Kapitel 3

Geschockt starte ich aus dem Fenster. Die Bäume draußen flogen förmlich an uns vorbei. Ich hatte das Gefühl, dass sie meine letzten verbliebenen Tage darstellten, die einfach nur an mir vorbei zogen.

Ich saß auf dem Beifahrersitz im Auto meiner Mutter. Wir waren auf dem Weg zum Krankenhaus.
Was würde mich dort erwarten?
In der letzten Zeit hatte ich mir immer wieder eingeredet, das es nichts zu bedeuten hatte, dass ich immer schwächer wurde, doch jetzt wusste ich genau was los war. Ich hatte mir doch so fest vorgenommen keine Trauer, bei dem Gedanken an den Tod zu empfinden.

Für mich selbst war es nicht mehr so schlimm. Mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden zu sterben. Schließlich hatte ich eine wunderbare Zeit gehabt und durfte drei weitere Jahre ein erfülltes Leben führen, doch der Gedanken an meine Familie und Freunde machte mich fertig. Wie würden sie damit umgehen, wenn ich Stab?

Meine Mutter würde einen kleinen Schrein in meinen Zimmer erbauen und jeden Tag für mich beten. Ich sah sie zusammen gekauert in dem dunklen Raum sitzen, mit der schwarzen Trauerkleidung und verheulten Gesicht. Alles in mir zog sich zusammen, ich wollte ihr das nicht antun.
Meine Freunde würden weiter zur Schule gehen, um mich trauern und mich wahrscheinlich im Laufe der Jahre vergessen. Der Gedanke daran machte mich so traurig. Ich wollte ihnen das nicht antuen! Doch was sollte ich dagegen tun? Es gab einfach nichts was ich tun konnte!
Kein Medikament würde mich retten können.
Keine Therapie die mich wieder aufpäppelte.
Nur ein weiteres Herz könnte die Lösung sein.
Doch ich hatte meine Chance bekommen. Ein anderer brauche dieses Herz dringender.

Langsam verschwom das Bild der vorbei fliegenden Bäume immer mehr. Ich spürte wie eine einzelne Träne meine linke Wange herunter ran. Es fühlte sich so kalt und fremd an. Gänsehaut entstand auf meinen ganzen Körper und immer mehr Tränen flossen herunter. Still weinte ich meinen Kummer um meine Angehörigen aus. Und auch die Angst vor dem Tod kam erschreckend hinzu. Es war doch nicht so einfach den Tod zu akzeptieren, wenn man kurz davor stand. Die Gewissheit zu sterben und doch nicht zu wissen was danach geschah war unerträglich.
Gab es den Himmel?
Gab es die Hölle?
Existierte mal überhaupt noch nach seinen Tod oder würde man wiedergeborene werden?
Es war alles so ungewiss und es breitete mir riesige Angst.
Angst von der unendlichen leere eines Traumlosen Schlafes.

Eine Bewegung im Augenwinkel erregte meine Aufmerksamkeit. Meine Mutter reichte mir ein Taschentuch entgegen. Sie starte auf die Straße. Ich wusste genau das sie ebenfalls mit dem Tränen kämpfte.

"Keine Sorge Okaa-san, ich bekomme das schon hin.", sagte ich mit fester Stimme. Ich versuchte nicht nur sie damit zu überzeugen, sondern auch mich selbst.

So vergingen weitere Minuten des Schweigens, der Trauer, bis wir endlich beim Krankenhaus ankamen.
Es war ein großes weises Gebäude mit vielen Fenstern, wodurch es sehr einladend wirkte.
Meine Mutter parkte auf den Notfall-Plätzen, direkt vor dem Eingang des Krankenhauses. Während ich sitzen blieb und meine letzten Tränen von den Wangen wischte, öffnete sie mir die Tür und half mir heraus. Wankend stand ich auf und klammerte mich an sie. Gestützt von ihr gingen wir in den Eingangsbereich des Krankenhauses. Der typische Geruch von Defäkationsmittel stieg mir sofort in die Nase und erinnerte mich an die viel zu vielen Tage, welche ich hier verbracht hatte.

"Schatz setzt dich erstmal und ich gebe den Zettel hier hab, ja?", baht mich meine Mutter. Ich nickte zustimmend. Die Kopfschmerzen waren wieder gestiegen und auch mein Gleichgewichtssinn machte langsam schlapp.
Langsam half sie mir, mich auf einen der hellen Stühle zu setzten.
Erleichtert über die Ruhepause lies ich mich im unbequemen Sitz zurücksinken. Den Kopf auf der harten Kante der Stuhllehne abgelegt schloss ich müde meine Augen.
Die Schmerzen in meinen Kopf gingen etwas zurück und auch das Schwindelgefühl lies nach.
Erinnerungen an die Krankheit, die mein ganzes Leben zerstört hatte, überkamen mich. Die Atemnot, keinerlei Ausdauer und dieser ständige Druck in der Brust.
Panisch fing ich an nach Luft zu schnappen. Würde das alles jetzt zurück kommen; die unerträglichen Schmerzen, das Leiden und die Angst?
Doch Luft füllte ohne Probleme in meine Lungen.
Es war alles gut, kein Grund zur Panik.

Eine Berührung an der Schulter zwang mich die Augen wieder zu öffnen. Meine Mutter blickte mich besorgt an. Im Hintergrund standen Leute. Alle trugen weise Arbeitskleidung des Krankenhauses und kamen mit einer rollbaren Liege an.

"Ok, hebt sie vorsichtig hoch. Keinen zu großer Druck auf den Brustkorb!", befahl eine junge Frau. Ich schätzte sie auf Anfang 30. Anhand ihres Namensschilds, welches an weisen Kittel befestigt war, erkannte ich den Doktortitel. Sie war anscheinend die zuständige Ärztin.

Ich spürte die vielen geschockten blicke der anderen Mitmenschen auf mir ruhten. Alle waren entsetzt bei diesen Anblick. Die zwei Männer kamen zu mir und packten mich vorsichtig, darauf bedacht nicht auf meinen Brustkorb zu drücken. Die anderen zwei Helferinnen schoben die Liege näher an den Sitz heran. Erschöpft und kaum noch in der Lage wach zu bleiben, lies ich mich von den Männern auf die Liege befördern. Die harte Matratze berührte meinen Rücken. Mein Kopf wurde in ein durchgelegenes Kissen gebettet, doch es war mir egal.
Erleichtert über das Liegen, schloss ich meine Augen. Die Kopfschmerzen waren immer schlimmer geworden und durchs Anheben hatte ich ein leichtes Schwindelgefühl bekommen.

"Hallo, Tachibana. Mein Name ist Suzuki-hakase, Tanaka (erst Nachname, dann Vorname im Japanischen) und bin Ärztin in der Herzchirurgie." Anstatt zu antworten nickte ich nur. Mein Kopf dröhnte viel zu stark um etwas zu erwidern. Außerdem war mein Hals so trocken das ich kein Wort heraus bekommen hätte.

Mit schnellen Schritten wurde ich durch den Eingangsbereich des Krankenhauses geschoben. Danach ging es in irgendwelchen Gängen weiter, bis ich langsam die Orientierung verlor. Man beachte mich anschreibend zum MRT. Ich war bereits mehrmals im MRT gewesen und wusste was mich nun erwarten würde.
Und schon war meine Panik wieder da.
Die Tür zum MRT wurde von einer der Helferinnen aufgestoßen. Langsam und bedacht, um keine Erschütterungen, durch Kontakt mit Wänden oder dem Türrahmen, mir auszusetzen, schoben die Anderen mich herein. Neben der Liegefläche des Geräts hielt man meine Liege an. Wieder wurde ich von mehreren Händen gepackt, sie hoben mich hoch und legten mich auf die Liegefläche des MRTs. Mein Kopf schmerze wieder unerträglich und ich hoffte den Schmerzen entleih entgehen zu können.

"Tachibana, ich muss dich jetzt bitten deinen Bh auszuziehen und alle Metallischen Gegenstände, die du an hast, abzulegen. Dein Shit kannst du danach ruhig wieder drüber ziehen.
Die männlichen Personen schicke ich natürlich raus.", fragte mich die Ärztin ruhig und langsam damit ich auch alles verstand. Ich nickte zur Bestätigung. Mein Hals war immer noch zu trocken. Ich hatte das Gefühl kein Wort mehr aus meinen Mund kommen lassen zu können. Doch ich fühlte mich irgendwie geborenen. Die Ärztin war nett und achtete auf mich. Das beruhigte mich ein wenig und ich lies zu ohne Protest alles mit mir machen . Ich vertraute ihr.

Eine der Arzthelferinnen half mir den Bh auszuziehen. Ich war viel zu schwach und müde um mich richtig darauf konzentrieren zu können. Auch meinen Gürtel mit der metallischen Schnalle musste ich ausziehen.
Vorsichtig wurde ich zum Gerät geführt und ich sollte auf der Liege Platz nehmen. Die Kälte, welche von der Liegefläche aus ging, lies mich trotz dem wieder drüber gezogenen Shirt frösteln. Mit zittrigen Händen Stich ich mir über meine Arme.

"Vorsicht, das könnte etwas weh tun, aber ich tu mein bestes ,damit es nicht so schlimm wird.", sagte die Doktorin freundlich, während sie meinen linken Arm packte und sanft streckte. Vorsichtig zog sie ihn weiter zu sich heran, damit mein Ellbogen frei lag. Prüfend tastete sie die Stelle ab. Zielsicher setzte sie die Nadel an und traf. Durch den Kathetre floss mir das Kontrastmittel direkt in die Adern. Es sollte dazu dienen, diese unter dem MRT sichtbarer dazustellen, da meine Adern und Arterien genauer untersucht werden sollten. Mir war dieses Prozedere bereis bekannt, doch bis her ging es mir noch nie so schlecht dabei. Irgendwie fürchtete ich mich vor der Enge im MRT.

"So Tachibana, es kann los gehen. Bist du bereit?", fragte Suzuki freundlich. Nickend stellte ich mich auf die bevorstehende Untersuchung ein. Bevor es los ging bekam ich allerdings noch Kopfhörer. Langsam fuhr die Liegefläche nach hinten. Ich sollte gerade liegen und mich so gut wie gar nicht bewegen, weshalb ich die Decke anstarre. Je weiter die Liegefläche fuhr, um so bedrohlicher kam die Überdeckung des Gerätes. Die Musik auf meinen Ohren beruhigte mich ein wenig. Der Klang war beruhigend und lies meine Panik wieder sinken.
Langsam fuhr ich also in diese enge Röhre, welche die Untersuchung durchführte. Die Informationen, die dabei gesammelt wurden, wurden an einen Computer übertragen, an dem nun die Ärztin und die Helferinnen saßen.

Ich hatte das Gefühl die Decke der Röhre würde mir jeden Moment auf die Nase fallen. Es waren schließlich nur wenige Zentimeter zwischen meinem Gesicht und dieser Decke. Ich verspürte das große Bedürfnis mein Hände zum stützen zu benutzen. Leider durfte ich mich wären der Untersuchung ja nicht bewegen. Die Untersuchung war sehr laut, da das Gerät ständig ein lautes, klopfendes Geräusch von sich gab, aber wenigstens war die Musik so laut eingestellt das ich es schon fast nicht mehr war nahm.
Mittlerweile waren schon mehre Minuten vergangen und es war mir immer unangenehmer in der Röhre zu liegen. Ich hatte meine Augen geschlossen, nicht nur wegen den immer noch anhaltenden Kopfschmerzen, sondern auch wegen der Bedrängung um mich herum. Ich hoffte so die Decke über mir nicht mehr ganz so nah wahrzunehmen. Es fühlte sich an als würde ich in einem Kokon eingesperrt sein. Wie eine Raupe die sich in ihm entwickeln musste und noch nicht heraus durfte.

Plötzlich spürte ich einen stechen in meiner Brust.
Mein Herz.
Es tat so weh!
Ich wollte mir an die Brust packen, es festhalten und es vom Schmerz befreien. Doch ich durfte mich nicht bewegen und ich konnte mich auch nicht bewegen. Wie hätte ich an meine Brust kommen sollen?
Der Schmerz wiederholte sich und leise fing ich an zu wimmern. Langsam spürte ich wie sich die Liegefläche wieder bewegte.
Ich durfte hier raus!
Ich könnte wieder aufstehen und mich frei bewegen.
Es fühlte sich so an als ob die Zeit viel langsamer, als zuvor beim reinfahren, verging. Endlich war ich aus der Röhre befreit. Endlich konnte ich mich bewegen.
Sofort faste ich mir an die Brust. Ich legte meine Hand auf die Stelle meines Herzens.

~Warum tust du nur so weh?~, fragte ich es.

Ich wusste das es mir eine Antwort geben könnte, aber es müsste doch einen Grund geben? Warum so plötzlich?
Es war doch all die drei Jahre nichts passiert. Bis her musste ich fast gar keinen Besuch beim Arzt machen, weil es meinen Herzen schlecht ging. Es waren immer nur Kontrolluntersuchungen gewesen.
Doch jetzt...jetzt war alles auf einmal kaputt. So als hätte man es ermordet, anstatt es zu vergiften.
Ich hatte mich innerhalb dieser Jahre intensive damit beschädigt, wie es sein würde zu sterben. Es wurde gesagt, es sei ein schleichender Tod. So als ob man vergiftet würde und langsam daran starb.
Bei mir war es anscheinend anderes.
Es fühlte sich an als würde jemand auf mein Herz eindreschen und es erschlagen wollen. So als ob seine Zeit abgelaufen wäre uns es keinen Grund gab weiter zu schlagen. Und das schlimmste dabei war der unendliche Schmerz.

"Kanade, es ist alles gut. Dein Herz hat kurz gekrampft. Das passiert wenn es überfordert ist. Du bekommst jetzt Schmerz- und Beruhigungsmittel.", Suzuki-hakase kam zu mir und legte beruhigend ihre Hand auf meine Stirn.
In diesen Moment war mir alles egal, auch das sie mich mit meinen Vornahmen angesprochen hatte. Ich hatte so panische Angst.

Eine Helferin kam an und verbindete den vorhandenen Katheder mit einen Tropf. Es schien Beruhigungsmittel zu sein. Auf der rechten Seite bereitete die andere Helferin eine Spritze mit Schmerzmittel vor.

"Achtung, ich gebe dir jetzt die Spritze.", meldete sie sich vorher.

Das Schmerzmittel gelang in mein Blut und schon nach kurzer Zeit spürte ich seine Wirkung. Der unerträglich Schmerz meines Herzens wurde immer schwächer. Es war nun nur noch ein dumpfer Druck in meiner Brust. Doch die Angst war noch immer da. Panisch versuchte ich irgendwas tun zu können. Doch mehr als meine Hand auf die Brust zu legen und die Fingernägel in die Haut zu rammen war mir nicht möglich.

"Bereitet ihr sofort ein Zimmer vor!", befahl die Ärztin einer der Krankenschwestern. Diese eitle auch schon aus dem Raum, während die Andere meine Sachen brachte.
Die Männer von vorhin eilten wieder in den Raum und hoben mich zurück auf die Liege. Alles um mich herum drehte sich als ich hochgehoben wurde.
Obwohl ich die liege unter mir bereits spürte drehte sich alles vor meinen Augen. In der Hoffnung diesem Gefühl zu entgehen, schließe ich die Augen. Unwirklich und weit entferne nahm ich Stimmen war, die irgendwas riefen und meinen Namen sagten. Doch ich wollte nicht mehr zu hören. Und auch nichts sehen.
Ich wollte nur noch ein wenig schlafen und mich ausruhen.

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