Sieben.

"Sometimes people are beautiful. Not in looks. Not in what they say. Just in what they are."
Markus Zusak, I am the Messenger

Dezember 1977

Am Silvestermorgen verabschiedete Lily sich schon früh von ihren Eltern. Petunia hatte Lily seit Weihnachten nicht mehr gesehen und das war auch gut so. Noch immer ging ihr das Gespräch nicht aus dem Kopf und noch immer fühlte sich irgendwie befreiter.

Mit einem leisen Knall apparierte Lily zu Sophias Haus, das am Rande eines Waldes stand, so dass es niemanden auffiel wenn plötzlich jemand auftauchte. Von dort aus war es nicht weit zu James Haus und Sophias Vater würde die beiden dorthin fahren, weil keins der Mädchen jemals dort gewesen war. Sophias Mutter Elaine öffnete Lily die Tür und führte sie nach oben in Sophias Zimmer, das wie immer eigentlich im Chaos versank. Verlegen räumte Sophia einen der Sessel frei, so dass sich Lily wenigstens setzten konnte.

„Wie waren deine Weihnachten?", fragte Sophia und ließ sich auf ihr Bett fallen.

„Ganz in Ordnung", seufzte Lily. „Wenn man bedenkt, dass Petunia und ihr Ehemann da waren."

Sophia hob eine Augenbraue. „So schlimm?"

„Du hast ja keine Ahnung." Dann begann Lily Sophia alles zu erzählen was sich über die Weihnachtsfeiertage zugetragen hatte, auch die letzte Unterhaltung. „Petunia hat es akzeptiert, sie wusste es ja selber, dass wir zu zerstritten sind."

„So wie du mir immer Petunia beschrieben hast, war es wahrscheinlich wirklich ihr letzter Versuch auf heile Familie zu machen", überlegte Sophia. „Aber ich will auch nicht abstreiten, dass sie sich irgendwo Sorgen um dich macht. Die Schlagzeilen sind schon heftig, ich hab den Tagespropheten abbestellt, damit meine Eltern nichts davon mitbekommen."

„Vielleicht war es das", meinte Lily. „Aber es ging einfach nicht mehr. Es war unser Eingeständnis, dass alles zu kaputt ist. Ich kann nicht vergessen, dass sie mich immer beschimpft hat und sie kann nicht vergessen, dass ich eine Hexe bin. Es sollte mich eigentlich traurig machen, dass wir uns zu zerstritten haben obwohl wir doch Schwestern sind, aber momentan fühlt sich, dass zu sehr wie ein Befreiungsschlag an."

„Ihr habt miteinander abgeschlossen. Ihr wisst wie der andere steht und ihr wisst auch, dass sich das nicht ändern wird", erwiderte Sophia.

Lily nickte langsam. „Irgendwie habe ich immer gedacht es geht alles mit einem Paukenschlag zu Ende, dass wir uns lauthals streiten, aber jetzt ist es einfach so still und ruhig gewesen."

„Bereust du, dass es so gelaufen ist?"

„Nein", erwiderte Lily ehrlich. „Das nicht. Nur, dass es hätte auch anders kommen können."

„Aber das ist nicht deine Schuld", widersprach Sophia nachdenklich. „Du kannst nichts dafür, dass du eine Hexe bist und dass Petunia so darauf reagiert hat."

„Hmm", murmelte Lily. „Aber lass uns nicht mehr von mir sprechen. Was war bei dir los?"

Sophia zuckte mit den Schultern. „Alles wie immer. Meine Großeltern waren da, wir haben zu viel gegessen, meine Großtante hat zu viel Wein getrunken und angefangen peinliche Geschichten zu erzählen, wir waren bei Eleanor und sonst war es langweilig."

„Gut, dass es jetzt nicht mehr langweilig sein wird", kam eine Stimme von der Tür. Es war Sirius, der zusammen mit James und Remus den Kopf in Sophias Zimmer steckte. Anscheinend hatten die beiden Mädchen total überhört, dass es geklingelt hatte.

Der Schnee schmolz in ihren Haaren und alle drei Jungen hatten das gleich verschmitzte Grinsen auf dem Gesicht als sie hereinkamen.  

„Was macht ihr denn hier?", fragte Sophia statt einer Begrüßung.

„Schön dich zu sehen, Sophia, wie geht es dir? Uns geht es auch gut", antwortete Sirius.

Sophia streckte ihm nur die Zunge raus und Remus unterbrach die Kindereien zwischen den beiden. „James hatte Langeweile und hat uns mit zu dir geschleppt."

„Ihr hattet sowieso nichts besseres zu tun", verteidigte James sich. „Und Sirius will nur vor meiner Mutter weglaufen weil er seine Hälfte von meinem Zimmer immer noch nicht aufgeräumt hat."

„Es ist ja auch nicht so, dass wir in ein paar Stunden nicht eh bei euch gewesen wäre", murmelte Sophia kopfschüttelnd.

„Gebt es zu, ihr habt uns doch eh heimlich vermisst." James grinste breit, doch dabei fiel sein Blick auf Lily und der Ausdruck in seinen Augen verriet ihr, dass er sie wirklich vermisst hatte. Schüchtern lächelte sie ihm zu.

„In deinen Träumen", erwiderte Sophia. „Warum hat Mum euch überhaupt hereingelassen?"

„Sirius hat ihr schöne Augen gemacht", antwortete James prompt. „Allerdings kam von ihr nur dann ‚Du musst bestimmt Sirius sein, bei dem Blick. Das kannst du dir allerdings sparen, so etwas wirkt bei mir nicht.'"

„Sie ist eindeutig deine Mutter", fügte Sirius hinzu. „Was sollen wir machen? Eine Schneeballschlacht? Es schneit draußen!"

„Achnee", sagte Lily und verdrehte die Augen. „Wir haben auch Augen im Kopf."

Sirius ließ sich trotzdem nicht in seinem kindlichen Enthusiasmus bremsen, der so ansteckend war, dass am Ende alle fünf nach draußen gingen. Die dichten Flocken wirbelten fröhlich durch die Luft und setzte sich schnell auf ihnen fest.

„Wo ist eigentlich Peter?", fragte Lily Remus und James.

Die beiden zuckten mit den Schultern. „Er meinte er hätte noch so viel zu tun, er würde erst zur Feier kommen", antwortete James.

„Wahrscheinlich ist er bei seiner Mutter oder so", fuhr Remus fort. „Peter hat letztens gesagt sie wäre ein bisschen kränklich."

„Hey ihr Spaßbremsen!" Schon flog der erste Schneeball von Sirius auf die drei zu während sich Sophia neben ihm schlapp lachte. „Los kommt, sonst habt ihr gleich schon verloren."

Mit Kriegsgebrüll stürmte James auf seinen besten Freund zu und schon lagen die beiden im Schnee.

„Ich dachte eine Schneeballschlacht geht anders", rief Sophia.

„Die beiden sind im Herzen einfach noch kleine Kinder", seufzte Remus.

Klatschend traf ein Schneeball James und Sirius im Gesicht, die angesichts der plötzlichen Kälte erschrocken aufschrien und sich sofort losließen. „Wer war das?", schrie Sirius.

Sophia und Remus hoben unschuldig ihre Hände.

„Lily!"

Alle Köpfe drehten sich zu Lily um während sie nur lachte und sich die Seiten hielt. Ihre grünen Augen leuchteten vergnügt auf und die Gesichter der anderen waren einfach zu göttlich. Sie wusste nicht genau wie sie auf die Idee gekommen war, aber es hatte sich gelohnt.

Nach kurzen Zögern stimmten Sophia und Remus in ihr Lachen mit ein während James und Sirius sich aufrappelten, der Schnee hatte James Brille beinahe von seinem Gesicht rutschen lassen.

„Das war brillant", keuchte Sophia und stützte sich auf Remus ab. „Du hast es den beiden so richtig gezeigt."

James sah Lily nur verschwommen durch seine beschlagene und leicht schiefe Brille, doch er hörte ihr melodisches Lachen und liebte es wie glücklich und unbeschwert sie klang. Noch in Sophias Zimmer hatte sie so still und niedergeschlagen gewirkt. Vorsichtig nahm er das Gestell ab und putze die Gläser mit seinem Ärmel, danach konnte er die anderen endlich wieder klar erkennen.

Sein Blick fiel sofort auf Lily, wie so oft in letzter Zeit. Sie hatte etwas an sich, dass sie so unglaublich schön machte, dass er nicht anders konnte als sie anzublicken. Sie errötete unter seinem Blick und wandte die Augen ab.

„Aber das schreit auch nach Rache!", warnte Sirius Lily und schon flog der nächste Schneeball durch die Luft, doch Lily war schnell und wich ihm aus, so dass der Schneeball Remus traf.

Keine zwei Sekunden später flogen die Bälle wie wild durch die Luft und jeder wurde getroffen. Jeder gegen jeden hieß es jetzt und bloß keine Gnade zeigen. Sophia sprang auf Sirius Rücken und steckte einen Schneeball unter seine Jacke, so dass Sirius schreiend aufsprang und Sophia rücklings in den Schnee fiel. Die anderen unterbrachen für ein paar Augenblicke die wilde Schlacht und sahen lachend zu wie Sirius sich an Sophia rächte und die beiden durch den Schnee kugelten.

Lily war glücklich wie schon lange nicht mehr. Irgendwie war es genau das was sie gerade gebraucht hatte, sie wusste, dass sie noch früh genug zu ihren Hausaufgaben und dem Lernen zurückkehren musste. Aber für ein paar Stunden konnte das alles auch noch warten. Lächelnd schüttelte sie den Kopf, sie hatte keine Ahnung woher diese Gedanken kamen. Im Augenwinkel sah sie James und unwillkürlich musste sie lächeln.

Als sie alle durchgefroren und nass von dem Schnee waren, kehrten sie zurück ins warme Wohnzimmer, wo Elaine schon mit heißer Schokolade und den letzten Weihnachtskeksen auf sie wartete, die Sirius allerdings sehr schnell verdrückt hatte.

„Ist das ein Tellyton?", fragte Sirius interessiert und deutete auf den Fernseher, der in der Ecke stand.

Lily, Remus und Sophia brachen in lautes Gelächter aus während James und Sirius sie verwundert ansahen. „Was ist denn so lustig?", fragte Sirius irritiert.

„Erstens", begann Lily immer noch lachend. „Ist das ein Fernseher und zweitens heißt das Telefon."

„Und drittens, dachte ich du hast Muggelkunde", fügte Sophia hinzu.

Sirius zuckte mit den Schultern und grinste verlegen. „Aber nur um meine Familie zu ärgern."

„Das bedeutet natürlich auch, dass man deswegen nicht aufpassen muss", murmelte Remus.

Sirius schlang einen Arm um Remus schmale Schultern. „Du hast es erfasst."

Viel zu schnell verging die Zeit und irgendwann schmiss Sophia die Jungen hinaus, damit Lily und sie sich fertig machen konnten. Langsam wurde Lily leicht nervös, sie war noch nie bei James zuhause gewesen und noch wichtiger sie war noch nie auf einer solch großen Feier gewesen. So wie die anderen es ihr erzählt hatten, waren dort jede Menge wichtiger Leute aus der Zaubererwelt und Lily hatte absolut keine Ahnung wie sich dort verhalten sollte. Und wenn Lily etwas nervös machte, dann war es wenn sie etwas nicht wusste.

Hätte sie doch bloß die Zeit in Hogwarts genutzt und in der Bibliothek nach Büchern geguckt wie man sich auf solchen Feiern verhielt. Was hatte sie sich überhaupt gedacht, dass sie der Einladung zugesagt hatte? Nervös zupfte sie an ihren Haaren herum in die sie vor ein paar Minuten noch Locken hineingezaubert hatten und die ihr nun offen über den Rücken fielen.

„Finger weg", schimpfte Sophia sanft und zog Lilys Finger weg. „Du machst die ganze Frisur kaputt."

Lily lächelte entschuldigend und strich stattdessen zum gefühlt tausendsten Mal ihr Kleid glatt während Sophia in ihr eigenes Kleid schlüpfte und sich ihre hohen Schuhe anzog. Dann stellte sich Sophia neben Lily und schlang einen Arm um Lilys Hüfte.

„Wir sind schon zwei Hübsche", sagte Sophia lachend und betrachtete ihr gemeinsames Spiegelbild. „Wenn ich das mal so frei sagen darf."

Für einen winzigen Augenblick stahl sich ein wirkliches Lächeln auf Lilys Gesicht als sie ebenfalls in den Spiegel blickte. Sie trug ein smaragdgrünes Kleid mit ¾ Ärmeln, dass ihr bis zum Knie fiel, während Sophia ein rotes trägerloses Kleid trug. Lily hoffte nur, dass sie passend für eine solche Feier gekleidet war.

Selbst auf der Fahrt zu James Haus war Lily angespannt und sie hielt krampfhaft den Saum ihres Mantels fest. Sophia warf ihr immer wieder besorgte Blicke zu, doch sagte nichts solange ihr Vater dabei war. Erst als sie draußen vor dem Tor standen, sprach Sophia: „Was ist los mit dir? Du siehst schon die ganze Zeit total nervös aus."

Lily zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung warum. Aber da werden schon ziemlich viele wichtige Leute sein, oder?"

„Ja schon", erwiderte Sophia. „Aber das kann dir doch egal sein. Außerdem bist du Hogwarts Schulsprecherin und diejenige die den Schulrekord für die besten Noten hält. Da sag mal einer, dass du nicht wichtig bist." Sie nahm Lilys Arm und zog sie durch das Tor. „Gekniffen wird hier nicht."

Allerdings stoppten beide Mädchen abrupt als aus dem Nichts vor ihnen das Anwesen der Potters auftauchte, das hinter Schutzzaubern verborgen lag. Es war ein riesiges Haus aus ehemals hellem Sandstein mit einer breiten Fronttreppe und großen Sprossenfenstern, die hell erleuchtet waren. Fackeln beleuchteten den Weg der hinauf zur Treppe führte und alles schien als ob es direkt aus einem Märchen wäre. Es half auch nicht gerade Lilys Nervosität, dass James in solch einem Haus lebte.

Vorsichtig machten sich die beiden auf den Weg zur Tür und kaum dass sie auf der Treppe standen, flog die Tür auf und James und Sirius steckten den Kopf heraus. Beide grinsten breit als die Mädchen die Treppe erklommen.

„James, Sirius", ertönte eine weibliche Stimme aus dem Haus. „Jetzt blockiert doch nicht den Eingang, die Mädchen müssen ja frieren draußen."

„Sorry", erwiderten James und Sirius sofort.

Sophia grinste breit und stupste Lily sanft an, ihr Blick sagte deutlich wie lustig sie es fand, dass James und Sirius sofort gehorchten, aber Lily war immer noch zu nervös um das ganze amüsant zu finden. Was wenn James Mutter ein totaler Drachen war und Lily überhaupt nicht mochte? Schließlich hatten Lily und James schon ein Date gehabt. Wer weiß was James seiner Mutter über sie erzählt hatte.

„Herzlich Willkommen", sagte die Frau freundlich. Sie war schmal und zierlich, die langen weißen Haaren, bei denen man noch erahnen konnte, dass sie einstmals rot gewesen sein mussten, kunstvoll aufgesteckt und sie hatte die gleichen braunen Augen wie James. „Schön, dass ihr gekommen seid. Ich bin Dorea Potter, James Mutter."

Lily und Sophia stellten sich höflich vor und über Doreas Lippen glitt ein wissendes Lächeln als sie Lilys Namen hörte.

„Jungs, seid doch bitte so nett und bringt die Mädchen schon mal in den Saal", fuhr Dorea fort. „Ich muss mich noch um ein paar Sachen kümmern, dann komme ich auch."

„Darf ich bitten?", fragte James und streckte Lily seinen Arm entgegen.

Lily musste lächeln. „Gerne." Sie nahm seinen Arm und ließ sich von ihm den Gang entlang führen. Irgendwie war sie jetzt viel weniger nervös, auch wenn sie das Haus immer noch ziemlich einschüchternd fand.

„Du siehst wunderschön aus", flüsterte er ihr zu und sie errötete.

„Danke", gab sie ebenso leise zurück. „Du siehst aber auch nicht schlecht aus." James trug einen schwarzen Festumhang, der ihm außerordentlich gut stand und er hatte versucht mehr schlecht als recht sein Haar zu bändigen.

Er lächelte zurück, doch jedes weitere Gespräch wurde unterbrochen als sie in den großen Saal traten. Lily konnte ein erstauntes Aufkeuchen nicht unterdrücken als sie sich umsah. Der Saal war riesig, an den Wänden zogen sich die hohen Sprossenfenster entlang und alles wurde von riesigen Kronleuchtern, die in der Luft schwebten erleuchtet. Von irgendwo her tönte leise Musik, gemischt mit den Gesprächen der vielen Leute die schon hier waren. Jetzt war sich Lily sicher, dass das Haus direkt aus einem Märchen kam. Es war wunderschön.

Quer durch den Saal kam jemand auf sie zu und quetschte sich durch die bereits anwesenden Menschen. Lily sah ab und zu nur blonde Haare aufblitzen und wusste, dass dies nur Marlene sein konnte. Sirius und Sophia hatten sich mittlerweile zu ihnen gesellt, genauso wie Remus und Peter.

Marlene zog Lily und Sophia stürmisch an sich als ob sich seit Monaten nicht gesehen hatten und nicht nur eine Woche lang. „Wie geht es euch? Hattet ihr schöne Weihnachten? Was habt ihr geschenkt bekommen?"

„Lene", unterbrach Caradoc sie lachend und schlang einen Arm um seine Freundin. „Atmen nicht vergessen und die Leute auch mal reden lassen."

Marlene grinste nur. „Sorry."

„Gut. Ja. Erzähle ich dir wenn wir mehr Zeit haben", antwortete Sophia. „Habt ihr die anderen schon gesehen?"

„Alice und Frank sind schon hier", erwiderte Remus. „Haltet euch besser von Franks Mutter fern, sie kann ganz schön unangenehm werden."

„Und die Meadowes habe ich auch schon irgendwo gesehen." Sirius warf einen auffällig unauffälligen Blick zu Remus, der leicht rosa anlief.

„Dann sind wir alle komplett", freute sich James. „Los, lass uns schon mal Plätze am Tisch suchen bevor die ganzen guten weg sind."

„Essen!" Sirius sah so unglaublich erleichtert aus, dass die anderen nur lachen konnten. „Ihr glaubt gar nicht was ich für einen Hunger habe."

„Du hast die ganzen Weihnachtskekse aufgegessen", erinnerte Remus ihn.

„Und es waren nicht gerade wenige", fügte Sophia hinzu.

„Das habe ich schon wieder vergessen", murmelte Sirius verlegen. „Aber ich bin ja noch im Wachstum."

„Wenn du in die Breite wachsen willst, dann ja." Remus schüttelte nur den Kopf.

Während des Essens ließ Lily immer wieder ihren Blick über die versammelte Menge schweifen. Es waren noch viel mehr Menschen als sie erwartet hatte und sie erkannte so einige wichtige Persönlichkeiten wieder. Es waren aber auch Leute da, die Lily aus der Schule erkannte.

Gideon und Fabian Prewett zum Beispiel, die ein Jahr über ihnen gewesen waren, zusammen mit ihrer Schwester Molly und deren Ehemann Arthur Weasley. Dann Albus Dumbledore und Minerva McGonagall, Emmeline Vance, die seit zwei Jahren in der Ausbildung zur Aurorin war und ihre Familie. Gabriel Bergström, ein Ravenclaw aus dem Jahr unter ihnen, zusammen mit einer Frau, die wahrscheinlich seine Schwester war und seinen Eltern. Eine Frau, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sirius aufwies mit den gleichen dunklen Haaren und dem aristokratischen feingeschnittenen Gesicht, wobei Lily sich aber fragte was jemand aus Sirius Familie bei den Potters machte. Vielleicht war aber Sirius nicht der einzige Vernünftige in seiner Familie.

Sie sah auch James Vater, ein großer Mann, dem James wie aus dem Gesicht geschnitten war, nur dass seine Augen blau waren. Er war in ein Gespräch mit Dumbledore vertieft, in das sich immer wieder ein Mann mit derartig vielen Narben einmischte, wie Lily es noch nie gesehen hatte. Das war Alastor Moody, einer der besten Auroren und viele Jahre lang der Partner von Charlus Potter gewesen, flüsterte ihr James zu.

Bald waren aber die Gespräche am Tisch interessanter als die ganzen Personen und es wurde viel gelacht und gescherzt. Lily vergaß schnell ihre Sorgen um das Gespräch mit ihrer Schwester und ihre ganze Nervosität. Dafür tat es einfach viel zu gut wieder bei ihren Freunden zu sein. Aber am besten fühlte es sich an sich nicht zu verstecken müssen, dass sie offen über ihre Schule, über die Magie reden konnte, dass die anderen sie verstanden, so wie es zuhause nicht ging. Es war nicht schlimm, dass ihre Eltern kaum eine Ahnung von der Welt ihrer Tochter hatten, aber sie verstanden sie nicht so wie es ihre Freunde taten.

Aber Lily wollte nicht daran denken, nicht heute, nicht wenn sie so glücklich war.

„Und stellt euch vor, sie hat uns ernsthaft gefragt ob wir schon Namen für unsere Kinder ausgesucht haben", berichtete Alice gerade während Frank neben ihr beinahe vor Lachen vom Stuhl fiel. „Und ich konnte nur Franks Großmutter anschauen und gar nichts sagen. Aber ich glaube die hat die Frage sogar ernst gemeint! Frank war natürlich keine große Hilfe." Sie sah ihren Freund streng an.

„Sorry", keuchte Frank. „Ich hätte dich vorwarnen sollen."

„Und?", fragte Sirius ernsthaft. „Habt ihr schon Namen ausgesucht?"

Der ganze Tisch brach in lautes Gelächter aus, nur Sirius setzte eine gespielt beleidigte Miene auf, doch er lachte schnell mit den anderen mit.

„Wusstet ihr, dass Lily James und Sirius mit einem 1A Schneeball außer Gefecht gesetzt hat?", erzählte Sophia lachend.

„Lily!", sagte Marlene gespielt erschrocken und fasste sich ans Herz. „Unser schlechter Einfluss hat endlich auf dich abgefärbt."

„Wir sind stolz auf dich", fügte Alice hinzu.

„Sie hat uns nicht außer Gefecht gesetzt", erwiderte James empört. „Es war nur ein Schneeball."

Lily lachte hell auf. „Aber einer der so gut platziert war, dass er ausreichte. Ich habe eben Talent."

„Es gibt auch nichts was du nicht kannst", lachte James bevor er wirklich realisierte was er gesagt hatte. Beide wurden rot und senkten ihren Blick schnell wieder auf ihre Teller ohne zu merken wie die anderen wissende Blicke austauschten. Selbst Peter merkte, dass zwischen den  beiden etwas lief.

Nach dem Essen stand James Vater auf und sofort sahen alle gespannt zu ihm auf. Er räusperte sich kurz und lächelte freundlich. „Ich danke euch allen, dass ihr ein weiteres Jahr wieder zu uns gekommen seid. Ich hoffe es war für euch alle ein gutes Jahr und all eure Neujahrswünsche haben sich erfüllt. Aber dieses Jahr sind nicht nur gute Sachen passiert und so will ich die Gelegenheit nutzen um euch ein paar Worte der Warnung mitzugeben. Ich bin mir sicher, dass ihr alle davon gehört habt, dass ein Dunkler Zauberer, der sich selbst Lord Voldemort nennt, sich auf dem Weg zur Macht befindet und bereits Anhänger um sich geschart hat."

„Ihr wisst was bereits in seinen Namen für Gräueltaten verübt wurden." Charlus Blick huschte für einen Moment zu Sophia und ein paar weiteren Gästen. „Ich möchte, dass ihr euch daran erinnert, dass trotz all unserer Unterschiede Muggel und Zauberer auch nur Menschen sind und keiner von uns der Bessere ist. Am Ende sind wir alle gleich. Ich bitte euch, dass ihr am Ende die richtige Entscheidung trefft, obwohl es vielleicht nicht die Einfache ist." Er lächelte verhalten. „Aber genug von diesen Dingen. Wir sollten die glücklichen Zeiten genießen und deshalb wünsche ich euch allen einen wunderschönen Abend."

Applaus erhob sich und darunter mischten sich aufgeregte Gespräche während die Tafel aufgehoben wurde. Dumbledore, Moody  und ein paar andere verzogen sich aus dem Ballsaal, tief in ein Gespräch vertieft. Als sie an Lily und James vorbeikamen verstand sie nur ein paar Fetzen.

„Wir sollten darüber nachdenken neue Leute zu holen", schlug Moody vor.

„Danke für deine Unterstützung", fügte Dumbledore an Charlus gerichtet hinzu.

„Kein Problem", erwiderte Charlus. „Ich komme gleich nach, ihr wisst ja wo ihr hin müsst."

„Weißt du worüber sie sprechen?", fragte Lily leise James.

James zuckte auch nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Das geht schon die ganzen Ferien so, dass Dad sich mit irgendwelchen wichtigen Leuten trifft. Dumbledore ist auch immer dabei. Emmeline, Gideon, Fabian und noch ein paar andere waren auch schon hier, aber keiner will mir mal wieder was sagen."

„Sie sind leider auch auf die Idee gekommen das Büro abhörsicher zu machen", mischte sich Sirius mit einem Seufzer ein.

„Warum wundert mich das nicht?" Lily verdrehte die Augen.

„Das habe ich mir auch gedacht." Remus kam zu ihnen herüber. Er sah entspannter aus, viel fröhlicher als in der Schule wie Lily erst jetzt richtig auffiel. Aber es würde ja auch noch dauern bis wieder Vollmond war.

Die Musik wechselte von einem ruhigen Lied zu einem lebhaften und fröhlichen Stück während Dorea mit einem Schwenker ihres Zauberstabes in der Mitte des Saals eine große Tanzfläche schaffte. Dann wurde sie von Charlus auf die Tanzfläche geführt und alle machten ihnen Platz.

„Der erste Tanz gehört traditionell immer meinen Eltern", erklärte James Lily. „Danach dürfen alle anderen."

Lily beobachtete das einsame Paar auf der Tanzfläche. Auch wenn Dorea und Charlus schon etwas älter waren, bewegten sie sich immer noch elegant und fließend. Charlus Blick verließ nie Doreas Gesicht während sie sich selbstvergessen durch den Saal drehten. Es war ihnen anzusehen wie sehr sich auch nach all den Jahren liebten und plötzlich wünschte sich Lily das sie auch so etwas erleben durfte. Diese allumfassende und niemals aufhörende Liebe.

„Wollen wir tanzen?" James Frage riss Lily aus ihren Gedanken, sie hatte gar nicht gemerkt, dass der Tanz von James Eltern schon zu Ende war und Charlus aus dem Saal verschwand.

„Ja." Lily strahlte ihn an, doch ihr Lächeln wurde von James noch übertroffen. Er sah so ein bisschen aus als wäre gerade sein größter Weihnachtswunsch in Erfüllung gegangen. Aber vielleicht war es das ja auch.

***

James konnte es immer noch nicht so ganz fassen, dass Lily gerade mit ihm tanzte. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren ihr nicht auf die Füße zu treten während er gleichzeitig sich daran hindern musste ihr nicht die ganze Zeit ins Gesicht zu starren weil sie so schön war.  Er hatte viele Jungen sagen hören, dass Lily keine Schönheit war, dass ihre Nase zu klein war oder dass ihre Lippen zu voll waren. Aber es kümmerte ihn nicht. Sie hatte etwas an sich, dass sie schön machte, was er nicht beschreiben konnte.

Im Augenwinkel sah er wie Remus und Dorcas nebeneinander standen und die tanzenden Paare beobachten. James wusste, dass Remus schon lange auf Dorcas stand, doch er hatte nie den Mut gehabt sie anzusprechen, auch wenn alle wussten, dass Dorcas genauso sehr auf Remus stand. Und wenn einer ein bisschen Glück verdient hatte, dann war es Remus.

„Remus sollte Dorcas einfach fragen", sagte Lily gerade und James sah sie erstaunt an.

„Kannst du Gedanken lesen?", fragte James. „Das gleiche habe ich auch gerade gedacht."

Lily lachte während er sie noch einmal herumwirbelte. „Die beiden brauchen einfach mal einen Schubs in die richtige Richtung."

„So wie wir beide." Die Wörter waren ihm einfach herausgerutscht.

„Ja", lachte Lily nur. „So wie wir beide."

„Da fällt mir etwas ein." Ein breites Grinsen zog sich über James Gesicht und er beugte sich zu Lily hinunter, die auch mit hohen Schuhen immer noch kleiner war als er und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Lily nickte begeistert. „Das ist gut."

Als das Lied endlich endete machten sich die beiden auf den Weg zu Remus und Dorcas, die sich immer noch am Rande der Tanzfläche unterhielten und es kaum wagten sich in die Augen zu sehen.

Kurzerhand zog Lily Remus auf die Tanzfläche und James forderte Dorcas auf, die ihm widerstrebend folgte. Auch Remus hatte nicht wirklich Lust zu Tanzen, doch Lily war da unerbittlich und Remus wusste, dass wenn Lily sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann bekam sie das auch. Also leistete er keinen Widerstand.

„Du magst Remus sehr gerne, oder?", fragte James gerade Dorcas. Die beiden tanzten gerade am anderen Ende des Saales.

Eine feine Röte zog sich über Dorcas blasse Wangen. „Ja. Ist es so offensichtlich?"

James lachte gutmütig. „Für uns schon, weil wir dich kennen. Remus mag dich nämlich auch."

„Ja?" Dorcas versuchte nicht allzu hoffnungsvoll zu klingen. „Aber warum zeigt er es dann nicht?"

„Weil er einfach ein zu sturer und nobler Mensch ist", seufzte James. „Aber er verdient genauso Glück wie alle anderen Menschen auch." Er wirbelte Dorcas herum, so dass sie mit einem Mal in der Mitte der Tanzfläche waren.

In dem Moment kamen auch Remus und Lily angetanzt und gleichzeitig ließen James und Lily ihre Tanzpartner stehen. „Sorry, Partnertausch", sagte James lachend und schon tanzte er mit Lily davon.

Remus und Dorcas standen etwas verloren inmitten der ganzen tanzenden Paare und wussten nicht so recht was sie mit sich anfangen sollten. Remus atmete einmal tief ein und aus, bevor seinen ganzen Mut zusammen nahm und fragte: „Willst du mit mir tanzen?"

Dorcas hob vorsichtig den Kopf, ein Lächeln auf ihren Lippen. „Sehr gerne."

„Das war eine tolle Idee", sagte Lily zu James während sie beobachteten wie Remus und Dorcas tanzten und scheinbar die Welt um sie herum vergaßen.

„Ich habe da so meine Momente", lachte James, mit nur einem winzigen Hauch seiner alten Arroganz, doch Lily schien es ihm nicht übel zu nehmen, denn sie lachte nur darüber.

„Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass es keiner von den beiden wieder kaputt macht", seufzte Lily.

James dachte sich genau das Gleiche. Aber es war für die beiden vielleicht schon mal ein Anfang.

Der Rest des Abends verwischte in einer berauschenden Mischung aus Gelächter, Glück, Fröhlichkeit, vielen Tänzen und Lilys Lächeln. James war sich sicher, dass er in seinem Leben noch nie so glücklich gewesen war.

Und als sie alle das neue Jahr einläuteten war er damit zufrieden einen Arm um Lily zu schlingen und in ihre grünen Augen zu gucken. Als gerade keiner hinsah, küsste sie ihn schnell auf die Wange und wünschte ihm ein fröhliches neues Jahr. Wenn er das letzte Jahr zurück dachte, dann erkannte wie viel sich in so kurzer Zeit geändert hatte, Gutes und Schlechtes, doch er wollte es nicht anders haben.

Sein Glück konnte auch nicht auch dadurch getrübt werden, dass Dumbledore, Moody, Charlus, Mikael und Elina Bergström und noch ein paar andere abrupt die Feier verlassen mussten weil sie zu einem Einsatz gerufen wurden.

Es war beinahe schon morgens als Lily und James sich in eine ruhige Ecke verzogen und sich auf eine der breiten Fensterbänke setzten. Draußen fiel immer noch dichter Schnee während die Sterne funkelten und ab und zu golden ein einzelnes Feuerwerk verglühte.

Lily streifte ihre hohen Schuhe ab und lehnte den Kopf an James Schulter. Vorsichtig schlang einen Arm um sie und Lily kuschelte sich näher an ihn.

„Bist du glücklich?", fragte er mit einem Mal.

Lilys Augen waren schon halb geschlossen, so erschöpft war sie, doch auf ihren Lippen lag immer noch ein Lächeln. „Ja."

Und dann wusste James mit einem Mal warum sie so schön war. Sie war schön weil sie Lily war.

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Ich hoffe das ist nicht zu kitschig geworden :) Es hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht das Kapitel zu schreiben :D

Und für alle Animagus-Leser: ja der Ball kommt bald :)

veröffentlicht: 03/2014 | editiert: 01/02/2022

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