz, drei Tennisplätze und auch zwei Baseball-Plätze. Der Campus war wirklich sehr groß und ich verlor den Mut. Ginzou könnte überall sein.

Enttäuscht und niedergeschlagen lies ich mich einfach auf dem Boden sinken. Meine Tasche, welche ich immer noch bei mir hatte, fiel unsanft zu Boden. Mit den Füßen auf der nächsten Stufe abgestellt legte ich mein Gesicht auf die Knie und schloss die Augen. Die Dunkelheit um nicht herum beruhigte mich etwas.
Warum musste ich hier sein?
Warum musste ich direkt alles wieder falsch machen? Hatte ich eine zweite Chance bekommen ein normales Leben zu führen, nur um diese Chance direkt zunichte zu machen? Dabei wollte ich doch nur wissen was hier vor ging. Und vor allem Ginzou helfen. Ich wollte das wir beide einen Weg fanden das alles hier zu verlassen, diese falsche Welt in dem alles so sorglos und unscheinbar schien. Langsam fragte ich mich ob wir die einzigste waren die in dieser Welt gefangen waren. Könnte es möglich sein das noch mehr Jugendliche hier gelandet warne?
Unbewusst hatte ich angefangen zu zittern und meinen Hände verkrampften sich. Ich schaute wieder hoch und sah etwas verschwommen diese unwirkliche Welt vor mir. Es war keine Zeit um aufzugeben. Wenn ich schon eine Chance bekommen hatte nochmal leben zu können, würde ich diese nutzen und den anderen die hier gestandet waren helfen damit um zu gehe. Und bei Ginzou würde ich anfangen. Ich musste ihn finden koste was wolle!

Mit Schwung hob ich mich in die Luft und rannte die Treppe herunter. Vielleicht kannte ich ihn mittlerweile doch schon so gut um ungefähr zu wissen wo er hin sein könnte.
Der Wind frischte auf und lies meine Haare beim Rennen nur noch mehr flattern. Die einzelnen Stufen hüpfte ich schon förmlich hinunter. Meine Tasche hatte ich total vergessen. Sie stand noch oben, doch ich hatte jetzt wichtigeres zu tun als mich darum zu kümmern.

Ich rannte und rannte den Weg entlang ohne die verwirrt rein blickenden Schüler auf dem Sportplatz zu beachten. Meine Füße trugen mich an dem Gebäude links von mir vorbei. Eine weiter kleine Treppe sprang ich herunter. Wacklig nach dem Sprung lief ich weiter, direkt auf die nächste Treppe zu. Mein Ziel war der Baseball-Platz hinter den andern Gebäuden und dem zweiten Sportplatz.

Außer Atem kam ich auf dem staubigen Boden des Platzes an. Alles war leer und nirgends sah ich jemanden. Enttäuschung machte sich in mir bereit. Dabei war ich mir doch so sicher ihn hier finden zu können.
Er war ein Mann mit Temperament, der seine Gefühle in Kraft ausdrückte. Nicht umsonst hatte er im Schwesternhaus die Wand geschlagen. Ich hatte gehofft das er hierher flüchtete um seine Wut freien Lauf zu lassen. Mutlos senkte ich meinen Blick und schlich Richtung Ausgang. Nun hatte mich auch die letzte Hoffnung verlassen. Meine Füße ließen den Staub aufwirbeln als ich an einer der Ersatzbänke vorbei schlurfte.

"Woher wusstest du das ich hier sein würde?", ertönte eine leise Stimme.

Erschrocken blickte ich mich zur Quelle des Flüsterns um. Ginzou saß in der Ecke zwischen Tribune und Ersatzbank. In seinen zittrigen Händen hielt er einen Baseballschläger. Kleine feine risse zeigten sich am dünsten Stück des Schlägers. Ich wollte gar nicht wissen an was genau er seine Wut ausgelassen hatte.

"Ginzou!", rief ich aus. Freudig lief ich zu ihm hin. Ohne auf mich selbst zu achten lies ich mich auf die Knie fallen und umarmter ihn stürmisch.

"Es tut mir so leid was ich gesagt habe.", nuschelte ich in seine Schuluniform. Seine verkrampfte Haltung lockerte sich Stück für Stück. Mit einen dumpfen Ton schlug der Baseballschläger auf dem Boden auf. Ich spürte wie sich die kräftigen Arme von Ginzou um mich legten. Der Druck um meinen Rücken erhöhte sich und ich wurde noch enger an ihn gepresst als ich eh schon wurde.

"Nein ich hab falsch gehandelt, Kanade. Bitte verzeih mir.", hörte ich seine wieder kräftige Stimme neben meinen Ohr.

"Natürlich verzeih ich dir.", sagte ich erleichtert und drückte ihn ein letztes Mal bevor ich mich aus der Umarmung löste. Erleichtert lies ich mich nehmen ihm in den Staub fallen. Immer noch erschöpft vom Rennen lehnte ich mich an seine Schulter an. Vor uns erstreckte sich das hohe Netzt des Baseball-Platzes. Dahinter das kleine Waldstück vordem aus das beruhigende zwitschern einiger Vögel zu uns dran.

"Ich kann einfach nicht mehr, Kanade. Mein Leben war schrecklich und als ich dann gestorben bin hatte ich gehofft, dass jetzt endlich alles vorbei ist. Ich hatte mich damit abgefunden, nichts im Leben erreicht zu haben. Doch dann wache ich hier in dieser Schule auf und von mir wird erwartet ein braver Oberschüler zu sein. Ich kann das hier, diese Welt, einfach nicht akzeptieren. Ich hätte in die Hölle gemusst oder in ein schwarzes tiefes Loch, aber nicht an eine Schule. Sollte es eine Möglichkeit geben in sein altes Leben zurück zu kehren, will ich das garantiert nicht. Lieber bleibe ich auf Ewigkeit hier an diesen komischen Ort!", redete er sich die Sorgen von der Seele. Ich spürte wie sein immer noch etwas angespannter Körper mit jeden Wort, mehr und mehr zu Ruhe kam.

"Dann werd ich mit dir hier bleiben.", sagte ich und lächelte ihn an.

"Nein, Kanade! Wenn es eine Möglichkeit gibt zurück zu kommen, dann wirst du gehen! Jemand der ein tolles Leben hatte sollte die Möglichkeit bekommen dies auch weiter zu leben.", versuchte er mich zu Überzügen und starrte mit seinen grünen Augen auf mich herunter.

"Oh nein, jeder der ein schlechtes Leben hatte, sollte meiner Meinung nach, eine zweite Chance bekommen, es besser zu machen. Ich hatte damals meine zweite Chance durch den Spender bekommen und habe das Beste draus gemacht. Jetzt bist du an der Reihe.", entschied ich. Wir könnten hier alles machen was wir wollten. Es gab Sportplätze, Klassenraum, bestimmt gefühlte hundert verschiedene Schulclubs und alles mögliche an Material auf kosten der Schule. Wenn ich genauer drüber nach dachte, war dieser Ort schon fast ein kleines Paradies. Das perfekte Jenseits für Menschen mit schlechter Vergangenheit.

"Na gut, gib mir Zeit darüber nach zu denken.", antwortet Ginzou leise und lies sich wieder nach hinten sinken.

"Nimm die so viel Zeit wie du brauchst.", antwortete ich ihm mit ruhiger Stimme. So blieben wir aneinander angelehnt sitzen und beobachten gemeinsam wie sich die Bäume leicht im Wind bewegten.

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