Vier.

"Nobody can go back and start a new beginning, but anyone can start today and make a new ending."

Maria Robinson

November/Dezember 1977

Lily und James redeten die nächsten Tage nicht mehr miteinander als nötig war. Lily, weil sie immer noch sauer auf ihn war und James weil er Lily nicht weiter verärgern wollte und weil er immer noch über Sophias Worte nachdachte. Sie hatte Recht, dass wusste er, aber er hatte keine Ahnung wie er die fragile Beziehung zu Lily wieder reparieren sollte. Er wollte sich nicht wegen dem Streich bei ihr entschuldigen, er sah immer noch kein Unrecht darin. So kam es dass sie ihre Runden nunmehr allein drehten und jeder einen Teil des Schlosses, obwohl sie eigentlich immer zusammen patrouillieren sollten.

Ablenkung bot das erste Quidditchspiel gegen Ravenclaw Ende November. James hatte sein Team gut darauf vorbereitet und die neuen Spieler hatten sich gut eingefügt. Selbst der erste Sturm des nahenden Winters konnte sie nicht aufhalten und so gewannen sie haushoch gegen Ravenclaw.

Natürlich veranstalteten die Rumtreiber eine große Siegesfeier im Gemeinschaftsraum und die Musik dröhnte laut durch den Raum während die älteren Schüler Feuerwhiskey und Butterbier tranken und ausgelassen tanzten. Sirius fand wie immer ein Mädchen und verschwand für die ganze Nacht, Peter trank wieder einmal zu viel Feuerwhiskey und musste von Remus ins Bett gebracht werden und James starrte den ganzen Abend Lily an, die ihn geflissentlich ignorierte. Es war alles wie immer.

Doch nur einen Tag später geschah etwas womit keiner von ihnen gerechnet hatte.  

Die Siebtklässler hatten sich den begehrten Platz vor dem Kamin gesichert und genossen die wenige Zeit in der sie mal nicht lernen mussten. Die Lehrer hatten es sich zur Aufgabe gemacht sie unter Hausaufgaben zu begraben, damit sie auch ja alle auf die Abschlussprüfungen vorbereitet waren. Die einzigen die fehlten waren Sophia und Peter, der in letzter Zeit immer öfters fehlte, wie James mit einem Mal auffiel. Irgendwie war er so sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Peter so oft weg war und sich immer mehr zurückzog.

Auch den anderen schien es nicht aufzufallen, Remus und Lily hatten die Nase tief in ihren Büchern vergraben, Alice und Sirius lieferten sich ein Zauberschachduell, wo Sirius dabei war gnadenlos zu verlieren und die anderen sahen gespannt zu.

Die meisten jüngeren Schüler waren schon längst im Bett und so war es erstaunlich ruhig an diesem Abend, nur der eisige Novemberwind pfiff um den Turm und der Regen klatschte gegen die Fenster. James richtete seinen Blick wieder auf die mittlerweile schon ziemlich mitgenommene Ausgabe des Abendpropheten in der er eigentlich gelesen hatte. Sie hatten über ein Massaker an Muggel berichtet, nicht weit von Hogwarts. Werwölfe waren daran beteiligt gewesen und deshalb wollte James die Zeitung möglichst weit weg von Remus halten.

Mit einem Mal klappte das Porträt der Fetten Dame auf und jemand stürmte in den Gemeinschaftsraum. Es war Sophia. Lily schrie leise auf und ihr Buch fiel auf den Boden als sie erkannte wie Sophia aussah. Ein langer Riss zog sich über die dunkle Haut, nass glänzend vom Blut und ihre Schuluniform war blutverschmiert und löchrig. Dennoch loderte in ihren braunen Augen ein wütendes Feuer.

„Was ist passiert?", fragte Lily sofort und lief zu Sophia hinüber.

„Slytherins", erwiderte Sophia düster. „Sie haben nen Erstklässler angegriffen, den kleinen Boot." Micky Boot war in Gryffindor, deshalb kannten ihn alle, vor allem weil er so fasziniert von allem war was er in Hogwarts sah.

„Wo ist er jetzt?", hakte Remus nach.

„Krankenflügel", erwiderte Sophia. „Ich hab ihn hingebracht und bin dann wieder gegangen." Sophia hasste alles was mit Krankenhaus zu tun hatte, deshalb wunderte es keinen, dass sie nicht dageblieben war trotz ihrer Verletzung.

„Ohoh, Madam Pomfrey wird deinen Kopf haben wollen", verkündete Alice unheilvoll.

„Jetzt lasst sie doch erst mal sich hinsetzen." Lily nahm Sophias Arm und drückte sie auf das Sofa vor dem Feuer. „Alice, hol bitte den Erste Hilfe Kasten aus dem Schlafsaal. Ich wusste, dass ich den noch mal bei euch brauche."

Alice verschwand die Treppe nach oben, während die anderen Sophia immer noch neugierig umringten. Doch Lily verbot ihnen alle Fragen bis sie Sophias Wunden versorgt hatte und ein hübscher Verband ihren Kopf zierte.  „Jetzt kannst du erzählen was passiert ist."

Sophia seufzte. „Ich hab mich mit Noah getroffen und auf dem Rückweg hab ich Boot nur schreien hören. Ein paar maskierte Gestalten haben ihn in einen leeren Gang gezogen und haben auf ihn eingeschlagen. Ich bin dazwischen gegangen und sie sind dann irgendwann geflohen, wahrscheinlich hatten sie genug Spaß für eine Nacht. Sie trugen keine Abzeichen, aber ich habe Wilkes und Mulcibers Stimmen erkannt. Dann war da noch einer und jemand kleineres, keine Ahnung wer das aus Slytherin gewesen sein soll." Sie biss sich auf die Unterlippe und blickte dann entschuldigend zu Sirius. „Dein Bruder war auch dabei. Seine Stimme kenne ich auch."

Sirius stieß einen unterdrückten Fluch aus und sah aus als ob er am liebsten auf etwas einschlagen würde. Remus legte beruhigend eine Hand auf Sirius Schulter, doch Sirius schüttelte sie wieder. Für Lily war es leicht zu vergessen, dass Sirius ja auch aus einer alten Todesserfamilie kam, aber Regulus Black ließ es Sirius niemals vergessen.

„Bist du dir sicher, dass es die Slytherins waren?", fragte Lily noch einmal. Auch wenn sie eigentlich wie alle anderen im Raum wusste, dass es die Slytherins waren. Die Tat, genauso wie die Angriffe auf Sky Edwards und den Hufflepuffviertklässler, schrien geradezu nach ihnen.

Sophia nickte entschieden, fasste sich dann aber mit einem leisen Aufstöhnen an den Kopf. „Hundertprozentig sicher. Wilkes hat mich oft genug auf dem Quidditchfeld angebrüllt, seine Stimme erkenne ich." Sie warf einen vorsichtigen Blick zu Sirius. „Und solche grauen Augen können nur die Blacks haben."

„Hast du einem Lehrer Bescheid gesagt?"; fragte Marlene.

„Denman ist kurz darauf aufgetaucht"; erwiderte Sophia. „Er hat gesagt er will sich darum kümmern."

Lily spielte nervös mit dem Ende ihrer Krawatte. Sie wusste, dass Sophia nicht lügen würde. „Geh nach oben und ruh dich aus, Sophia. Wenn es dir morgen nicht besser geht, dann schicke ich dich trotzdem zu Madam Pomfrey."

Sophia sah zwar nicht begeistert aus, stand aber auf. „Danke, Lils", murmelte sie noch bevor sie die Treppe hinaufstieg.

Lily packte die Sachen wieder zurück in den Erste-Hilfe-Kasten. Obwohl sie äußerlich ganz ruhig schien, wirbelten ihre Gedanken nur so umher. Sophia hatte unglaubliches Glück gehabt, dass ihr bei dem Angriff nichts Schlimmeres passiert war als die paar Kratzer, schließlich war sie in der Unterzahl gewesen und wer weiß was für Flüche die Slytherins kannten.

Und mit einem Mal konnte sie auch verstehen was James und die Rumtreiber dazu bewogen haben musste den Slytherins den Streich zu spielen. allerdings besaß sie nicht die Impulsivität und den Wagemut der Jungen, die zum Streich geführt hatten. Aber es war schon lange nicht mehr die Zeit für Selbstjustiz, sie mussten die Lehrer einschalten.

„Wir sollten zu Dumbledore gehen", schlug gerade Remus vor und sprach Lilys Gedanken aus. Wenigstens einer von ihnen war so vernünftig, schoss es Lily durch den Kopf.

Erstaunlicherweise war es James der Remus als erstes zustimmte. „Du hast Recht, Remus. Das ist der dritte Angriff auf muggelstämmige Schüler und das ist mehr als genug Beweis, selbst für Dumbledore. Und wir haben Sophias Aussage."

Lily seufzte leise. „Die beiden haben Recht, wir müssen zu Professor Dumbledore. alleine können wir nichts gegen die Slytherins ausrichten." Sie blickte zu James bei diesen Worte und er hatte wenigstens den Anstand beschämt auszusehen.

„Lily und ich gehen morgen nach dem Unterricht zu Dumbledore", beschloss James. Lily nickte nur. „Wie es scheint hat unser Streich nichts gebracht."

„Macht nichts, Mann", erwiderte Sirius grinsend und klopfte James auf den Rücken. „Es war trotzdem genial. allein dafür hat es sich schon gelohnt, ich glaube ich werde das niemals vergessen-"

Er wurde unterbrochen als plötzlich das Porträt aufklappte und Peter in den Gemeinschaftsraum kam. Er sah sich erstaunt um und runzelte die Stirn als er sah, dass seine Mitschüler noch alle wach waren. „Wieso seid ihr noch alle hier? Ist etwas passiert?" Seine Stimme zitterte leicht, fand Lily, als ob er nervös wäre. Aber warum sollte er nervös sein? Es sei denn Peter hatte etwas zu verbergen...

„Slytherins haben Boot und Sophia angegriffen", erklärte Remus.

„Merlin", quiekte Peter. „Wie geht es den beiden?" Er senkte den Blick.

„Boot ist im Krankenflügel und Sophia ist oben, sie hat es nicht so schlimm erwischt", fügte Alice hinzu.

„Aber wo warst du denn, Peter?", fragte Sirius neugierig nach.

„Ich äh- ich war..." Peter stammelte verzweifelt vor sich hin und wagte es immer noch nicht die anderen anzusehen. „Ich habe mich mit äh jemanden äh..."

„Peter hat ne Freundin", schrie Sirius begeistert auf, so laut, dass Lily neben ihm zusammenzuckte. „Unser Kleiner wird erwachsen!"

Lily hatte noch nie jemanden gesehen der so rot wurde wie Peter, der immer noch nicht den Mut aufbrachte die anderen anzusehen. „Jetzt lass den armen Jungen doch in Ruhe, Sirius", schalt sie ihn sanft.

„Jajaja." Sirius winkte nur ab und zog Peter hinter sich her nach oben. „Wer ist es? Die Kleine aus Ravenclaw? Ich will alles wissen."

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Sirius ein Mädchen ist, so klatschsüchtig ist er", sagte Remus kopfschüttelnd. „Ich gehe besser mal nach oben und betreibe Schadensbegrenzung. Gute Nacht."

Nach und nach leerte sich der Gemeinschaftsraum bis nur noch Lily und James übrig blieben. „Du kommst doch wirklich mit zu Dumbledore, oder?"

„Professor Dumbledore", korrigierte Lily ihn. Es war schon eine zweite Natur für sie. „Natürlich komme ich mit. Ich stehe zu meinem Wort."

„Gut, dann sehen wir uns morgen." James lächelte sie an und wollte dann auch nach oben gehen.

„Warte James." Lily zupfte wieder einmal am Saum ihrer Krawatte, an der schon ein roter Faden locker war. „Ich wollte nur sagen, dass-" Sie kämpfte mit sich selbst die Worte zu sagen und erwartete halb, dass James lachen würde, doch er sah sie nur neugierig an. „Ich kann verstehen warum ihr den Streich gepielt habt", platzte es aus Lily heraus. „Jetzt wo Sophia angegriffen wurde. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich es gutheiße!", fügte sie noch schnell hinzu.

James nickte nur mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln auf den Lippen. ""n Ordnung. Gute Nacht, Lily." Er drehte sich um und stieg die Treppe hinauf.

Lily sah ihm nach und wartete bis seine Schritte verhallten, bevor sie sich auf das Sofa fallen ließ. James hatte ganz anders reagiert als sie es erwartet hätte. Sie hätte gedacht, dass er es nicht erwarten konnte ihr die ganze Sache unter die Nase zu reiben und sich über ihr Eingeständnis freuen würde. Sie hatte sein arrogantes Lächeln erwartet, dass er weg stolzierte, alles nur nicht, dass er die Sache mit einem simplen „In Ordnung" auf sich beruhen lassen würde.

In dieser Nacht gingen beide mit dem Gefühl schlafen, dass sie einen großen Schritt weitergekommen waren.

***

Dumbledore hörte den beiden Schulsprechern aufmerksam zu, das Funkeln war aus seinen blauen Augen verschwunden. Nachdenklich strich er sich über den silbrigen Bart. „Ich danke euch, dass Sie mir Bescheid gesagt habt. Natürlich haben die Lehrer schon von den Angriffen gehört, aber bis jetzt konnte noch kein Schuldiger gefunden werden. Ich werde mit den vier Schülern noch einmal sprechen, doch Sie können sicher sein, dass wir den Vorfall nicht auf uns beruhen lassen werden."

„Was wollen Sie denn tun?", fragte James neugierig.

„Ich befürchte, dass wir die Schüler nur für den Angriff auf Mr. Boot und Miss Jones bestrafen können", erwidert Dumbledore ernst. „So wenig es mir auch gefällt, aber es gibt nur Vermutungen wer die beiden anderen angegriffen hat. Ich werde mir aber dennoch Professor Denmans Bericht noch anhören, ich werde Ihn gleich noch rufen lassen, damit er mir sagen kann was er in der Nacht gesehen hat."

Lily runzelte die Stirn. Es ging ihr gehörig gegen den Strich, dass die Slytherins fast schon ungeschoren davon kamen. Es war reines Glück gewesen, dass Sophia die Angreifer erkannt hatte, sonst hätten sie gar nichts in der Hand.

„Ich bitte Sie beiden als Schulsprecher nun wachsamer zu sein", fuhr Dumbledore fort. „Lassen sie keinen mehr alleine patrouillieren und erklären Sie den Vertrauensschülern die Situation, so dass auch sie ein Auge offen halten." Er seufzte leise. „Und ich dachte der Krieg würde vor den Mauern halt machen."

James nickte zustimmend, genauso wie Lily. Sie lasen jeden Tag immer neue Schlagzeilen über Lord Voldemort und seine Todesser. Man hatte bereits die ersten Schüler aus der Schule genommen und Lily wusste, dass ein paar Mitschüler bereits Familienmitglieder verloren hatten.

Noch bot Hogwarts ihnen allen Schutz, aber wenn schon Schüler andere angriffen, wo sollten sie dann sicher sein? Dieser Gedanke jagte Lily einen Schauer über den Rücken.

***

Regulus Black, Emmett Wilkes und Alexander Mulciber wurden tatsächlich für den Angriff auf Boot und Sophia bestraft, allerdings verrieten sie nicht wer die beiden anderen gewesen waren. Die Strafen hatten wohl gewirkt, denn fürs erste schien Ruhe in der Schule eingekehrt zu sein.

Dafür war James mit einem Mal von der fixen Idee besessen Lily beschützen zu müssen und versuchte ständig in ihrer Nähe zu sein. Er folgte ihr sogar bis in die Bibliothek und behielt sie im Auge wenn sie zusammen mit ihren Freundinnen versuchte ihre Hausaufgaben zu machen.

Ein paar Tage und viele giftige Blicke später hatte Lily genug und stellte James auf einer ihrer abendlichen Patrouillen zur Rede. „Was fällt dir ein mir ständig wie ein Schatten zu folgen?", fuhr Lily ihn an. „Ich kann keinen Schritt tun ohne dass du in meiner Nähe bist! Du gehst mir damit auf die Nerven."

James sah sie verlegen an. „Sorry."

„Ist das das einzige was du zu sagen hast?" Lily hob eine Augenbraue und kreuzte die Arme vor der Brust.

„Ich will nicht, dass du alleine durch die Schule läufst", brachte James endlich hervor und fuhr sich durch die Haare.

„Wie bitte?" Lily runzelte die Stirn. „Du willst was? Ich bin seit fast sieben Jahren hier, hast du Angst, dass ich mich verlaufe?"

„Mensch, Lily", stöhnte James auf. „Dafür dass du die intelligenteste Person bist, die ich kenne, stellst du dich gerade ziemlich dumm an."

„Danke", schnappte Lily beleidigt zurück.

„Jetzt lass mich doch ausreden. Verstehst du denn nicht? Wenn du alleine durch die Schule gehst, machst du dich zu einem Ziel für die Slytherins! Meinst du die würden sich die Chance entgehen lassen dich anzugreifen? Du bist so perfekt und gut und muggelstämmig, nicht das mich das stören würde, aber die Slytherins schon." Die Worte fielen immer schneller von James Lippen, er hatte sich richtig in Rage geredet und ging in großen Schritten immer wieder auf und ab während er es vermied Lily anzusehen. „Ich will nicht, dass dich jemand angreift!"

„Ich brauche deinen Schutz nicht", entfuhr es Lily bevor sie wirklich über James Worte nachdenken konnte. „Ich kann gut auf mich selbst aufpassen!"

„Das weiß ich doch, Lily", sagte James erstaunlich sanft und kam vor Lily zu stehen. „Denke niemals, dass ich unterschätzen würde."

„Ich will deinen Schutz trotzdem nicht", widersprach Lily ihm. „Ich brauche niemanden der mich beschützt, nur weil ich muggelstämmig bin."

„Doch, Lily, das brauchst du. Weil es gerade darum geht, so sehr wir alle auch die Situation hassen. Der ganze Krieg dreht sich darum was für ein verdammtes Blut durch unsere Adern fließt. Uns kann so etwas egal sein, aber so lange es jemanden gibt der an die Reinheit des Blutes glaubt, werden wir immer davon betroffen sein." James sah auf Lily hinab, die ihn mit Feuer in den Augen anstarrte. „Versteh doch, ich will nur, dass dir nichts passiert. Nicht mehr und nicht weniger." Er drehte sich um und ging vor, schließlich hatten sie noch ihre Patrouille zu beenden.

Lily folgte ihm nachdenklich und so schwiegen beide den Rest des Abends. Warum sollte James Potter sich überhaupt Sorgen um sie machen? Das war die Frage die Lily ständig durch den Kopf ging und auf die sie keine Antwort fand.

***

Wütend kickte James gegen seinen Bettpfosten als er wieder oben in seinem Schlafsaal war. Es war ihm egal, dass die anderen schon schliefen. Er hatte das Gefühl, dass er es schon wieder mit Lily verscherzt hatte. Die Hälfte der Worte hatte er ihr gar nicht sagen wollen, doch sie waren einfach aus ihm herausgekommen. Das passierte ihm nur bei Lily.

Wenn Lily doch nicht so stur wäre. Sie machten einen Schritt vorwärts, aber ein paar Tage später zwei Schritte rückwärts. Er hatte keine Ahnung mehr was er machen sollte. Es schien als ob irgendwas verhindern wollte, dass er jemals mit Lily zusammenkam. Er hatte wirklich versucht sich zu verändern, seine bessere Seite zu zeigen, aber Lily schien es nicht zu sehen. Warum sollte er sich dann noch die Mühe machen?

James ließ sich auf sein Bett fallen und vergrub sein Gesicht zwischen seinen Händen. Vielleicht war er wirklich mit seiner Beschützeraktion zu weit gegangen, selbst Sirius hatte sich schon gewundert warum James auf einmal ständig Lily folgte, so wie früher in seinen schlimmsten Zeiten. Doch er wusste, dass er sich nicht verzeihen würde wenn Lily in den Gemeinschaftsraum kommen würde und eine solche Wunde wie Sophia trug, wohl wissend, dass niemand da gewesen war um sie zu beschützen.

Lily, sie war so unschuldig und sie konnte nichts dafür, dass sie muggelstämmig war, sie sollte nicht dafür leiden, für etwas für das sie nichts konnte.

Wütend schlug er auf sein Kissen ein. Was sollte er denn noch machen, damit Lily ihn so sah wie er wirklich war und ihm Chance gab?

Doch in dieser Nacht fand er keine Antwort auf diese Frage.

***

Sophia war die erste der es auffiel, dass Lily den ganzen nächsten Tag so still war und in ihren Gedanken vertieft war. Selbst im Unterricht beteiligte sich Lily nur gerade so viel wie nötig um nicht die Aufmerksamkeit der Lehrer auf sich zu ziehen. In den etwas mehr als sechs Jahren die sich jetzt schon kannten, hatte Sophia Lily noch nie so erlebt noch nicht mal nach dem verhängnisvollen Tag unten am See als Lilys und Severus Freundschaft zerbrach.

Als Sophias Blick auf James fiel, unter dessen Augen tiefe Ringe waren und dessen Haar noch unordentlicher war als sonst, machte es bei ihr Klick. Irgendwas war zwischen den beiden vorgefallen, dass beiden eine schlaflose Nacht bereitet hatte. Sie seufzte leise auf, irgendwie schien es zwischen ihren beiden Freunden nicht so wirklich zu funktionieren, dabei wären sie doch so gut füreinander.

Lily brauchte jemanden der ihr widersprach, der sie von ihren Schulsachen wegholte, der sie zum Lachen bringen konnte.

James brauchte jemanden der ihm schon mal den Kopf gerade rückte, der ihn ein bisschen ernster machte.

Die beiden brauchten einander.

Nach dem Unterricht kamen Sirius und Remus auf Sophia zu. Beide sahen ähnlich besorgt aus wie Sophia und hatten anscheinend die gleichen Schlüsse gezogen wie sie.

„Weißt du was zwischen den beiden passiert ist?", fragte Remus sie.

Sophia schüttelte nur den Kopf. „Was genau passiert ist weiß ich nicht. Ich vermute nur, dass es damit zu tun hat, dass James Lily die ganze Zeit gefolgt ist. Lily wird ihm deswegen den Kopf gerade gerückt haben, aber warum die beiden deshalb so drauf sind, habe ich null Plan."

„Dann bist du auch nicht weiter als wir", seufzte Sirius. „Hast du mit Lily darüber gesprochen?"

„Noch nicht", antwortete Sophia. „Eigentlich sind die beiden alt genug um ihre Probleme selbst zu lösen..."

Remus schnaubte leise. „Sonst ja, aber nicht wenn es um die beiden geht. Dann sind sie schlimmer als kleine Kinder."

„Ich gehe mal davon aus, dass ihr dann auch nicht mit James geredet habt."

„Äh, nein." Sirius grinste Sophia entschuldigend an. „Lily ist kein Thema über das man mit James gut sprechen kann, es sei denn man stimmt in seine Lobeshymnen über sie ein."

„Irgendwo kommt mir das bekannt vor", murmelte Remus. „Nur mit wütenden Tiraden..."

Sophia lachte leise auf. Remus war der einzige von den Jungen mit dem Lily wirklich klar kam und sogar befreundet war, deshalb hatte er sich oft genug ihre Reden über James anhören müssen.

„Hey, im Notfall sperren wir die beiden einfach ein und lassen sie erst raus wenn sie sich vertragen haben!", schlug Sirius freudestrahlend vor.

Sophia hob zweifelnd eine Augenbraue. „Und du glaubst wirklich, dass das funktionieren würde? Die beiden würden sich wahrscheinlich zerfleischen, vor allem im Moment. Und wie kommst du überhaupt auf so eine Idee?"

Sirius zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber ich wollte so etwas schon immer mal ausprobieren." Er grinste breit.

„Schalt dein Lächeln wieder aus", erwiderte Sophia lachend. „Das wirkt bei mir sowieso nicht."

„Außerdem haben deine Pläne die Angewohnheit in einem ganz großen Desaster zu enden", fügte Remus hinzu und verdrehte die Augen.

„Das nehm ich aber jetzt persönlich." Sirius schob schmollend seine Unterlippe vor.

„Nimms dir nicht so zu Herzen, aber so war es gemeint", lachte Sophia.  

***

Am nächsten Tag schien zwischen Lily und James alles wieder normal zu sein, doch beiden kreisten immer noch die ungelösten Fragen im Gedächtnis herum, auch wenn sie versuchten sie so  tief wie möglich zu begraben.

In zwei Wochen war wieder ein Wochenende in Hogsmeade angesagt, das letzte vor Weihnachten und in der Schule war die Aufregung in der Luft greifbar, alle wollten die letzten Einkäufe erledigen und dann war es auch nicht mehr lang bis die Ferien kamen.

Lily hingegen fragte sich nur wo die Zeit geblieben war, gestern erst war sie doch in den Zug gestiegen und hatte erfahren, dass James Schulsprecher war. In ein paar Wochen würde sie wieder in den Zug steigen und nach Hause fahren. Dieses Jahr hatte sie ernsthaft überlegt in Hogwarts zu bleiben, weil sie noch eine Feier mit Petunia und Vernon nicht aushalten würde, aber ihre Eltern hatten sie darum gebeten und so fuhr sie zwangsläufig nach Hause.

Sie saß auf ihrem Bett und schrieb sich eine Liste was sie noch an Geschenken besorgen musste. Es war ruhig hier, denn alle anderen Mädchen waren noch unterwegs. Nachdenklich überflog sie ihre Liste noch einmal, sie hatte Geschenke für ihre Familie, für die Mädchen, Remus und Frank. Nun überlegte sie ob sie James auch etwas schenken sollte, schließlich waren sie beide Schulsprecher und so etwas wie... Freunde. Auch wenn Lily sich nicht wirklich sicher war ob das die passende Bezeichnung war für das was zwischen ihr und James lief.

Erst als Sophia in den Schlafsaal kam, wurde Lily aus ihren Gedanken gerissen. Ihre beste Freundin hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht und ließ sich ungefragt auf Lilys Bett fallen.

Lily legte ihre Liste beiseite. „Warst du wieder bei Noah?"

„Ja." Sophia grinste breit.

„Seid ihr endlich zusammen?", fragte Lily. Noah und Sophia dateten sich seit dem Beginn des Schuljahres und Sophia war oft genug abends bei ihm.

„Nö." Sophia schüttelte den Kopf. „Ich will aber auch nicht."

Lily hob fragend eine Augenbraue. Noah war nach Sirius wohl der bestaussehendste Junge von Hogwarts, war aber ungleich netter. So viele Mädchen wären gerne an Sophias Stelle. „Warum dass denn nicht?"

Sophia zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich mag Noah wirklich, aber nicht genug. Mal schauen." Ein Lächeln stahl sich dennoch auf ihr Gesicht. „Aber Küssen kann er gut."

„Wenigstens etwas." Lily ließ sich von Sophias Lächeln anstecken. „Ich bin auf den Tag gespannt an dem du wirklich mal eine Beziehung anfängst."

„Junge, das klingt als ob ich total beziehungsunfähig bin", sagte Sophia leicht erschrocken.

„Auf deine Art und Weise bist du es, Sophia", erwiderte Lily sanft. „Die Sache mit Noah ist das Ernsthafteste was du jemals am Laufen hattest, sonst machst du ja eher Sirius Konkurrenz."

Sophia biss sich auf die Unterlippe. „Wahrscheinlich hast du Recht, Lils. Ich überlasse den ganzen Beziehungskrams einfach dir, Alice und Lene."

„Mach dir nichts draus. Du wirst auch noch den Richtigen finden", antwortete Lily.

Sophias Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. „Bestimmt." Ihr Blick fiel auf die Liste neben Lily. „Hast du dir schon was für mein Weihnachtsgeschenk überlegt?" Sie versuchte danach zu greifen, doch Lily war schneller und riss das Papier an sich.

„Du wirst es noch früh genug erfahren", schalt Lily ihre beste Freundin. „Nur Geduld."

„Nicht eine meiner Stärken", seufzte Sophia und versuchte noch einen Blick auf die Liste zu erhaschen. „Du hast James mit drauf geschrieben?", fragte sie überrascht.

Lilys Wangen färbten sich rosa und sie drückte die Liste noch enger an ihren Körper, aber es Antwort genug für Sophia.

„Hey, das muss dir nicht peinlich sein", sagte Sophia. Ihre braunen Augen blitzten auf. „Weißt du schon was du ihm schenken willst?"

„Nein, ich weiß noch nicht mal ob ich ihm was schenken will." Lily sah Sophia ratlos an.

„Wieso dass denn?"

„Weil ich nicht weiß was überhaupt zwischen uns läuft", gab Lily zu. „Er hat sich wirklich verändert seit dem Anfang des Schuljahres und irgendwie glaube ich nicht, dass es lange anhalten wird. Irgendwann wird er genauso sein wie vorher. Außerdem streiten wir uns viel zu oft." Es tat merkwürdig gut das alles Sophia zu erzählen und sich den ganzen Frust und die vielen ungelösten Fragen von der Seele zu reden.

Sophia sah Lily für ein paar Sekunden schweigend an. „Du siehst den James, den wir kennen und glaube mir er wird alles tun um dich glücklich zu machen, schließlich liebt er dich ohne Ende."

Lily setzte sich kerzengerade hin und ihre Augen waren weit aufgerissen. „Was hast du da gesagt?"

„James liebt dich." Verständnis dämmerte auf Sophias Gesicht. „Merlin, du weißt das nicht? Alle dachten du wüsstest das, es war doch so offensichtlich."

„Nein", flüsterte Lily geschockt. „Ich dachte er fragt mich immer nur aus Spaß." Sie versteckte ihr Gesicht zwischen ihren Händen. „Ich bin doch nur ein Freak."

Freak. Freak. Freak.

So hatte Petunia sie immer genannt und jedes Mal hatte es ihr im Herzen weh getan, den Blick ihrer Schwester zu sehen und den bitteren Klang des Wortes zu hören.

Arme schlangen sich um Lily und hielten sie fest. „Das hat deine Schwester zu dir gesagt oder? Du darfst nicht auf sie hören, denn sie hat keine Ahnung wie wunderbar du in Wirklichkeit bist. Du bist niemals ein Freak gewesen. Lily, du bist wundervoll, meine beste Freundin und ich wüsste nicht was ich ohne dich in meinem Leben anfangen sollte." Sophias Stimme war sanft und beruhigend.

Wer hätte gedacht, dass sich hinter solch einer starken Fassade solche Unsicherheiten verbargen. Sophia wusste, dass Lily es mit ihrer Familie nicht leicht hatte, doch das es so schlimm war, dass hatte sie niemals geahnt. Irgendjemand musste Lily dringend mal die Wahrheit erklären. Aber warum blieb so etwas immer an ihr hängen, wo sie doch überhaupt keine Ahnung von so etwas hatte? Das war dann wohl das Schicksal der besten Freundin...

„Lils, James liebt dich wahrscheinlich schon seitdem wir zusammen mit ihm in einem Abteil gesessen haben", fuhr Sophia leise fort. „Er war nur zu blöd um es dir wirklich zu zeigen. Er wollte dich einfach nur beeindrucken und hat dann alles falsch gemacht was man falsch machen kann." Sie spürte wie Lily sich ein leises Lachen entrang. „Du musst dem Jungen ja nicht gleich in die Arme fallen, aber gib ihm wenigstens eine Chance, er ist nämlich ein echt guter Kerl."

„Irgendwie glaube ich dir das sogar." Lily hob den Kopf und sah Sophia an. „Ich meine wenn wir uns nicht gerade streiten kann er wirklich lustig sein."

Sophia grinste Lily an. „Dann besteht ja doch noch Hoffnung für euch."

***

Man hatte James selten so glücklich gesehen wie in den letzten Tagen. Keiner bekam das Lächeln aus dem Gesicht, er pfiff fröhlich vor sich hin und ließ sich sogar von Sirius nicht abbringen. Er wusste zwar nicht warum Lily auf einmal so nett zu ihm war und sie hatten es außerdem geschafft sich nicht mehr zu streiten. Ihre abendlichen Runden waren gefüllt von ihren Gesprächen und er liebte es wenn Lily zum Lachen bringen konnte. Wenn sie sich nachts im Gemeinschaftsraum trennten, dann wünschte er sich sie würden noch stundenlang durch das Schloss wandern können.

Auch Lily sah in diesen Tagen viel fröhlicher aus und immer öfter sah man sie auch außerhalb ihrer Schulsprechertätigkeiten mit James zusammen. Und selbst wenn es nur bedeutete, dass sie auf dem Sofa vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum saß und in einem Buch las, während James neben ihr saß.

Anfangs musste sie sich noch zwingen auf James zuzugehen, immer eingedenk, der vielen Sachen die er ihr im Laufe der Zeit angetan hatte. Aber dann fielen ihr auch wieder die ganzen netten Erlebnisse mit ihm ein.

Es ging sogar so weit, dass James ihr eines Abends in aller Ernsthaftigkeit Quidditch erklärte und Lily sich wunderte, dass James sich so sehr auf eine Sache konzentrieren konnte und sie wirklich ernst nahm.

Es war als ob sie täglich neue Seiten an ihm entdeckte, nur weil sie sich plötzlich die Mühe machte genauer hinzusehen. Und sie war froh, dass sie sich jetzt die Mühe machte.

Auch wenn sie dafür gnadenlos von ihren Freundinnen aufgezogen wurde, aber Lily war das merkwürdigerweise ziemlich egal. Vielleicht war sie einfach zu glücklich dafür.

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Ich habs dann auch mal geschafft das Kapitel fertig zu bekommen :) Schokolade hilft erstaunlich viel bei Schreibblockaden :) Ich hoffe es gefällt euch.

veröffentlicht: 05/02/2014 | editiert: 01/02/2022

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